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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189106025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-06
- Tag1891-06-02
- Monat1891-06
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1891
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Kedaction und Lkprditioil Johannesgasse 8. Aprkchliniidlii drr ttrdaction Bormiltags 10—12 Uhr. Nachmittags 5— 6 Uhr. tzttr die NUckAade eingejandtcr Mannscrivte macht sich dle Redacuon nicht verbindlich. Annahme der für die »nchstsolgrnde Nummer bestimmte» Inserate au Wochentafte» bis Z Uhr Nachmittags, an Tonn- und Festtage» srül, dis' -Sttvr. In drn Iilialr» für Ins.-Jniinlimr: Ltto Klrmin's Lortim. i-tlfred Hahn), Universitatsnraße I, Lonis Lösche, Kaiharinenstt. 14, pari, und Königsplatz 7, nur bis ',,8 Uhr. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgcschichte, Handels- und GcschLftsvcrkchr. Abonnementspreis ^ vierteljährlich 4ff, Mk. in M-Leipzig, incl. Bringerloh» 5 Mk., durch die Post bezogen t> Mk. Einzelne Nrn. 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tagebiatt-Formai gesalzt) ohne Poslbesöroerung 60 Mk, mit Poslbesördcrung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut uns. Preisverzeichnis. Tabellarischer u.Zissernsatz nach höherm Tarif Reelamen unter dem RedactionSstrich die saespalt. Zeile 50Ps.,vordc» Famii iennachrlchtea die 6 gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die Expedition za jeudcn. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumerrcmlo oder durch Post» Nachnahme. Dienstag den 2. Juni 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Die Beerdigung unseres verstorbenen College», des ordentlichen Professors der philosophischen Facultät Herrn Geheimen Hosraih v?. pliil. et tkeol. Anton Springer, bomthnrpp. findet Mittwoch, den 3. d. M., Nachmittags 4 Uhr, vom Traucrhausc. Querstraße 26/28, aus statt. Für diejenigen Herren College«, welche an derselben theilnehmen werden, stehen Wagen von 3*/„ Uhr an vor dem Augusteum bereit. Leipzig, am 1. Juni 1891. Ter Rector der Universität. vr. Karl Binding. er angehört, nach seinen Kräften ausfülle und daß er alle seine Handlungen dein Wohl der Gesammtkcit dienstbar mache- DcShalb ist auch der Agitation für bestimmte Parteiinlcrcffcn heute eine enge Grenze gezogen und große allgemeine Gesichts pnncte können für das Partcileben der Gegenwart Geltung beanspruchen, die Verpflichtung ans Programme, weiche sich aus bestimmte Fragen zweiten Ranges beziehen, ist nicht mehr zeitgemäß. Wenn die staatliche Existenz gesichert ist, kann man sich de» Luxus von Programmpunctcn gestatte», sie dienen dazu, das politische Leben anzurcge», es vor Er schlaffung zu bewahren, wenn aber von allen Seilen Gefahren iZtlraillltliliichutty, die Revision der Wahllisten für die LaudtagStvahIcn drtr. Tie Landiagswahllistcn, welche nach der Bestimmung in §. 24 des Wahlgesetzes vom 3. Tcecmber 1868 iin Monat Juni jeden Jahres einer Revision zu unterwerfen sind, liegen vom 4. — 6. und 8. —10. dieses Monalo iin Ttadthausc, Ldstmarkt 3, III. Stock, Ziinmcr löl, an jedem Tage von Vormittags 8 bis 1 Uhr und Nachmittags 3 bis 6 Uhr zur Einsicht für die Be theiligten aus. Den Anträgen aus Ausnahme in die Wahlliste oder Streichung solcher Personen, denen das Wahlrecht nicht zusieht, sind die Nach- weise der Stiminbcrcchtiguiig, bezw. des Mangels dcriclben, bcizi'.fiigcn. Hierbei machen wir noch bejonderS daraus auimerkiani, das; die Liste der Stiinmbercchtigten im I. Wahlkreise der Stadt Leipzig, in welchem in dicieni Jahre Wahl slattzufinden hat, vor dem später erst noch zu bestimmenden Wahltcrniinc nochmals sieben Tage zur Einsichtnahme ansgeleftt, auch sodann gleichzeitig die Ein- theiluiig der Wahlkreise bekannt gemacht werden wird. Leipzig, am 1. Juni 1891. Ter Rath der Stadt Leipzig. IL 43. vr Georgi. Clauß. Sckanlltniachuilg. Tie Zimmer-, Ltrininct;-, EiseneoiistrurlioiiS-, Kle»ip»cr- und Schmiedearbeiten zum Bau des Zwangsarbeitshauses hier sind vergebe». Die nicht berücksichtigten Bewerber werden daher ihres Angebots hiermit entlassen. Leipzig, am 27. Mai 189t. Ter Rath der Stadt Leipzig. Ör. Georgi. Lindner. Io. 2306 752. Kirscheilvrrpachtullg. Die diesjährige Nutzung von den fiscalischen Kirschbäiimen an den Straßen der nachgenanntcn AinlSslraücnmcisterbezirke soll gegen sofortige baarc Bezahlung und unter den sonstige» bei Eröff nung der Termine bekannt zu gebenden Bedingungen im Wege des Mcisigebots öffentlich verpachtet werden und zwar: 1. Freitag, den 5. Jnni dss. Js, von Vorm. 1v Uhr an im ttzasthofc „znin Zimmerhos" in Borna die Nutzung der »irsch-AUeen im Bezirke der Amtsstrafzenmeistcr Hau!,!»»»«!» in Borna und Orlmm in Lobstädt, 2. Sonnabend, de» 6. Juni dss. Js., von Borm. 10 Uhr an t»> Rümmler'fchcn Nrftanrant am Bahnhöfe ;n Frohbnrg die Nutzung der ttirsch-AUcen im Bezirke des Amtsstrastciimeisters t'elirmauu dasctdst, 3. Montag, den 8. Jnni dss. IS., von Nachm. 4 Uhr an im Gailhöfe „zum Kronprinz" in Groitzsch die Nutzung der itirsch-AUecn im Bezirke dcS AmtsstraizrilUicisterS >eudort daselbst. Nähere Auskunft über die einzelnen Straßen und deren Unicr- abibcilungen, jowie über die Anzahl der anstehenden Kirichbäumc eriheilen die vorgenannten Amtsslraßenmeistcr und die Wärter der einzelnen Straßenabtheilunaen. Königl. Straßen- und Wasserbau- Königl. Ban- Jnfpcction Leipzig, vrrwaltcrci Borna, am 26. Mai 1891. Michael. Tieroff. Airschtliverpllllituilg. Die diesjährige ttirschennutzuiig an den fiscalischen Straßen des Bauverwaltereibezirks Leipzig soll Sonnabend, ve» 6. Juni 18S1, von Vormittag- 10 Uhr an im Saale des hiesigen LchiihmacherinnittigshauseS (Schloß- gasse Nr. 10> meistvictenS gegen sofortige Baarzahlnng und »iilcr den im Tcrniiiic bekannt zu machenden Bedingungen verpachtet werden. Tic in Frage komn,enden Straßcnabtheitnngen bez. Unterabtbeilungcn, ingleiche» die Anzahl der daraus anstehende» Bäume sind vor dein Termine aus in den Händen der Herren Amtsslraßenincisicr und der sämmtlichen Straßenwärter des Bezirks befindlichen Verzeichnissen zu ersehen. Leimig, am 29. Mai 1891. Königliche Straßen- »nd Königliche Bau- Wasserbauinspectio». vcrwattrrei. königl. Kunstakademie und Lunstgewerbeschnle ;n Leipzig. Aus vielfach geäußerte Wünsche bleiben Dienstag, den 2., Mitt woch, den 3., und Tonnerstag, den 4. Jnni d. I., Vorm, von l l bis 1 Mittags zur uiirntgeltliche» Besichtigung im Anslattsgebüubc, Wächlerstraße 11, ansgestcUt: I > eine franzöi- Ausgabe Heliogravüren der Werke Meissonier'S, 2) die von Herrn Pros. Hasclbrrgrr wieder hergcstclltcn Lürcr'schen Fensiervilüer aus der Pandauer Eapelle in Nürn berg von 1508, sowie folgende »Mer Betheiligung von Schillern in der Glasmalerabtheilung gesertigte Arbeiten: 3) eine getreue 'Nachbildung der Türkischen Fenstcrbilder, 4) Vierpassebiivrr. Scencn a»S dem deutschen Ritter- und Minneleben nach Zeichnungen von Wohlgemulh und 5) das Wappen des deutschen Reiches und der 7 Wahlsürsten a. d. 16. Jahrhundert- Leipzig, den 1. Juni 1891. Ter Tireetor: vr. Luckir. >iepor. Die DeschMc des nalioualliberalen Parteitages. Ter Verlauf und daS Ergebniß des naiionalliteralen Parteitages vom Tonntag machen einen sehr wobltbuciidcn Eindruck, die Verteter der Partei haben sich auf der Höhe ihrer Ausgabe gezeigt und ihrer Vaterlandsliebe ein riibm- lichc- Zcugniß ausgestellt. Wir leben i» einer Heit, welche die höchsten Anforderungen an ihre Söhne stellt, sie verlangt, daß Zeder seinen Play als Glied de- großen Ganzen, welchem seinen mir nach allgemeinen GesichtSpnnclcn bestimmt werden. Für die wirlhschastliche Wohlfahrt dcS Tcutschen Reicks ist cs von der höchsten Wichtigkeit, daß die gegenwärtig thcils schon vereinbarten, tkeilö dem Abschluß zuneigenten Handelsverträge zu Stande kommen. Es war eine Handlung der Klugheit, die Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung der Handelsverträge dem Ermessen der Person zu überlassen, statt sie zur Parteiparole zu erheben, denn hier treffen politische, parteiliche unk persönliche Interessen zu sammen, und cs ist eine stets sich wiederholende Erfahrung, daß in solchen Fragen die volle Freiheit der Entschließung zugleich daö festeste moralische Band gewährt, nichts zu lhun, waS der allgemeinen Wohlfahrt zuwiderlaufeil oder ihr Hindernisse bereiten könnte. Tie Tclcgirten der national liberalen Partei haben mit richtigem Blick in diesem Punete volle Freiheit ihrer Parteimilgticdcr verkündet. Wir haben die Uebcrzcugung, daß diese Freiheit lediglich im Dienste des allgemeinen Besten zur Geltung gelangen wird. * drohen, welche de» Bestand des Ganzen in Frage stellen, dann ist es nölbig, mit den Partcigcgensätzen aufzuräumcn und die Nntcrscheidnng zur Richtschnur zu wäblcn: Wer ist für Erhaltung der bestellenden Staats- und Gcsellschaslö Orgaui- sation und wer nickt? Wie bedenklich Programme sind, die sich bis aus Einzel heiten erstrecken, bat daS Programm der im Jabre 1881 ge gründeten deutsch freisinnigen Partei bestätigt. Tic Anhänger dieser Partei haben fick verpflichtet, gegen die Sccialpolilik der Regierung aufzlitretcn und statt deren die Selbsthilfe als Grundlage der socialen Entwickelung aufzustcllcn und an- znerkenneil, sie erkläre» sich gegen die Eolonialpolitik der Regierung und wollen auch auf diesem Gebiete der Thätigkeit der Interessenten volle Freiheit gewähren, ihr aber auch die alleinige Vertretung etwaiger Miß erfolge überlassen. Sic agitirc» für die Einführung der zweijährigen Dienstzeit und für alle möglichen Erleichter ungen und Freiheiten, aber sic lassen keine Rücksicht ans be stellende Verhältnisse obwalten, ebenso wenig wie die Erwägung, ob denn auch die Zcitströmung für die von ihnen gewünschten Renerungen günstig ist. Zn der Praris bat sich daraus eine Annäherung der Freisinnigen an die Socialdemekratic ergeben, die kaum den Wünschen der Partei entspricht, und cS hat äck ei» Gegensatz zu grundsätzlich verwandten Parteien heraus gebildet, welcher nur auf Kosten des GesammtwohlS aufrecht erhalten werde» kan». Die Gegenwart bedarf der Ausgleichung der vorhandenen Parteinnicrschicdc im Interesse der Gesainmtivohlfahrt. und deshalb spricht man heute von staatscrhaltenden und staats feindlichen Parteien. Der durchschlagende Gegensatz ist damit gekennzeichnet, cS ist damit gesagt, daß alle Einzclsragcn hinter der Hauptfrage der staatlichen und gesellschaftlichen Existenz zurückstchc» müssen. Auf diesen Standpunct haben sich die Vertreter der nationalliberalcn Partei in Berlin gestellt, sie haben einen Beschluß cinslimmig angenommen, welcher besagt, daß die Partei in Fragen der Reichs- und Landcspolitik unter Be Währung ihrer alten Treue zu Kaiser und Reich ihre durch aus selbstständige, von der Rücksicht auf das Gcsammtwokl bestimmte, nach jeder Seite unabhängige Haltung bewahren, insbesondere die alten liberale» Grundlagen pflegen will. Diese Fassung scheint u»S eine besonders glückliche zu sein, weil sic dem Zrrthum entgegen tritt, daß die Vereinigung der staatS erhallenden Parteien zum Schutze gegen die Ümsturzpartci ein Aufgebot der liberalen Grundsätze zum Nutzen der couservativcn Partei bedeute. Sieben doch alle Parteien im Staate im Kriege dem Feinde gemeinsam gegenüber. Es wird Niemandem einfallen, daraus einem Vcrtkcidiger des Vaterlandes einen Borwurf zu machen, ihn der Grundsatzlosigkeit oder der Ver äntcrlichkcit ;» zeihen. Sonderbarerweise scheint das, was dem äußeren Feind gegenüber als Regel allgemeine Geltung bat, ans de» inneren nach der Ansicht bestimmter Parteien keine Geltung zu habe». Tie Freisinnigen haben sich stets als entschiedene Feinde der Socialdcmokratie be kannt, sie kabcn aber ihre Handlungsweise nicht dein ciitsprcchcnd eingerichtet. Die Socialdcmokratie Kat fick des ihr nach Lage Vortbeils der Bnndesgenossenschast der freisinnigen Partei nickt bedient, weil sie auch zum Nachtbcil ihrer Bestrebungen in theoretischen Vcrurthcilcn befangen ist. Wenn die Social- dcmokralic politisch verfahre» wollte, so müßte sic sich ga» offen mit den Freisinnigen verbünden und ein Eartcl mit ihnen auch formell Herstellen, wie cS tbatsächlich seit langer Zeit besteht. Tie Freisinnigen eifern immer gegen die politische Grundsatzlosigkeit der Nc.tionalliberalcn, weil diese zu einem ganz bestimmten Zweck ein Eartcl mit den Eon servativcn eingcgangen sind. Mögen sich doch die Freisinnigen fragen, welchen Namen ihr Verhältniß zum Centrum und zu den Socialdemokratcn verdient. Tic Tclcgirten der nationalliberalcn Partei haben voller Uebercinstimmung mit den Anforderungen der Gegen wart die Notkwcntigkeit ausgesprochen, daß ans socialpoliti schein Gebiete ein Ruhcpunct cintrcte, der es gestattet, der Durchführung der seit einem Jahrzehnt beschloiicncn Gesetze die erforderliche Sorgfalt zuznwcndcn. Diese Nothwendigkcit wird sicherlich auch >n> Bundesrathe anerkannt, und cs ist nickt zu erwarten, daß der Fürsorge für die Arbciter-In validen, -Kranken und Arbeitsunfähigen auch nock die für Witlwc» und Waisen binnen kurzer Zeit folgen wird, ob wobl daS Bedürfnis; dazu für die Zukunft unzwciselhaft vor liegt. Die sociale Frage ist wcltbeteutend, sie kann nickt von einem Zähre zum andern gelöst werden, aber daS Deutsche Reich bat daö Verdienst, i» dieser Beziehung die Bahn ge krochen und zuerst den Weg bezeichnet zu ballen, welcher ohne Umwälzung des Bestehenden zum Ziele führen kann. Augenblicklich gebt neben der politischen Frage deS socialen Ausgleichs die wirtbschastlicke dcS Arrangements der Zoll verhaltnisse her. DaS ist eine Angelegenheit, die nicht nach Parteiprogrammen, sondern lediglich nach pflichtmäßizem Er messen entschieden werden muß, wie die Berliner Resolution treffend sagt. Wie sich aber die Extreme berühren, so muß auch in diesem Falle daS pflichlmäßige Ermessen deS Ein in z,' * Wir lasse» im Anschluß hieran den uns seitens der Nationalliberalen Eorrcspoiikenz" zngegangencn Bericht über den Tclegirteiitag folgen: * Berlin, 31. Mai. Ter nationalliberale Delc- irtcntag dal heute bei sehr zahlreicher Betheiligung in Berlin slailgcfunden. Es mochten etwa 400 Telcgirte ans allen Tbeilen des Reichs, sehr viele namentlich auch ans Südkeutschland, zugegen sein. Tie Mitglieder der national- liberalen Partei des Abgeordnetenhauses waren wobl voll zählig anwesend, von sonstigen namhaslc» Parteigenossen be merkte» wir ». A. die Herren v. Bennigsen, Bubt, Oeckel- bäuser, Wörmann, Georg Meyer-Heidelberg, Osau», Bürklin, Boettchcr, Siegle, Holtzmann, BruningS, v. Marguardsen, Schneider, Tuvigncan, Goetz, Wolsson. Der Tclcgirtcntag wurde gestern Abend durch eine gesellige Zusammenlunst im Spatcnbräu eingelötet. Heute srük tO Uhr fand eine Be- prcchuuz dcS Eeutralvorstandcs statt und gegen l2 Uhr be gannen die Verhandlungen der Delczirlen. Herr Hob recht leitete die Verhandlung ein, indem er ans den Wunsch zahlreicher Parteigenossen binwicS, nach länger Unterbrechung und mannigfachen wichtigen Verände rungen in unserer inneren Politik mit Parteifreunden in weiterem Kreise in Gedankenaustausch zu treten. Es herrsche auch der Wunsch, solche Versammlungen in Zukunft öfter zu veranstalten. Die Verhandlung sollte aber den Edarakter einer vertraulichen Bcratbung bewahren. ES sei unvermeid lich, baß in manchen Fragen in einer großen Partei gewisse Verschiedenheiten der Meinung und Auffassung auslrcten, die nationalliberale Partei habe aber in einer lange» Geschichte die Grundlage sestgcstellt, auf der sich alle Gegensätze ver söhnen könnten. Zum Vorsitzenden bezw. stellvertretenden Vorsitzenden wurden die Herren Ho brecht und Buhl, zu Schriftführern die Herren Holtzmann und Sattler er nannt. Alsdann ergriff, von lebhaftestem Beifall begrüßt, Herr von Bennigsen das Wort und sührte etwa Folgen des auS: Ter zahlreiche Besuch beweise, daß die Abhaltung einer solchen Bcrsaminluug den Wünschen weiter Kreise entsprochen habe. Mil vollen, Vertrauen zu einander und mit dem Bewußtsein der Nothwendigkcit des festen ZusammenhaltenS der Partei seien die GesinnungSgcnosscn zusammengctretcn. Tie nationalliberale Partei sei kein zufälliges Partcigcbilde von cpbcmcrcr Bedeutung: sie habe in ihrer langen Thätig- kcil reiche Spuren ihrer Wirksamkeit hintcrlasscn und sich m die Geschichte des BatcrlandeS unvergänglich cingegrabc». Sic sei ein nothweudigcs Ergcbniß der Bcrhälinissc zur Zeit vor 25 Jahren. Der gebildete und besitzende Mittelstand habe in dieser Partei stet- einen Ausdruck gefunden. Der Redner warf nun einen Rückblick auf die Entstehung »nd Geschichte der Partei und ermahnte, Diejenigen, die den nationalen Staat gewissermaßen als historisches Geschenk überkommen, möchten für Erhaltung dcS schwer Er rungenen sorgen. Von den kleinen wirtksckastliche» und politischen Verhältnissen vor 1866 macke nian sich kaum mehr eine Vorstellung. Ein anderes Geschlecht sei groß ge worden, mit anderem Gefühle und Interessen, die Grund- ansckauung sei aber bei unseren Gesinnungsgenossen dieselbe geblieben, die Liebe zu einem freiheitlichen politischen Leben und die Hingebung an einen starken nationalen Staat. Die Schwierigkeiten und Hemmnisse der Begründung des letzteren beleuchtete der Redner eingehend. Tie Aufgabe unserer Partei war damals, mit Kräften zusamincnzuwirken, die in vielfacher Beziehung andere Anschauungen halten. Verständigung im Reichstag war nothwcndig und konnte, da sic nack links bin fast immer versagte, nur mit gemäßigten patriotischen Ele menten der Rechte» erfolgen. Ein geordnetes Staalswcscn setze die Mitwirkung starker conservalivcr Elemente voraus. Daß solche Kräfte mit den Liberalen zusammenwirkten, habe große Erfolge zuwege gebracht. In einer solchen ver mittelnde» Stellung haben wir Angriffe von allen Seiten über die Gerechtigkeit hinaus über uns ergehen lassen müssen. Viel Feind, viel Ebr! Andere Parteien versuchten jetzt vergessen zu macken, wie viele Schwierigkeiten sie der Festigung dcS Reichs bereitet; sie geberdetcn sich jetzt als Schützer derjenigen Güter, die sie (einer Zeit heftig bekämpft haben. Freie Bahn war für die Betätigung eines regen Lebens auf allen Gebieten ge schaffen. Tie politische Befreiung, daS Erwachen dcS natio nalen BcwußtieinS hatte alle Kräfte entfesselt. Namcntlich unser wirtschaftliches Leben hatte seil 187l einen Aufschwung genommen, der kaum für möglich gehalten worden. Tie ruhige Entwickelung in Deutschland wurde durch verschiedene Ereignisse unterbrochen: den sogen. Eulturkampf, das Ueber niaß der Spekulation und Production und die daraus ent siebende wirtbschastlicke Krisis, die dann das Verlassen dcS CvstcmS dcS Freihandels zur Folge hatte. Die wirthschast licken Gegensätze haben seiner Zeit hauptsächlich eine Trcn nung der nationalliberalcn Partei hervorgebrackt »nd den Rückgang dcS Einflusses dcS liberalen BürgcrstandeS gegen über den Eonservativen und Ultramontanen berbcigcfübrt. Der Redner verbreitete sich dann über die kirckcnpolitisch Frage, die an Schärfe etwas abgenommen habe, aber in dem Kampf um die Schule wieder lebhaft zum AuSbrnch kommen werde. In diesem Kampf finde der llltramontaniSnttiS aber nnS und andere Parteien z» entschiedenem Widerstand vereint. Keine Regierung in Deutschland könne »nd werde die Schule der Kirckc anöliescrn. I» wirthschastlicker Beziehung habe unsere Partei stets den Grundsatz festgehalten, daß Zoll- und handelspolitische Fragen nicht in daS Programm einer poli tischen Partei gehörten. Die Partei umschließe mehr al- andcre verschiedene landschaftliche Gegensätze und wirthschast» licke Interessen; eine Auslösung der Partei würde durch die Ausnahme wirthschastlicker Frage» in daS Programm ent stehen. Tic Ansichten über den Schutz der Landwirthschaft seien sehr verschieden. Jedoch haben die Gegensätze einiger maßen an Schärfe verloren. Daö Widerstreben gegen agra rische Zölle sei nicht mehr in dem früheren Maße vorhanden. Es sei die Ueberzcugung durchgedrungen, daß die Kornzölle nickt blos dem Großgrundbesitz, sondern auch dem Bauern land zu Gute gekommen. Selbst die freisinnige Partei trete mit großer Zurückhaltung an diese Fragen heran. Im Zu sammenhang hiermit warf der Redner einen interessanten Strcisblick auf England, wo sich allmäliz eine Latifundien- wirtbschast wie in den schlimmsten Tagen der römischen Kaiscr.eit und ein bedenklicher Rückgang in dem Umfang der mit Brodfrucht bestellten Ländereien ergeben habe. In Deutschland drehten sich die Gegensätze jetzt mehr um da- Maß und die Form deS Schutzes für landwirthschaftliche Produkte, als um den Schutz selbst. Stimmen seien laut geworden, die von unserer Partei verlangen, sic solle sich schon jetzt gegen den österreichischen Beitrag, der noch gar nickt bekannt, grundsätzlich erklären, wegen der vielleicht bevorstehenden Herabminderung der Korn- zöllc. Davor möchte Redner warnen. Jede einzelne Be- llimmuiig löiiiie ihre Beurtbeilung nur im Zusammenhang des Ganzen finden. Der Redner hob auch den politischen Werlb des Vertrags mit Oesterreich hervor und wies auf die nationale Bedeutung deS früheren Zollvereins hin. Sodann ging der Redner aus die sociale Bewegung über. Die AuS- uabmcmaßrcgcln wären leicht im Stande, die Ausbreitung der Bewegung zu hintern, jedenfalls aber haben sie ihn den rohen und brutale» Charakter einigermaßen benommen. Man bat dann versucht, durch die Gesetzgebung den berechtigten Kern der Arbciterforderungcn zu berücksichtige». Diese Ge setzgebung sei durch die Arbeiterschutz- und BersicherungSgesetze z» einem gewissen Abschluß gekommen. Kein Land der Welt besitze ei» so umfassendes Svstcm der Gesetzgebung zum Arbciterwohl. Ein gewisser Stillstand sei aber jeüt zu empfehlen; die Gesetze seien praktisch schwer durchführbar, und eö werde längerer Jahre bedürfen, um sie sich einlebcn zu lassen. In de» Kreisen der Unternehmer seien diese Gesetze vielfach niit Mißtrauen und Mißstimmung aus genommen worden. Unsere Industrie producire gegenwärtig in Folge dieser Gesetze ungünstiger als andere Länder. Aber diese Gesetze werden bald auch anderwärt- eingesührt werden müssen und einen versöhnenden und beruhigenden Einfluß auSüben. Tie Arbeiter werden sich überzeugen, daß eS doch werthvolle Errungenschaften sind. Auf die Aauer kann die- Bvrgehen seinen Einfluß nicht verfehlen. Die Arbeitgeber haben sich bisher als die Stärkeren erwiesen, zumal wenn sie sich nach dem Beispiel der Arbeiter in Eoalitionen zusammen- Ihun. Wenn sie daneben Billigkeit, Gerechtigkeit und Schonung gegen die Verführten, »eben der vollen Strenge gegen die Verführer wallen lassen, so wird man daS Ver trauen haben müssen, daß die Arbeiter sich der socialdemo- lralischen Verleitung mehr und mehr entziehen. Den Arbeitern könne man keinen Vorwurf macken, daß sie das ihnen durch taü allgemeine Wahlrecht cingeräumte politische Machtmittel l e intzeii, sie müßten cö aber in den Grenzen des Recht- und Gesetzes thun. In diesem Zusammenhang entwarf der Redner eine treffende Kennzeichnung des socialdcmokratischen ZukunftS- skaates. Mit Vertrauen können wir in die politische und wirthschaftlicke Zukunft hinauSseben, aber nur wenn wir Alle unsere politische Pflicht thun. Redner beleuchtete schließlich die unselige uationalpolitisckc Geschichte Deutschlands und die Ursachen, warum die Deutschen so spät und so schwer zu einem nationalen Staat gelangen konnten. Die national- liberale Partei sei ihrer ganzen Vergangenheit und Zusammen setzung nach besonder- berufen, die nationalen Güter zu wahren. Die Zersetzung der Partei würbe nur zur Ver schärfung der schroffen Gegensätze von rechts und linkS führen. Auch innerhalb unserer Partei müßten wir Verträglichkeit, Ausgleichung, Vertrauen, Duldung abweichender Ansichten üben. Daö Wohl des Vaterlandes soll u»S unter allen Um ständen höher stehen als die Interessen Einzelner. Mit einem warmen Appell an die Nation, fcstzuhalten an dem schwer Errungenen, schloß Redner unter stürmischem, langandauern- Lcm, von Erbeben von den Sitzen begleitetem Beifall. In der nun folgenden Debatte, an der sich vorzugsweise die Herren Georg Meyer-Heidelberg, Kahl - Bonn, Stockmayr-Stuttgart.Osann-Tarmstadt, Molden Hauer- Köln, Buhl - Bcrgsträßer - Tarmstadt, Duvigneau- Magdeburg, Aub-Müuchcn u. A bctheiligteu, wurden die politischen und namentlich auch die Handels- und zollpolitischen Verhältnisse und Stimmungen in den verschiedensten Gegenden deS Reichs beleuchtet. Sehr warme Worte der niemals er löschenden Dankbarkeit und Verehrung wurden dabei von den verschiedensten Seiten dem Fürste» Bismarck gespendet. Es wurde beschlossen, in einem bei dem Festmahl beab sichtigten Trinkspruch riese Gefühle auszusprechen und sie dem Mitbegründer des Reiches als Gruß z» übermitteln. Schließlich wurde die folgende, von Württemberg auS be antragte und durch den Tclcgirten Stockmayr begründete Resolution einstimmig augenommcn: „Der Delegirtentaz erklärt: 1) daß es Aufgabe der Partei in Fragen der RcichS- und LaudcSpolilik ist, unter Betonung ihrer altbewährten Treue zu Kaiser und Reich ihre durchaus selbstständige, von der Rücksicht auf das Wohl des Ganzen geleitete, nach jeder Seite unabhängige Haltung zu bewahre» und insbesondere die alten liberaicn Grundfätzc zu pflegen; 2) daß er auf socialpclitischcm Gebiet einen Rubepuncl sur gekommen erachtet, der eS gestattet, der praktischen Durchführung der im letzten Jahrzehnt geschaffenen Gesetzgebung die volle Sorge zuzu- ivcnden unter gleichzeitiger aufmerksamer Beobachtung der laufenden und etwa neu auftauchendcn socialen Bedürfnisse; 3) Laß die Partei nach wie vor an dem Grundsätze sestliält, daß wirtbschastlicke Fragen nicht zur Grundlage politischer Parteien dienen sollen und deshalb in der Frage der Handels und Zollpolitik, wie namcntlich der Getreidezölle und de- deutsch-Lstcrreichischcn Handelsvertrag- jedem Einzelnen nach seinem pflichtmäßigen Ermessen die Entschließung überlassen bleiben muß. Aus der Versammlung heraus wurde schließlich eine öftere Wiederholung solcher Telcgirtcn- oder Parteitage an ver schiedenen Orten Deutschlands empfohlen und dem Eentral- auSschuß die Ausführung dieser Beschlüsse übertragen.
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