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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189106095
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910609
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910609
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-06
- Tag1891-06-09
- Monat1891-06
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1891
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»eint täglich rüh 6'/, Uhr Nedarlion und Erprdition Johannesgasse 8. SprechKun-rn -er Nrdaction Bormittags 10—12 Uhr. Nachmittags 5— 6 Uhr. ßtirdi« Rücker« »«»-«kntlkr M-nuIcn»«« macht sich die «edaclio» nicht verbindlich. »««ahme her für vte nächstfolgende Nummer bestimmten In je rate an Wochentagen bis 3 Uhr Nachmittags, an Tonn- und Festtagen früh bis,9 Uhr. 3n den Filialen für 2»s.-Ännahme. Ott« Klennn's Lortim. iAlfred Hahn). Universitütsslrabe 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und KSnigsplatz 7, nur bis '„3 Uhr. t>MM M. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung. Unter Bezugnahme aus unsere Bekanntmachung Io. 1599 vom 4. April 1891 bringen wir hiermit zur öffentlichen ttenntniß, das, nunmehr die Fluchtlinien der Riebeckslrage von der Stöllcritzer Straße bis zur Reipenhainer Straße, und der Reitzenhaincr Straße, auf deren Ausdehnung vom Ostplatz bis zur Ricbcckslraße nach Maßgabe des Planes 1. L. V. Xo. 4732 5457 als sestgestellt zu gelten haben, nachdem die-gegen den ausgclegten Plan erhobenen Einsprüche theils ausdrücklich zurückgezogen worden sind, theilS ihre Erledigung dadurch gesunden habe», Laß die Bejchwcrdcsührer auf den an sie ergangenen Bescheid innerhalb der gesetzlichen Frist Rechtsmittel nicht eingewcndet haben. Leipzig, am 6. Juni 1891. Ter Rath drr Stadt Leipzig. Io. 2894. Ör. Georgs. Ur. Redlich. Ivohnungsvermiethnng. Tie im 2. und 3. Stockwerk de» Hintergebäudes des der Stadtaemcindc Leipzig gehörige» Grundstücks Univerfitätsstrailk Rr. 22 gelegenen beiden kleine» Wohnungen sind vom 1. Jnlt d. I. an gegen einviertcljährige Kündigung anderweit zu vermiethcn. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, 1. Stock, Zimmer Nr. 8, entgegcngenommen. Leipzig, den L. Juni 1891. Ler Rath der Stadt Leipzig. I». 9139. vr. Gcorgi. Wagner. Aazeiger. Drgün für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Dienstag den 9. Juni 1891. Abonnementspreis vierteljährlich 4>/r Mk. in M-Leipzig, incl. Brinaertohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Einzelne Nrn. 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren sür Extrabeilagen <in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Posibesörderung KO Mk., Mit Posibesörderung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schriften laut uns. Preisverzeichniß. Tabellarischer u.Zissernsatz nach höherm Tarif Neclamrn unter dem Nedactionsstrich die4gespalt. Zeile50Ps.,vorden Familiennachrtchten die tlgespaltene Zeile 40 Pt. Jnierate sind stet» an die Expedition zu jende». — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung xraeuuiuoraucko oder durch Post» Nachnahme. 85. Jahrgang. Stockhotzanclion. Mittwoch, den 1t>. Juni d. IS, sollen von Nachmittags 2',r Uhr an im Forstrevier Eonuclvitz aus dem Mittelwaldjchlage in Abth. 5k und 6», dem sogen. Apiizsch, ca. 999 Hanfcn hartcs, klci» gcmachtcs Stockholr unter den im Termin aushängenden Bedingungen und der üolichen Anzahlung an den Meistbietenden verlaust werden. Zusammenkunft: auf dem Mitlelwaldschlage im Apitzsch an der hohen Brücke bei Eonncwit; und den Wegen nach der Wald- chänke. Leipzig, am 28. Mai 1891. Tcü Raths Aorstdcpntation. Lellaniltillllchllilg. Aus Antrag der Besitzer bez. der Erben soll das aniheilig zum Nachlasse des Herrn Kaunimn» Earl Feodor WicSrmann ion. gehörig« hiesige Grundstück, Anionstraße Nr. 1, Nr. 8>K» und 804 b des Flurbuchs sür Neu- und Antonsladt-Tresden, Vir. 50 des Brand- latasicrs Ablhcilung (1, Folium 15 des Grund- und Hypotheken- buchs -7 sür AnIonsladt-DrcSde», im Wege der freiwilligen Ver- tcigerung veräußert werde». Kaufluslige, welche das Grundstück zu erwerben beabsichtigen, werden hiermit geladen ToniirrStag, Sri« 18. Juni 1891, Vormittags punct 11 Uhr, an Unterzeichneter GerichlSsielle — Mesenthorstraße 5, I. — in Zerson oder durch legitimiere Vertreter zu erscheinen, Uber ihre Zahlungsfähigkeit sich auozuweise» und ihre Gebote zu eröffnen. Tic Berkaussbedingungen, sowie die Grundstücksbeschreibung und Belastung hangen im Gerichtshause aus. Dresden, am 27. Mai 1891. Königliches Amtsgericht, Abth. IV». vr. Toepelmann. Schmidt. koiiimcn möge und daß die Sympathie Englands der Seite gehören wird, welche eine für die britischen Interessen so wichtige Politik verfechten wird." Ties beißt in anderen Worten ausgedrückt, Italien weiß, daß seine Interessen im Mittelmecr nur durch Ereignisse verletzt werden könne», welche den englische» Interessen gleich nachtheilig sind, und andererseits, daß die englischen Staatsmänner wissen, jeder A»griff auf die englischen Interessen im Mittelmecr würde auch ein Angriff aus die italienischen Interessen sein. In diescni Sinne waren Lord Salisbury und Signor EriSpi und später Lord Salisburv und der Marguiö di Rudini, weicher die Bah» der auswärtigen Politik seines Vorgängers -ortscht, zu einen, Eiiiverständiiiß gelangt, welches jedoch buchstäblich nur ein Einversländniß ist und keinen Vertrag, keine Verpflichtung in sich schließt." * Tie „Agcnce Roumaine" beschäftigt sich mit den An gaben einiger Blätter, wonach im Jahre 1886 der Orient- Expreßzug in Rumänien von Räubern überfallen worden wäre, und erklärt diese Behauptungen für völlig unbegründet. Allerdings hätte eine Entgleisung des Zuges stattgefunden, dieselbe sei jedoch in Folge des schlechten PaueS des Bahn dammes erfolgt. Niemand sei dabei umgekommen, ein eng lischer Passagier sei leicht verletzt worden. * Als Ivan Bratiano von der Minister-Präsidentschaft Lekaillllmachung. Hierdurch bringen wir zur allgemeinen Kenntniß, Schornsteinfeger Herr Albert Vöttger in L-Conncwitz, Königstraße 36, von uns als Bezirksschvrnsteinfcgcr sür de» nur aus einem Kehr bezirk bestehenden gelammten Stadtbezirk Leipzig, Altstadt Leipzig und sämmlliche cinbezogcne Bororte — vergl. unsere Bekanntmachung vom 30. Januar 1891 — zugelassen und verpflichtet worden ist. Leipzig, den 5. Juni 1891. Ter Rath der Stabt Leipzig. vr. Georgi. vr. G. v. Fewson. Unbekannter Leichnam. Am 5. Juni e. früh gegen 5 Uhr ist in der Nähe von „Koch'S Ruhe" der Leichnam einer unbekannten weiblichen Person in der Pleiße aufgesunden worden. Wir bitten um schleunige Mittheilung^ aller Wahrnehmungen, welche zur Ermittelung der Persönlichkeit der Verstorbenen, deren Ableben anscheinend bereits vor mehreren Monaten erfolgt und deren Beschreibung und Kleidung hierunter ersichtlich ist, dienen könne». Leipzig, den 6. Juni 1891. Las Polizei-Amt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: vr. Schmid. Andrä. Personenbrschreibung: Alter ca. 25 Jahre, Statur: 1,54 w lang, schlank, Zähne: gesund. Kleidung und sonstige Eiferten: ein grau-carrirtes Kleid mit rothcm Atlaskragen und Westeneinsatz, ei» schwarzer Tuchrock mit Falbel, ein rotn und schwarz gestreifter Unlcrrock, ein weiß- leinenes Hemd mit Litzenbejatz, ein graues Corset mit Spitzenbesatz, ein Paar Promenadenichuhe mit Gummizug und Knöpschcn, ein Paar grau und braun geringelte baumwollene Strümpfe, ein Paar graue Gummistrumpfbänder mit Stahlschnalle», ein dunkles Double- Jaquet, ein weibleinenes Taschentuch, gez. .,A. 1i. 1", ein Porte monnaie mit 1 Psg., eine Brosche mit Perlmuttcreinsatz, ein Schlüssel mit Ring. Oiebstahls-Üekanntmachung. Gestohlen wurden laut bier erstatteter Anzeige: 1) eine Kassette von Schmarzblech, über 30 cm lang und ca. 25 cm breit, mit aoldverzicrten Ecken, enthaltend: eine 4proc. consol. preuß. Staatsanleihe Nr. 173583 über 5909 >4 mit Talon und Coupons, ein itonvert mit 499 ./t in Reichsbanknoten, ein kleines gelbledernes Portemonnaie mit Knövschcnverschluß, enthaltend 199 in Gold und einem 20 Markschcin, einen Prillantring, einen Ttamautrtng, ein Paar alte goldene ovale Ohrringe Mil weißen Stcinchcn, eine kleine goldene Herren-Uhrkette, aus kleinen ovalen Gliedern bestehend, und einen alten wcrthlosen Wechsel über 999 .6, auf „Uunx-er" lautend, sowie andere div. Papiere, vom 30. bis 31. vor. Monats; 2) eine silberne Eylinder-Rcinontoir-Nhr mit geriester Rück feite und wappenäbnlichei» Schildchen, ein Paar neue kalblederne Stiefelette», 17 Stück weißleinene Taschentücher, „dl. L." gez., 9 Paar schwarzwollene Strümpfe mit demselben Zeichen, ein Paar Hausschuh von braunem Safianleder und eine tnlasilbernc »igarrrnspitzc, sowie ein Bund mit (Krldschrank- und anderen Schlüsseln» vom 30. bis 31. vor. Monats; 3) eine ovale tztranatbroschc in Stcrnsorm, vom 26. vor. bis 3. d. M.; 4) eine alte silberne Eylindernhr mit blumenartiger Verzierung und dcfectem Zifferblatt, am 2. d. M.; 5) ein Paar Manschetten mit goldenen, viereckigen, durch brochencn Manschettenknöpfen, am 1. d. M.; 6> ein Winterüberzichcr von gelbgestreistem Stoff mit schwarzem Sammetkragcn, einer Reihe schwarzer Hornknöpfe mit verdeckter Batterie, schwarzem Futter und Stoffhenkcl, am 1. d. Mts.; 7) ein Sommerüberziehcr von blauem glatten Stoff mit schwarzen Hornknöpsen, bläulichem, halbseidenem Futter und Stoff- Henkel, eine Hose von schwarzem Kamnigarnstoff mit schwarzen Knöpfen und weißgestreistem Bundsutter, ein Paar Halbichnhc zum Schnüren mit auigestepptr» Kappen und 2 goldene Ringe mit einem rothen Stein und bez. mit einem schwarzen mit eingrav Frauenkopf versehenen Stein, an, 1. d. Mts.; 8) ein Handwagen, mittelgroß, 2rädrig, mit kleinein Kasten aufsatz, silbergrauem Anstrich, ans Federn gehend, mit der Firma .7. Ltriecker" an den Ausjatzbrettern, vom 3. bis 6. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Berblieb der gestohlenen Gegenstände oder über den Thäter sind ungesäumt bei unserer Eriminal-Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, den 8. Juni 1891. TaS Polizei-Amt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung vr. Schmid. W In -er Strafsache gegen die Tirne Katharina tztrcbil, zuletzt in Leipzig, zur Zeit ohne bekannten Wohn- und AuienthaltSort, wegen Unterschlagung ist Termin zur Vanptvrrhandluna auf LtenStag. den 7. Juli 1891» Vormittags 8 Uhr vor dem Kaiserlichen Schöffengericht zu Strahhnrg» Alter Bahn Hof, anberaumt, wovon die Angeklagte hiermit durch öffentliche Zustellung benachrichtigt wird. Straßburg, den 5. Juni I8SI. Kaiserliche Staatsanwaltschaft am Amtsgericht. daß der Die Agitation gegen die GetreideMe. Man ist jetzt auf socialdcmokratischer und freisinniger Seile im Zuge, die Agitation wegen Aushebung der Gekreidc- zölle auf die Spitze zu treiben. Ucberall wurden Versamm- ungen abgehalteu, um die Gegnerschaft weiter Voikskreise gegen die Gctrcidczölle darzuthu», es soll eine großartige Kundgebung gegen die Schutzzollpolitik der Regierung zu Stande gebracht werden. Diese ganze Bewegung ist zwecklos, ie ist aber auch gcignet, falsche Vorstellungen Uber die Ab- ichtcn der Negierung zu verbreiten, und das ist das Ver derbliche daran. Die Sache wird so dargestellt, als ob die Regierung im Interesse der Großgrundbesitzer hartnäckig einen Zustand aufrecht erhielte, welcher den Besitzlosen das Leben erschwert und die Volksernährung hindert. Der Reichskanzler brauche bloS den Antrag beim BundcSrath auf zeitweise Aufhebung der Getreidezölle zu stellen, dann würde der Reichstag den entsprechenden Beschluß fassen, und mit einem Schlage werde dann das Brod um den Betrag des Zolles billiger werden. Das ist eine mindestens sehr gewagte Schlußfolgerung, denn ans den Preis des Getreides wirken augenblicklich ganz andere Gründe ein als der Zoll, cs hat sich im Laufe der Jahre ein Zustand hcrauSgedilket, welcher nicht plötzlich durch den Wegsall des Zolles geändert werden kann, weil er hauptsächlich auf der Spccnlation beruht, welche ihre Maßnahmen schon lange vorher trifft, bevor das Ereigniß einlritt, welches der Rechnung zu Grunde liegt. Schlcchle Ernten, erschwerte Zufuhr sind längst cScomplirt, wie der börsenmäßigc Kunslausdrnck lautet, bevor sie noch zur Thatsachc geworden sind. Es ist außerdem eine alte Erfahrung, daß die Preise weit schneller binauf- als bcruntergchen. Besonders Brod- und Fleischpreise folgen den veränderten Umständen nur sehr langsam. Das Gesetz der Trägheit macht auf diesem Gebiete sein Recht mehr als in der Natur geltend. Die Ver käufer von Fleisch und Brod haben stets Gründe in Bereit schaft, um bohe Preise zu verthcidigen und fcstzul,alten, wenn auch taS Vieh und das Getreide schon längst billiger geworden sind. Da sind Verabredungen aus längere Zeit getroffen, die innegebalten werden müssen, bei den Bäckern sind Borräthe von Mehl angehäuft, um gegen weiteres Steigen der Preise sür längere Zeit gesichert zu sein — genug, die Fleisch- und Brodpreise haben entschieden mehr Neigung zu steigen, als zu fallen, das ist weltbekannt. Im Allgemeinen gilt cS als Regel, daß man nichts unter nimmt, was zur Erreichung des angestrebten Zweckes u» geeignet erscheint. Unter diese Art von Uiitcrnebmnngcn gehört aber die Agitation gegen die Getreidezölle. Tie Er klärung des Reichskanzlers läßt keinen Zweifel darüber bc stebe», daß die preußische Regierung die Einberufung des Reichstages zum Zweck der zeitweise» Aushebung oder Herab setznng der Getreidezölle nicht veranlassen wird, weil die Gründe, welche gegen diese Maßregel sprechen, überwicge». Trotzdem betreiben Socialdemokratcn und Freisinnige eine umsassciide Agitation, welche die Aushebung der Getreidezölle znm Ziele bat. Das ist weder aufrichtig noch patriotisch, denn die Anhänger beider Parteien wissen ganz genau, aus welchen Gründen die preußische Regierung so bandelt, wie geschieht. Das Ministerium Capriv: bat die Getreidezölle nicht veranlaßt, eS bat eine Lage vorzefunden, mit welcher sS sich absinden mußte. Aber dieses Ministerium bat die Reform der directen Steuern in dem Sinne veranlaßt, daß die wirthschastlich Schwachen nur nach Berhältniß ihrer Leistungsfähigkeit zur Bethciliguug an den Steuern heran gezogen werten. Es bat die Tcclarationspflicht cingcsübrt, welche solche Mißstände, wie sie der Bochumer Steuerproceß aufgedcckt bat, in Zukunft unmöglich macht. Die preußische Regierung bat ferner eine Landgemeindeortnung vorg-legt, welche das Berhältniß der Bauern zu Len Großgrundbesitzern den bestehenden Zuständen anzupassen sucht, sie hat überhaupt das Streben bekundet, das arbeitende Volk in seinen Rechten zu schützen, aber nicht ikm diese Rechte zu verkümmern. Trotzdem erheben jetzt Svcialdemokraten und Freisinnige im ganzen Lande ihre Stimme, um die Regierung der syste malischen Brodverthcucrung anzuklagen, Forderungen zu stellen, welche nach Lage der Sache unerfüllbar sind und gerade deshalb unerfüllbar, weil durch ihre Bewilligung die Ausführung von Plänen unmöglich werken würde, welche die Ermäßigung der Preise für die notbwendigen Lebensmittel auf die Dauer bezwecken. Es ist natürlich unmöglich, der großen Menge der Freisinnigen und Svcialdemokraten die Unvereinbarkeit ihrer Wünsche für den Augenblick mit den be vorstehenden Verbesserungen in wirthschastlicher Beziehung klar zu machen, aber die Urheber der gegenwärtigen Agitation wissen ganz genau, waS sie tbun. Ihnen ist es nicht um Er reichung des Zieles der Herabsetzung des Brodpreises zu tbun sondern um den Sckem, als ob ihre Agitation diesen Zweck habe» könnte. Und weil sie die Zwecklosigkeit ihres -:huns voraussehen, ohne deshalb einen Vorwurf gegen die Regierung erheben zu können, ist ikr Tbun so überaus ver werflich. Wenn Agitationen ini großen Styl die Zustim mung selbstlos und unbefangen Urtheilender gewinnen sollen, v müssen sie wenigstens eine ideale Wirkung aiö wakrsäicin ich vorauSseycn. Das ist aber bei der Agitation sür Aus- »ebuiig der Getreidezölle ganz gewiß nickt der Fall, im Gegen theil ist der Parteizwcck hier so mit Händen zu greifen, daß man kaum begreift, wie sich so viele Wähler dafür gewinnen lassen können. Welchen Vortheil soll denn die Negierung davon habe», daß einer nothleidendcn zahlreichen Bevölkerung daS Brod durch ihre Schuld vcrlkeuert wird? Bedarf sie wirklich der Zustimmung der Großgrundbesitzer, um sich am Ruder zu erhalten? Wenn daö der Fall wäre, dann würde sie sich doch gewiß nicht bemühen, durch den Abschluß von Handels verträgen einen neuen Zustand hcrbeizusübrcn, welcher den Ausgleich der in Frage kommenden Interessen bezweckt. Die Frage ist nicht, ob ein vorhandener Nothstand bekämpft nnd durch entsprechende Maßregeln unterdrückt, sondern, ob ein neuer Zustank angebahnt werden soll, welcher Deutschland besäbigt, auf dem Weltmärkte die seiner Bedeutung ent- prechcude Stellung cinzunebmen. Das macke einmal Jemand den TurchschnittSbesuchern der freisinnigen und socialdcmokratischen Versammlungen mit dem Aushängeschild der Herabsetzung der Brodpreise klar! Der Abgeordnete Ricktcr will eine anerkannte Autorität auf volkswirthsckastlichem Gebiete sein, um so schwerer fällt seine Verantwortlichkeit sür eine Agitation ins Gewicht, welche auf die Täuschung der Wähler abgesehen ist. Ein so gewiegter Parteiführer weiß ganz genau, was er thut, er weiß, daß die Aushebung der Getreidezölle die darauf gesetzten Erwartungen nicht befriedigen kann, er kennt außerdem die Gründe, welche die Reichsregierung davon abbalte, dieser künstlich erzeugten öffentlichen Meinung »ackzugcben, und dennoch ctzt er seine ganze Kraft daran, um ein Schauspiel auf zuführen, daö nur möglich wird durch den Unverstand des größten Tbeiles der handelnden Personen. Glücklicher weise ist der politische Verstand des überwiegenden Tkeiles des deutschen Volkes hinreichend, um die Grundlosig keit des ganzen Lärms zu erkennen. So zahlreich auch die Versammlungen, so groß auch die Menge der Theilnehmcr an diesen Kundgebungen sein mag, die öffentliche Meinung des Deutschen Reiches neigt doch dahin, daß die zeitweise Aufhebung Ler Getreidezölle ein Schlag ins Wasser sein würde und daß der Abschluß der schwebenden Handels- verlragsverhandlungen bei Weitem wichtiger ist für die Wohlfahrt des deutschen Volkes. Leipzig, 9. Juni. * DaS preußische StaatSministcrinm bat am Sonnabend früh nach mehrstündiger Sitzung beschlossen, daö Material über die zur Zeit verfügbaren Gctrcide- bestänte und die dicSjäbrigen Ernteaussimten, welches die Grundlage für die Entschließungen der Negierung in Betreff der Getreidezölle gebildet bat, dem Abgeordnetcnbause mit- zutbeilen, soweit nicht vertrauliche Gutachten in Frage kommen. * Minister I>r. v. Goßler ist nach Naumburg zurück- schließlich durch 'die leidige Kostensrage seine Erledigung gckebrt. Seine Ernennung znm Oberpräsidenten soll sinken, d. h. es wird Alles beim Alten bleiben, endgiltig beschlossen sei», dom soll noch nicht seststcben, ob er den Königsberger oder den Danzigcr Posten erhalten wird. Jedenfalls wirb die Ernennung noch einige Zeit auf sich warten lassen, während die Ernennung des StaatSministcrS v. Puttkamer zum Lberpräsikenten sür Pommern als Nach folger des Grasen Bchr-Ncgentauk noch im Laufe dieses MonatS erwartet wird. unmittelbar nach seinem Tode, ist in Bukarest ein Comitö von Kundert Mitgliedern zusammengetrcten zu dem Zwecke, auf dem Grabe Bratiano's in Florica eine Capelle und auf einem öffentlichen Platze der Hauptstadt sein Denkmal zu errichten. In dem Aufruse, welchen daö Comits erläßt, heißt cs: „Bratiano bat sein ganzes Leben dem Baterlande geweiht; daS rumänische Volk schultet ihn« ewige Dankbarkeit; er war ein großer, ein unvergleichlicher Patriot.* * In der in Norwegen von der demokratischen Partei aufgeworfenen Frage über Gleichstellung Norwegens und Schwedens in der Erledigung der auswärtigen Staats angelegenheiten ist bisher noch immer keine Einigkeit erzielt worden. DicMcbrbcit des EviistitutionSauSschusses des Stör- tbingS hat beschlossen, dem Storlhing die feste Anstellung ämmtlicher gegenwärtiger Gesandten zu empfehlen, wäh rend die der Linken angehörendc Minderheit des Ausschusses wünscht, daß die Gezaudtschaften nur zeitweilig besetzt werden. Ferner bat der Ausschuß beschlossen, die Negierung um die Einsetzung einer Commission zu ersuchen, welche die Frage eigener norwegischer Consuln einer Prüfung unterziehen soll. Was damit bezweckt werden soll, ist schwer ersichtlich, denn die Prüfung würde ergeben, daß die nor wegische StaatScasse, welche jetzt nur einen kleinen Theil zu den Kosten der Diplomatie und des EonsularwcsenS beiträgt, ganz bedeutend stärker belastet werden würde, falls Norwegen seine Ecnsuln allein besolden sollte. Tie herrschende Bauern- demokratie würde sich nun aber sehr bedenken, die StaatScasse unnützer Weise mit solchen Mehrausgaben zu belasten. Die Stortbing Mehrheit ist wohl geneigt, «Steuerlasten abzuwälzcn, aber nicht, fick neue aufzubürden. Der ganze Streit wegen des besonderen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und besonderer norwegischer Vertreter im Auölande dürfte somit Chile. * Während die Handelsvertrags-Verhandlungen in Wien zwischen Teutschland-Lcstcrreich-llngarn und der Schwei; ihren uiiacstörten Verlaus nehmen, sind die Vor bereitungen in den Ministerien zum Abschluß weiterer Handels verträge inzwischen so weil gediehen, daß nunmehr zuyäckst die Verhandlungen mit Italien beginnen können. Als Zcil- punct ist der I. -Juli, als Ort der Verhandlungen zwischen den italienischen und deutschen Vertretern die Stadl Bern in Aussicht genommen. * Heber die Stellung EnglandS zu dem Dreibund schreibt die „Times": „Sir James Fergusson (der Unter- staatSsccrctair im Ministerium des Auswärtigen) sprach gestern im Unterbause den Tbatsachen entsprechend, als er fick über die angeblichen Verpflichtungen Englands im Falle teS Eintretens gewisser Ereignisse äußerte. Um es mit einem Wort zu sagen, diese angeblichen Verpflichtungen existircn übcrbaupt nicht. Wieder und wieder hat Lord Salisbury die Erklärung abgegeben, daß er keine Vereinbarungen ge troffen habe, welche das Einschreiten unserer Land- oder See macht zur Folge haben oder die Entscheidung der englischen Negierung beeinflussen könnten, soweit sie nicht in den dem Parlament und Lande völlig bekannten Verträgen und Abkommen enthalten sind. Lord Salisbury bat ferner erklärt, daß seiner An sicht nach solche Vereinbarungen gänzlich zwecklos sind. Ei» Ver trag oder Abkommen ist entweder die einfache formelle An erkennung gemeinschaftlicher Interessen, oder überhaupt wcrtblos. Sind diele gemeinsamen Interessen vorhanden, so darf man au ^ gemeinsames Handeln rechnen, wenn die gemeinschaftlichen Interessen bedroht werden sollten. Diese Logik ist durch und durch folgerichtig, und die Geschichte beweist, daß ein Vertrag, welcher die Bedingungen überlebt hat, denen er seinen Ursprung verdankt, nickt mehr als Maculatur werth ist. WaS England besonders betrifft, so kann im Hinblick auf die cigcnthüm- lickcn Parteiverbältnisse kein ausländischer Staatsmann sich der Täuschung bingeben, Großbritannien im Vornherein zu einer Politik zu veranlassen, welche der zur Zeit des Eintretens der betreffenden Ereignisse am Ruder befindlichen Partei nicht genehm ist. Gewisse Kritiker bleiben hartnäckig bei der Ansicht, daß, falls auch kein formeller Vertrag zwischen England und Italien, so dock immerhin ein Uebereinkommen zwischen den beiden Mächten besteht, welches von einem Vertrag nur in diplomatischem Sinne verschieden ist. Wie die Sachlage jedoch wirklich steht, gab Sir James Fergusson gestern Abend in klaren, unzweideutigen Worten zu erkennen. Nachdem er kategorisch das Bestehen irgend welcher dem Parlament un bekannten Verträge in Abrede gestellt batte, fuhr er fort: „Die italieniscken Staatsmänner wissen jedoch gleichzeitig sehr wohl, daß die Regierung Ihrer britischen Majestät mit ihnen in dem Wunsche eins ist, daß keine Störung der gegenwärtigen Ruhe im Mittelmeer und den benachbarten Gewässern vor- * Der Bürgerkrieg in Chile dauert nock immer fort, obne daß sein Ende abzusehen. Wie cS scheint, bat sich jedoch die Position der Negierung nicht unwesentlich verbessert. Allerdings behaupten sich die Insurgenten nock immer in den von ihnen mit Hilfe der Flotte eroberten Nordprovinzen nnd babe» sie dort sogar eine provisorische Regierung constituirt. Weitere Fortschritte indcß haben sie neuerdings nicht gemacht; und insbesondere ist der seit Monaten erwattete ernste An griff auf Valparaiso, dessen Eroberung fürste von entscheiden der Bedeutung sein müßte, nicht erfolgt. Andererseits aber hat die Regierung nicht nur Valparaiso intmer stärker be festigt, sondern auch von dort aus mit den verbliebenen kleineren Schissen überraschende Erfolge zur See errungen. Von den Jnsurgentenschisfcn ist die Panzerfpegalte „Blanco Encalada" durch einen Torpedo in die Luft gesprengt, während der Monitor „HuaSkar" und ändert kleinere Fahr zeuge mehr oder weniger erheblich beschädigt sind. Allerdings sind auch der so schnell berühmt gewordene „Almirante Lunck", sowie die ibn »nterstüyenken kleinen, aber schnell sabrcndcn und anscheinend ebenso gut ausgerüsteten wie ge schickt geführten RegicrnngSschisse nicht unverletzt geblieben; ja bei dem letzten seetrcffcn scheinen dieselben sehr erheblich gelitten zu haben. Aber der Schaden, den sie dem Feinde zugcfügt, bleibt doch ein verhältnißmäßig größerer. Und zu diesem materiellen Erfolge der Regierung kommt ferner der Wohl noch bedeutsamere moralische. Tie Insurgenten waren anfänglich die unumschränkten Herren zur Sec nnd an den nicht stärker befestigten Thcilen der Küste. Fast die ganze stattliche Flotte hatte sich, im Gegensatz zum Landheer, ohne Weiteres auf ihre Seite gestellt, und mit den wenigen kleinen Schiffen, die zur Verfügung der Regierung ge blieben, ließ sich — so meinte man allgemein — gegen daS feindliche Gros der Flotte nichts ansrichten. Anfänglich schien sich auch diese Auffassung zu bestätigen. Die Insur gentenschiffe fuhren unbehindert an der langgestreckten chile nischen Küste entlang, bombardirten und occupirten die Küste, wo cs ibne» beliebte, und wurden nur an wenigen Punkten, wie vor Allein bei Valparaiso, durch stärkere Befestigungen oder Besatzungen in ihrer auf die Flotte gestützten Aclioii behindert. Ta aber zeigten sich plötzlich auch Regiernngs- schiffe auf dem maritimen Kriegsschauplätze, und als eS diesen gleich zu Anfang gelang, ein großes Panzerschiff in die Lust zu sprengen, war es aus einmal mit der bisher unbedrohten Sicherheit der Insurgenten zur See vorbei. Ihre bisber nur angreifende Flotte ward wieder holt in die Defensive gedrängt, nnd man mußte immer mehr erkennen, daß nian es trotz des noch bewahrten numerischen llebergewichtS mit einem gefährlichen Gegner zu tbun habe. Die kleine Regierungsflotte aber ward durch ihre ersten Erfolge zu immer keckerem Borgeben angespornt, und in Folge dessen hob sich trotz der damit verbundenen Verluste der Muth der Regierungspartei, denn auf eine wirk same Bekämpfung der Insuraentenflotte hatte man den Umständen nach kaum zu hoffen gewagt. Ob die Rr-
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