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Das Schiff
- Bandzählung
- 1926
- Erscheinungsdatum
- 1926
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-23.1926
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-192600005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19260000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19260000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 1, Januar
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
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kaum. Über mein Herz war die große Ruhe und Sammlung gekommen. Die Arbeit ift ge tan, die Pflicht erfüllt, der ganze Menfch ift müde und ausgeruht zugleich, wunfdilos und träume voll. Auch die eine Kerze verflackerte. Das Ge- fpräch war zu Ende, die Mufik eingefdilafen, auch die Geflehter ausgelöfcht wie das eine Licht. Nur Nacht ift noch, friedevolle, warme, famtene und mütterliche Nacht, in die du felig dein Haupt legft und wunfchlos vergehft . . . Als der Vater ftarb, wußte idi nodi nicht, daß der Tod fo befeeligend fein kann. Als wir den Tod zum erftenmal fallen, fdirien und weinten wir. Der Vater hatte ein ganz puppenhaftes fernes Gefleht, die Augen ftarrtennach derDecke desSterbezimmers. DenMund hatteer ein wenig ungläubig verzogen. Das Begräbnis ging unter in der kalten Tedmik einer alltäglichen Begebenheit. Jede Sekunde ftirbt ein Menfch. In jeder Sekunde wird ein neuer geboren.DerPfarrer war ein dicker haftiger alter Herr, der über die Vergänglichkeit aller Dinge in fonderbarer Eile fprach, als dürfe er eine wichtige Befprechung nicht verfäumen. Nach einem falbungsvollen ,Amen‘ drückte er auch den Kindern die Hand, fah uns mit fchwarzen, feuchten Augen fchmelzend an und verfchwand. Zu Haufe ftanden auf den Tifchen wundervolle Speifen, wie wir Ce früher, als der Vater nodi lebte, niemals gegeffen hatten. DieTrauergäfte fpradien mit gedämpften Stimmen. Die Mutter ftand einmal vom Tifch mit verweinten Augen auf, fdiludizte und lief nach der Kammer und ftreichelte das Bett, in dem der Vater geftorben war. Als fie wieder am Tifdie faß, erzählte Ce mit veräfcherter Stimme, in der Sterbenacht fei die Uhr ftehengeblieben, und ein Hahn habe dreimal laut gekräht. So meldete fleh der Tod. DAS WERDENDE JAHR/ Sonne lächelt dir nicht an jedem Tag, Nicht jeder Morgen reicht dir den blühenden Strauß. Ernte vergeht unter tötendem Hagelfddag, Regenfdmuer umfprühen dein ächzendes Haus. Wolken brechen in zornigem Sturmestanz, Bis alles Leuditen im weinenden Grau (ich verliert, — Hinter den Näditen aber in funkelndem Wunderglanz Wartet der Tag, der fidi freudig und ßeghaft gebiert. Ja, der Tod zeigte Geh. Hundert Gefchichten gingen krumm und verbuckelt um die Tifche. Als der Maurer Boom ftarb, erzählteTante Berta, fiel ein Bild von der Wand, und fein Sohn, der als Matrofe in Yokohama abgemuftert hatte, hörte ,Johann!‘ rufen und fuhr mit dem nächften Dampfer nach Hamburg zurück. Die WitweWer- ner lag im Sterben, erzählte Tante Anna, ihre Tochter war in Berlin verfchollen. Jahrelang hatte fie nicht mehr gefchrieben, kein Sterbens- wörtlein, aber in der letzten Stunde der Mutter kam fie heim. Die Sterbende ftreichelte ihr Haar und fagte: ,Ich wußte, daß du heimkommft, Ger trud, ich habe dich gerufen. Nun kann ich ruhig Herben. 4 Und fie ftarb. Auch wir hörten diefe Gefchichten und ängftig- ten uns. Als die Verwandtfchaft auseinander ging, fagte die Tante Anna zu unfrer Mutter: ,Weißt du, Schweller, idi will dir nicht wehe tun, aber eigentlich kannft du froh fein, daß Vater geftorben ift. Zuletzt ift er ja nur ein unnützer Elfer gewefen. 4 ,Aber Schweller! 1 fchluchzte die Mutter und heulte laut auf. »Seht ihr«, fdiloß Scheffel feine nächtliche Rede, »das war, als Vater lebte und ftarb, und es war in der Zeit, als mich der Herr Lehrer an den Galgen wünfehte, als ich fagte, mein Vater fuche mit feiner zerfreffenen Lunge nach Arbeit.« Jonas, der die ganze Zeit in die wüften Wellen berge geftarrt hatte, wandte uns plötzlich fein Gefichtzuundfagteunvermittelt:»GuteNadit!« Wir fahen uns an und waren verbittert, denn auf einer nächtlidien Fahrt auf dem Meer follte man von andern Dingen reden als von grauer Kind heit, herzlofen Lehrern und fterbenden Vätern. Der Sturm hatte nachgelaffen. Durdi treibende Wolken fdiimmerten die Sterne. Der Morgen war nicht fern. Schon zuckte der öftlidie Himmel. VON ERNST PRECZANG Der du lebft und noch wanderft auf erdigem Pfad, Der du wirkft, daß im Sdiaffen die Frucht dir gedeiht, Der du ftreiteft mit Worten und ringfl mit der Tat: Tage, unendlidte, fpendet die quellende Zeit. Alles ift Werden, von drohenden Wettern umloht, Jede Stunde trächtig von Freude und Schmerz, Ähren fingen im Winde vom wachfenden Brot, Hoffnung träumt dein abendumfchatletes Herz. Sonne lächelt dir nicht an jedem Tag. In dir entfache des ewigen Feuers Schein: Schmiede die Stunde mit kräftigem Hammerfchlag, Und fie wird dankbar in blühender Zukunft fein. 8
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