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Das Schiff
- Bandzählung
- 1926
- Erscheinungsdatum
- 1926
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-23.1926
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-192600005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19260000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19260000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 10, Oktober
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
- Autor
- Links
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(Vergleiche die ftenographifdien Berichte der Reichstags verhandlungen vom 25. Juni 1873, 26. November 1875, 8. November 1876, 16. Dezember 1876, 13. März 1877, 12. April 1877.) Diefe Fälle der Briefgeheimnis-Verletzung find, wie fdion angeführt, fo zahlreich, daß man ein Buch darüber fchreiben könnte. In derZeit des Sozialiftengefetzes (1878—1890) fpielte das Brieferbrediungswefen, verbunden mit polizeilichen Haus- fuchungen, Unterfuchungshaft, Eigentumsbefchlagnahme undLandesausweifungen wohl feine größte Rolle und hat fomit, wenn wir an das Wörtchen »Kulturftaat« denken, alle Schändlichkeit und Schmach auf diefem Gebiete weit übertroffen. Am 21. Oktober 1878 wurde das Aus- nahmegefetz gegen die »gemeingefährlichen Beltrebungen der Sozialdemokratie« geboren und fomit auch die Ver breitung und Beförderung der fozialiftifchen Zeitungen undZeitfchriften durch die Poll unter »Kreuzbandfendung« verboten. Das follte heißen, alle Druckfachen, die irgend wie mit der Sozialdemokratie in Verbindung Händen, follten von den Poftbeamten angehalten und der nächften Polizeibehörde überwiefen werden. Was die Poft nun unter Kreuzbandfendung verftand, wollen wir uns näher anfehen. Vorher möchte ich aber noch fagen, daß das zwölfjährige Ausnahmegefetz nicht nur gegen die Sozial demokratie angewandt, fondern daß die breitefte Be völkerung davon betroffen wurde. Ein höherer Beamter war heimlich Sozialdemokrat. Dies war der Polizei durch dieBrieferbrechungbekanntgeworden.EinesTages fchrieb ein Kollege, der niemals Sozialdemokrat war und auch nichts von der Gefinnung des andern wußte, diefem einen Brief; er enthielt Bemerkungen, die gefchäftliche Maß nahmen betrafen und daher fehr vorfichtig ausgedrückt waren. Die Polizei vermutete etwas anderes, und fo wurden der Brieffchreiber wie der Adreffat ausgewiefen. Aber taufende Fälle der Brieferbrechung und Geheimnisver letzung find nie bekanntgeworden, weil die Betroffenen wußten, daß eine Befchwerde zwecklos war, und fie die Landesausweifung fürchteten. Deutfchlands Monarchenanbeter und diejenigen, die den Ausfpruch: »Ja, früher!« immer beim Wickel haben, die Anhänger des Friedenskaifers (der 26 Jahre zum Welt kriege gerüllet hat) und viele, viele andere fcheinen die glorreichen Taten der Zeit von 1878 bis 1890 nie erfahren oder wieder vergelten zu haben! Am 22. November 1878 bellellte ein Herr Klute bei Herrn Geib in Hamburg für 6 M., die er einfandte, und deren Zweck er auf dem Pollkupon bemerkte, einige Exemplare des in Hamburg veröffentlichten ftenographifdien Berichtes der Reichstagsverhandlungen über das Sozialiftengefetz. Klute bekommt die beftellten Schriften nicht, wohl aber eine Mitteilung, daß das Geld derStaatsanwaltfchaft über liefert worden fei, und bald darauf eine weitere Notiz, daß die Staatsanwaltfchaft einen Prozeß gegen ihn eingeleitet habe: wegen Teilnahme an einem verbotenen Verein! Im Februar 1879 fand in Breslau eine Wahl ftatt. Die Sozialdemokraten machten den Verfuch, Gelder für die Wahlzufammeln. Darauf erging ein polizeilicher Erlaß, der alleGeldfammlungen zuWahlzwecken verbot.DieWirkung des Verbotes war u.a. folgende: HerrKräker hatte in Bres lau ein Zigarrengefchäft, von deffen Ertrag er lebte. Ein Herr Foß in Kaiferslautern beftellte eine Kifte Zigarren für 6M. bei ihm. Die Ware geht fofort ab, das Geld kommt aber nicht; erft nachdem Herr Kräker um das Geld ge- fchrieben hat, erfährt er, daß es längft abgefchickt fei, aber von der Polizei befchlagnahmt worden war. Am 15. Februar war in der Breslauer Druckerei Zimmer & Co. eine größere Zahlung fällig. Es wird von Herrn Zimmer nach Leipzig gefchrieben, man möge doch dort für IOOO M. Deckung fchaffen. Leipzig antwortet nun am 15.Februar: Hier kann die Deckung nicht befchafft werden, forgt dafür am Ort. Das ftand auf einer Poftkarte. Die Poftkarte des Leipziger Gefchäfts kommt aber nicht in die Hände des Herrn Zimmer, der, im feilen Glauben, die Deckung werde von Leipzig beforgt, es unterläßt, weitere Schritte zu tun; und am 17., zwei Tage fpäter, kommt der Wechfel protefliert zurück. Zimmer erfährt jetzt auf Be fragen, daß die Poftkarte von der Polizei zurückgehalten worden fei. Welcher materielle Schaden Herrn Kräker wie Herrn Zimmer und vielen andern unter folchen unerträg lichen Zuftänden entftand, kann man fich denken. In Wurzen lief im Februar 1879 an einen Parteigenoffen eine Sendung von Schriften ein, die er beftellt hatte. Er bekommt fie nicht, wohl aber wird er auf die Poft vor geladen und muß dort in Gegenwart des Bürgermeifters das Paket öffnen. Da findet fielt denn, daß der Inhalt un verfänglich ift, und er konnte fein Paket mit nach Haufe nehmen. Der Mann ftand nicht unter Anklage; irgendeiner derWurzener Poftbeamten, der fich di eVerfügung des Herrn Stephan eingeprägt hatte, glaubte »nach unzweifelhaft er kennbaren« Anzeichen in diefem wohlverpackten Paket verbotene Schriften entdeckt zu haben, und da mußte der Bürgermeifter als oberfte Ortspolizei herangerufen werden, damit dem Staat kein Schaden gefchehe. Einer der Berliner Ausgewiefenen, Herr Einer, der in Leipzig wohnte, fchickte an feine in Berlin zurückgelaflene Frau, Steglitzer Straße 39 wohnhaft, ein größeres Kiftchen mit Wäfche und einigem Spielzeug für fein Kind. Von Herrn Einer glaubte man vermutlich, daß er in Leipzig mit Sozial demokraten in verdächtiger Verbindung flehe, und daß er vielleicht verbotene Schriften in Berlin einfchmuggeln wollte; kurz, diefes fehr feft gearbeitete Schiebekiftchen war, als es die Frau erhielt, an der einen Seite offen, fo daß man bequem den Inhalt durchmuftern konnte. Bei einem Herrn E. (1880) erfcheint morgens um 6 Uhr der Polizeileutnant Graf Stillfried und fordert ihn auf, einen Brief herauszugeben, den er tags zuvor bekommen habe, einen Stadtpoftbrief, der die verbotene »Freiheit« enthalten haben follte. Es ift nun merkwürdig, daß der Polizeileut nant nicht nur von dem Brief wußte, fondern auch deffen Inhalt kannte. Der Mann erklärt, den Brief habe er ver nichtet, gebe auch keine Auskunft darüber. Man erwidert ihm, dann fei man gezwungen, ihn eventuell zum Polizei amt mitzunehmen, und außerdem müffe eine Hausfuchung vorgenommen werden. Die Frau des Mannes liegt noch im Bett. Da tritt der Polizeileutnant Graf Stillfried mit den ihm beigegebenen Polizeibeamten in die Stube, in der die Frau liegt:, und fordert fie auf, in feiner Gegenwart fich fofort zu erheben und anzukleiden. Die Frau mußte dem Befehl nachkommen, und die Hausfuchung wurde vor genommen. Demfelben Mann wird im Spätherbft ein Behälter mit Sing vögeln aus Schießen gefchickt. Ein Poftbeamter kommt zu ihm und bringt ihm nicht etwa die Sendung, fondern die Aufforderung, nach dem Paketpoftamt zu kommen und fich das Paket abzuholen. Der Mann nimmt im erften Augenblick an, es fei eine von jenfeits der Grenze ge kommene Sendung, die zollpflichtig fei; es ftellt fich aber heraus, daß es die erwarteten Singvögel find. Der Behälter wird geöffnet, und es befindet fich darin außer den Vögeln ein harmlofer Familienbrief nebft der Photographie des 71
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