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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189107103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910710
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910710
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-07
- Tag1891-07-10
- Monat1891-07
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1891
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr Krdaltion und Lrprdition Johannesgasse 8. Aprechllundkn drr Urdaitiou Vormittag- 10—12 Ubr. Nachmittag- 5— 6 Uhr. k>rtZ» rnickß-d« »'»-> ia.-dtrr Ma»»Icr,,le «Lchi sich tu «e»acr>»» »a»i Annahme »er für »ie nüchstsolgrnl»« Nummer »rstimmten Jnirrate an LLechentagrn bis 3 Ubr Nachmittags, an Lonn- unv Frsttage» srüh bis' .V Ubr. 3u drn /ilialrn für Ills.-J»»aßmr: Otto Slrmm'S Lortii». «Alfrrv Hab»), Universttatsslraße I, Louis Lösche, Latharinnistr. 14, parc. und KSnig-pIatz 7, nur bi« '/,6 Uhr. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. NbonnementspreiS vierteljährlich 4>z Mk. in Alt-Letvitiz, i»ei- Brtngerlob» 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Ei» ,eine Nnl. 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tageblatt.ivvrmat gesalzt) obnc Poslbesörderung 60 Mk., mit Poslbesörderung 70 Mi. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schrillen laut uns. Preisverzeichnis Tabellarischer u.Ziffernsatz noch höhena Tarii. tirclamen unter dem Redactionöstrich die 4gespalt, Zeile SOPs.,vor den Famil iennachrichten die Ogespallene Zeile 40 Pf. Inieraie sind nels an die Expcötlioil zu senden. — lltabalt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumemutlo oder durch Post» Nachnahme. HreitaH den 10. Juli 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekalllltmachllllg. In Erfüllung des von vielen Marktverkäufen, an uns gerichteten Ersuchens habe» wir unter Abänderung des 8. 8, Abs. 2 der Markt- ordnung für die Stadt Leipzig vom 22. April dieses Jahres be schlossen, die iür die Markthalle festgesetzte Mittagspause. vom ToniiadenS, ve« II. d. M. einschließlich ab alisjuhrbr» und dasür die Marktzeit dahin sestzusetzen, dag die Halle von dem genannten Tage ab für das Publicum vom Beginn des Marktes, welcher derselbe bleibt, ununterbrochen bis Nachmittags 5 Uhr. am Sonnabend und an den Tagen vor Feiertagen bis Abciivs 8 Uhr geüssnet ist. Die in der Marktordnung anderweit, insbesondere in §8. 13, 14 gegebenen Vorschriften betr. Räumung der Halle während der Mittagspause und nach Schluß des Marktes, sowie über die Ent- fernung des Fuhrwerkes, gelten nunmehr mit Beziehung aus die oben neu festgesetzten Fristen. Leipzig, am 0. Juli 1891. Ter Rath der Ltadt Leipzig. I)r. Georgi. Lindner. Lekailllliilllchullg. Es wird hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht, dag in Gemäßheit von 8- I Abs. 1 der Marktordnung von und mit Sonn- abend, den 11. d. M., ein Theil des Großhandelsmarktcs außer in der Markthalle auch auf dem vor derselben und westlich von dem Panorama gelegenen Theile des Noßplatzes abgchaltc» werden wird. Aus diesem Platze werden diejenigen Verkäufer zugelassen werden, welche di« untenbezeichnctc» Obstsorten, ferner Kartoffeln und Gurken im Großhandel zu Markte bringe». Wir haben jedoch unsere Markthallen.Jnspection ermächtigt, für den Fall unabwcislichen Be- Lärinisses auch den Gemüsehändlern, sosern sie Großhändler sind, daselbst Stände anzuwcisen. Die Stände au, diesem freien Platze werden lediglich als Tages, stände vergehn und zwar ist dasür dieselbe Gebühr wie für die Stände gleicher Gruppe in der Markthalle zu entrichten. Die Monatsabonnenten von Großbandelsständen in der Markt Halle können auch Stände ans dem Roßplatze erhalten; für sie tritt in diesem Falle eine Ermäßigung der Gebühren aus 10 ^ pro Quadratmeter ein. Für die aus den Ständen vor der Markthalle zum Verkaufe lommenden Waaren haben wir solgende Mindestmcngen festgesetzt: für Kartoffeln ... 1 Sack oder 50 llx, - Acpfel Körbe von 25 Liter, » Birnen .... - - » Pflaumen . . . Körbe von 20 Liter, » Kirschen ..... ... . Stachelbeeren . . Lriginallörbe, » Johannisbeeren. . » . Weintrauben . . - . Pfirsiche .... » Slprikosen ... » » Heidelbeeren... 25 Liter oder korbweise, » Prcißelbeercn ..... . . Gurken .... 1 Schock. Für den Fall, daß Gemüsehändler auf Leu freien Platz ver Viesen werden, gelten solgende Mindcstmengen: Blumenkohl f ^ Mandel, Grüne Bohnen 25 Liter, Wachsbohnen 5 . Schoten 25 - Kohlrabi 1 Schock, Gurken zu Pfcsfergurlen ... 5 Liter, Wirsingkohl 1 Mandel, Rothkohl 1 » Weißkohl 1 . Spinat 1 Viertel korbweise, Sellerie 1 Mandel, Möhren. 1 Bund 1 Schock, Meerrettig '/, Mandel, Petersilie-Wurzel 1 . Porree 1 . Radischen und Rettige .... 1 Schock, Weiße und schwarze Rettige . . 1 Mandel, Zwiebeln, grüne 1 Bund ---- 1 Schock, » Perl 5 Liter, . getrocknete .... 50 lex. Tie Anfahrt der Wagen zum Marktvlatze hat vom Königsplatze her zu erfolgen, so daß sie bei der Aufstellung mit der Vorderseite nach dem Panorama gerichtet sind und iu dieser Richtung »ach der Promenade zu wieder absahrcn können. Bei der Anfahrt, Aus. slcllung und Abfahrt ist den Weisungen der Marklhallenbcamtc» nachzugehen. Tie Anfahrt auf deni Platze darf nicht vor drei Uhr Morgens erfolgen. Für den Marktverkehr auf dem freie» Platze gelten die für die Markthalle bestimmten Marktzeitcn; nach Schluß des Marktes haben die Wagen wieder abzusahren. Im klebrigen finden die Bestimmungen unterer Marktordnung auch auf de» Markt au dem freien Platze sinngemäße Anwendung. Leipzig, am 9. Juli 1891. Ter Naiv der Ltadt Leipzig. l)r. Georgi. Lindner. Lekanntmachullg. Bei unserem Stadtorchesicr, welches den Dienst in Ctadttheater, Kirche und Gewandhaus-Eoncert zu versehen hat, soll zum 1. Oktober d. I. die mit Auspruch auf Pensionsberechtigung vcr. sehene Stelle de« I. vcllisten mit dem Jahresgehalt von 2516 St (1898 ^ill vom Theater, 320 >l vom Gewandhaus-Eoncert und 298 von der Kirche) anderweit besetzt werden. Geeignete Bewerber, welche sich einem Probespiel zu unterziehen baden, wollen ihre Gesuche mit einem kurze» Lebenslauf und ihren Zeugnissen bis spätestens zum 15. August d. Z. bei uns einreichen. Die Anstellung erfolgt zunächst auf ein Probejahr gegen halb jährliche Kündigung beiderseits; nachdem das erster« in befriedigender Weise zurückgelegt worden, tritt feste Anstellung, sowie die seiner Zeit besonders »achzusuchend« Aufnahme unter die Mitglieder des Lrcheslcrpensionsfonds ein. Leipzig, den 6. Juli 1891. Trr Natb »er Ltadt Leipzig, vr. Georgi, Oberbürgermeister. Mich, Ass. Der unter Polizei-Aussicht zu stellende Handarbeiter isart Friedrich Gustav Trnuhardt au« Priesnitz ist in Leipzig, wohin er noch seiner am 27. März 1891 ersoigten Entlassung au« dem Zuchlbause Waldheim gewiesen worden, nicht eingetroffen und treibt sich vermuthlich vogirend umher. An alle Polizei-Behörden richten wir da« ergebene Ersuchen, den P Trnuhardt im Betretung-salle festzunrhmeu und un« darüber kurz« Mitthrilung zugehen zu lassen. Leipzig, den S. Juli >891. Ta« VoUtzetamt der Ltadt Leipzig In Stellvertretung: l- WS7. vr. Schmid. Agmllr. Nach Z. 7 des Gesetzes über die Ausübung der Fischerei in fließenden Gewässern vom 15. Lclobcr 1868 muß Jeder, welcher die Fischerei ausuben will, ohne an der Sielle, wo er dies vorzu- nehmen beabsichtigt, enlweder als Fischereibercchtigler, ober als Pächter, oder als angeslelller Fischer zur Ausübung der Fischerei bcsngt zu sei», imt einer von der Polizeibehörde beglaubigten Fisch- kartr versehen sein. Ter Betreffende hat diese Karle der Ausübung der Fischerei stets mit sich zu sichren und darf dieselbe einer anderen Person zu gleichem Bchuie nicht überlasten. Zuwiderhandlungen werden mil Geld bis zu 15 .St oder enliprechciider Hast bestraft. Die von der hiesigen Fischcrinuung für die stiebenden Wasser in der Stadt und i» der Umgegend, soweit derselben das Fischrcchl darin zusleht, ausgestellten, aber nur zui» Angeln und unter Aus- chchß des Gebrauchs von Hcchchaken berechtigende», für das lausende ahr gütigen Fischkarlen werde» Wächtcrstraizc Nr. 5. 1. Etage, Ziminrr Nr. 32, gegen Erlegung von 5 Mark ausgegcben. Außerhalb Leipzigs wvhiihastc Personen haben aus Ersvrdern Bescheinigung der Behörde ihres Wohnortes darüber beizubringeu. Laß der Ercheilung der Fischfane einer der in 8- 8 des oben angezogenen Gesetzes enthaltenen Versagungsgründe nicht ent- gegensiehi. Leipzig, am 7. Juli 189l. Tas Polizciamt kirr Ltadt Leipzig. In Elellvertretung: v. R. 2946. I»r. Schmid. Pasch^ Die Inhaber der abhanden gekommenen Sparbücher Serie I Nr. 32452, Serie II Nr. 95403, 186430 und 199035, sowie der Inhaber des gleichfalls als verloren angezeigten Quitlungsscheines unserer 3. Annahmestelle über das Sparbuch Serie ll Nr. 162099 werden hierdurch ausgcsordcrt, sich dainil binnen drei Monaten und längstens am 10. Oclober 1891 zur Nachwcijung ihrer Rechte bez. zum Zwecke der Rückgabe gegen Belohnung bei Unterzeichneter An- talt zu meiden, widrigenjaUs, der Sparcassci,ordnung gemäß, den angcmeldelc» Bcrlusllrageru »ach erfolgter Beeidigung ihrer Anzeige an Stelle der abhanden gekommenen Bücher, welche aiSdann für un- gütig zu erklären sind, neue Bücher ausgestellt werde», bez. das ciiigelicserte Buch auch ohne Rückgabe des aiSdann gleichfalls für ungütig zu erklärenden Quiitungsfcheüies ausgehändigt werden wird. Leipzig, den 8. Juli 189l. Tic Brrwaltung des LcivhaustS und drr Lparcaffr. Lkkaillltliiachllllg. Im Erdgeschoß des unleezeichnelen Polizei-Amis sollen Ticnstag, drn 14. Juli, Nachmittags 3 Uhr verjchiedene Gegenstände, u. A. mehrere Schmuckfacheu, eine Taschenuhr, einige Damen- muffe, mehrere KleidungS- und Wäschestücke, Schirme und Spazierstöcke, ein 4rädr,ger Handwagen rc. an den Meistbietenden gegen isforlige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 7. Juli 1891 Tas Palizci-Amt dcr Ltadt Leipzig. Stellvcrlrclung: I>r. Schmid. Ml. Am 17. vor. Mts. srüh ' -7 Uhr ist iin Plcißcnstusse, oberhalb der sogenannten „schwarzen Lache", zugleich mit der Leiche eines einer Person »ach bekannten Mannes der Leichnam einer unbe kannten, in den 20er Jahren stehenden weiblichen Person ausgesundcn worden. Wir biiien um schleunige Mülhciluna, falls Jemand über die Persönlichkeit dcr Verstorbenen, deren Beschreibung und Kleidung hierunter solgt, eine Angabe zu machen im Stande sein sollte. Leipzig, am 3. Juli 1891. Das Polizci-Aint dcr Ltadt Lcipztg. I. 2575. In Stellvertretung: vr. Schmid. Wgrt. Signalement: Alter: ungefähr 24 Jahre; Statur: mittel, untersetzt; Haare: blond; Augen: blau; Nase: eingedrückt; Mund breit; Zähne: vollständig; Gesicht: rund, voll. Besondere Ken» Zeichen schien. Kleidung: 1 graues Jacket, ein schwarzer Rock, ein schwarzes Corset, ei» Paar schwarze Strümpfe, ein schwarzer, ein grauer Unterrock, ein Paar Knopfslieseletlcn und ein weißes Taschentuch ll." gez., ei» schwarzer Tamcnhut mit weißen Federn. Sonstige Effecten: 1 Portemonnaie mit 3 10 -H, 1 gol dener Ring, 1 Ohrring, l Brache. Erstatteter Anzeige zufolge ist das der ledigen Aiigustc Logisch aus Naumburg a. B vom Gcmeindevorsland zu Baudach am 16. Juni 1885 ausgestellte Dienstbuch vor etwa Jahresfrist ab handen gekommen. Zur Verhütung von Mißbrauch wird es hiermit für ungiltig erklärt. Leipzig, den 4. Juli 1891. Las Polizriamt drr Stadt Leipzig. I. 2523. In Stellvertretung: I>r. Schmid. , H p2i^-8trult. 8ltranr vloui-tng, «tun 14. 4»>l, E Illrr iw 8aaie <l,:r 1. Uitrxuinobulo. Inxesoräuunx: ZtLUilesau^olekenIieiton. 1)r. UInnn, «tollvertr. Vorsit/enäer. Der Standpunkt VoUmar's. Die Rede, welche der socialdemokratischc Abgeordnete v. Vollmar vor einigen Wochen in München gehalten bat, ist von den Parteigenossen rum Gegenstände heftiger Angriffe gegen den Redner gemacht worden. Die vorgeschritteneren Elemente der Partei wollen Pollmar nicht mehr als Mit glied der Partei gelten lassen, er ist ihnen nicht radikal ge nug. Die Gegner Bollmar'S nehmen an dein Streben An stost, aus dem Loden des bestehenden Staates socialistische Zwecke zu erreichen, unv besonders daran, daß Bollmar nationale Pflichten der Socialdemokraten dem Feinde gegen über anerkennt. Die Gegner Bollmar'S berufen sich dabei auf die Grundsätze der socialdemvkratische» Partei, »ach welchen eS keinen Ausgleich zwischen der bestehenden Staats ordnung und den socialististchen Forderungen gicbt und welche die Berbrüdrrung des Proletariats aller Rationen zur Pflicht machen. Offenbar sind die Gegner Bollmar'S in Anbetracht der bisherigen Entwickelung der Socialdemokratie im Recht, sie berufen sich ans TaS, was ihnen von den Führern stets al« Grundrcgel für ihr Berbalten ausgestellt worden ist, von Anpassung an die bestehenden Verhältnisse wollen sie nichts wissen. WaS sangen die Masten mit der neuen Lehre an. daß der SocialiSmuS zwar revolutionair sei, daß aber die Bewegung in der Hauptsache «ine geistige sei, welch« durch die ihr innc wohnende Kraft ohne äußere Gc Walt zum Ziele führen werde? Liebknecht und Bebel ballen denselben Gedanken schon früher in anderer Form ausgedrückt. Sie sagten, daß der socialistische Staat einfach durch rin Teeret in- Leben gerufen werden könne: .An dem und dem Tage treten folgend« Grundgesetze in Kraft." Von dcr nackten Gewalt bis zu diesem gemäßigten Skandpuucte ist allerdings ein großer Schrill, dcr von dcr großen Menge dcr Genoffen nicht verstanden wird und dcr auch auf die Anhänger anderer Parteien den Eindruck gemacht bat, daß die Führer dcr Socialdemokratie sich von dcrunauS- ührbarkcit ihres ursprünglichen Programms überzeugt haben. In der Hauptsache bestand die Forderung der Socialdemokraten darin, daß das Privaleigentlmm in Gesammtcigenthum ver wandelt werden solle und daß die Schranken, welche die Ra tionen von einander scheiden, nieder-gerissen werden müssen. AlS Eonsegucn; wurde dcr Satz ausgestellt, daß der Indivi dualismus durch den SocialiSmuS ersetzt werden solle. Bon dieser starre» Lehre sührt allerdings keine Brücke nach dem heutigen Slandpunct Bollmar'S, und er kann sich nickt wundern, wenn ein großer Theil seiner Parteigenossen diese Wandlung nicht mittnacken will und kann. Durch geistige Einwirkung werden die bestehenden EigcnthnmS- verhällnissc nicht unigcändcrt, wer etwas hat, dcr hält cS est und weicht nur dcr Gewalt, das ist so klar, daß Herr v. Bollmar dagegen nichts Stichhaltiges Vorbringen kann, auch durch die Anstrengungen langer Iajre wird darin nichts geändert. Herr v. Bollmar hat in einer jüngst in München ab- gehaltcncn Bcrsamniluug sich gegen die Angriffe seiner Genossen verlhcidigt und dabei den Satz verfochten, daß die Socialdemokratie nicht mehr außerhalb des Rechtöbodens stehe wie früher, sondern annähernd auf dem gleichen Rechtö- bodcn wie die anderen Parleien. DaS ist ein Satz, dcr vom socialistische» Standpunkte aus entschieden unhaltbar ist. Wer sich auf den bestehenden RcchtSboden stellt, hört auf, ein Revolutionair zu sein, er gesteht den Gesetzen Geltung zu, statt sie als ein vorläufig nicht zu be- citigcndcS Uebcl anzusebc». Herr v. Bollmar tadelt das bloße Teinonstrircn dcr Brauseköpfe, weil dadurch nicklS erreicht werde, aber dieser Tadel triffst zugleich die social- demokratischen Bestrebungen als solche. Das Wesen der Social- dcmokratie besteht in der Unvereinbarkeit ihrer Forderungen mit denen der geltenden Staats- und Gesellschafts-Ordnung, auf gesetzlichem Wege sind die socialdeinokrattschen Forderungen überoanpt nicht durchzusühren, die socialistische RcchlSordnnng ist grundverschieden von der in Kraft befindlichen Rechts ordnung, cö sührt kein Weg voni socialistische» Staate zum sogenannten Classcnstaat, diese beiden Gebilde schließen sich aeg-"scitig auS. Die Führer dcr Socialisten haben sich viele ttahde lang bemüht, dieser Wahrheit bei khrc» Anhängern Eingang zu verschaffen, und jetzt verlangen sie, daß diese An hänger den EntwickelniigSgang, welchen sic selbst durchgemacht haben und welcher ihnen die Undurchführbarkcit ihrer Forde rungen rum Bewußtsein gebracht hat, als nothwentig unv in der Sache begründet cincrkcnnen sollen! Das ist weit mehr verlangt, als erfüllt werden kann. Die träge, meist gedanken lose Masse läßt sich wohl durch lockende Bersprechnngen in eine oppositionelle Bahn treiben, aber sie folgt den Erwägungen nicht, welche die Erfahrung dem denkenden Theile ihrer Partei genossen aufdrängt. Herr v. Bollmar mag von Anfang an, als er der Be wegung der Socialdemokratie bcitrat, von der Richtigkeit ihrer Lehre durchdrungen-gewesen sein, schließlich ist bei ihm doch die Frucht seines EntwickelungSgangeS zum Durchbruch gelangt. Er kann es nickt fasten, daß eö eine Partei gicbt, welche bei einem seindliche» Angriff gegen daS Vaterland verdrossen und untbätig bei Seite steht, weil sie die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung Umstürzen will. Nach seiner Art zu denken und zu empfinde», muß sich doch der in „nichts, würdiger Weise" Angegriffene seiner Haut wehren, be sonders wenn der Angriff von kulturfeindlicher Seile er folgt. Bollmar sagt: „Die Socialdemokratie ist inter national, sobald man aber anderüwv nicht internalickKäl ist, so tritt der nationale Standpunkt in sein Recht." DaS ist sehr schön und ehrcnwertb von Herrn v. Bollmar, daß er so denkt, aber diese Denkungsart ist nicht socialistisch. Der Socialist vom reinsten Wasser wird darauf erwidern: WaS geben unS die Streitigkeiten der Souveräne an? Die Kriege werden nicht von den Böllern, sondern von den Souveränen gemacht, und wenn dcr Kaiser von Rußland befiehlt, daß feine Armee die westlichen Grenze» seines weile» Reiches' überschreitet, so zwingt daö die Socialisten in Deutschland und Oesterreich noch nicht, den russischen Soldaten feindlich gegenüber zu treten. Diese Leute handeln nicht auS eigenem Antriebe, fondcrn sie folgen dem Befehl ihrer Vorgesetzten, daS ist Militarismus, und diese AnSgebnrt des modernen Staates bekämpft dcr Socialist mit allen Mitteln. Ei» Socialist, welcher die nationale Pflicht anerkennt, einen feindlichen Angriff gegen seinen HeimathSstaat mit den Waffen in der Hand und dein Ruse seines Landesherr» ent sprechend mil aller Kraft abznwekren, schließt sich dadurch von seiner Partei auS. Es giebt keine Socialisten, welche' nationale Pflichten anerkennen, Vaterlandsliebe kann dcr Socialist nicht haben, weil er kein Vaterland bat, Krieg führt er nur gegen die Besitzenden, weil diese Mittel haben zur Befriedigung des Lebensgenusses, welche ihm fehlen. Der Socialist ist durch und durch Egoist, obwohl er angeblich de»tz Grundsätze huldigt^ daß die Person dem Ganzen gegenübel: nichts bedeutet, «socialisten giebt e^nnr da, wo die Hoff nung besteht, daß bei wenig Arbeit Viel Genuß winkt, wo die Person für daS Ganze einzutrctest gcnvibigt ist, da börl der SocialiSmuS aus. Herr v. Bollmar ist kein Socialist, aber eS freut unS, daß er es scheinen will und damit Schule macht. , Leipzig 10. Juli. * DaS Befinden deS Kaisers und dcr Kaiserin wird in Berichten aus Windsor-Schloß als daS allerbeste geschildert. Ani Mittwoch sollte die Uebcriiedelung des deut schen KaiscrpaareS ans Windsor nach London <inb zwar nach dem Buckinghampalastc stattfindcn. wo bis zum Sonntag Aufenthalt genommen wird. * Dem „Hamb. Corr." zufolge wird des Kaisers Aufenthalt in Norwegen fünf Wochen dauern. * Die „Hamb. Nachr." schreiben: Durch die Zeitungen läuft eia Bericht über eine Unterredung, die der Parisejr „TimeS"-Eorrespondent mit dem deutschen Botschafter in Paris, dem Grafen Münster, gebabt haben soll. Wir haben von diesen kindischen Lügen keine Notiz genommen. Drr einzige, der unserer Meinung nach Interesse haben kann, sie zu widerlegen, ist dcr Graf Münster, dem sie in den Mund gelegt werden. * Ueber ein halbes Jahr ist e- nun schon her, daß di« Beiträge für die Znvaliditätö- und AlterSver» lcherung entrichtet werden. Die Vermittelung, welche dabei die Poslvcnvallung übernommen hat, bat sich glänzend be währt. Allerdings ist die GeschästSlast dcr Postverwaltung durch den Verkauf der BcrsicheruiigSiiiarkcil und die Aus zahlung dcr Ncntcn, sowie durch die als Folge beider Tbälig- leilen sich darstellende Abrechnung mit den BesicherungSaustalten und dein Nechnungsburcan des Neichsversichcrungsamles be deutend gesteigert und eS sind durch Vermehrung der Beamten nicht unerhebliche Unkosten entstanden. Die Deckung der- elbcn ist ein weiterer Beitrag des NeickS zur Invalidi- tätS- und Altersversicherung. Im Allgemeinen gleicht die Belastung dcr Post durch die IuvalibitätS- und Altersversicherung derjenigen bei dcr Unfallversicherung, wo dcr Post auch die RcnteiiauSrablung übertragen ist. Ta gegen macht sich bezüglich dcr Zmsen der zur Auszahlung lclangendcn Renten ein Unterschied bemerkbar. Bei dcr lnfallversichcrung bat die Postverwaltung die Renten ciiic- vollcn IabrcS auSzulcgc» bczw. aus RcichSmittcln flüssig zu machen, ohne Zinsen dafür zu erhalten. Nach Schluß deS Rechnungsjahres zieht sic die verauslagten Beträge von den einzelne» Berussgenossenschaften ein. Bei der Inva- liditätü- und Altersversicherung wird dieses Bcrkältniß sich anders gestalten. Zwar bleibt das Geld für den Erlös der BersichcrungSmarkcn nicht in den Eassen der Post verwaltung, cs gehl vielmehr an die Versicherungs anstalten, und nicht die erstere, sondern' die letzteren verfügen darüber bei der endgiltigcn Verwendung. Im tausen den Jahre zahlt auch die Post die zur Zahlung angewiesenen Altersrenten aus eigenen Mitteln aus. Mit Beginn deS nächsten Jahres aber sind die Eentrat-Poslbchörden nach dem Gesetze berechtig:, von jeder Versicherungsanstalt einen Betriebsfonds einzuziehen, welcher allerdings die für die Versicherungsanstalt im abgclaufenen Rechnungsjahre vorgcschosscnen Betrage nicht übersteigen darf. Bon da an fällt also der ZinSverlust dem Reiche nicht oder wenigstens zum allergrößten Theile nicht' zur Vast. Es erklärt sich dieser Unterschied zwischen dcr Unfall versicherung einerseits und dcr Invalid,lätS- und Alters versicherung andererseits daraus, daß die Berufögenossenschaften die Beiträge mittelst deS Umlageversahrenö, also jcbcSmal nach Abschluß eines RcchnnngSjabrcS, nur für dieses ausbringen dürfen, die Versicherungsanstalten aber infolge des, wenn auch bedingten EapitaldeckungSverfahrens bereits von vorn herein im Besitze derjenigen Mittet sind, welcher die Post verwaltung zur Leistung ihrer Vorschüsse bedarf. Durch die Gewährung von Betriebsfonds an die Post wird gleichzeitig die Gcldvcrwallnng der Versicherungsanstalten erleichtert. Die schticßtiche Abrechnung wegen der Rente» nach Ablauf deS Jahres wird übrigens nickt, wie bei dcr Unfallversiche rung mit den Bcrussgenosscnschastcn, direct mit den Bcr- icherungsanstalte», sondern durch daö RcchnungSburcau des Reichs - Bcrsichcrungsamleö erfolgen. Tic Versicherungs anstalten erhalten allerdings, fortlaufend durch Mittheilnngen deS NechnungSbureauS, schon im Laufe deü Jahres Kenntniß über den Umfang ihrer Verpflichtungen. * In der Wahlrechtsreform, welche in dem neuen socialdcmokratischcn Programm verlangt wird, befindet sich auch die Forderung des Frauenstimmrechts. Es wird »un zwar außer den Socialdemokralen schwerlich eine Partei in Dcntschland geben, welche sich dieser Forderung, wenigstens in ihrer Anwendung auf den Reichstag, ansckttcßeu möchte, und auch die Socialdemokraten Werve» schwerlich ernsthaft glauben, jemals mit dieser Forderung durchzudringcn. Immer hin verlohnt cS sich, dcr Frage einige Worte dcr Betrachtung u widmen. Sie ist freilich nicht neu. So oft die Frauen- rage in ihren vielseitigen Beziehungen erörtert worden, wurde auch die Erthcilung des politischen Stimmrechts als Gipfelpunkt* dcr Gleichberechtigung dcr Geschlechter in die DiScussion gezogen: ein ernster Versuch in dieser Richtung aber ist wohl noch nie unternommen worden. Und daS mit vollem Recht und gutem Grund. Allen durchführbaren Bestrebungen nach wirtbschastlicher Be freiung deS weiblichen Geschlechts, nach Verbesserung seiner materiellen ErwcrbSvcrbältiiisse wird in den heutigen Zeiten, wo dasselbe härter als je um sein Dasein zu ringen 'hat, jede/ humane Mann und verständige Socialpotitiler weitgehendes Wohlwollen entgegenbringcn. Aber ebenso cntt schieden muß dein Bestreben cnlgegcngctretcn werden, für die Frauen Rechte in Anspruch zu nehmen auf Gebieten, auf welchen ihnen solche nach ihrer ganzen geistigen Anlage und natürli'chcn^Bcstiminung nicht zukonimen, und dazu ge hört vor' Allem das politische Gebiet. Die Frau ist für eine unmittelbare Thcilnahme am SlaatSleben von dcr N^rtur nicht bestimmt; sie gehört der Familie und dem Hauswesen an. Bei allen civilisirten Völkern des AlterthuinS und der Neuzeit wiederholt sich dieser Grundsatz. Äuch das Ebristeiilbum, unter dessen Ein 'sluß die Stellung des weiblichen Geschlecht- in der Ehe, der Familie,, der Gesellschaft, durch Sitte und Recht so durch greifend unigestaltet und erhoben worden ist, bat diesen G»unksatz unberührt gelassen und an die politische Einan- cipation der Franc» nickt gedacht. In der Tbat wäre kaum eine größere und rerhängiiißvollere Umwälzung in unserem ganzen öffentlichen, socialen und Enlturlebcn denkbar, als die tl,ä«4ge Tbcilnaknie dcr Frauen au der Aus Übung politischer. Rechte, und das allgemeine gleiche Wahl recht - wurde ohne Zweifel rasch auf eine» »cck niedrigere» Wcrtb herabsiiiken und noch bedenklichere Erscheinungen hcrbeisühren, als eS jevt schon der Fall ist. Bei aller Verehrung für daS schönere Geschleckt »iöckten wir dasselbe doch »iematü »litten in unscrein politische» Getriebe erblicken. An eipcr untergeordneten Stelle baben übrigens im vorigen Iabrc di« Socialvcmokratcn und Tcutschfreisinnigen, wie inan sich criiHicrn wird, im Reichstag eine» Versuch mit dcr Einsübrunff d»s Frauemvahlrecht« gemacht Es war bei dem GewerbegericktSgesetz, wo diese beiden Parteien da« active Wahlrecht für die Brlsitzerstclleu auf die Arbeiterinnen auS- dehnen wollten. Ter Antrag wurde aber mit 157 gegen 79 Stimmen abgelebnt. * In dcr „Vossischen Zeitung" ve^ffentlicht deren Ebefredacteur Herr Stephano folgende, auf die Entlassung des RcdacteurS Marx bezügliche Erklärung: „Boa meinem Urlaube zurückgckehrl, erwidere Ich auf di« öffentlich verbreitete Behauptung des Herrn Marx, daß er au« der Redaktion der „Bvjstjchen Zeitung" entlaßen worden, weil er Jude sei, Folgende«: 1) Ich habe demselben nicht deshalb gekündigt, weil er Jude Ist. In drr Redaktion der „Voifiichen Zeitung'' sind Bekenner de» christlichen und jüdischen Glauben« thätig 2) Dt« Kündigung de« Herrn Marx ist durch «ich seihst»
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