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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1891
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18910909010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891090901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891090901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-09
- Tag1891-09-09
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JnsertionspreiS Morgen-Ausgabe: die Vgespaltene Prtit- »eite 20/>j, Reelamen unter dem NedaetionS- strich (4 gespalten) 50-^, vor den Familien nachrichten (6 gespalten) 40 Abend-Ausgabe: die 6g»spolte»e Petitzeile 40 ^ Reclainen unter dem Nedartionsstrich <4 gespalten) 1 >t, gamiticnnachrichlen und Anzeigen verlorener «Gegenstände <6gespalten) 20^. Ärötzere kchriste» laut uuserem Prrrs- verzeichnib. Tabellarischer und Ziffern!»- nach höhere» Toris. vptra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Auagab» , ohne Postbesörderung 60.mit PostbesSrdemmg 7tL—. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Äuvahauschtaß fir Inserrte: Abeud-Bn-gab«: vormittag« 10 Uhr. M»rg»a-Au-gabe: NachoiittagS 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh 9 Uhr. Bei de» Filiale« und Annohmestelleu j« eine bald* StLude srüber. Inserate siad stets an die Extzedtttaa zn Achten. 258. Mittwoch) den 9. September 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. LeLaulltmachullg. Die dieSjShrigea Zinsen der Frege'schcn Stiftung zur Be- lohuung treuer und völlig unbescholtener Dienstboten, welche mindestens 20 Jahre hindurch bei einer oder zwei Herrschaften in hiesiger Stadt gedient haben, sind am 1. dss. MlS. mit je 85 >l> an Johanne Friederike Lutze aus Wehlis. Johanne Sophie Thiemc aus Stockheim, Caroline Liesch aus Piasetzna, August« Amalie Lvrich aus WermSdorf vergeben worden. Leipzig, den 4. September 1891. 'Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Piicker. Versteigerung von Lauplätzen. Boa dem von der Wächter-, der tzerassi-, der Berth«veu- nnd der Ferdinand Rhodc-Ttrasze im südwestlichen BcbauungS- plane in der Stadlflur eingeschloffenen Baublock sollen di« aus dem betr. Parcrllirungsplan wie folgt bezeichnete» Bauplätze L. au der Grassisrrahe (an das König!. Conservatorium angrenzend) . von 426,40 qm 8. au der Ecke der Grass»- und Beethoveu- straße von 537,13 - 6. an der Brethoveustraß« . . . von 739,96 » D. - » » ... von 554,72 « L - - Ecke der Beethoven- und Ferdi nand Rhode-Straße .... von 844,55 - ?. a» der Ferdinand Rhode-Strabe von 724,28 - rum Verlause versteigert werden. Wir beraumen hierzu auf Mantag, den 14. d«. Man.» Vormittags 10 Uhr im Saal» der Alten Waage, Sathartneustrade Rr. 1. 2. 8t.» BerfteigerungStermiu an. Dieser wird pünctlich zur angegebenen Stunde eröffnet und die Versteigerung bezüglich eines jeden der einzeln nach einander in obiger Reihenfolge auSgebolenen Bauplätze gelchlossen werden, wenn darauf nach dreimaligem Ansruse kein weiteres Gebot mehr erfolgt. Die Berstcigerungsbedingungen und der Parcellirungsplan liegen auf dem Rathhairssaate, 1. Etage, zur Einsichtnahme aus. Exemplare davon werden in der Sportelcaffe I., Naschmarkt Nr. 2, 1. Etage, Zimmer Nr. 6, für 1 abgegeben. Leipzig, den 1, September l891. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 3717. Or. G eor gi. Krumbiegel. Lekanutmachung. Wegen Einbaues von Schleusten wird die Eiscndahnstt'atzc im Stadtbezirk Leipzig-Sellerhausen in ihrer Ausdehnung von der Flurgreuze mit Bolkniarsdors bis zur Tauchaer Chaussee vo» DonnerStan, de» 10. dieses Monats, ab auf die Tauer der Arbeiten für allen Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 8. September 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. IX. 10355. Or. Georgi. Leistner. Lekaniltmachung. Die Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 31. August bis 6. September 1891 im Argandbrcnncc bei 2,5 Milli meter Druck und 150 Litern stündlichem Consum das 18,8sache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von 50 Millwleter Flammeuhöhe. DaS specifische Gewicht stellt sich im Mittel aus 0^44. Leipzig, am 7. September 1891. Des Raths Deputation zu den Gasanstalten. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Arbeiter Eduard RrbkNtisch, geboren zu Taucha bei Leipzig, welcher flüchtig ist, ist die Unter suchungshaft wegen schweren Diebstahls verhängt. E« wird ersucht, denselben zu verhaften, in da« nächste Gerichts- gefängnist abzuliesern und Nachricht zu den hiesigen Acten IV ck 446/91 zu geben. Magdeburg, den 4. September 1891. Der Erste Staatsanwalt Beschreibung. Alter: ca. 39 Jahre. Größe: 1,69 m. Statur: kräftig. Haar«: dunkelblond. Stirn: niedrig. Bart: dunkler kurzer Vollbart. Augenbrauen: blond. Augen: blau. Nase: gewöhnlich. Mund: gewöhnlich. Zähne: gesund. Kinn: breit. Gesicht: oval. Gesichtsfarbe: braun, gesund. Sprache: deutsch. Kleidung: dunkles Jucket und Weste, graue Maurerhose, dunkle Mütze, Schuhe. Gesetzliche Maßregeln gegen die Trunksucht. Die Bekämpfung der Trunksucht erscheint auö moralischcn und wirthschaftlichcn Gründen nnd zur Ausrechlerhallung der Ruhe und Ordnung geboten, aber die Aufgabe harrt noch der Losrng. wie der Zweck am sichersten erreicht werden kann. Der einfachste Weg wäre der, daß dem Gewohnheitstrinker die Befriedigung seines schädlichen HangeS unmöglich gemacht würde. DaS würde durch das Verbot deS Verkaufs von geistigen Getränken erreicht werden. Ein solches Verbot ist natürlich unmöglich, fweil alkoholhaltige Getränke nicht blos zu den Genußmitteln gehören, Mein, sondern so gar zu den Nahrungsmitteln, wie Bier. Und doch gicbl es ebensoviele Wein- und Biertrinker, welche sich in den Zustand der Trunkenheit versetzen, wie Branntweintrinker. Die Folgen des übermäßigen BranntweingenusseS machen sich in anderer Form bemerkbar wie die Ausschreitungen beim Genuß anderer geistiger Getränke, aber sie baden die gleiche Ursache, nämlich Mangel an sittlicher Kraft und an Selbstbeherrschung. Thalsache ist, daß der Gewohn heit- - Brauntwrintr-nker eine sittliche und wirthschaft- liche Gefahr darstcllt, welche bekämpft und in Schranken gehalten werden muß, weil sie ihre Wirkung aus weite Kreise erstreckt und überhaupt unberechenbar ist. ES giebl der Beweggründe verschiedene, welche den Menschen zur Leidenschaft des Trunkes verleiten. Oft ist es Leichtsinn, bei Andern wirkte das Beispiel, noch Andere suchen Trost gegen unleidliche Familienverbäl' sie, gegen Nahrungs- sorgen oder gegen die Qualen des bösen Gewissens. Bewußt oder unbewußt will sich die Mehrzahl der Gewohnbeitötrinker in einen Zustand versetzen, welcher ihnen die klare Erkcnntniß ihrer wirklichen Lage unmöglich macht nnd ihnen dadurch über da- Elend ihre- Dasein- leichter binweghilst. Da« ist »brr da- >m>»ei>»«lsi, Mittel, um di« Das«w»-Brdi»-ungrn zu verbessern, und deshalb muß seiner Anwendung cnt- gegengelrelen werden. Der Hergang ist in der Regel der, daß Arbeiter, welche ihren Wochenlohn auögezahlt erhallen haben, in irgend eine Branntweinschänke geben, um dort nach den Arbeiten und Anstrengungen der Woche auözurubeii und sich gütlich zu thun. DaS wäre nicht so schlimm, , wcnn nicht die Wirkungen dcö Alkohols auf die Trinker sich sehr ver schieden äußerten. Derjenige, der am meisten vertragen uuvz, sucht seine Fähigkeit zur Geltung zu bringen und verhöhnt vielleicht ankere weniger lrunkjeste Mittrinker, diu» befinden sich aber unter den Trinkern auch vcrheiratbele Männer, welche Fra» und Kinder zu ernähren haben. Die Frau wartet zu Hause sehnsüchtig auf den Mann, welcher den Wochenlohn bringen soll, die NahrungSguclle für die ganze Familie. Der Mann zieht cS aber vor, mit seinen ArbcitSgcnossen einen Tbcil deS WochcnverdicnstcS,vielleicht einen erheblichenTbeil zu verjubeln und dadurch seiner Familie daö zu entziehe», woraus sic berechtigten Anspruch hat. Jetzt thut die Frau den schwere» Gang nach dem Local, wo sie ihren Mann zu finden sicher ist, und sucht ihn auf jede Weise zur Pflicht znrückznsühren. Andere Frauen, die in dieser Beziehung schon üble Erfahrungen gemacht haben, erwarten ihre Männer beim Ausgang des ArbeitSlocalü und suchen sie vom Besuch der Schänke ahznhaltcn. Wenn eü erst dahin gekommen ist, dann liegt schon ein schwer zu heilender KrankkeitSproecß vor, der Mann hat dann die Herrschaft über sich selbst verloren und bedarf der Unterstützung von einer Seite, auf welcher sein Einfluß beherrschend und belebend wirken müßte. ES fragt sich, ob der Gesetzgeber hier mit Erfolg ein- grcifen könnte, ob ein gesetzlicher Zwang möglich ist, der einen solchen Trinker verhindern würde, seiner schädlichen Leidenschaft zu fröhnen. Der Gesetzentwurf verbietet eö, Personen, von welchen bekannt ist, daß sie innerhalb der letzten drei Jahre wegen Äergerniß ec regender Trunkenheit als ge wohnheitsmäßige Trinker rechtskräftig verurtheilt sind, geistige Getränke zu verabreichet!. Wenn es erst dahin gekommen ist, dann ist der Zusammenhang in der Familie deS Trinkers entweder gelöst oder so schwer erschüttert, daß er nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Man ersieht aus dieser Bestimmung, daß die gesetzliche Hilfe stet« unzureichend qlciben wird und muß, und daß der Schutz gegen die Ge fahren deS übermäßigen Genusses alkoholhaltiger Getränke von anderer Seite geleistet werden muß. Man hat es in Amerika versucht, der Trunksucht durch die Thätigkeit von MäßigkcitSaposteln zu steuern. Das mag hin und wieder zum Ziele geführt haben, aber im Ganzen sind die Temperenzler verlacht worden, und die Trinker haben sich in der Befriedigung ihrer Leidenschaft nicht stören lassen. Der Boden, auf welchem die Trunksucht wächst, ist in der Hauptsache unzureichende Nahrung und Unzufriedenheit mit de» bestehenden Verhältnissen. Die Branntweintrinker er gänzen sich stets auö den niedrigsten Schichten der Gesellschaft, m einer Lebenslage, welche die Befriedigung des Bedürfnisses nach Genuß und Erholung in anderer Weise ermöglicht, bildet der Branntweintrinker auS Gewohnheit nur eine ver schwindend kleine Ausnahme. Deshalb sind gesetzliche Maßregeln gegen die Trunksucbt Zeugnisse eines socialen KrankhcitSzustanbes. Man hat bis her vergeblich gegen die Pest der Prostitution angckämpft, die Frage ist Keule »och offen, ob eö geralhener sei, die Pro stitution auf bestimmte Häuser einznschränken oder ihr über haupt die Existenz abzuschnciden. Die Trunksucht wird ver einzelt in allen Ständen angetroffen, cS giebt Leute von hervorragender Bildung und Lebensstellung, welche ihr noch in vorgerückter Altersstufe verfallen, aber epidemisch tritt die Trunksucht nur in denjenigen Gesellschaftskreisen auf, welche auf das durch harte Arbeit erworbene Brod angewiesen siud. Tie Frage, ob man durch gesetzliche Maßregeln dem Umsichgreifen der Trunksucht Einhalt tbnn kann, ist noch offen, die nächste Session deS Reichstages wird Gelegenheit biete», sie nach allen Seiten hin zu erwägen und danach zu beschließen. Wir stehen hier noch einem Schaven, dessen Vcrdervlichkcit wir erkannt haben und den wir beseitigen möchten, als Neulinge gegenüber, die Erfahrung muß auf diesem Gebiete unsere Lchrmeisterin sein und uns den Weg zeigen, den wir einzuschlagen haben. Im All gemeinen darf gesagt werden, daß die Versuche der Gesetz gebung, erziehlich zu wirken, keine allzu günstige Aus sicht auf Erfolg baden. Der Gesetzgeber kann nur vor beugend und strafend wirken, damit sind die beiden Rich tungen bezeichnet, in welchen sich das Gesetz gegen die Trunk sucht bewegen kann. Die Gelegenheit, ihr zu fröhnen, muß beschränkt werden und die Strafe muß besonders diejenigen treffen, welche der Gelegenheit aus schnödem Eigennutz Vor schub leisten. Es ist häufig beobachtet worden, daß zum Trunk geneigte Personen erst durch die ihnen gewährten Er leichterungen bei Befriedigung ihrer Leidenschaft zu Gewohnheits trinkern geworden sind. Hier muß der Hebel augesctzt werden, und in dieser Beziehung finden wir manche, recht Wohl ge eignete Bestimmungen in dem Gesetzentwurf, um dem Uedel der Trunksucht die Wurzeln abzuschneiden Die Verabreichung größerer Quantitäten Branntwein als Bedingung deü Ver kaufs, ferner das Verbot des EreditgebeuS an Branntwem- trinker und die Unmöglichkeit, Forderungen einzuklagen, welche auö rechtswidriger Vcrabfolguiiggcistigcr Getränke enstandcn, sind ebenso viel zweckmäßige Maßregeln gegen daö Ueber- bandnehmen der Trunksucht. Verringern läßt sich da- Uebcl, aber nicht beseitigen. * Leipzig, 9. September. * Da- „Militair-Wochenblatt" veröffentlicht die Er nennung des Erzherzogs Rainer zum Ehef des Jnsan- terie-Regiments Nr. 39 in Düsseldorf. * Ueber die Stellung der national liberalen Partei zu den Getreidezollfragen schreibt die „Na- tionalliberale Correspondenz": Co oft sich ein Redner oder eine Zeitung der nationnllibercilen Partei gegen die Lebensmitteizölsi erklärt, stößt die sreibändlerische Presse allemal ein Tnuinphgeschrci aus über diese endliche Wieder, kehr gesunder wirlhschastlicher Anschauungen. Verschiedene hervor ragend« Männer der uatiouaillberaleo Partei haben in jüngster Zeit Anlaß geuonuTV», Erttsrangr» gegen di« agrarQche, Zoll« abP»- geben, nnd darau-Z ist ein Lärm gemacht worden, als ob sich bei diese» Männern und damit in der ganze» Partei eine ganz neue Wandlung vollzogen habe. Wer aber in aller Welt hat je in Abrede gestellt, Las; ein sehr bedeutender und angesehener Theil der ncitioncUIiheralen Partei von je her und auch heute noch zn den Gegner» der landwirthschastlichcn Zölle gehört? Ei» nnderer, eben so bedeutender Tbcil gehört zu de» entschiedene» An hänger» dieser Zölle. Tie Entdeckung, daß in dieser Frage Gegensätze in der Harlei herrschen. ist in der That nicht neu, sondern die Thalsuch» ist allbekannt und nie geleugnet worden, seit der Gegenstand überhaupt aus der Tagesordnung steht. Wie oir soll man es denn »och wiederholen, duff die nationallibcrale Partei, entsprechend ihrer Zusammensetzung nuS den verschiedensten Landestheilen und Berussarlen, grundsätzlich und in alle» ihren Programmen Zollsragc» als solche bezeichnet hat, in denen eine große politische Partei Meinungsverschiedenheiten dulden soll! Es dürste wieder einmal angezeigt sein, die Haltung der national- liberalen Partei gegenüber den Getreidezöllen ins Gedächlniß zurückzurusen. Gegen den Zolltarif von 1879, in welchem zum ersten Mal diese Zölle erschiene», stimmte mit vereinzelten Aus- nahmen die ganze Fraetivii, zum großen Theil allerdings wegen der „föderative» Garantien" des Herrn v. Franckenstein. Gegen das Zolllarisgcsetz vom Jahre 1885 mit seiner Erhöhung der Getreide- zolle stimmten 20, für dasselbe 23 Nationallibeeale. Gegen das Zoll- gesetz vom Jahre 1887 mit seiner weitere» Erhöhung der Getreide- zölle stimmten 67. für dasselbe 20 Nationallibeeale. Wenn in der Folge die Fraktion ganz oder nahezu einstimmig die agitatorischen freisinnigen Anwäge auf Herabsetzung oder Aushebung der Getreide- zölle abichnte, so wollte» damit keineswegs sämmtliche Mitglieder ihr Eiiwcrständniß mit der dauernde» Beibehaltung dieser Zölle in der bisherige» Hohe aassprechcn; eS ist aber etwas Anderes, an bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu rütteln oder sie zu bc« kämpseu, so lange sic »och i»r Entstehen begriffen sind, nnd die deutichsreisinnig-socialdeinokralische Theuerungshetze parlamentarisch zu fördern, konnte die nationallibcrale Fractton nicht für ihre Aufgabe halten. Wie man sieht, ist mit der neuesten „Entdeckung" von Meinungsvcrichiedenheiteii innerhalb der uationalliberalen Partei über die landwirlhschasttichc» Zölle wirklich nicht viel anzusangen. * Ueber die großartigen Vorkehrungen, die die Stadt Cassel zun: festlichen Empfang deS Kaisers trifft, sind die Anhänger der hessischen Reichs Part ei natürlich sehr auf gebracht, wovon ihre Presse in boshaften und bissigen Aus lassungen Zcugniß giebt. Die „Hessischen Blätter" bringen eine Beschreibung dieser Vorkehrungen und fahren dann fort: „Kurz, ganz Cassel steht, sc zn sagen, auf dem Kopfe. Und wofür das Alles? Die königlich preußische Residenzstadt Cassel rüstet sich zu festlichen. Empfange Sr. Majestät de« Königs von Preußen. Tochter Zion, freue Dich! Jauchze laut, Jerusalem! Siehe, Dem König kommtg zu Dir, siche, er kommt, der FriedcnSfürst! So sangen neu lich ein paar Schulkinder in der Aue. Ob etwa dies Lied beim Empfang gesungen werden soll?" Das erboste Blatt kann jedoch nickt umhin, der „Hessischen Mvracnzeitung" Recht zu geben, wenn sie kürzlich versicherte, die Bevölkerung Cassels werde beim Empfange Sr. Majestät zeige», wie sehr die Hessen in den fünfundzwanzig Jahren gute Preußen geworden seien. Wenn das AuShangen von schwarzweißeu oder schwarzweißrothcn Fahnen, Gnirlandcu u. s. w., das Hallen von patriotischen Reden, das Hoch- und Hurrahschreien ein Critcrium eines guten PrcußenlhumS sei, so solle die „Morgenzeitung" Recht behalten. * Die ersten amerikanischen Schweineproductc werden frühestens in sechs Wochen auf de» deutschen Markt kommen können. Nach einem auS Amerika eingegaugenen Telegramm meldet die „Allgemeine Fleischcrzeituuz", daß Offerten in Schweineproduclcn von Amerika noch nicht ge macht werden können, da die Fleischwaarcu erst von jetzt unter der Inspektion der Negierung zum Abschlachten kommenden Schweinen, also nicht vor ihrer Fertigstellung in drei bis vier Wochen sür Deutschland attcstirt werden können. * DaS „Hallesche Tageblatt", bisher Eigenthum der Stadt und seit einigen Jahren verpachtet, geht jetzt in anderen Besitz über. DaS im 92. Jahrgange stehende, aber seit längerer Zeit erkraglosc Blatt (die Abonnentenzahl ist auf weniger als 1500 hcradgrgangen) ist von Herrn I)r. Jerusalem, früher Gencralsecretair der national- liberalen Partei, für LOUO erworben. Da« Blatt soll fernerhin in nationalliberaler Richtung geführt werden und bleibt amtliches Verordnungsblatt de-Magistrates. * Ju dem bekanntlich dem Führer des „gemäßigten" Freisinns, Herrn Rickert, nicht fernstehenden „Deutschen Reichsblatt" wurde unter der Ueberschrift „Fort mit dem Zoll!" ein Poem publicirt, dessen erste Strophe lautet: „Die Theuerung drückt I Hört Ihr des Bolle- Grollen? Wie Meeresbrandung hallt es dumpf einher: „Wollt Ihr noch länger uns das Brot verzollen? Wir können satt uns essen jetzt kaum mehrl" Vielleicht kommt doch einmal derSteiu in- Rollen, Der lang schon droht Verderben bringend, schwer. Wir Armen können nicht den Hunger stillen, Wir darben, daß sich Eure Taschen füllen!" Acrger kann die Volk-verhetzung auch der „Vorwärts" nicht treiben. Die deutschfreisinnige Partei will nichts davon hören, daß sie die Vorfrucht der Soeialdemokratie sei — durch den vorstehenden poetischen HerzcnSerguß straft sie sich aber selbst nach dieser Richtung Lügen. » * * * Sämmtliche Wiener Blätter feiern den Trinksprnch Kaiser Wilbelm'S. Die „Neue Freie Presse" sagt: Alle Welt bat das Gefühl, daß die Kameradschaft ernst gemeint ist, nicht zugleich mit der Festtafel enden, sondern nach Absicht des Sprecher« dauern und in bösen Tagen sich noch besser bewähren soll als in guten. DaS Blatt bezweifelt nicht, daß der denkwürdige Trinkspruch in Beziehung steht zu den langen Unterredungen des ReichskaurlerS von Caprivi mit dem Grasen Kalnoky. — DaS „Fremdenblatt" führt an«: Kaiser Wilhelm bat in seinem gestrigen Toast da- euge Gerhältniß zwischen unserem und den» deutschen Herr» treffend gekennzeichnet. Oesterreich und Deutschland sind «»ander so nah« gerückt, wie eS bei zwei verschiedenen EtcratSwese» nnr überhaupt möglich ist. * Dem „Pestrr Llohd' zufolge hat der ungarische Handelsniinisier Baroß dieser Tage den General-Jnspcctor der englischen Eisendabnen, Colonel Rich, und den Vertreter der englischen Post-Administration, Larvey, empfangen nnd mit denselben über die technische Möglichkeit der Führung der indischen Post über Dnichchiand nnd Unßar» rlnSaianichi conferirt. Es handelt sich um die wöchentliche Expedition vrn zumindest 6 Waggons. Ter HandelSministcr hat Len eng lischen Dclegirlen jede mögliche Unterstützung in Aussicht gestellt. * In Prag ist der letzte Sonntag, trotzdem das jung- czechische Blatt die ganze verflossene Woche hindurch nicht aufgehört halte, VaS Volk aufzuforderu, cS möge die ErinncrungSseier der Krönung Leopold U. selbst m die Hand nehmen, in vcrhältnißmaßigcr Ruhe verlaufen. Daß der Prager Stadtralh eine osficielle Betbeiliguna an der Feier abgelehnt bat, wurde schon gemeldet. ES scheint aber, daß auch der erwartete Massenbesuch der Ausstellung auSgeblicben ist, und so begnügte man sich mit dem nun schon zum Inventar der Ausstellung gehörigen Absingen des „UcJ l-Iovau«", das auch der auf dem Feslplatzc erschienene Statt halter Graf Thun über sich ergehen lassen mußte, und schloß das Fest niit ?Leent-Nuseii vor dem Deutschen Hause. Andere Ruhestörungen kamen weder in Prag, noch auf dem Lande vor. * Die „Allg. ReichS-Corresp." meldet aus Petersburg: Als neue Maßregel zur Bekämpfung des NothstandeS wird die Regierung dieser Tage eine bedeutende Erhöhung der Eiscnbabntarife für sämmtliche Gctrcidcartcn »ach den Häfen deS Schwarzen und Asowschen Meere- verfüge». * Eine „Times"-Depesche auS Petersburg sagt, daß die seitens der Pforte vollzogene Umwandlung zu Gunsten einer russciisreundlichcn Politik mehr der französisch-russischen Annäherung, als ihrer eigenen diplomatischen Gewandtheit zuzuschrcibeu sei, obgleich auch der französische Gesandte, Graf Montebello, vor seiner Äbrcise von Konstantinopel einen Theil dazu beigctrageu habe. Diese Thatsache, sagen die Russen, wird in Schwarzenau kaum unbeachtet bleibe». ES sei etwas n viel gesagt, das neue türkische Ministerium ein russen- reundlicheS zu nennen, eS sei jedoch unzweifelhaft, daß unter Djevad Pascha autirussische Jntriaucn weniger Erfolg haben dürften als bisher. Graf Kalnoky könne daher bei der Ausführung seiner Pläne nicht mehr auf die Mitwirkung der Türkei rechnen, selbst wenn dir Abmachungen in Schwarzenau aus einen Bruch des Friedens berechnet sein sollten. Doch läge für eine solche Annahme nicht- vor. Selbst wenn die Türkei den russischen Kriegs schiffen die Durchfahrt durch die Dardanellen gestatte, könne daraus noch auf keinen Protests von Seilen der Gegner Rußland« geschloffen werden, da dadurch plötzlich die delikatesten und kritischsten Fragen, wie zum Beispiel die über Bosnien, die Herzegowina, Egypten, Cypcr», bervorgerusen würden, welche die westliche Diplomatie so ängstlich vcrnicidc. ES sei deshalb ziemlich sicher, anzu- »ehmen, daß Deutschland und Oesterreich von den Ereignissen in Konstantiiiopel einfach Notiz nähmen. So sprechen die russischen Blätter, von denen man glaube, daß sie die An sichten der russischen RegierungSkreise vertreten. * AuS Paris wird der „Bosstschen Zeitung" vom 5. September gemeldet: Diejenigen haben zu früh gcjubclt, welche behaupteten, es werde nichts Unvorhergesehene« ein- trcten, die Feldübungen seien geregelt und vorbereitet wie ein sorgfältig durch alle Proben hindurch gegangenes Bühnen stück. Es ist sogar etwas ganz Ungewöhnliches eingctretcn, wie der folgende Bericht über den gestrigen Kampf de« siebenten und achten Corps gegeneinander bestätigt: „Um 1l Uhr erscheint die Reiterei des Generals Negrier vor dem Wald bei Lorgebi». Io diesem Augenblick ertheilt der General Davont dein 134. Fußregimeat Besehi, die Tornister abzulegen und mit dem Kampfe auszuhüreu, um Len General Saussier zu erlauben, aus die Ebene zu gelangen. DaS Gesicht wird unterbrochen, weder das eine noch das andere Corps scheinen einen ernstlichen Vorsprung gewonnen zu haben. Die Ankunft des Generals Saussier, von Bac-sur-Anbe, war für 10 Uhr angezeigt worden. Deshalb mußte das Gesicht unterbrochen werde». Endlich um 10 Minuten vor 1 Uhr entdeckt der General Brugöre die Gestalt SanssierS an der Bitdsiäche. Plötzlich giebt das Geschützsener da« Zeichen zum Wieder beginn des Gesichtes." Die Uedcschlacht hat also inmitten ihre« besten Ganges unterbrochen werden müssen, weil der Oberbefehlshaber drei Stunden zu spät kam. Warum General Saussier zu spät gekommen, entzieht sich der Berichterstattung, welche nur eiu Widerhall der vom Generalstab gegebenen Mittheilungen ist. Aber Jedermann crräth die Ursache: Saussier ist sehr un behilflich, kann nicht ohne Beistand zn Pferde steigen, auch keinen langen anstrengenden Nilt auSbalten, Saussier ist, wie gar viele höhere Osficicre de- französischen Heeres, mit einem großen Schmeerbauch behaftet, der ihm viel zn schaffen macht, auch eine Ursache seine« öfteren Unwohlseins ist. Trotzdem diese« schwere Gebrechen längst vorhanden und bekannt ist, bleibt er zum Oberbefehlshaber im künftigen Krieg bestimmt. Wenn er aber dann auch einmal zu spät kommt? Man sollte sich doch der harten Anklage gegen mehrere kaiserliche Generale erinnern, welche im letzten Kriege auch zn spät gekommen sein sollen. Saussier war dabei im letzten Krieg erst Oberst und hat nie einen bedeutenden Truppenkörprr gegen den Feind geführt. Er gilt freilich als derjenige General, welcher der Republik am rückhaltlosesten ergeben ist. * Der in Mecheln tagende katholisch« Congreß wurde am Dienstag Vormittag durch eine Ansprache de« Erzbischof» von Mecheln, Cardinal GoosseuS, eröffnet. Der Deputirte von Antwerpen, Jacob, hielt eine Rede über die von der katholischen Partei seit dem Congreß von 1884 beobachtete Haltung. Gegen 1800 Tdciloebmer an- Belgien und dem Ausland sind bei dem Congreß anwesend. * Der „Politische» Correspondenz" schreibt man auS Konstantinopel, 4. September: So lang« nicht die Ur sachen de« überraschenden Sturzes de- GroßvezierS Kiamil Pascha mit aller Sicherheit klargelegt sind, sollte man über all im AuSlande mit Folgerungen au« diesem Ereignisse zurückhalten. Worin eigrntlich die ^Nothwendegkeit" bestanden habe, welche dem kaiserlichen Reskripte zufolge di« Enthebung Kiamil Pascha« von seinem Amte erheischte, darüber fehlen bisher verläßlich« Anhall-pvncte. Es sind in dieser Beziehung die verschiedensten Darstellnngr» im Umlauf. Dir Emen sagen. Kmmil'S Rücktritt sei mittelbar durch die schroffe Ab lehnung neuerlicher Verhandlungen über Egypten von Seiten de« Lord Salisbury verursacht worden, da der Sultan, aus dessen eigenst« Jniatw« Rustem Pascha von Kiffmgen nach London eilt«, um dem englischen Premier den Wunsch de- SaUan« bqß-üch Egtztz-e»« nut-nlheiirv, sich durch dich«.
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