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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920801011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892080101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892080101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-08
- Tag1892-08-01
- Monat1892-08
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Abo»neme»tspreis I» der Hauptrzprditio» oder de» t« Stab» beiirk »,d de, Vororte» errichtet«» Lot» galiesteüeu ebgeholt: viertrljLdrlich ^4^0, bei zwelmalioer täglicher Zustell uag i»s Haus üchL Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ädrlich ^ S.—. Direct» tägliche Krruzbaudlcnduug i»1 Ausland: monatllch -äl S.—. Morgen-Ausgabe. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich'/,? Uhr, die Adeud-AuSgad« Woche»tag» b Uhr. LeLartioa an- Lrredilio«: IatzmineSgag« 8. Di« Erveditlon ist Wochentags »«»«trrbroche» «eöfsael »»» früh 8 bis Tbeud» 7 U-r. Otto Rls««'S Sortt«. (Als«» Hshujs UaiversttLtsstrasj» z, L.nis Lisch«. Katharinenstr. 1< pari. »ud KSntgtplu» 7. amigerLagMall Anzeiger. Organ str Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. ItlsertionSpreiS Die 6 gespaltene Petitzrile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrtch (4go- spalten) 50^, vor den Familieoaachrichte» (6 gespalten) sOaj. Größer« Schriften laut unserem Preis« verzeichuiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Eytra-Vetla««» (gesalzt), »nr «ir der Murgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mrt Postbesörderung 4 70 — Ännahmeschluß für Inserate: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh '/«9 Uhr. e Bei den Filialen und Annahmestellen je esst« halb« Stund« früher. Inserate sind stet» -a dt« EstzeViti«» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. ^° 389. Montag den 1. August 1892. 86. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Lekannlmachung. Der am 1. August ». I. fällige »Veite Termin der TtaatSgrundfteuer ist nach dem Besetze vom I. September 1812, in Verbindung mit der durch da» Besetz vom 3. Juli 1878 gc- trossenen Aenderuna nach zwei Pfennigen von jeder Steuereinheit zu entrichten. Die Steuerpflichtigen werden daher hierdurch ausgefordert, ihre SteuerbctrSgc nebst der städtischen Grundsteuer, welche »ach 8. 6 des Regulativs für die Bcmeiudeaulagen der Stadt Leipzig vom 26. März 1879 mit ,... Sin» vom Tausend des im Kataster eingestellten GrundwertheS an demselben Tage fällig wird, von genanntem Tage ab bis spätestens 14 Tage uach demselben zu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist tritt daS gesetzlich« Beitreibung-»«» fahren ein. Zahlstellen sind: für Alt-Lei-zig: di« Grundsteuerhebestelle im Stadthausc, Erdgeschoß, Zimmer 55; für die Stadtbezirke Rcudnitt, Anger-Crottendorf, Thonberg und Henreudnitz: die Steuerhebestellen im Rathhause Leipzig-Reudnitz: für die Stadtbezirke VolkmarSdorf, Neustadt, Neuschöueseld, Alt- und Rcusellerhauscn: die Stenerhebestellcn ini Rathhaus« Leipzia-Bolkmarsdorf; für den Stadtbezirk Eutritzsch: die Stellerhebestelle im dortigen Rathhause; für den Stadtbezirk GohliS: die Steuerhebestelle im ehemaligen Gemeindeamt« daselbst; für die Stadtbezirke Plagwitz. Lindenau, Kleinzschocher und Schleußt«: die Struerhebestellen im Rathhaust zu Leipzig-Plagwitz; und für die Stadtbezirke Tonnewitz und Lößnig: die Steuerhebestelle im srübcreu Gemeiudramte tu Leipzig-Connewitz. Leipzig, de» 30. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. BökUtz Lekannlmachung. Die evangelisch-lntherisch« Kirchen»Anlage vom Grundbesitz für Gesammt-Leipzig aus bas Iahe am 1. August dsd. Ihr». lg. Dieselbe beträgt: für de» verband der ev.-Iulh. Kirchengemeinde in Alt-Leipzig ,, — ^l 21 sällb — « 22 27 22 15 23 15 26 28 41 13 13 13 11 und auf eine städtische Steuer einheit 1000 Grund- werth. » die Kirchengemeinde Reudnitz - - - Thonberg (umfassend die Stadttheil« Thon- berg und Neureudnitz) — » - Kirchengemeinde sttohlt» — « « « »utritzsch — » » » Plagwitz — - - - Lindenau — - . « Kleinzschocher (umfassend die Stadttheile Klein- zschocher und Sckleußig) — - » Kirchengemeinde Connewitz — - - « Lößnig — - - aus dem vormals Leipziger An- theil der kirchengrm. Sch-ne- felb gebildeten neuen Kircheu- gemeinden Anger-Crottendorf — ReuftadtmitReuschönrseld — Alt- und Reusellerhansen — VolkmarSdorf — Sind die Besitzer unbeweglichen Eigeathums Mitglieder der einer anderen, ein eigene.' Gotteshaus in dem betreffenden Steuer bezirke, d. h. Parochialbezirke besitzenden anerkannten ReligionS- oder Confessionsgemeinl'chaft, so haben sie nur den dritten Thril des sonst auf ,hren Grundbesitz, bez. auf ihren Antheil entfallenden Beitrags zu den Parochial-Anlagen zu entrichten. Die Steuerpflichtigen werden deshalb aufgesordert, ihre Steuer- beträge von dem obenbezetchneten Termine ob bis spätesten- 14 Tage nach demselben zu bezahlen. Zahlstellen sind: für Alt-Leipzig: die Grnndsteuerhebestelle im Stadthause. Erdgeschoß, Zimmer 55; für die Stadtbezirke Reudnitz. Anger-Crottendorf Thonberg und Rcnrrnvnitz: die Steuerhebestellen im Rathhause Leipzig-Reudnltz; für die Stadtbezirke VolkmarSdorf, Neustadt, Renschöncfeld, Alt- und Rensellerhausen: die Steuerhebestellen im Rathhause Leiozig-PolkmarSdorf; für den Stadtbezirk Eutritzsch: die Steuerhebestelle im dortigen Rathbause: für den Stadtbezirk (tzohltS: die Steuerhebestelle im ehemaligen Gemeindeamte daselbst; für die Stadtbezirke Plagwitz, Lindenau, Kleinzschocher und Schleußt«: die Steuerhebestellea im Nachhause zu Leipzig-Plagwitz; und für die Stadtbezirke Connewitz und Lößnig: die Steuerhebestelle im früheren Gemeindeamt« in Leipzig-Eonnewitz Leipzig, am 30. Juli 1892. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Böhlitz Carlistische Umtriebe in Spanien. O Part«, 30. Juli. Unter den Mächten, welche in hervorragendster Weise bei der augenblicklich das allgemeine europäische Interesse von neuem fesselnden marrokkanischen Frage betbeiligt sind, siebt Spanien obenan, und bei der Behandlung dieser an Zünv stoffen reichen Angelegenheit bandelt es sich fiir den Pyrenäen staat nicht nur um sein Ansehen nach Außen hin, um wichtige politische und commercielle Dinge, sondern in noch weit höheren. Grabe um ernste Seiten der inneren Politik. Bei der Unzuver lässigkeit des spanischen Charakters ist e« nicht zu verwundern, daß weite Bevölkerungsschichten schon seit langer Zeit mit der gegenwärtigen Regierung unzufrieden sind; die Königin wird geachtet, aber sie ist nicht populär, um den kleinen König kümmert man sich selbstredend sehr wenig, auf Minister, mögen sie noch so vorzüglich sein, bat man in Spanien nie Rücksicht genommen, da» Heer ist nur zum Theil zuverlässig. und so stehen denn den Umstnrzbeweglingen mancherlei Art, an denen eS im Lande des Weins und der Gesänge nie feblt, keinerlei größere Hindernisse entgegen. Daß eS wieder einmal enseit» der Pyrenäen brodelt und gäbet, haben die letzten Unruhen in Barcelona, in Madrid und verschiedenen Provinzialstädten deutlich gezeigt, eine allgemeinere Be wegung aber, die sich über daS ganze Land erstreckt, könnte doch nur durch einen wichtigeren Grund hervvrgerufen werden, der nicht, wie bei jenen eben erwähnten trubulanten Ereignissen, localer Natur ist, und da kann sich leicht die marokkanische Frage zum Sorgenkind der spanischen Regierung gestalten. Zeigt sich hier letztere schwach, läßt sie sich von den in Spanien auf daS Aeußerste gehaßten Engländern über trumpfen, macht sic denselben auch nur die geringsten Zu geständnisse, so dürste die Entrüstung in Hellen Flammen auf- lodern und sich rasch in offene Empörung umwandeln. Auf eine derartige Gelegenheit warten nur zur besseren Verfolgung ibrer Pläne die beiden wichtigsten oppositionellen Parteien im Lande, die republikanische und die carlistische, die ich unter Umständen in bestimmten Provinzen aber auch vereinigen würden zum Sturz der gegenwärtigen Regierung. Man hat in letzter Zeit weniger von den Earlisten gehört, man konnte sogar vernehmen, daß die carlistische Bewegung im Ausslcrbcn begriffen sei; aber gerade daö Gegcntbeil ist der Fall, und die Freunde des Prätendenten haben nie eifriger gewühlt, als in jüngster Zeit. Nach indiscreten Mitthcilungen aus geheimen Quellen haben die Anhänger des Don Carlos jene Bewegung straff organistrt, indem sic eine über daS ganze Land gehende politische Eivil- und eine Militair-Partei schusen; erstere wird von dem Marquis de Cerralbo geleitet, unter dem zunächst ein Comitö von neun Mitgliedern stcht, deren jedes eine der spanischen Provinzen verkörpert. Von diesem Comits ist wieder ein zweites mit 49 Mitgliedern, welche die Departements rcpräsentiren, und von dem zweiten ein drittes mit 112 Delegirten der einzelnen Distrikte abhängig; diese Delegirten beeinflussen die carlistischcn CcrcleS, die in den meisten Städten bestehen, und sorgen für Unterstützung und Verbreitung der carlistischcn Blätter, an deren Spitze als officielleS Organ der Partei der „Correv ESpanol" marschirt. Die Militair-Partei, deren Zeitung die „Estandarte real" ist, steht unter dem Oberbefehl eines Generals, von dem zunächst vier höhere Officiere, jeder von ibncn als Delegirtcr der vier wichtigsten Provinzen, darunter Catalonien und Eastilien, abhängig sind; daS ganze Land ist sodann in 22 Zonen eingetheilt, deren jede von einem Chef wie von einem Unterchef verwaltet wird — all diese Officiere haben sich während des letzten Carlistcnkriegcü rühmlichst bcr- vorgethan und stehen fast durchgängig in einem Alter von vierzig Jahren. Um jeden Zonen-Cbef gruppirt sich ein Comilä von fünf Officicren und um letzteres stets wieder ein zweites von Feldwebeln und Unlerofsicieren, die unter den Mannschaften für den Prätendenten Propaganda machen; in wichtigen Fällen kann der Zonen-Cbef ein aus ehemaligen Carlistenkämpfern bestehendes Kriegsgericht einsetzen, welches persönliche Entscheidungen fällt. Tie Civil- und die Militair- Partei sind von einander gänzlich unabhängig, nur ihre Oberhäupter befinden sich in steter directer Verbindung mit Don Carlo«. Mit dieser Einrichtung noch nicht zufrieden, bat die Partei für den Ernstfall umfassende Waffenlieferungen mit belgischen Häusern abgeschlossen und ferner ein in 50 000 Exemplaren verbreitetes, 300 Seiten starkes „Hand buch des freiwilligen Carlisten" berausgegeben, daö die nöthigsten Unterweisungen für den Kriegszustand enthält. Recht nette Aussichten für daS durch Bürgerkriege oft genug schon heimgesuchte Land, dessen Negierung" die Gefahr Wohl kennt und auf sic bei der Behandlung der marrokanischen Frage die nöthige Rücksicht nehmen wird, äußere Wirren wahrscheinlich weniger fürchtend wie innere! Politische Tagesschau. * Leipzig, 31. Juli. Aus die Bemerkung, welche die „N.-L. C" an die Zurück stellung der Entscheidung in der Rcdemptoristensrage seitens dcS BundeSrathcS knüpfte, erwidert die „Germania" mit einigen geheimnißvollen Redensarten. Es werde srübcr, als den Cnlturkämpfcrn erwünscht, in der Jesnitcnfragc etwas geschehen, was denselben sehr wenig gefallen werde. Da kann inan ja wirklich gespannt sein. Nachdem das Ccntrum seinen berühmten Icsuilciiaiitrag ^ Jahre im Reichstag ohne Widerspruch als Ladenhüter hatte liegen lassen, zog es ihn, als er endlich durch daS Gesetz der Träg heit aus die Tagesordnung kam, mit einer über die Maßen kläglichen Erklärung im angeblichen Interesse dcS Friedens und des Vaterlandes zurück. ES könnte nur Gelächter und Hohn erwecken, wenn der Antrag jetzt noch einmal aus- gegraben werden sollte. Oder welche andere imponircude Thal hat daS Centum in Vorbereitung? Der Plan einer Berliner Weltausstellung wird in der Presse vielfach schon jetzt als gescheitert angeseben. Diese Ansicht stützt sich thcilS auf den Umstand, daß der vcr- hältnißinäßig größte deutsche Industriestaat — Sachsen — sich ablehnend verhält, daß in Baden die Stimmung sehr aetbeilt ist und daß von Preußen ebenfalls ein verneinendes Votum zu erwarten stcbt, theils ans die Stellungnahme der RcichSregierung, welche ein gleichzeitig in der „Schles. Zeitung" und in der Münchener „Atlg. Ztg." veröffentlichter Artikel kennzeichnet. In dem Artikel heißt eS: Wie wir ersahren, sind die bisher vorliegenden Gutachten der Einzelstaaten über den Plan einer Berliner Weltausstellung derartig, daß nach dem grundsätzlichen Standpuiict, den die Reichsregicriliig von vornherein zur Sache eingenommen ha», die Entscheidung schwerlich zu Gunsten de- Planes auSfallen wird. Ter Reichskanzler hatte im Wesentlichen die amtlich« Förderung de^> PlaneS davon abhängig gemach!, daß durch entichledeneS Eintreten der deutschen Industriellen und ihrer Vereinigungen daS Gelingen, so weit alS irgend möglich, gesichert werde. Nach dem Grundsatz, die Stimmen zu wögen und nicht nur zu zählen, sollte Wert.! doraui gelegt werden, ob namentlich die Großindustrie nicht nur die erforderlichen Opfer freudig bringen werde, sondern auch geschäftliche Borlheite von einer Weltausstellung erwarte oder nicht. Man hat dagegen da» nattoual« Interesse, das bei ei»er so großen Leransioltung in der ReichShouptstadt niit- spreche, bcwnt und wohl auch das Ausgebe» des Planes als ri»»n Rückzug vor Frankreich bezeichnet. Allei» in den maßgebenden Kreisen wird diese Ansicht nicht getheilt.... Hiernach mag man sich leicht vorslellen, daß die eingegangenen Gutachten den amtlichen Eifer für die Weltausstellung nicht anspornen konnten.... Berliner Blätter, die natürlich mit geringer Ausnahme lebhaft für die Sache eiutreten, weil sie unter allen Umständen große wirthschastliche Lor- thcilc für die Reicl>Shaupisladt erwarte», setzen ihre Hoffnungen auf den Kaiser und meinen, daß er die eben genannten Aortheile hoch in Anschlag bringe» werde. Bei der genauen Prüfung, »ach der der Kaiser seine Entscheidung treffen wird, tönnen und werden jedoch auch die Nachtheile nicht übersehen werden, die sowohl aus wirthschaftlichcm Gebiets für einen Theil der Berliner durch Grundstückipeculationen, Steigerung der Mieth- und Lebensmittctprcise u. s. w. als auch in sittlicher Beziehung mit dem Ziisammenstrüuien von Mcnscheninosse», die ebcuso dem Vergnügen wie dem Geschäfte nachzicheu, entstehen müßten. Man glaubt, daß mit dein Einwand der Engherzigkeit und Spießbüraerlichleit über diese Nachtbeile nickt hinmegznkommen sei und daß auch die Bc- rusung auf andere Städte, die fremde Nationen zu sich eingeladcn haben, nicht durchschlage, da namentlich Paris durch den Rcichlhum an Zerstreuungen aller Art eine größere Anziehungskraft ausübe und an den Berliner Eitlen doch noch mehr zu verderben wäre. Jedenfalls solle» die Erwartungen der Berliner Kauslcute, Gasi- wirthe, Zeitungen, überhaupt Privatstellcn, die an einer Welt ausstellung geschäftlichen Antheil nehmen, nicht den AuSschlag geben. Die förmliche Entscheidung erfolgt erst, wenn das gejammte gut achtliche Material etngcgangen ist, wahrscheinlich alLbald nach der Rückkehr des Kaisers aus England. Während, wie wir schon gestern erwähnten, in einem Theile der deutschen Presse der sogenannte BiSmarckstreit zu einem Kampfe um die Stellung des Grasen Eaprivi sich zuspitzt und die Rufe „Fort mit diesem Reichskanzler" laut werden, bat man in Rußland bereits ein neues Amt für den Nachfolger deS Fürsten Bismarck entdeckt. Eine Peters burger Depesche der „Vossischcn Zeitung" vom 30. Juli meldet nämlich: ..Nach den Sosianer Hinrichtungen, äußern die Blätter, müsse Deutschland die Kosten decken. ES sei klar, daß di« Usurpatoren nicht so Vorgehen würden, wenn die politischen AuS- sichten der deutschen Regierung nicht günstig wären. Nun müsst Berlins Haltung zeigen, ob es mit zenen solidarisch sei. Die „Nowosti" legt nahe, Eaprivi als Candidaten für den bulgarischen Thron aufzustellen." Wie wir auch über den jetzigen Reichskanzler denken mögen: ^solchen Hohn hat er nicht verdient. An der Hinrichtung der vier Verschwörer in Sofia ist er jedenfalls unschuldiger, als Rußland, daS die Meuchelmörder gesendet hat. Daß der deutsche Vertreter in Sofia, der leider noch immer auch die russischen Interessen wahrnehmen soll, keinen Schritt zur Be gnadigung der verurtheiltcn Mordgescllen gethan, kann nur gebilligt werden. Ist eS doch schon bedenklich, daß andere Vertreter sich zu einem solchen durch nichts zu rechtfertigenden Vergeben herbeigelassen haben. Die „Köln. Ztg." bestätigt nämlich aus Sofia, daß die Vertreter Rumäniens, Italiens und Belgiens Schritte getkan batten, um für die zum Tode verurtheiltcn Hochverräther zu vermitteln. Dieselben waren eingcleitet worden vom rumänischen Ver treter, beschränkten sich jedoch auf eine freundschaftliche Unter redung mit dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten Ein gemeinsames Vorgehen der Vertreter aller Machte hat nicht stattgefunden, auch hat nickt einmal der sranzösische Vertreter an den Vorstellungen theilgcnommen. Die internationalen Erörterungen über die schweize rische Neutralität dürfen nun als abgeschlossen bc trachtet werden. Sie ragten weit über das akademische Interesse hinaus und wurden in der Schweiz derart auf merksam verfolgt, daß kein Wort unbeachtet zu Boden fiel. AuS der deutschen und italienischen Presse glaubt man folgern zu dürfen, daß der Schwei; das Recht ruerkannt wird, au der ihr verbrieften Neutralität festzubaltcn und diejenigen Maßregeln zu treffen, die sic als geeignet erachtet, die Jntactheit de« NcutralitätsprincipS aufrecht zu erhalten. Das ist ei» Gewinn, der des Eifers, mit dem diese Frage der Neutralität behandelt wurde, Wohl werth ist. In den russcnfreundlichen Kreisen Frankreichs herrscht Heller Jubel, denn Väterchen erweist seinen Ver bündeten neue Huld und Gnade. Wie aus Paris gemeldet wird, ist der französischen Regierung amtlich der Besuch der drei russischen KriegSschissc „Admiral Kcrnilofs", „Nynda" und „NaSboinik" für den nächsten Monat in Cherbourg angemcldct worden. Dieser Besuch kann als Dank der russischen Regierung für die Autheilnahme, welche die Pariser Presse den bulgarischen Meuterern angedeihcn läßt, betrachtet werden; überdies legt dieser Besuch Rußland keine Verpflichtungen auf, den Russenschwärmern in Frank reich mackt er Freude und vielleicht setzt der russische Finanz- minister Hoffnungen aus die „Tage von Cberbourg". Neckst unangenehm dürste übrigens Väterchen durch die Jnlriguen berührt werden, die in Paris gegen die Wiederwahl deS Präsidenten Carnot im Gange sind. Nach dem „Matin" arbeitet eine Gruppe von der Aeußcrsten Linken angehörenken Abgeordneten gegenwärtig bereits eifrig dabin, daß die im September 1893 ncuzuwäklenden Deputiere» unter Anderem auch einen Artikel in ibr Programm aufncbmen, wonach Carnot bei der im Deccmbcr 1891 stattsinkenden Neuwabt eines Präsidenten der Republik nicht wieder gcwäblt werden soll. Die hierfür vorgebrachtcn Gründe richten sich keineswegs gegen die Person des Herrn Carnot, dessen vielfache Vorzüge zugegeben werden. Ter wichtigste Punct des Angriffs ist jener, der sagt, eS sei nicht gut, wenn in einem demokratischen und parlamentarischen Lande rin und derselbe Mann zu lange in Plackt und Stellung bleibe. Die alten Achtund vierziger Pflichten dieser Ansicht bei, zumal die Verfassung der zweiten Republik die Wiederwahl de- abtrctenden Präsi denten erst nach einer Periode von vier Jabrcn gestattete. Braucht man nun a»ch, da es bis zun, December 1891 noch lange hin ist, den Enthüllungen des „Mali,," keine allzugroße Bedeutung beizulegen, so beweise» sie dem Zaren dock, daß seine französischen Freunde mit ibrer unruhigen Neuerung- sucht Bundesgenossen sind, bei denen man stets auf unlieb same Ueberraschungen gefaßt sein muß. Wie der „Kreuz-Ztg." a»S Nom geschrieben wird, sind die Verhandlungen zwischen Preußen und dem Vatican wegen Cardinalsernennungen auf einen tobten Strang gerathen. Die Curie bat eS nicht für angängig gehalten, der Erhebung deS Fürstbischofs von Breslau zum Cardinal zuzustimmen, und Preußen bat infolge dessen die Beförderung des Erzbischofs von Köln seinerseits abgelehnt. DaS ganze deutsche Reich hat somit keinen Bischof oder Erzbischof, der Cardinal ist; denn auch kein süddeutscher Kirchensürst, nicht einmal der Erzbischof von München, ist mit dieser Würde bekleidet. Als Vertreter BanernS im Cardinalscolleaium konnte bislang der im vorigen Jahre verstorbene Hergenrother gelten, der, nachdem er sich als UniversitätSprofcssor in Würz burg einen Namen gemacht, als Präscct der vatikanischen Archive nach Rom berufen und dabei mit dem Purpur aus gezeichnet wurde. Wirkliche Bedeutung hat die CardinalS- würde der außerhalb Roms resibirenden Prälaten nur für den Fall eines ConclaveS. Der Einfluß der römischen Cardinäle hängt natürlich von dem Amt ab, welche« sie be kleiden. Die altersschwachen, kränkelnden Herren werden fast gar nickt mehr beschäftigt. Die beiden wichtigsten Posten baden Marchese de Rampolla und Graf LedochowSki, von denen der erstere als StaatSsecrctair die Weltpolitik und der andere als Prcisect der Propaganda sozusagen die Colonial politik (Missionen) des päpstlichen Stuhles leitet. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird die Einwanderung der Japaner bald dieselben Schwierigkeiten bereiten, wie vormals die der Chinesen. Be kanntlich dürfen die Chinesen, trotz aller durch Vertrag ver brieften Rechte, nicht mehr das „Land der Freien" betreten. Jetzt beginnt jedoch eine japanische Einwancerung. Die amerikanischen Arbeiter werden höchst wahrscheinlich nicht um eines Haares Breite einen Unterschied zwischen Chinesen und Japanern machen. Die japanische Regierung ist aber nickt so alcichgillig wie die chinesische. Japan, so meint die „A. E.-K.", welches zur Zeit ohnebin nickt gut auf die Ausländer zu sprechen ist, würde sicherlich Wiedervcrgeltung üben, falls man seinen Bürgern die freie Einwanderung störte. Es kann eine sehr heikle Lage für die Amerikaner daraus ent stehen. Leicht könnten andere Nationen Vortheile aus der Situation ziehen. Deutsches Reich. Berlin, 31. Juli. Die Entscheidung über eine der nächsten NcichStagSsession vorzulegende große Militair- vorlagc ist, wie wir hören, während der jüngsten Anwesen beit deS Kaisers noch nicht getroffen, sondern bi- zu dessen baldiger Rückkehr aus England verschoben worden. — Die „Nordd. Allg. Ztg." setzt sich heute mit der „Kreuzztg." über die Revision des konservativen Programms auseinander und stellt nochmals fest, daß der einzige sachliche Differenzpnnct zwischen ibnen die Forderung eines Juden paragraphen sei. Den Ausführungen der „N. A. Z." über die antisemitische Agitation entnehmen wir Folgendes: Die bisherige Bekämpfung des Judenthumö hat in einer Reihe von Jahren gar nichts zu Tage gefördert als ein ödeS Schreien und Schimpfen, welches den gemein und brutal Angegriffenen Sympathien zuführtc. Inden Versammlungen einer erhitzten und urthcilslosen Menge immer aussNcue Forderungen aufzustellen, die eine Beseitigung grundlegender Verfassungsgesetze in sich schließen, ohne doch den Mutb zu haben, mit einem Antrag auf legale Aufbebung dieser Gesetze offen bervorzutretcn, ist verwerflich. Demagogie ist nicht bloS mit conservativer Principientreue, sondern auch mit staatserhaltender Gesinnung unvereinbar. Dem denkenden Betrachter der Vorgänge unserer jüngsten Vergangenheit kann kein Zweifel darüber sein, daß die in den breiten Schichten unseres Volkes sich be merkbar machende Ncaclion gegen einen als übermäßig empfundenen Einfluß deS JudentlmmS auf unser nationales Leben sich nicht gegen die Israeliten als Religionsgemeinschaft, auch ursprünglich nickt gegen die fremde Rasse als solche kebrte, sondern beiiiakc ausschließlich hervorgcrusen wurde durch das plötzliche Auftauchen seiner socialen Macht, die unwiderstehlich schien, und deren sittliche Berechtigung doch in so manchen Fallen nicht ohne Weiteres einleuchtete. Den gangbaren Weg. um zu einer Zurückdämmung eines Einflusses zu gelangen, der als ein unser wirtbschaft- lichcs und sittliches Leben gefährdender in weitesten Kreisen dcS Volkes betrachtet wird, erweist mit „schärfster Präcisiou" daS Programm von 1876, indem eS sagt: „wir fordern die schritlweiie Beseitigung der Bevorzugungen des großen Geld- capitalS." Hier und nur hier kann der Staat direct helfend eingreifcn; hier kann eine conservative und zugleich volkS- tkümliche Politik sich bethätigrn. Wäre die con>ervative Partei in den siebziger und achtziger Jahren i» der Lage gewesen, die angeführte, in ihrem Programm ausgesprochene Forderung auch nur in bescheidenem Maße einer praktischen Verwirklichung entgegenzusübrcn, so hätte eine antisemitische Agitation demagogischen EkarakterS schwerlich einen größeren Umsang angenommen, jedenfalls hätte eine solche niemals innerhalb der conservative» Partei selbst Sympathie und Unterstützung gefunden. 1t Berti», 31. Juli. Die Behauptung der national- polnischen Agitatoren, daß in den gemischt-sprachigen Laudes- tbeilcn des Ostens der Monarchie der polnische Privat- sprachuntcrricbt ein seitens der Bevölkerung dringend enipsundencS Bedürsniß sei, hat durch die Thatjachen inner- balb des seit Genehmigung desselben verflossene» anderthalb jährigen Zeitraums keinerlei Bestätigung erfahren. Wäre es so, wie die Chauvinisten polnischer Zunge die Sacke dar- stellcn, dann müßte der polnische Privatsprachuntrrrichl unaufbaltsam an Boden gewonnen baden. Statt dessen bat man jedock die Erfahrung gemacht, und die national polnische Presse muß eS, so sauer eS ihr auch ankommt, bestätigen, daß der in Rede stehende Unterricht weder überall, wo seine Gönner eS gern gesehen batten, eingeführt wurde, noch da, wo er zur Einführung gediehen war, sich halten konnte. Die Tbeilnadmlosigkeit der Bevölkerung nölhigte vielfach zur Beschränkung, ja zur gänzlichen Ein stellung dcS begonnenen UnternedmenS. Es zeigt dieser Her gang wieder einmal, wie Vieles im Wese» der polnischen Befehdung des DcutschtbumS nur erkünstelte Mache ist, eine Mache, welche sich in phantastischen ZukuuftSträumen statt in der realen Gegenwart bewegt und dir wirklichen Interessen der Bevölkerung selbstiiichligea Sonderzwrcken hmlansrtzt.
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