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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18910916022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891091602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891091602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
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Hierin bat sich seitdem nicht- geändert, die Zablen werden bis zur Zerstreuung der Ex pedition v. Zelewski durch die Wahebc dieselben geblieben sein. Die ganze Truppe war in 10 Compagnien eingelheilt, von denen die ersten acht auf die Küslenplätze von Tanga im Norden bis nach Mikindani im Süden vertheilt waren, die 9. ist zur Begleitung des CommissarS vr. PetcrS be stimmt und sollte ihren Sitz in Moschi am Kilimandscharo nehmen, die 10. halte die Orte Mpwapwa und Tabora be setzt und stellte Abheilungen für die Expeditionen von Emin Pascha und StokeS. Vcrtheilt man die Mannschaften der Schutztruppe im Ganzen auf die Compagnien, so kämen aus jede derselben 150 Mann, doch wird man wohl der Wirklichkeit näher kommen, wenn man sie aus 120 Köpfe zählt. Danach würde der Commandeur v. Zelewski mit seinen vier Compagnien etwa 500 Mann zur Expedition ver einigt haben. Das ist genau ein Drittel der ganzen bewaff neten Macht. Beiläufig sei bemerkt, daß nicht zum ersten Male eine so große Macht zu einem KriegSzuge gegen die räuberischen Stämme im Süden und Westen unseres Küsten gebietes aufgeboten wurde. Als BezirkShauptmann Ramsay im December 1890 von Mikindani aus einen Zug gegen den Häuptling Machemba machte, hatte er zwei Sulu- und zwei Sudanesen-Compagnien vereinigt. Er mußte sich aber nach einigen unbedeutenden Gefechten, nach denen die Eingeborenen zurückzogen, wegen dcS BuschwaldcS, der in der Regenzeit ungangbaren Wege und wegen Mangels an Nahrungsmitteln ohne durchdringenden Erfolg nach Lindi mit einem Verluste von -t Totten und 11 Verwundeten zurückziehen. Ganz anders ist der AuSgang des neuen vor zwei Monaten unternommenen ZugeS: die Expedition v. Zelewski ist nach den amtlichen Nachrichten thatsächlich aufgerieben; hierbei kommt neben dem beträchtlichen Verluste an Menschenleben und Material namentlich die moralische Wirkung in Betracht, welcke der Erfolg auf die Eingeborenen auSüben Wird. Nicht allein die Mafiti, Major und Wahehe werden an Selbstgefühl und Kühnheit gewinnen, sondern gleiche Ge fühle werden sich anderen Stämmen im Westen und Norden mittheilen. Unzweifelhaft wird sich die Niederlage bald bis zum Tanganika und zum Vicloriasee fühlbar machen. Darf eine europäische Macht Derartiges überhaupt nie mals ungestraft hingeben lasten, wenn sie sich nicht um ihr Ansehen bringen will, so haben wir bei dem Umstande, daß unser dortiges Schutzgebiet eigentlich nur an der Küste unter unsere unmittelbare Herrschaft gebracht ist, doppelte Ursache, schnell und energisch vorzugebc». Obne solche Maß regeln kommen auch unsere vorgeschobenen Posten unv im Innern befindlichen Expeditionen in nicht geringe Gefahr. Nachdem aber ein volles Drittel unserer Schutztruppe auf gelöst und zersprengt ist, bleibt nichts übrig, als dieselbe durch Neuanwerbungen wieder zu ergänzen und zu ver stärken. Denn wir müssen nicht nur die Scharte auS- wetzen, sondern auch stark genug sein, um den kühnen Räuber stämmen dauernd aus ihrem eigenen Gebiete entgegenzutreten und sie unbedingt im Zaume zu halten. DaS kann man mit den bisherigen Kräften nicht. Wird aber dieser Weg, woran nicht zu zweifeln ist, bcschritten, so erleidet die ganze ostafrikanische Politik, wie sie von Seiten der Negierung An fang dieses IahrcS im Reichstage dargelegt wurde, eine grundsätzliche Aenderung. Damals wurde eine Herabsetzung der Ausgaben und eine Verminderung der Schutztruppe als das wesentlichste Ziel bingestellt. Dieser Plan kann selbst verständlich nicht aufrechterbalten werden; man würde sich unter den eingetrelcnen Verbattniflen mit seiner Fcsthaltung nur spätere größere Ausgaben und viel schlimmere Schwierig keiten aufladen. Bei dem Programm über die einschlagende ostafrikanische Politik kalte man sich amtlicherseitS aus nicht zutreffende Unterlagen gestützt. Der Major v. Wissmann hatte er klärt, daß nickt nur dir großen Karawanenstraßen aiss weite Strecken hin gesichert, sondern auck unser Machteinstuß bis an die äußerste Grenze unseres Gebietes auSgebeynt sei. Seiner Ansicht nach war das Land mit einer vcrbälttiißmäßig geringen Truppeninacht zu halten. DaS hat sich als eine Täuschung erwiesen. Die Schutztruppe unter Major v. Wiss- inand's Leitung war immer im Küstengebiete geblieben; sie batte nur einmal einen größeren Zug inS Innere gemacht, näm lich im Herbste 1489 nach Mpwapwa; sonst kam sie nicht über 20 üin vom Meere hinaus. Daraus einenSchluß auf das übrige Gebiet zu zicbc», war nicht berechtigt, zumal die Stämme i»i Innern einen ganz anderen Charakter baden als die Küstcnleule. Beeinflußt wurde die Wirkung der Schutztruppe an der Küste auch »och durch die Flotte, ein Factor, der im Innern fehlt. Soll im Innern dieselbe Wirkung erzielt werden, wie am Meere, so brauchen wir mindestens doppelt so viele Truppen. An eine volle Sicherung der Karawanenstraßcn und an eine wirkliche Ausdehnung unseres Machtbereichs bis an die Grenzen der deutschen Sphäre im Westen, Norden und Süden ist in Jahren noch nicht zu denken. DaS wird noch viele Anstrengungen und Opfer kosten. Der obenerwäbnte Fehler in der Betrachtung der ostasrikanischen Verhältnisse hat unS schon jetzt Schaden gebracht; er erschwert die Ver waltung, hält die Entwickelung auf und wird nunmehr der eiiigcgcngesctzlen Ansicht und Praxis Platz machen müssen. * Ucbcr den bei dem Ucbcrsall der Wahehe auf die deutsche Schutztruppe am l7. August d. I. anscheinend gc- tödteten Chef v. Zelewski wird geschrieben: Zu seiner letzten Stellung war Herr v. Zelcw-ki vcrbält- nißmäßig früh gekommen. Zur Zeit des Aufstandes stand er als Beamter der Deutsch Ostasrikanischen Gesellschaft der Station Pangani vor und befand sich in einer sehr gefähr lichen Lage, aus welcher ihn der bekannte Sultan»- general Matthews befreite. Nach seinem Eintritt in die Schutztruppe erhielt er die Station Kilwa, da zumal eine der fieberreichsten der ganzen Küste. WaS er nun dort geleistet hat, daS zwingt auch dem neidischsten Charakter Bewunderung ab unv ist wohl nur deshalb weniger bekannt geworden, weil er nichts mehr haßte als die Art der Reklame, wie sie einzelne „Afrikareisende" für sich zu machen wissen. Zelewski legte die Sümpfe trocken, brachte durch eine vorzüglich erdachte Leitung Wasser von den Hügeln bis zur Stadt, woran hier früher größter Mangel war, und errichtete den großartigen Stationsbau, ein würdiges Denk mal deutscher Thalkrafl. Rastlos schaffend, von Morgens früh bis Abends spät, bald hier die Arbeiter anfcuernd, bald dort die Truppen exercircnd, ohne jede Rücksicht aus seine Gesundheit, nur von dem Gedanken getragen, der Colonie zu nützen, von bestechender Liebenswürdigkeit gegen Gäste, von seinen Kameraden verehrt, von Allen, die ihn kannten, geliebt — das war Commandeur von Zelewski. Mir werden die Tage unvergeßlich bleiben, die ich in seiner Nähe weilen durfte. Ich entsinne mich noch deutlich seiner grenzen losen Freude am 2. Januar d.I., als er endlich den „rotbcn Lappen" herunterbolcn und dafür die deutsche Flagge hissen durfte. „Sagen Sic den Soldaten", befahl er dem Dolmetscher Afsak faran, „daß ich erwarte, sic werden jetzt ebenso ihre Schuldig keit thun, wie früher und noch mehr. Sagen Sie ihnen auch, sie sollten sich der Tage erinnern, da sie im Sudan gehungert, und die Pflicht der Dankbarkeit nicht vergessen." Der Mann, für den wir alle bereit gewesen, unser Blut zu verspritzen, soll nun tobt sein. Die schwarz-weiß-rothe Fahne ist um flort, die Schutztruppe ist verwaist. Sie hat ihren Besten verloren. Leipzig, 16. September. * Der Kaiser wird nach den großen Manövern von Erfurt auS am 19. d. M. nochmals nach Cassel bez. Wil- helmShöhe zurückkchren und hier einige Tage Aufenthalt nehmen. Auch die Kaiserin trifft bereits schon am 17. d. M. in Wilhelmshöhe ein und wird wird dort mit den kaiserlichen Prinzen, welche am selben Tage ankommen, längere Zeit verbleiben. * Ueber den Trinkspruch, welchen S«. Maj. der Kaiser vorgestern beim Paradediner in Erfurt gehalten hat, bringt die „Post" folgenden Bericht mit dem Bemerken, daß er auf wörtliche Genauigkeit keinen Anspruch macht, der indeß al- eine vorläufige Inhaltsangabe dienen möge, bis die amtliche Fassung des Toaste- erscheint. Se. Majestät sagte ungefähr Folgende»: ,Äch freue Mich, daß da« IV. Armeecvrp« zu Meiner größten Zufriedenheit die Parade auSgcsührt; Ich freue Mich darüber um so mehr, als die streit baren Söhne Thüringens, Sachsens und der Alt mark mit daran Theil genommen haben. Hier in Erfurt ist ein ernster Punkt in der preußischen Geschichte. An diesem Orte hat uns der korsische Parvenue aufs Tiefste erniedrigt, auf daS Scheuß lichste geschändet, aber von hier aus ging 18l3 auch der Rachestrabl auS, der ihn zu Boden geschmettert. Ich erinnere Mich noch aut, als vor 8 Jahren Meines hochscligen Herrn Großvaters Majestät hier weilte und sein scharfer Blick mit Anerkennung auf dem Corps ruhte, welches der jetzige Feldmarschall Graf von Blumenthal damals führte. Es sind erhebende Momente, die an Erfurt sich knüpfen, und eS gereicht Mir zur Genuglhuung, daß das Corps in der Jetzt zeit den Höhepunkt der Ausbildung innegehalten, und Ich bin der festen Ucberzeugung, baß dasselbe in Krieg und in Frieden in den Händen Euer Exccllcnz seine Schneidigkrit bethätigen wird." * Der Vicepräsidcnt de- Staatsministeriums, Staat-- minister von Boetticher hat seine dreiwöchige Cur in Karlsbad mit dem erwünschten Erfolge beendet und bezieht sich von Karlsbad auS zur Nachkur auf kurze Zeit nach dem Harze, woselbst der Minister einige Tage in Gesellschaft des Eisenbahnministers Thielen zubringen dürfte. * Dem mächtigen Eindrücke, den der begeisterte Empfang Kaiser Wilhelm's in der bayerischen Hauptstadt durch Fürst und Volk auf da- Ausland bcrvorgebracht, giebt der Londoner „Standard" in gewissermaßen typischer Weise Ausdruck, typisch in so fern, als seine Betrachtungen alle die Gesichtspunkte erschöpfen und zusammenfaffen, denen man auch sonst in den mit einiger Sachkcnntniß urtbeilenden Organen der Auslandspresse begegnet ist. Aus diesem Grunde sei der „Standard"-Artikcl im Folgenden seinen allgemeinen Umrissen nach skizzirt. Gemäß der der öffentlichen Meinung Europas immer unabweislichcr sich aufdrängendcn Er kenntlich des wahren Charakters der internationalen Entwickelung nennt der „Standard" die Münchener Kaisertagc einen „Zwischenfall von europäischer Bedeutung", denn er entzieht der Vorstellung, als sei Bayern in erster Linie eine Hochburg particularisiischen Geistes, cndgiltig den Boden. Trotz der berüchtigten Ausfälle einer gewissen bayerischen Lokalpresse hält eS ver „Standard" für „augen scheinlich, daß diese Empfindung (der Mißgunst gegen Preußen) weder in die Breite, noch in die Diese geht, und der Kaiser hat hervorragenden Scharfblick in der Wahl des AuSkunftS- mittelS bewiesen, wodurch er alle solche Regungen ent- waffnete", indem er nickt als deutscher Kaiser, sondern nur in seiner Eigenschaft als König von Preußen nach München gekommen sei. Dieses umsichtige Arrangement habe den Bayern außerordentlich geschmeichelt, welche darin nicht nur ein redende- Zeuaniß zu Gunsten der Würde und militairischen Leistungsfähigkeit ihre- eigenen StaatswesenS, sondern auch einen vollwichtigen Beweis erkannt hätten, daß Preußen nicht gesonnen sei, sich den anderen Staaten gegen über in der Haltung eine» überlegenen FactorS, eines Diktator-, zu gefallen. Dem entsprach die jubelnde Begrüßung dcS deutschen Herrscher». Von der Erwiderung Kaiser Wilhelm s auf die Ansprache des Münchener StadtoberhauptS urtheilt der „Standard": „Die Scene war daraus berechnet, mit allen offenen MißNängen und geheimen Eifersüchteleien auf- zuräumen und vor Deutschland wie vor Europa die Festigkeit der Bande zu zeigen, welche alle Bundesglieder umschließen. ... Es ist außer Zweifel, daß, wenn Bayern in seinen Beziehungen zu Preußen Befriedigung fühlt, von den anderen Reichsstaaten daS Gleiche gilt, und eS wäre thörickt, nach den Kundgebungen der letzten Tage (in München) zu zweifeln, daß die deutsche Einmüthigkeit mit der deutschen Kriegsbereitschaft aus gleicher Höhe steht." Der „Standard" heißt diesen Stand der deutschen Dinge umso willkommener, al» er sich nicht verhehlt, daß mächtige Bestrebungen im Gange sind, Deutschland von seiner Stellung al- militairischer Vormacht und internationaler Autorität derabzustürzen, und im weiteren Verfolg kommt daS englische Blatt auf die Reisen Kaiser Wilhelm'» nach Oesterreich und Bayern zurück, die als direkte Gegengewichte gegen die russisch-französischen KriegSmanöver bezeichnet werden. Die Welt darf (ich nicht Wundern, meint der „Standard", wenn sic eines schönen Tages von einem Acte des Dreibundes hört, der den Eindruck der Kronstädter Verbrüderungsfeste und ihre Folgen abzuschwächcn, ja zu verwischen geeignet ist. „Möge DeulschlaiikS Feind — so schließt der „Standard" seine Aus führungen— sei», wer da will, mag Wehrpflicht und Steuer last noch so schwer drücken, die ve»büi>dclen Staaten und Völker Deutschlands sind ein Herz und eine Seele gegen die Feinde des Vaterlandes. Ohne Frage schwebt Deulschland in Gefahr und Sorge. Aber voll Vertrauens zu seiner eigenen Kraft und zu der Loyalität seiner Verbündeten darf eS der Zukunft furchtlos und männlichen Herzens entgegenblicken." * Tie „Berliner Politischen Nachrichten" schreiben: Wenn eine Anzahl von Blättern sich berichten läßt, daS ablehnende Urtheil, welches der Iuristciitag über das Trunksuchts gesetz abgegeben hat, habe in Berlin großen Eindruck ge macht, so können wir auf da« Bestimmteste versichern, daß darunter weder Kreise der Ncichöregicruiig, noch des VuiideS- raths zu verstehen sind. Die Oberflächlichkeit der ganzen Meldung erhellt übrigens zur Genüge durch die weitere Erfindung dcS Verfassers der betreffenden Notiz, man wäre entschieden nur auf Einwändc, aber nicht ans vollständige Verwerfung gefaßt gewesen. Bekanntlich hat der Iuristenlag gar nicht das ganze Gesetz ver worfen, sondern sich nur gegen die strafrechtlichen Bestimmungen ausgesprochen, was, wie wir schon gestern bemerkt haben, übrigens auch keine allzugroße Trag weite haben und was sicherlich auf die Entschließungen des BundesrathS kaum den Effect üben dürfte, den die Gegner jeder gesetzlichen Beschränkung der Trunksucht zu ersehnen scheinen. Mil der Verbreitung notorisch falscher Nachrichten werden sie am allerwenigsten Erfolg erzielen. * Dem Vernehmen der „Apotheker-Zeitung" zufolge sind seitens de- Reichskanzler« an die Bunde-rrgierungen eine Anzahl von Fragen gerichtet worden, welche darauf schließen taffen, daß man in der RcickSregierung gesonnen ist, nun mehr der Regelung des GeheimmittelwesenS näher zu treten. * Während die „Kreiszeitung" vor einigen Tagen zu be richten wußte, daß die Wiedervorlegung dcS Volksschul- esetzeS in der nächsten LandtagSscssion als feststehend zu etrachtcn sei, schreibt jetzt die „Post": „Wenn, wie leider zu befürchten ist, die Vorlegung dcS BolkSschulgeseyeS vertagt werden sollte, so ist die Ursache in der Unmöglichkeit, zwischen den entgegengesetzten Principicn (des preußischen Schulwesens und den Ansprüchen der katholischen Kirche) eine Vermittelung zu finden, zu suche». Um so näher liegt die Erwägung, ob nicht unter Ausscheidung dieser strittigen Principienjrage wenigstens der die Schuldotation umfassende Theil des vorgelegten Entwurfes wievcr vorgelegt werden sollte." Wir haben Grund zu der Annahmc, daß die „Post" besser unterrichtet ist als die „Krcuzzeituna". Indessen sind nach unfern Informationen entscheidende Beschlüsse in der Angelegenheit überhaupt noch nicht gefaßt. * Die auswärtige Politik Deutschlands wird in einem Aussatze de- Wiener „Deutschen VolksblattS" be sprochen, der „auf den Mitteilungen eines früheren nicht deutschen Diplomaten beruht". Wir geben nachstehende Stelle daraus wieder: ,Ln der besten Absicht, eine neue Garantie für die Erhaltung de- europäischen Friedens zn schaffen, selbst vor den Opfern nicht zurückschcuenb, die das beutsch-engltschc Abkommen Deutschland aus- erlegle, hat die deutsche Politik den Fehler begangen, sich von Ruß land vollständig abzuwcnden, in der irrtümlichen Meinung, bet England hierfür Ersatz zu finden. Deutschland hat damit thatsächlich den von dem Fürsten Bismarck so lauge glücklich festgehaltenen Standpunkt über den Parteien verlassen, oder vielmehr, eS konnte ihn ohne Fühlung mit Rußland nicht mehr behaupten. Auf die Stellung Deulschlands im europäischen Lonccrte ist diese Entwicke- lung nicht ohne Einfluß geblieben. . . . Und dann: seitdem Fürst Bismarck nicht mehr im europäischen Concert den Taclstock führt, giebt eS zu viele Diplomaten, die Capcllmcislcr sein wollen, und keinen einzigen, der es sein kann. . . Daher die Unsicherheit, das beängstigende Gefühl, das seit länger als einem Jahr aus dem ganzen Continent lastet." * DaS Präsidium dcS deutschen HandelStagcS hat in Aus führung eines Beschlusses des Ausschusses an die Mitglieder dcS HandclstageS die Anfrage gerichtet, ob der Plan einer in Berlin etwa im Jahre 1895 zu veranstaltenden Aus stellung, als welche zunächst eine deutsch-nationale in Aussicht genommen wird, die Billigung und Unterstützung der Beteiligten, namentlich auch der industriellen Kreise finde. Auf diese Anfrage haben 77 Handelskammern geantwortet und von diesen Antworten sprechen sich 6l und zwar zumeist unter freut-gcr Begrüßung der gegebenen Anregung für die baldige Veranstaltung einer Ausstellung in Berlin aus. Tie Mehrzahl der eingegangenci, Gutachten (45) entscheidet sich auch für eine nationale deutsche Ausstellung, nur 10 Handels kammern würden einer Weltausstellung de» Vorzug geben. Doch billigen auch diese zum größten Theile eine nationale Ausstellung, falls die Veranstaltung einer Weltausstellung sich nicht ermöglichen lassen sollte. Nach dem weiteren Inhalt der vorerwähnten Beschlüsse soll die Frage der Berliner Ausstellung in der nächsten Plenar-Vcrsamnilung dcS HandelS- tagcS zur Verhandlung kommen. Diese Plcnar-Versammlung wird voraiiSsichtlich in wenigen Wochen stattfinden, denn da den zweiten Hauptgegcnstand der Verhandlungen die Handels verträge bilde» solle», so wird der Handclötag sofort berufe» werden, wenn der Inhalt der Handelsverträge bekannt gegeben sind. * Ter telegraphisch erwähnte neue Artikel der klerikalen „Kölnischen VolkSzcitung" gegen d en vatikanischen „Osservatore" ist in der That bcmerkenswcrth wegen der Energie, womit das Blatt einen erneuten Versuch bekämpft, gegen den Dreibund zu Gunsten der französisch-russischen Politik zu Heyen. Ter „Osservatore" hatte geschrieben: „In diesem Augenblick ist Frankreich die ausgehende Sonne, und gegenwärtig beginnt man, wie jener alte Diplomat gesagt hat, Frankreich den Hof zu machen. WaS ist da also Unmögliches oder Unglaubliches oder Unwahrschein liches, wenn auch Italien sich jener Seite znwendet und eS auch jener Nation den Hof macht oder wenigsten» zu machen sucht, mit welcher eS sich eine- Tage- Sckwcsternation nannte?" Darauf erwidert daö deuschc klerikale Blatt u. A.: Man fragt sich: was will daS römische Blatt mit derartigen Artikeln erreichen? An Selbstgefühl hat cs de» Franzosen ohnehin nie gefehlt: die Steigerung dieses Selbstgefühls zur Ueberhebuug war mehr als einmal das Unglück Frankreichs. Und was kann das kirchliche Interesse, dem doch der „Osservatore Romano" an erster Stelle dienen will, bei einer Sprengung des Dreibundes, bei eine», Anschlüsse Italiens an Frankreich gewinnen, was würde insbesondere für die römische Frage dabei heraus- koittmcn? Sollte in den hohen kirchlichen Kreisen Roms Jemand so naiv sein, zu glauben, wenn das Deutsche Reich uud Lesterreich-Ungar» bei einem Zusammenstoß mit der durch Italien verstärkt«» franzosisch-russischen Coalition den Kürzeren zögen, so würde die tcrriioriale Souvcrainetät des h. Stuhlcs wicderhergestellt werden? Rußland ist seiner Natur nach papstfeindlich, mag es auch vieüeichl für den Augenblick eine gegenthcillgc Stimmung heucheln. DaS repnblikanstche Frankreich und das Frankreich Napolevii's lii. haben den Kirchenstaat zu Fall gebracht. Wir könne» unS die ganze Politik des „Osservatore" nur aus dem dunkeln Gefühl erklären: cs muß ein Mal drunter und drüber gehen, vielleicht ist das der Lösung der römischen Frage förderlich. Ja, vielleicht, vielleicht geschieht aber auch das gerade Gegeiltheil, und darum nennen wir die Politik des römischen Blattes eine „Abenlcucr-Politik". Die römische Frage kann unseres Erachtens dauernd gegen Italien gar nicht gelost werde». Würde die territoriale Souveränetät des apostolischen Stuhles durch auswärtige Gewalt wiedcrhergestellt, so würde die italienische Verschwörung dagegen sofort wieder beginnen und bei der ersten Gelegenheit jene wieder vernichten. Bor Allem kommt es daher aus eine ttmstiminung der Italiener a». Dieser Ausgabe sollie der „Osservatore" mit allein Eifer sich widmen. Leider führen die Kirchenseinde in Alalien das große Wort; das ist gewiß eine traurige Lhatsache, aber, man gelangt darüber nicht mit Ausfällen gegen den Dreibund hinweg. Das Bemühen, den Drei bund zum Sündenbock zu machen, n»yt Nichts; wohl aber wird die Art und Weise, wie es geschieht, srüh oder spät den kirchlichen Interessen zu schwerem Schaden gereichen, besonders in Deutschland. Vielleicht trägt die Besprechung, welche am Donnerstag zwischen dem Reichskanzler v. Caprivi und dem päpstlichen Nu ntiu» in München, Msgr. Agliardi, slallgesunden hat, zu einer Klärung dieser verworrenen und verfahrenen Angelegenheit bet. Wir hoffen, daß bei dieser Gelegenheit auch die DreibundSpolemik zur Sprache gekommen ist. Msgr. Agliardi gilt als Diplomat von großer Befähigung und nicht gewöhnlicher Kenntniß der deutsche» Verhältnisse. Ihm kann der schwere Schaden nicht entgangen sein, welche» die Treibereien des „Osservatore" und verwandter Blätter aus die Tauer stiften müssen. Es wird Zeit, daß dem Unfug ein Ende gemacht wird. * Ein Fall von Gehorsams-Verweigerung beim Militair, der sich vor etwa zwei Monaten ereignet hat und bei welchem zumeist Berliner bclbeiiigt gewesen sind, wird dem „Berliner Tageblatt" aus Kroloschin berichtet: Ein Necrut, d. h. ein im ersten Jahre der Ticlistzeit siebender Mann von der 1. Compagnie .dcS Füsilier Regiments 37 (v. Steinmetz) war von dem Haupttnaiin auf Wachtposten überrascht unv schlafend betroffen worden. Der Ofsicicr war über diese- Vergehen derart entrüstet, daß er sich entschloß, die Conipagnic etwas scharf „znsammclizuilchnien". Er ließ dieselbe daher am nächsten Sonntag viermal zum Appell an- treten; bei den ersten drei Malen waren die Maniischasten vollzählig erschiene», bei dem vierten Appell aber, der Abends 7 Uhr stattfand, fehlten 2i Man», von denen 20 im dritten Jahr dienten und demnächst als Reservisten entlasten werden sollten, während einer im zweiten Dicnstjahre stand. Kurze Zeit nach dem verfehlten Appell traf der be treffende Hauplmaiin die auSgediiebcnen Mannschaften aus der Straße; er hielt sie sofort an und veranlaßte ihre Fest nahme. Die Leute wurden selbstverständlich in Untersuchung genommen und im kriegsgerichtlichen Verfahren abgcurtheilt. Hierbei wurden 17 Mann zu je >8 Monaten und 3 zu je 21 Monaten Festung verurtheilt, einer wurde freigesprochen, weil er, als zur Schneiderei commandirt, zum Appell über haupt nicht hatte zu erscheinen brauche». Die Verurtheilten sind zur Verbüßung ihrer Strafen nach Neisse abgeführt worden. * Die Vorbereitungen für die Abreise des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin von Gelbcnsande nach Cannes sind im vollen Gange. Cin Beamter reist zur Instandsetzung der Wohnränme rc. bereits dieser Tage ab, und es dürfte die Uebcrsicbclung des Großhcrzogs, wenn sein Zustand es gestattet, Ende diese» Monats erfolgen. Die Besserung schreitet inzwischen langsam, aber stetig fort. *DerKaiscr von Oesterreich ist nach Beendigung der Manöver nach herzlicher Verabschiedung von der Generalität, den auswärtige» MilitairatlachöS, dem Obergespan und den Magnaten unter begeisterten Ovationen der Volksmenge von von Bistritz nach Temesvar abgereist. * Ueber die Stimmung in Paris a»S Anlaß der bevor stehenden „Lohengrill"-Aufführung schreibt man von dort der „National-Zcilung": „Die „Lohc»grin"-Aussührnnq in der großen Oper ist jetzt eine Frage von bedeutender politischer Tragweite geworden, deren Lösung einen wesentlichen Einfluß auf die weitere Entwickelung der „neuen Situation" auSüben wird. Die Sache liegt so: Die sogenannte» „Patrioten" haben sich verschworen, um jeden Preis und mit allen Mitteln die AufjÜbrung der deutschen Oper „Lobengrin" zu verhindern, oder, wenn das nicht gelingen sollte, an jedem Aufsührungsabcnd einen solchen Straßenscandal bervorzurusen, daß die Regierung gezwungen werde, ,m Interesse der öffent lichen Ruhe die weiteren Aussübrunge» zu untersagen. Der ausgesprochene Zweck dieser Verschwörung ist einerseits eine Manifestation deS DeutschcnbasscS, den zu schüren dieser Zwischenfall die willkommene Gelegenheit bietet, und anderer seits ein Vorgehen gegen die Negierung, welche man in jedem Falle zu schwächen hofft, indem man sie entweder unpopulär zu machen gedenkt, wenn sie gewaltsam de» Ruhestörern da- Handwerk legen wollte, oder indem man ihre Stellung im Innern wie dem Auslande gegenüber zu schwächen hofft, wenn sie gezwungen werden sollte, zn capiluliren und die weiteren Aufsührunaen der Oper zu verbieten." Caffagnac, der täglich gegen die Lvhciigriii-Aufführung protestier, wird dabei unter stützt von Rochefort; letzterer bezeichnet daS Cabinet de Frcy- cinet in seinem Organ „Intransiaeant" als Io Mnirävi-o Vsasuch-ieL. Nach den neuesten Meldungea ist die erste
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