'S <5> CP g? QJ TYPOGRAPHISCHE MITTEILUNGEN ZEITSCH HEFT 5 RIFT DES BILDUNGSVERBANDES DER DEUTSCHEN BUCHDRUCKER MAI 1921 Der Engel erfcßlagt König. Sennacßerib / Aus der „Nürnberger Biber /Nürnberg, Anton Koburger, 14S5. DÜRER UND DER DEUTSCHE HOLZSCHNITT ZU DÜRERS 450. GEBURTSTAG / 21. MAI 1921 ürer war Maler, Kupferßecher und Zeichner für Iden Holzfchnitt. Es i ft intereffant zu verfolgen,wie Idiefe verfchiedenen Äußerungen feines Genies abwedifelnd die Bewunderung der Kunß- > freunde auf fich gezogen haben. Zu einer Zeit, als man in Dürers Kunß vor allem die Gemütswerte fuchte, als man in ihm den Zeitgenoffen der Reformation und fo- zufagen den Luther der bildenden Kunß verehrte, waren feine Gemälde undTeile feines Holzfchnittwerkes populär. DieStiche (landen von jeher bei den Sammlern in hoher Schätzung; außerdem erfreuen ße fidi aber [eit geraumer Zeit der befon- deren Beachtung der Kunftgefchichte, denn ße machen das Ringen Dürers um einen neuen Stil, um ein neues Sehen und ein neues Verhältnis zur Wirklichkeit befonders anfchaulich. Dagegen iß das Intereße für den Holzfchnitt Dürers erß ver hältnismäßig jung. Erft [eit einem Jahrzehnt etwa iß es uns zu Bewußtfein gekommen, wieviel Verwandtes zwifdien der Kunß unfrer Zeit und ge wißen Holzfdmitten Dürers beßeht oder, um es mit einem Modewort zu fagen, wieviel Exprefßo- niftifches in ihnen liegt. Wie der mittelalterlichen Kunß über haupt, hat ßch auch dem Holzfchneider Dürer das leben dige Formgefühl der Künßler undKunßfreunde zugewendet. Sehen wir ihn uns daraufhin etwas näher an. Wir ßnd im 15. Jahrhundert. Seit den erßen Jahrzehnten ßnden wir Spuren einer Holzfchneidekunß, einer Art Ge brau disgraphik, die hin und wieder weltlichen Zwecken diente (Herftellung von Spielkarten), vor allem aber ein gutes Mittel zur Belehrung undErbauung der Laien war. In den fogenann- ten Blockbüchern, der „Armenbibel“, der „Kunß zu fterben“ u.a. werden Gedanken der chrißlichen Lehre, Szenen aus dem Alten und Neuen Teftament undausandern frommen Büchern anfchaulich dargeßellt; fpäter kommen auch weltlicheSdiriften, die Dichter des wiederentdeckten Altertums und der italie- nifchen Renaißance, hinzu. Wir haben es alfo mit Illußrations- kunft zu tun. Sie verfährt ganz primitiv; rückt oftverfchiedene Szenen, die in der Zeit auseinanderliegen, auf einem Schau platz zufammen,bedient ßch einer draftifchenGebärdenfprache und ßopft gern eine Menge fcharf gefehener Einzelheiten ins Bild hinein. Sie erfcheint uns mit ihrer Naivität zunächß fremd und komifch. Wenn wir aber diefe [cheinbar unbeholfenen Blätter genauer anfehen, entdecken wir, daß ße die Vorzüge eines ftrengen und materialgerechten Stils beßtjt. Sie bleibt durchaus zweidimenßonal,will weder plaftifche Körperlichkeit noch Raumtiefe vortäufchen, fondern projiziert die Dinge auf die Fläche und fetzt ße als Flächenteile in Beziehung zueinan der. Und ße benutzt die Mittel,die dieTechnik desHolzfchnittes ihr an die Hand gibt, aufs gefchickteße. Schwarz und Weiß, der gefchloßene Fleck und der freibleibende Grund des Papiers, die formgebende Kontur und die fchattierende Schraffüre werden ganz einfach und doch mit einem außerordentlichen Sinn für graphifche Schönheit verwendet Diefe Primitiven, deren Namen wir größtenteils nicht kennen, erreichen gleich- fam fpielend die Ausdruckskraft von Linie, Fläche und Ton, um die der Heutige [o hart ringen muß*. Im Jahre 1470 ßeht der deutfche Holzfchnitt bereits auf einer ßattlichen Höhe. Damals wurde Dürer geboren, und Nürnberg, feineVaterßadt, behauptete auch in der Pflege diefes Kunßzweiges einen ehrenvollen Platz. Wir dürfen ohne * Einen Überblick über die Entwicklung gibt das bei Kiepenheuer, Potsdam, erfdiieneneWerk von P. Weftfieim: Das Holzfctinittbucfi.