Betrachter keine leichte Zustimmung, sondern ein Erarbeiten fordert, trägt oftmals den unzutreffenden Vorwurf des „Formalismus" ein. (Ein Wort, das nicht immer ganz verstanden wird.) Goethe sagt: „Jeder möchte nämlich die Kunst auf seine eigene Weise besitzen, sie will aber nur auf die ihrige ge worben und erworben sein.“ Hier muß tiefgehend untersucht und sehr genau argumentiert werden. Denn Stil erreicht der Künstler durch ein Zusammen fassen des Gemeinsamen und Charakteristischen. Dabei wird von dem Bewußtsein des Schaffenden viel ins Werk verarbeitet. Je klarer also und je kühner die Bühnenkünstler heute vorwärts streben, je überzeugender sie ihre Erkenntnisse ins Parkett hinunterstrahlen, desto sicherer werden sie helfen, der kommenden Zeit Blut und Tränen zu ersparen. Das ist das Kredo eines Volkstheaters, in dessen Leistungen Leben und Kunst sich gegenseitig durchdringen, wo Wahrheit und Schönheit eins sind und wo die Entscheidung für eine realistische lebensfördernde Gestaltung zugleich eine politische Tat ist! Wenn nicht wahre Vaterlandsliebe, wahre Tugend, wahrer Großmut, wahres Gefühl des Guten, des Schönen, des Großen, den Schauspieler zu hören begeistert, so ist alle Bemühung der Bühnen, Größe und wahren Wert zu geben, ganz vergeblich. Das Theater steht so hoch, daß ihm last nichts, was der Mensch durch Genie, Geist, Technik und Übung hervorbringt, gleichgestellt werden kann. Johann Wolfgang von Goethe