Fritz Nathan Lieber Herr Dr. Hanfstaengl Unter denen, die Ihnen zu Ihrem 75. Geburtstag nicht nur Glückwünsche übermitteln, sondern auch Dank und Verehrung bekunden wollen, möchte ich nicht fehlen. Es sind nahezu vierzig Jahre, seitdem uns - Sie als Museumsmann, mich als Kunsthändler - unsere Wege immer wieder zusammenführten, und es sind der Jahre noch mehr - denn Sie kamen ja schon vor dem ersten Krieg zu meinem Bruder und meinem Onkel Helbing seit wir uns kennen. Im Grunde, lieber Jubilar, haben Sie sich bis zum heutigen Tag nicht verändert. Die Klarheit, die Geradheit, die Selbstverständlichkeit sind Ihnen immer geblieben; jedes falsche Pathos lag und liegt Ihnen ebenso fern wie jede Empfindlichkeit, wenn einmal die Meinungen auseinandergehen. Heute, nach so vielen Jahren, weiß ich selbst nicht mehr, wie es kam, daß ich anfangs der Zwanzigerjahre, als ich von der Medizin in den Kunsthandel übergewandert war, so viel in den Büros der Pinakothek saß; jedenfalls habe ich damals von Ihnen und Geheimrat Dörnhöffer Maßstäbe mitbekommen, die mir im weiteren Leben oft vor Augen standen. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, daß ich, wenn nicht der erste, so doch einer der ersten war, die Ihnen, als Sie die Leitung der Münchner Städtischen Galerie übernahmen, gewisse Objekte namhaft machen konnten. Erinnern Sie sich noch an den alten Herrn Lippert in Magdeburg, von dem Sie das »Paar auf der Bank« von Spitzweg und den »Sperl in der Laube« von Leibi kauften, der leider an scheinend verlorengegangen ist? Namen tauchen auf von Sammlern, die schon längst dahin gegangen sind; Oberbürgermeister von Borscht, Exzellenz Kühlmann, Paul Rauers, Wilhelm Weigand; die Sammler selbst sind nicht mehr, aber manches der von ihnen gesammelten Werke ist in den staatlichen und städtischen Sammlungen Münchens geblieben. Ja - wir können vor manchem Bilde stehen und uns Zurufen: »Wissen Sie noch?«