Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911008027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891100802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891100802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
- Tag1891-10-08
- Monat1891-10
- Jahr1891
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Aboimement-vrei- t» -er Haaptexpedtttoa oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- oabestellen ab ge holt: vierteljährlich ^I4.bO. bei zweimaliaer täglicher Zustellung int taut ^l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Lesterreich: vierteliilhrlich S.—. Direct» täglich« tkreuzbandsendung tat Ausland: monatlich v.—. Li« Morgen-Autgob« erscheint täglich S Uhr. " ' " ' ' «ochent Abend-Ausgabe. n di« Abend-Luägabe ntag« 5 Uhr. Nrdartion und LrpeLition: I«tza»«n»»,afie 8. LI« Expedition jst ununterbrochen ge» -sfnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt« »le««'« Sartt«. (Msret d«h»). UniversttätSstrahe 1, L«ut» Lösche. Nalharineustr. 1», pari, und Königsplatz 7. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ttp)igtr.Cagtl>lllit Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Jnsertion-prsi- Moraen.«u»qabe: die Sgespalten» jeile LO>^, Siecla,n « a unter dem Redactio«»- trich (4 gespalten, ÜO^j, vor den Familien» Nachrichten (6gejpoit«n) 40-^. Abend-Autgabe: die ügespaltene Petitzrtl» 40-^, Reklamen unter dein Redactionssmch lägewaltr») l Fomtliennachrichten und Anzeigen verlorener Gegenständ« <6gespal»«n) 20 Bräßere Schriften laut unserem Preis verzeichnis,. Tabellarischer und Ztsferuja» nach höherem Tarif. Srtra-Vttl«grn (gesalzt), nur mit de. Morgen«Ausgabe, ohne Vostbesörderun« 60.—, mit Postbesörderuug 7V.—. Ännahmeschluß str Znserale: Abend«Au»gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh 9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Inserate sind stet» an die Eux-ttta» zu richten. ^-313. Donnerstag den 8. October 1891. 85. Jahrgang Wahlversammlung der Grdnungsparleien. i. * Leipzig, 8. October. Der ergangenen Einladung Folge leistend, halte sich gestern Abend eine überaus zahlreich be suchte. bochanseynliche Versammlung im Saale des Verein» sür Volkswohl eingefunden, um zunächst den Candidatcn der Ordnungsparteien für Leipzig-Stadt bei der bevorstebcnden Landtag-Wahl, Herrn Paul Bassenge, zu hören, von ihm Bericht über seine Thätigkeit in der letzten Session entgegen zunehmen und sodann, »m an- dem beredten Munde dcS Herrn vr. HanS Blum Einige- über die neuesten Wühlereien der socialdemokratischen Gegner zu erfahren. Herr Rechtsanwalt vr. Haebler eröffnet« >/,S Ubr die Versammlung im Aufträge des geschästSsübrenden Ausschusses und dankte den Anwesenden für ihr so zahlreiche- Erscheinen. Hierauf ergriff Herr Paul Bassenge da- Wort »nd führte etwa das Folgende aus: Ich hin der Einladung des Wahlausschusses, i» einer Versammlung zu Ihnen zu spreche», sehr gern und dankbar gefolgt, weil ich e« als ernste Pflicht empfinde, mich den stimmberechtigten Bürgern meines Wahl kreise- vorzustellen. Wenn ich auch glauben darf, daß ich Manchem unter Ihnen auS meiner Stellung im öffentlichen Leben bekannt bin, so erscheint es mir doch ganz natürlich, daß Sie von Ihrem Candidaten unmittelbar hören wollen, wie er politisch und wirthschaftlich denkt. Ich werde mir daher erlauben, über unsere sächsische Ständekammer zu Ihnen zu sprechen und werde hierbei den Standpunkt darlegen, den ich in der oder jener Frage eingenommen habe und noch einnehme. Zuvor aber noch ein kurzes Wort über meinen politischen Parteiftandpunct: Ich gehöre der nationalliberalen Partei an und habe mich, als ich vor sechs Jahren in den Landtag wieder einlrat (der Herr Redner gekörte demselben schon vor dieser Zeit während einer kurzen Session einmal an), der uationailiberalen Fraktion angeschloffen; ich werde mich, wenn ich die Ehre habe, gewählt zu werden, ihr wiederum an- schlicßen. Aber, meine Herren, ich bin nicht Parteimann um jeden Preis und bin eS ganz besonder- dann nicht, wenn eS gilt, sich im Kampfe gegen die Socialdrniokratie zusammen- zuschiießen. Dann muß, so denke ick, jede Parteifehde ruhen. (Beifall.) Nach diesen einleitenden Worten kam der Redner auf das sächsische Kammcrsystem zu spreche». Wir haben in Sachsen, wie bekannt, das Zweikammersystem. Der Ersten Kammer gcbörcn an die volljährigen MitgliLer des königlichen Hauses, also gegenwärtig Ihre königlicken Hoheiten der Generalfcld- niarschall Prinz Georg und Prinz Friedrich August, Höchst- wclchcn sich demnächst Ihre königlichen Hobelten die Prinzen Johann Georg und Max beigesellen werden. Ter Herr Redner vervollständigte dann weiter das Bild der Zusammen setzung der Ersten Kammer, welche im Ganzen 46 Mitglieder zäolt, und bemerkte, daß der Präsident derselben von Sr. Majestät dem Könige ernannt wird. Die Zweite Kammer zäklt nur sreigewäblte Mitglieder, und zwar achtzig; davon werden 85 von den Städten des Königreichs und 45 vom platten Lande gewählt. Von den städtischen Mitgliedern entsendet Dresden 5, Leipzig zur Zeit 8, Chemnitz 2, Zwickau 1. Die übrigen Städte werken vom Ministerium in 24 mög lichst gleiche Wahlkreise ringetheilt. Die Zweite Kammer wählt ihren Präsidenten aus ihrer Mitte selbst. Der Redner hob hervor, daß die Organisation der Stäudrversammlung den Verhältnissen unseres Vaterlandes wohl angepaßt ist, er betonte dies deshalb, weil in dem Programm einer Partei, und zwar nicht der socialdemokratischrn, die Erstrebung des Einkammersystems als wünschenswertb bezeichnet wird. Die Kammern treten alle zwei Jahre zusammen. Ohne Zustimmung beider Kammern darf kein Gesetz erlassen oder abgeäudert, dürfen directe oder indirekte StaalSabgaben weder verändert noch erlassen werden. Beide Kammern erledigen ibre Aufgaben theil- in Plenarverhandlungcn, tbeils in Deputationen. Die Zweite Kammer wählt regelmäßig vier Deputationen, deren einer, zur Prüfung der Rechnungsbelege, der Redner angehörte. Der Redner erkannte besonders rühmend an, daß alle Nachweise musterhaft geführt seien. Die Gesetzgebungs-Deputation hatte sich mit der Prüfung einer Reihe von Gesetzen zu befassen. Ein großes Arbeits feld hatte die PrtiüonS- und Beschwerde-Deputation, die einen tüchtigen Vorsitzenden in unserem Herrn Iustizrath Vr. Schill gefunden hat. Die größte Arbeit bleibt der Finanzdepntation überlasten, die sich eigentlich in zwei Tkeile scheidet: eine Abtheilung für die ordentlichen Finanzsachc», die andere für den außerordentlichen Etat. Ter ordentliche Staatshaushalt enthält den Voranschlag für den regelmäßigen StaatSbedarj und für die regelmäßige Einnahme; der außer ordentliche gicbt die Forderungen an, die für außerordentliche Zwecke, meist neue Productivanlagen, gemacht werden sollen. Dieser außerordentliche Etat wir- im letzten Landtag einen Bedarf von 28 Millionen Mark auf. Ein großer Tbei! dieser Summe fand seine Verwendung zum Bau neuer Eisen bahnen und zur Vermehrung der Betriebsmittel. Der Redner erklärte, daß er dieser Verwendung zugestimmt habe, da Eisenbahnen und Verkehrswege nicht genug geschaffen werten können; jede »c»e Linie, auch wen» sie zunächst nicht die Wahrscheinlichkeit eigener Rentabilität bat, erhöht den Ver kehr der anderen und wirkt belebend auf die GescbästStbätig- keit. Ein Posten für Eisenbabnumbau war dabei, welcher Manchem die Zustimmung etwas schwer machte, nämlich 8 Millionen Mark als erste Rate für den Umbau der Dresdner Bahnhöfe, der einen Gesammtkosteiiaiifwand von 85 Millionen Mark erfordert. Das Projecl besteht in der Hauptsache darin, daß der jetzige Böhmische Babnbof zu einem Eentral- pcrsonenbahnhos umgestallcl werde» soll. Der Redner ging näher auf die gesammte Anlage ein »nd erklärte, daß die Mitglieder der Kammer nach Lage der Berdältniffe und nach eingehender Prüfung de- umfang- reickrn Material« für dieselbe gestimmt hätten E» liegt nahe, so bemcrkle der Herr Vortragende weiter, hier au die Herstellung eines Eentralbabnhose« in Leipzig zu denken und da muß man sage»: Sv dringlich wie in Dresden scheinen bier die Verhältnisse nickt zu liege». Ein wesentliche« Interesse an der Schaffung eine» Eentralbahn- hose» besteht zunächst nur für die hier emmündenden preußischen Bahnen. Für da« Leipziger Publicum drängt die Sache nicht so sehr, wozu vor Allem beiträgt die außer ordentlich günstige Lage der Leipziger Bahnhöfe dicht beieinander. Dringender aber kann die Anlage eines Eentralbabn- hoseS werden, sobald ein Uiilernehnien in Angriff genommen werde, das er für das brennendste balle für die weitere gedeihliche Entwickelung unserer Stadl: der Bau eines Sckiff- fabrtScanal« von Leipzig nach Wallwitzbase». Dieser E'anal würde seinen Hafen haben in der Gegend vom Berliner Bahnbosc, zwischen den Ortschaften Siböiiefcld, Eutritzsch und Mockau, diese künstliche Wasserstraße kann gar nickt anders gedacht werden, als in Verbindung mit der Anlage eine- CentralbabnbofeS in ihrer unmittelbaren Nähe. Was den ordentlichen Staatshaushalt anbetrifft, auf den der Herr Redner sodan» zu sprechen kam, so beträgt hier die Gesammtsummc aller Staatseinnahmen, Steuern und Zölle für das Jahr 1896 zu 1891 98 Millionen, die Summe aller Ausgaben 89 Millionen Mark, so daß rund 4 Millionen ver blieben. Von diesen letzlercn sind 8> «Millionen Mark für Schul zwecke bestimmt, und zwar so, daß eS den Gemeinden er leichtert wird, die Schullasten zu tragen Ferner wird die Summe bestimmt zur Ausbesserung der Lebrcrgcbalte. Die Steuer» und directen Zölle erbringen 28 Millionen Mark, und zwar 19 Millionen die Einkommensteuer, 8 Millionen die Grundsteuer und den Rest die übrigen Zölle. Bei Be ratung der Grundsteuer im Landtage lagen 47 Petitionen von HauSbesitzervereinen vor, die unter Betonung der auf den Grundstücken ruhenden Lasten darum baten, daß die Gruiidsteuer überhaupt aufgehoben oder doch auf die Hälfte berabzuseyen sei, oder daß nur die Halste erbeben werden möchte. Die Kammer batte jedoch, unter Würdigung der entgegenstchenden Gründe, diese Petitionen auf sich be ruhen lasse» Im Anschluß an die Erwähnung der Einkommensteuer bemerkte der Herr Redner, daß sich Klagen betreffs derselben nicht geltend gemacht hätten. Wobl aber habe man in unserem Leipzig von einer weitgehenden Mißstimmung über die dies jährige Einschätzung zur Einkommensteuer gesprochen; in viele» Fällen seien die Declarationen nicht beachtet worden. Die Entstehung einer solchen Mißstimmung sei recht erklärlich, da böbrre Summen de« Einkommens angenommen wurden, als die Drclarantrn angegeben batten, und da es für Jeden, der richtig declarirt zu haben glaubte, verdrießlich sei, in einer Höheren Elasse eingesckätzt zu sein, als seiner Declaration nach richtig gewesen wäre. Dies um so mehr in einer Zeit, wo die Geschäfte schlecht gehen, der Verdienst geschmälert, die Rente geringer ist. Inwieweit aber solche Mißstimmung nnd Beschwerden begründet sind, läßt sich nur nach Prüfung jedes einzelnen Falles feststellen; eS muffen die sachlichen Gründe untersucht werden und sei dies, wie verlautbart worden sei, auch vom königlichen Finanzministerium bereits angeordnet worden. Im Weiteren bob der Herr Redner hervor, daß nach seiner Erfahrung sich im sächsischen Einkommensteuergesetz nur wenig Unklarheiten befinden, und wenn neuerdings in einer Notiz im „Leipziger Tageblatt" auf die Vorzüge des preußischen Gesetzes bingcwicscn worden sei, so könne Dem nickt unbedingt beigestimmt werden. TaS prenßische Gesetz sei ganz genau dem sächsischen nachgebildct worden, wie überhaupt das sächsische Gesetz einer ganzen Reibe analoger Gesetze in anderen Staaten Vorbild und Muster gewesen sei. Für bester halte er nach dem preußischen Gesetze, daß die Frist für die Einbringung der Declaration eine längere ist, »ach Ablauf derselbe» tritt nickt sofort wie bei »nS, der Verlust des ReclamationSrechtS, sonder» eine nochmalige Ver längerung der Frist ein. Bei schwankenden Einnahme» wird nach preußischem Gesetz der dreijährige Durchschnitt ange nommen, in Sachsen nickt Ein Bcrlustjahr wird in Preußen von den beiden Gewinnjabrcn abgezogen, in Sachsen wird das Verlustjahr gleich Null gerechnet. Die oberste Instanz, wo Beschwerden angebracht werden könne», ist in Preußen nicht da- Justizministerium, sondern die OberverwaltungS- bchörde. Doch ist letzterer Punct nicht wesentlich. WünschenSwerlb sei aber, daß man dem Declaranlcn bei höherer Einschätzung nochmals Gelegenheit gebe, sich hören zu lassen. Schließlich brachte der Herr Redner den Wunsch zum Ausdruck, daß eine GesammtauSgabc aller die Einkommensteuer betreffenden Gesetze und Verordnungen veranlaßt werde, die für billigen Preis leicht zugänglich sei, damit Jeder sich selbst betreffs der cinschlägigeii Verhältnisse unterrichten könne. (Wir glauben aus einen vom Redner nicht erwäbnten, sehr wesentlichen Vorzug des neuen preußischen Einkommensteuer-Gesetzes Hinweisen zu sollen. Es ist das die Bestimmung, daß bi« zu einer bestimmten Höhe des Einkommens diejenigen Steuerpflichtigen, welche eine zahlreiche Familie zu unterhalte» haben, je nach der Kopfzahl derselben in Bezug auf die Steuer etwa- entlastet werden. Die Redaction.) WaS die Zölle und Verbrauchssteuern anbctrifft, so bringen dieselben uns rund 28 Millionen, davon bilden 26 Millionen den Antheil Sachsen- an den ReickSzöllen: Besteuerung deS Tabaks u. s. f. Der Ertrag ist jedoch schwer vorher zu be stimmen, da er vielfach schwankt. Die Getrcikezöllc sind zwar Reichssache, aber nicht ausschließlich; sie können auch Len Landtag beschäftigen, namentlich wenn cS fick darum handelt, ob sic in Wegfall zu bringen sind oder nickt Hier anschließend nahm der Herr Redner die Gelegenheit wabr, kurz und obnc alle Polemik seine Stellung zur Getrcide- zollfrage zu kennzeichnen. Tie Bestrebungen, welche darauf binzielc», jetzt eine Aushebung deS GctreidezolleS bcrbeiziifiihren, hielt der Herr Redner nicht für sach- und zeitgemäß und sübrte dafür zwei hauptsächliche Gründe an. Erstens ist die Rückwirkung deS GetreikezolleS aus die Getreitepreise nickt sofort zu erkenne» ; cS ist, wie die-die Ersahrung gelebrl bat, keineswegs der Fall, daß sofort nack Einsübrung des Zolls eine Preissteigerung des Getreides eintritt und daß andererseits die Aushebung de« Zolles sofort das Getreide billiger macht Ein zweiter Gesichtspunkt bei Be »rtbeilung der Angelegenheit ist, daß dir Reichsregierung gegenwärtig in Verhandlung mit anderen Staaten über den Abschluß von Handelsverträgen siebt, um den Producten der vaterländischen Industrie günstige und weitere Absatzgebiete ru schaffen, wa« nach Lage der Verhältnisse sehr nöthig er scheint. Um nun zu günstigen Abschlüsse» in dieser Be ziehung zu gelangen, muß die Reichsregierung für die unseren Producten zu gewahrciidciiZollerleichterungen guteAcquivalcnte bieten können, unk ein solches Aeguivalcnt seien unzweifelhaft die Ketrcidczöllc. Ich bi», so bemerkt der Herr Vortragende, kein Freund von Zöllen auf Lebensmittel, weil ich glaube, daß sie in zu bohem Grade auf die iiiibcuiitlellcn Elasse» falle» und sie mindestens dann drückend wirken, wen» sie nicht durch höberii Verdienst Ausgleich finde»; ich habe mich aber, so betonte der Redner, der Erkcniiliiiß nicht verschließen könne», daß in den 86er Jahren die Lage unserer Landwirthsckaft so ungünstig geworden war, daß cS zur Abhilfe kci» besseres Mittel gab, als den Eingang deS ausländische» Getreides durch Zolle zu erschweren. Ick würde demgemäß einer Er höhung bis auf 86 Mark pro Tonne bcigestimmt habe», eine Erhöhung aber auf 56 Mark war nicht geboten. Ohne Zoll von 50 Mark würden wir die enorm hoben Getrcidcprciie diese- Sommers nicht gehabt haben. Wenn der Zoll aus 80 Mark gestellt werde, so würde dies sur alle Theilc ein Segen sein. Schließlich erwähnte der Herr Redner die llnttvandlung der -tprocentigcn Anleihe in eine 8> «procenlige und erklärte, daß er und Iustizrath vr. Schill gegen diele Eonvcrlirung gestimmt hätten, weil sie die dafür angeführten Gründe nicht für stichhaltig hielten. Die mit der Eonvertirung gewonnenen 900 006 sollten zur Tilgung der Staatsschulden verwendet werde»; dazu lag keine Dringlichkeit vor. Andererseits seien viele Rentner durch die Maßregel in ihren Einnakmen ge schmälert worden. Auch der für die llmwandlnnz angegebene Hauptgrund, daß der niedere Zinsfuß sich halten werte, hat sich nicht bewahrheitet; der Zinsfuß hatte schon damals zu steigen begonnen »nd ist neck im Aiisstcigen begriffen. Der Redner schloß seine schlichten »nd dock so schwer wiegende» und gedankenreichen Darlegungen mit der Ver sicherung, daß er kein Ziel und keine Richtschnur kenne, als das Wohl des Landes zu fördern, und da, wo die Iiitercfsen Leipzigs in Frage kommen, diese nach bestem Wissen und Gewissen zu vertreten. (Allgemeiner lebhafter Beifall.) Leipzig, 8. October. * Zur Theilnahme an den Beisetzungsseierlichkeiten wei land des Königs von Württemberg hat der Kaiser sich heute früb von Potsdam nach Stuttgart begeben und wird daselbst 9 Uhr Abends eintreffen. * Der „Deutsche Reichs- und Preußische StaatS- Anzeigcr" widmet dem verstorbenen König von Württemberg folgenden Nachruf: Durch das Hinscheiden Seiner Majestät deS Königs Karl I. von Württemberg ist das Württemberger Land in tiefe und aufrichlige Trauer versetzt worden, König Karl mar seinem Volke ein gütiger, edler »nd gerechter Fürst, dessen Gedanke» ganz dem Wohle seines Landes gewidmet waren. Aber Lönig Karl war auch ein deutscher Fürst, der, als die Würsel des Krieges im Iabre 1866 zu Gunsten Preußens und seiner Führerschaft in Teutsch- land gefallen waren, mit Entschiedenheit und Warme sich dem nationalen Gedanken hingab und aus diesem Wege seinem Lande mit erhabenem Beispiel voranging. Ter Abschluß des Schutz- und Trutzdündnisses mit Preuße» im Iabre 186«, und die ichnellc Be reitschaft, mit welcher König Karl seine Truppen im Jahre 1870 der gemeinsamen denlschk» Sache zur Verfügung stellte, haben, wie sie dem nationalen Bedürsniß des Württemberger Landes entsprachen, in dem Herzen des deutschen Volkes ebenso, wie die treue Bundcs- gcnossenschast, welche König Karl und seine Regierung seit jenen Tage» dem deutschen Kaiser und König von Preuße» bewährt und bethätigt haben, dankbare Anerkennung gefunden. Mil dem Württem berger Königshaus nnd Lande vereinigen sich daher in aufrichtiger Trauer und Theilnahme Sc. Majestät der Kaiser und König und das ganze deutsche Vaterland an der Bahre des Dakingeschiedcnen, der durch den Tod von jahrelangem, aber in Ergebung getragenem Leiden erlöst wurde. Als Seine Majestät der Kaiser und König mit Aller liöchstieiner Gemahlin am 25. Juni 1889 zur Feier des Regierungs Jubiläums Seiner Majestät des Königs Karl in Stuttgart zum Besuche eintras, gab deS Kaisers Majestät bei einem Festessen den Gefühle» Ausdruck, welche Allerhöchstshn und das ganze deutsche Volk an diesem Tage beseelten. „Es ist ein Vorrecht des deutschen Volks — sagte Allerbüchstderselbe — daß die deutschen Stämme mit ihren angestammten Fürsten Häusern Freude und Leid «heilen. Insbesondere ist eS das treue Volk der Schwaben, welches i» diesen Tagen mit Eurer Majestät und Ihrem Hause in inniger Bereinigung ein schönes Fest feiert. Dem Beispiele der Völker folgend, sind Wir Fürsten von allen Seiten herbeigeeilt, da Wir, wo Einer von Uns ein frohes Fest erlebt, Uns mit Ihm solidarisch fühlend, Uns freuen, dasselbe mit Ihm begeben zu dürfen. Ich spreche I», Name» Meiner Ver- wandten nnd Bellern, wenn Ich ausrufe: Gott schütze, Gott segne Euere Majestät und Ihr ganzes HauS! Möge es Euerer Majestät vergönnt sein, daß Ihr Volk fest, furchtlos und treu zu Ihnen und Ihrem Hause bis in die fernsten Jahrhunderte halten möge." Wie die Freude, so theilt das Württemberger Land jetzt auch das Leid seines Königshauses, und ebenso nehmen an diesem Leid Se. Majestät der Kaiser und alle deutschen Fürsten und Stämme Theil mit aufrichtiger Trauer im Herzen, aber auch mit dem Wunsche, daß Gott auch ferner das Württemberger Königshaus und Land in Seinen Schutz nehmen, daß auS der gemeinsame» Trauer der deutschen Fürsten und Stämme das „Gesicht der Solidarität" neue Kraft und Stärkung gewinnen »nd das, da- Württemberger Land wie zu seinem König Wilhelm II. nnd seinem Hause, so auch z» Kaiser »nd Reich in de» Tagen, wie der Freude so des Leides, fest, furchtlos und treu bis in die fernsten Jahrhunderte halten möge) * Aus Stuttgart wird der „Köln. Ztg." geschrieben König Karl ist von seinen Leiden erlöst. AlS er vor wenigen Tagen noch vom Bokcnsee in das Walttbal von Bcbenhauscn übcrsicdclte, wußte ma», daß ihm damit noch ein Lieblingswunsch erfüllt wurde. Genesung war nicht mehr zu erhoffen und zuletzt mußte der bebe Kranke neck die Reise nach den, Resivenzschloß in Stuttgart unternehmen, weil man noch an die Möglichkeit einer größer,, Operation dachte und für die Behandlung, die dann einzutrctcn hatte, bier besser gesorgt werden könnte. Eö konnte aber nur noch vorüber- gebende Hilfe durch einen kleinen Eingriff geleistet werden; das Blasenleiden, da« seit Iabren auSgrbiltet war. batte zuletzt eine Zerstörung bervorgerusen, welche nun den Tod kerbeigcsührt bat. —König Karl dinterläßt keinen Feind. Seine weiche Natur und seit Jahren seit Kränklichkeit haben ihn an einem kräftige» Hervortrctcn gehindert So gab cS keine Zusammenstöße und es war stets mehr von Zügen der Güte und Milde als von energischer Bcthäligung zu berichten. Die Regierung lag wesentlich in den Händen der Minister, insbesondere de» langjährigen Vorsitzenden de« MinisterrathS von Mittnacht. Die Freundschaftsverhältnisse, die der verstorbene König in der letzten Zeit gepflogen hat und von denen zur Zeit der sogenannten amerikanischen Freunde o viel in der Oesfenllichkeit die Rede war, beruhten auf Herzensbedürfnissen, auf die StaatSvcrhältiiifse batten sie keinen Einfluß. König Karl war vielseitig veranlagt, er war ein Freund und Keniicr der Musik, für Altertbumer und bildende Kunst hatte er offenen Sinn, aber keines seiner Talente pflegte er mit Leidenschaft, sie dienten ihm nur zum Schmuck des Lebens, das er reich und vor nehm, aber möglichst in Zurückgezogenheit, sich ge staltete. Ein Zug von Schüchternheit lag in seinem Wesen und mag ikm auS dem Iugcndleben geblieben sein, denn sei» Vater, König Wilhelm, war eine von ihm gruub- verschiedcnc Natur, eifriger Soldat, Staatsmann aus Lieb haberei, Lebemann, und diese Natur drückte auf die dcS SohiieS. Glänzende Tage kamen für den Kronprinzen Karl, als er die Tochter des Kaisers NicolauS von Rußland, Großfürstin Olga, eine gefeierte Schönheit und auch durch geistige Eigenschaften hervorragend, bcimsübrlc. Ans die -LtaalSacschafle hat Königin Olga keinen Einfluß gehabt. König Karl lrat die Regierung in den bewegten Tagen von 1861 an, die großen Wandlungen in Deutschland fielen in seine Zeit. Er bat der Neugestaltung keine Schwierigkeiten bereitet und sich in die Reichsverfassnng stets mit rechtlichem Sin» gefügt. So wird cS auch sei» Nachfolger, König Wilhelm II., ein Vetter deS verstorbenen kinderlosen Königs, halten. Er hat im Kriege von 1866 die Kugel neben sich cstischlage» sebcn und hat 1870 >m Felde gestanden. Er ist in jener großen Zeit r»m Manne beraiigcrcift und bat in seiner preußischen Dienstzeit den Geist der deutschen Armee in sich ausgenommen. Als Mitglied der Ersten Kammer nahm er an den StaatSgeschäflen regen Antheil. * ES kann jetzt als feststehend betrachtet werden, daß dem preußischem Landtag >» seiner bevorstehenden Wintcrscssion ein neuer Volksschulgesetzentwurf vorgelegl wird und selbstverständlich wird dieser Gegenstand in erster Linie den Mittelpunct der gesetzgeberischen Arbeiten und der politischen Ereignisse für die nächste Zeit bilden. Ueber die Grundzüge dcS neuen Gesetzentwurfs ist noch nichts Sicheres bekannt und Niemand wird ans bloße Muthmaßungen hin schon jetzt ein Urtheil abaeben wollen, zumal da auch der neue CultuSmiuister Graf-Zedlitz zu kurz erst in seinem Amte ist und noch z» wenig Gelegenheit gehabt hat, seine politischen Grundsätze zu offenbaren, als daß man zuverlässige AnhaltSvuncte dafür hätte, wie er seine Aufgabe zu lösen gedenkt. Einige Bemerkungen allgemeiner Natur können indessen immerhin schon jetzt gemacht werden. Der Goßlcr'sche Gesetzentwurf, der bekanntlich bis zur Vollendung der ersten Lesung in einer Eommission gelangt war, bot alle Aussichten zu einer Verständigung nnd einem positiven Er- gebniß; in keinem Punct zeigten sich so starke Differenzen, daß man Laö Scheitern deS Gesetzes hätte befürchte» müßen. Lediglich der Wechsel in der Leitung deS EultuSministcriumS war daran schuld, daß die Vorlage unerledigt blieb. Wäre das Gesetz zu Stande gekommen, so wäre cS durch das Zusammenwirken der Nationallibcralen, Frei- conservativen und der Conservativcn, vielleicht mit Ab splitterung der äußersten Rechten, geschehe». Tie Haltung deS Centrums eröffncte dagegen keinerlei Aussicht, die Zu stimmung dieser Partei zu gewinnen. Wir halte» eü aber, so betont die „Nationalliberalc Corrcspondenz", überhaupt für vollkommen ausgeschlossen, daß ci» Vvllsschulgesey in Preußen jemals, und zumal bei der gegenwärtig in der EcntrumSpartei herrschenden Ueberhebung, mit Zustimmung der Ultramontancn zu Stande komme» könnte; selbst ein ganz rcactionaircr und klerikal gesinnter Cullusminister, auch wenn er eine Mehrheit in der Volksvertretung fände, könnte in diesem Punctc nicht wagen, die alten preußischen Traditionen und die natürlichen LcbcnS- bedingungen des Staates so weit preiszugcbcii, wie es nöthig sein würde, um die Zustimmung der »ltramon- tanen Partei nack ihren oft genug erhobenen Forderungen zu erlangen. Unter den hciiligcn Verhältnisse» kann ein Schulgesetz nur mit Hilfe der gemäßigten Richtungen von rechts und links zu Stande kommen. Hoffentlich wird dieser Crwägung auch bereit« der Entwurf des Grase» Zedlitz gebührend Rechnung trage». Auf klerikaler »nd bocbrcactlonairer Seile giebt man sich freilich de» An schein, als ob man eine Lösung der Aufgabe durch die Rechte und daS Ccntrum sür möglich Halle und die Er wartung hege, daß die neue Vorlage in dieser Richtung sich von dem Goßler'sckcn Entwurf unlcrschciten werde. Wir glauben, daß diese Unterstellung von ihren eigene» Urhebern innerlich nicht ernst genommen wird. Jedenfalls, daran be steht für uns kein Zweifel, würde jeder Versuch, diese große Staats- und Culturaufgabe mit Hilfe der Ultramontancn lösen zu wollen, sich als gänzlich vergeblich und unausführbar erweisen. * Die ReichStagSersatzwahl im Wahlkreise Stolp- Lauenburg (an stelle dcS bisherige» Vertreter« StaatS- minislerS a. D. von Puttkameri findet, wie bereits gemeldet, am 20. October statt. Der WabUreiö war »mintcrbrochcn conscrvativ vertreten. Bei der letzkru Wahl wurden lo.',22 conscrvative, 5928 deutschsreisinnigc und wenige zersplitterte Stimmen anderer Parteien abgegeben. Auch jetzt wird de» Eonservativcn das Mandat nur durch die Dcutschfreisiunigen ciiiigermaßc» bestritten. * Im Herbste 1890 wurde der Reichstag l 1 Tage später einbcruscn, als nach der bei der Vertagung beschlossenen Frist anbcraumt war. Das geschah mir Rücksicht ans die ungewöhnliche Einberusung des preußischen Landtages vor Weihnachten zur Berathung einer Reibe besonders wichtiger und umfangreicher Gesetzentwürfe. Eine solche oder ähnliche Veranlassung zur Hinausschiebung der ReicbStagSbcratlmngen liegt diesmal nickt vor; auck ist nicht daran zu Zweifel», daß der Etat, welcker stets die ersten Wochen der beginnende» Session am meisten in Anspruch nimmt, nnzwciselbast im Anfänge November fertig gestellt sei» wird; so liegt kein Grund vor. den Beginn der Session über den anberaumtcn 10. November hmauszuschiebc», und aus Viesen Tag dürste daher auch der Präsident die erste Sitzung ansctzen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite