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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911012020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891101202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891101202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
- Tag1891-10-12
- Monat1891-10
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Abend-Ausgabe: die Ogrspaltene Pelitzeile 40-^, Reklamen unter dem Redactionlstrich «4 geipalten) l ^l, Familiennachrichten und Anzeigen verlorener Gegenstände (Ogespalten) 20 Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzcichniß. Tabellarischer und giffernfa- uach höherem Tarif. Srtra-Veilagen (gefalzt), onr «it der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördernag » 60.—, mit Voffbeförder», 7V.—. s tnzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Ännahmkschluß für Inserate: Abrad-TuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Margen-Su-gabe: Nachmittag» »Uhr. Sonn- und Festtag» früh V Uhr. ve! den Filialen und Annahmestellen je ei« halbe Stunde früher. Inserate sind stets an di» Up»«Vtti»» zu richten. Montag den 12. October 1891. 85. Jahrgang. Ln letzter Stunde. Sin ernstes Work an die Lchlafinützcn. * So ist denn wieder der Tag bcrbeigckommen, an dem daS Vaterland den Ruf an seine Bürger ertönen läßt, daß sie die ernsteste ihrer Pflichten erfüllen und von dem ihnen durch die Staatsverfassung verliehenen Wahlrecht Gebrauch machen. Morgen, TicnSlag, finden in der Zeit von lO Uhr Vormittags bis 4 Uhr Nachmittags in 3l) durch daS Aus scheiden der bisherigen Vertreter erledigten Kreisen die Wahlen zur Zweiten Kammer deö sächsischen Landtages statt und auch unsere Stadt Leipzig ist hierbei betheiligt, indem im 1. städtischen Wahlkreis, der aus der ganzen inneren Stadt, der Nordvorstadl und den neuen Stabitheilen Gohlis und Eutritzsch sich zusammcnsctzt, die Neuwahl eines LandtagS- abgeordncten staltzufinden hat. Wir haben uns bemüht, und zwar schon seit geraumer Zeit, auf die Bedeutung dieser Wahl hinzuweiscn und mit allen unseren Kräften dazulcgcn, was dabei auf dem Spiele steht. In frühere» Zeilen pflegten die Landtagswahlcn sich in ruhigem Fahrwasser zu vollziehen und der Streit der Parteien ging über ein gewisses Maß nicht hinaus. DaS ist aber Alles von Grund aus anders geworden. Seit dem eS durch die gänzlich veränderten wirtschaftlichen Ver hältnisse den sogenannten niedere» Massen möglich ge worden, den Besitz des Wahlrechtes zu erlangen, seitdem der Thalcr-EensuS kein Hinderniß mehr bildet, milwählcn zu können, da heute die große Mehrheit der Arbeiter, insonderheit in Leipzig, drei Mark Staatscinkommensteucr entrichtet, und seitdem die socialdemokratische Partei und ihre Führer mit wahrhaft dämonischer Leidenschaftlichkeit die LandtagSwaklen in daö Gebiet ihrer Agitation ausgenommen haben, da müssen wir bei diesen Wahlen ganz mit denselben Erscheinungen wie bei den ReichstagSwahlen rechnen und eS stellen sich genau wie bei diesen den Ordnungspartcicn die selben Schwierigkeiten entgegen. Es ist nun einmal nicht zu ändern, wir haben zur Zeit ein auf breitester demokratischer Grundlage beruhendes Laudlagswahlgcsetz, und wenn die Socialisten daS in ibrer gewohnten Lügenhaftigkeit leugnen, so braucht nian nur die Zahl der bei beiden Wahlen auf den Kampfplatz tretenden Wahlberechtigten zu vergleichen, um sofort über die Nichtigkeit jener socialdemokratischen Behauptung im Klaren zu sein. Welche unabweiSlichen Folgen und Pflichten entspringen aber aus dieser gänzlich veränderten Sachlage für die An hänger der Ordnungsparteien? Wir haben das schon oft gesagt und hervorgchoben, müssen es aber in der letzten Stunde vor der Entscheidung immer und immer wieder betonen. Und diese ernste Ermahnung richtet sich namentlich und in erster Linie an die große Menge der Trägen und Gleichgiltigen, der im alltäglichen Leben Dahindusclnden, die Wohl Zeit dazu finden, in der Kneipe am Stammtisch über Alles zu raisonniren, Alles schlecht zu machen, die aber selbst keinen Finger rühren, um mit Hand anzulegen zur Erhaltung undVertheidigungunsererStaats- und Gesellschaftsordnung, die insbesondere inZeiten, in denen Wahlen stattfinden, sich durch eine ebenso große Unkeiintniß über die Bedeutung dieser Wahlen, als durch eine unbesiegbare Faulheit in der Wahrnehmung ihrer staatsbürgerlichen Rechte auszeichnen. Für die Ord- nungsparteien sind diese Trägen und Gleichgiltigen, mit einem Worte gesagt, diese Schlasmützen, die größte Gefahr und darum wollen wir sie aufzurülteln in letzter Stunde noch einmal versuchen. Gegenüber der durch die socialdemokratische Wahlagitation hcrvorgcrufenen Gefahr gilt es für die Ordnungspartcicn in erster Linie, vom Feinde zu lernen und einig zu sein, ihre Kräfte nicht durch Aufstellung mehrerer Eandidaten zu zer splittern. Gott sei Dank, in Leipzig ist diese Erkcnntniß in Fleisch und Blut übergegangcn; Nationalliberale und Conservalive, die beiden hauptsächlich in Bctrackt tommenden Parteien kämpfen gemeinsam und in fester Einigung gegen die Socialdcmokratie. Der von den so genannten Deutschfrcisinnigen ausgestellte Zählcandidat fällt nicht in daS Gewicht und auch die von den Antisemiten in unbegreiflicher Verblendung verkündete Wablcnthaltung wird dem Eandidaten der Ordnungsparteien keinen großen Ab bruch thun. Es gilt aber weiter, daß jeder Wahlberechtigte eS morgen für seine heilige Pflicht betrachtet, zur Wahlurne zu schreiten und seinen Stimmzettel in dieselbe ciiizulegen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen muß eS geradezu als eine grobe Versündigung am Vaterland und an den Mitbürgern be zeichnet werden, wenn das Wahlrecht nicht ausgeübt wird. Im alten Griechenland und Rom galt es schon als eine Schande, wenn die Bürger des Staates am öffentlichen Leben nicht Thcil nahmen — eine nicht geringere Schande ist es, wenn beute, wo ein roher, »»versöhnlicher innerer Feind alle Eulturintcrcssen bedroht und die mensch liche Gesellschaft in einen Karnickelstall zu verwandeln sich bemüht, die Staatsbürger dieser Gefahr gegenüber träge und unwissend bei Seile stehen. Wir sind nicht die Pessimisten, die befürchten, es könnte morgen in Leipzig der Social demokrat siegen. Nein, eS ist in unserer Stadt noch zur Genüge gesunde Bürgcrkraft vorhanden, um diesen neuen Attentat-Versuch gebührend zuriickzuweiscn. und so wie sie seither ihren Stolz darin gesetzt hat, die socialdemokratische» Reichstags- uud Landtagsbewerber durch fallen zu lassen, so wird sie auch dieses Mal dem LiebeS- werben des socialdemokratischen Eandidaten dasselbe Schicksal bereiten. WaS wir aber zum Ruhme Leipzigs gern möchten, daS ist ei» möglichst glänzender Sieg der Ordnungsparteien. Daß daS aber geschieht, dazu ist unbedingt nöthig, daß morgen eine ebenso zahlreiche Wahlbethciligung, wie wir sie bei den Rcichstagswahlc» erlebt haben, staltfindet. Leider liegen die Dinge in den beiden anderen Großstädten dcS Landes nicht in gleichem Maße günstig, wie in Leipzig. In Dresden arbeitet eine unselige Zersplitterung der Ordnungs parteien in so und so viele Eandidaten der Social- demokralic in die Hände, und in Chemnitz besteht zwar Einigkeit, indessen eS ist dort eine außerordentlich zahlreiche Arbciterbevölkeruiig vorhanden, die schon vor einigen Jahren beinahe ihren Eandidaten durchbrachte. Wir hoffen und wünschen noch mit Zuversicht, daß auch in Dresden und in Chemnitz die Socialdcmokraten eine Niederlage er leiden — sollte eS leider anders koiiimen, nun dann möge wenigstens in Leipzig der Sieg der Ordnungsparteien ein um so größerer und entschiedenerer sein und deshalb der vorstehende ernste Mahnruf in letzter Stunde! Leipzig, 12. Oktober. * In Oberschlesicn beginnt es in Folge der anhalten den Theuerung wieder unruhig unter den Bergleuten zu werden. Auf der Guidogrube zu Zabrze bat ein Theil der Arbeiter nach Ablehnung einer Erhöhung der Gedingc- lohnsätze die Arbeit eingestellt. Auch Bergleute der Königin Luiscngrube haben nach den Meldungen oberschlesischcr Blätter in Folge der hohen LebcnSmittelpreise eine Erhöhung der Lohnsätze gefordert. * Wie in Hannover, hat auch daS Duisburger Land gericht seit dem 1. October keine Handelsrichter mehr. Eine Sitzung der Kammer für Handelssache» hat bereits auösalle» müssen; ob die für die nächste Woche aiibcraumten stattsindcn können, ist sehr zweifelhaft. Das; dadurch Ver zögerungen und Unzutragtichkeilen, namentlich in Wechsel- ktagon entstehen, liegt zu Tage, und wer bezahlt die unnötbig geladenen Zeugen und Sachverständigen? Man sagt) die Provinzialbehörten hätten keine Schuld an der unliebsamen Verzögerung. * Die Nr. 4 des SchulverordnungSblatteS der königlichen Regierung zu Easscl enthält folgende an sämmt- liche Kreis- und Stadtschul-Znspcctoren dez. Inspicienten gerichtete Verfügung: „Es ist in der letzten Zeit mehrfach vorgelommen, daß israelt- tische Erwachsene und Kinder von christliche» Schüler» öffent- lich i» ihrer Eigenschast als Juden geschniüht und verhöhnt worden sind. Nach den slcutgefundenen Ermittelungen haben eS einzelne Lehrer nicht blos an der gebührenden Bestrafung der Schulkinder kehle» lasse», sonder» sogar hier und da durch ihre eigene unvor sichtige Haltung einer in solche» Auftritten sich kundgebenden unchrist« lichen Lieblosigkeit Vorschub geleistet, waswic als Schulaussichtsbchörde vom pädagogische» Standpunkte aus entschieden mißbilligen müssen. Ew. Hochwürdcn :c. wollen deshalb Veranlassung nehmen, in der nächsten amtlichen Lehrerconserenz die Aufmerksamkeit der Ihnen unterstellte» Lehrer auf diesen Punct hinzulenken und denselben zur Pflicht zu machen, daß sie solchem für die Schulzncht schädlichen Treiben überall mit Entschiedenheit entgegcntreten und zugleich, bei maßvoller Zurückhaltung im öffentlichen Leben, mit deni eigenen Beispiele christlicher Duldsamkeit gegen Andersglaubeiide, der ihnen cinvertrciutcn Schuljugend vorangehen." * Wie schon berichtet, soll der würltembergische Finanzmiitistcr I)r. von Renner sein Entlassungsgesuch eingercicht haben; als sein Nachfolger wird der wirkliche Staatsrath von Rieckc genannt. — Herr von Renner galt als ein sehr tüchtiger Ressortminister; er ist indes; so hoch- betagt, daß sein Ausscheiden ans dem Amte nach einem Thronwechsel nicht überraschend wäre. Interessanter ist, daß man sich, nach der „Nat.-Ztg ", auf klerikaler Seile mit der Erwartung einer dem KlerikalismuS gün stigen, weiteren Umbildung des Ministeriums — in Württem berg!! — schmeichelt. Zwar gegen das Verbleiben des (katholischen) Ministerpräsidenten von Mittnacht ans seinem Posten hat man nichts einznwenden, aber man wünscht und hofft — oder zieht vor, cs zu hoffen —, daß der Eultus- ministcr v. Sarwen und der Minister des Innern v. Schmid Nachfolger erhalten werden, welche dem Eenrrum genehmer sind. Die nächste Forderung desselben in Württemberg ist die Zulassung von Mönchsklöstern, welche dort bis jetzt ver weigert wurde. Mit welchem Rechte der Klerikalismus Hoffnungen an den württeindergischen Thronwechsel knüpft, muß sich ja bald zeigen. » » -» * Der „Pestcr Llobd" meldet os'siciöS, ein in Suczawa als Spion verhafteter Stabsofficier wurde als französischer Major erkannt. Bei der Durchsuchung fand man schwer belastende Schriftstücke. * Einen bedeutenden Aufschwung nimmt der sicbcnbürgische magyarische Enlturverein, der den Sachsen und Ru mänen magyarische Enltlir vermitteln, d. b. diese Volksstäiiime ihrer Muttersprache entfremden und magyarisiren will. Er hielt am 3. October seine Generalversammlung in Maroscb- Vascharbcln ab und zählte bereits gegen I8»oo Mitglieder. Das Vcreinsvc> mögen betrug 005 00«) kl., 78 25«) fl. mehr als im Vorjahr. Diese Summe ist in: Lauic von 5, Ialncn an- gcsammelt worden. Welche Opserfrcndigkeit muß die Ma- gnarc» beseelt baden, als sie diese» Verein schufen! Der Ber liner Schulverein, der nur die abwclkenke» Glieder des deut schen Volkes an den Sprachgrenzen und in den Sprachinseln erhalten will, der also ans Eroberungen nicht ausgcbt, besitzt beute »ach lojährigcr Arbeit ein Vermöge» von nur >8 »l)i).§ Der siebenbürgifche Eulturvcrein unterhält gegenwärtig in vielen sächsischen und rumänischen Orlen magyarische Kinder gärten »nd Volksschulen (mehr als 10V) und sucht die Ma- gyarisiriingSarbcil der Behörden und der Schulen ^wesentlich zu unterstützen. ^ * Die Pester Studenten setzen ihre Angriffe gegen den Handelsminister Baroß wegen seiner! Haltung dem Blatte „Magyar Hirlap" gegenüber fort, und auch am Sonnabend kam eS trotz der empfindlichen Geldstrafen, mit welchen die Polizei mehrere der verhafteten Studenten be dachte, in und vor der Universität, sowie in den Straßen zu mancherlei Ausschreitungen und Zusanlincnslcmcn mit der Polizei. Zwei Professoren richteten an die Studenten zu Beginn ibrer Borlesungen die eindringliche Mahnung, von den Demonstrationen abzulaffc», aber die gutgemeinten Worte erwiesen sich als fruchtlos. In de» Abendstunden waren etwa 00 Studenten vor der Universität versammelt. Zwei in der Nähr postirte DetcctivcS wurden von den Studenten erkannt und durchgcprügelt. worauf berittene Polizisten die Straße säuberten und N Personen verhafteten. Eine Stunde später versuchte ein Trupp von etwa 150 Studenten vor den Club der UnabhängigkcitS - Partei zu ziehen. Ein sehr starkes Polizei-Aufgebot verhinderte am Eingänge der Kcrcpcserstraße auch diese« Vorhaben, und bei der gewalt samen Zerstreuung der Aiigcsaunnelten wurden neuerlich sieben Personen verhaftet. Dabei ereignete sich ein Zwischenfall, i» Folge dessen die sonst ziemlich belanglosen Straßen - Demon strationen auch im Abgeordnetenhaus«: zur Sprache kommen dürften. Die Abgeordneten Hock und Linder von der ge mäßigten Opposition ginge» in Gesellschaft eines Advocaten in der Nähe der Demvnstrirenden spazieren. Von DeteetivcS, welche ihre Stöcke schwangen, wurden sie in brüskem Tone aufgefordcrt, sich gleichfalls zu entfernen. Die genannten Herren protestirten gegen das Vorgehen der Polizisten, und als die Letzteren erfuhren, wen sie vor sich halten, zogen sie sich sofort zurück. *In Portsmouth trifft man schon Vorbereitungen für den Empfang des deu tschcn Uebungsgeschw aders. Den Spitzen der Admiralität ist besonders daran gelegen, daß den deutschen Schiffen eine ebenso herzliche Aufnahme zu Theil wird, wie kürzlich dem französischen Geschwader, um auch den Schein der Parteilichkeit zu meiden. Es ist noch nicht gewiß, ob die deutschen Ofsicicrc nach London kommen. Ist cö der Fall, so werden sie die Gäste eines der Armee- und Marineclubs sein. Außerdem wird ihnen zu Ebrcn ein Festmahl in der Marineausstellung gegeben werden, welchem ein Vertreter der Admiralität beiwohnen wird. * Ter radicalc Abgeordnete Henry Labouchöre, der Mitglied des englischen Unterhaus-Ausschusses war, welcher vor zwei Jahren die Apanage der Enkelkinder der Königin sestzufetzcn batte, schreibt bezüglich des vielfach als riesenhaft geltenden Vermögens der Königin Victoria im „Forum", einer amerikanischen Monatsschrift, Folgendes: „Unter dem Siegel der Verschwiegenheit wurde dem Ausschüsse der Betrag der angelegten Eapikalien der Königin mitgetheilt. Ich kann natürlich nicht mein Wort brechen, glaube aber keinen Verlraucnsbruch zu begehen, wenn ich sage, daß der anHegebeneBetrag überraschend klein war." Derselbe Labouchörc erzählt im „Forum" auch folgende Anekdote über Lord Beaconssield: „Dieser schlaue und gewissenlose Jude", bemerkt er etwas unzart, „wollte absolut die Gunst der Königin gewinnen. Bei seinem ersten Erscheinen bei Hofe versicherte er der Königin, daß er seine Erfolge als Redner dem sorgfältigen Studium der Reden deö Prinz GemablS verdanke. Er habe alle Reden desselben auswendig gelernt. Im späteren Verkehr mit der Königin behielt er stets diese orientalischen Hyperbolen bei." * Die englischen Zeitungen sind voller Nemillisccnzen an Parnell. Uebcr seine Nervosität sagte der irische Ab geordnete T. P. O'Eonnor: „Jedes Mal, wen» Parnell zu reden hatte, war er entsetzlich aufgeregt. Diejenigen, welche im Untcrhause bei ihm saßen, konnten sehen, wie er seine Nägel in die hinter dem Rücken gehaltenen Hände cingrub. Er sprach überhaupt nie, wenn er eS vermeiden konnte. Am liebsten redete er während der Speisestundc, welche anderen Abgeordneten ein Schrecken ist. Dann ist daö Haus leer, und er konnte langsam seine Gedanken ordnen. Ideen- reichthnm bat er nie besessen, n»d sein Wortschatz war ge ring. Häufig klagte er, daß er in der Atmosphäre des Parlaments nicht denken könnte." Aehnlich urtheilt Justin Mc'Eartby: „Er war außerordentlich schüchtern und rcscrvirt. Man hielt ihn für stolz und kalt, weil er nicht hinunterstcigen wollte zu den äußerlichen HöflichkeitSformen und dem alltäg lichen Schwatz des geselligen Verkehres. Im Unterhause galt er für einen Mann von eisernen Nerven. Ich habe aber häufig seine Hände zittern sehen, die er hinter dem Rücken gefaltet zu halte» pflegte. Er hatte die Gewalt über sich erlangt, daß er über jeden Zann springen konnte, aber die Anstrengung erschöpfte ihn stark. Parnell war außerdem höchst abergläubisch. Er blieb niemals in einem Zimmer, in dem 3 Kerzen brannten. Grün hielt er für eine besondere Unglücksfarbe. Als die Stadt Dublin ihm de» Ebrenbürger- brics in den: üblichen Kästchen überreichte, so hatte er eigens vorder darum bitten lassen, cs nicht grün, sondern purpurn garniren zu lassen. Purpur war seine Lieblings- und Glücks farbe." * Bei der Wahl in Butcskire erhielt der RegicrungS- Eandidat Solicitor General Murray 1305 Stimmen gegen 000 des Gladstoncancr-Eandidatcn Mac Enlloct«. ^ Das bereits erwähnte Schreiben, welches der franzö sische Justiz- und EultuSministcr FalliöreS i» Sachen der Pilgerfahrten nach Rom unter dem 4. October an die Bischöfe gerichtet bat, lautet: Herr Büchos! Cie kennen die bedauerlichen Vorfälle, die sich in Rom während der Wallfahrten, die man nach de» französischen Arbeitern benennt, zugetragen haben. Sie sind allzusehr von dein Gefühle dessen durchdrungen, was der Nation sromnit, um nicht gleich mir überzeugt zu sein, daß alle Bebörden des Landes es ver meiden müssen, in Kundgebungen verwickelt zu werden, welche leicht ihren religiösen Eharakler einbüßeii können. I» Folge dessen babe ich die Ehre, mich mit der Aufforderung an Sie zu wenden, daß Eie sich vorläufig jeder Theilnahme an jenen Wallfahrten enthalten möchten. Genehmigen Eie, Herr Bischof, u. s. w. A. Falliäres. Der Minister soll, wenn diese frcnndschaftlich gehaltene Aufforderung etwa nicht fruchtet, gesonnen sei», in strengerer Weise die Bestimmung der organischen Artikel zum Eoncordat geltend zu machen, nach welcher es den Bischöfen verboten ist, ihre Diöcescn obnc Erlaubniß der Regierung zu verlassen. Uebcr die Geltung der von Napoleon seinerzeit einseitig dem Eoncordat Hinzugesügten organischen Artikel herrscht zwischen Kirche und Staat Meinungsverschiedenheit, doch hat letzterer die Rechtskraft dieser Artikel stets festgchalten. * Tie Pariser Presse erörtert die neulich« Rede Bebel'S, worin dieser erklärte, die Socialisten würden im Falle eines Krieges De»Ischlands mit Rußland die Cultur gegen die Barbarei unterstützen und für die Befreiung der Russen unk Polen vom Zarenjoche wirken. „Lanterne", „Teuips", „Nalion". „Soir" schließen auS Bcbel'S Erklärung, daß die deutsche» Socialisten gute deutsche Patrioten seien und fordern die französischen Socialisten auf, ebenso gulc Franzosen zu sein. * Manche Pariser Blätter, so meldet die „Boss. Zta." die anscheinend ungenügend bedacht wurden, suchen die Be geisterung für die neue Russenanleihe abznkühlen und verrathc», daß die Häuser, welche die Anleihe auSzeben, von der russischen Finanzverwaltung fünfundzwanzig Millionen Vermiltlergebühr erhalten. — In Geldsachen hört eben auch in Paris die Gemüthlichkeil und selbst die Begeisterung für das Zarenreich aus. * Präsident Earnot empfing am Sonnabend Nach mittag m Gegenwart dcS Ministers des Auswärtigen Ribot und seines inilikairifckc» Hauses den schwedischen Gesandten Tue, welcher die Insignien des Serapbin-Ordcnö überreichte, indem er seiner Genugitmuug darüber Ausdruck gab, dem Präsidenten einen Beweis der Hochachtung und Sympathie des Königs von Schweden geben zu dürfen. Präsident Earnot nahm die Insignien dankend entgegen und nnlerhictt sich alsdann noch einige Zeit auf das Herzlichste mit dem Gesandten. — Die Budgetcommission wird am DienStag den Minister der öffentlichen Arbeiten AveS Guyot hören, um sich mit ihm über die für den Staatsschatz a»S der Herabsetzung des SchncllzngStarifs entspringende Vcrlustziffer zu verständigen. Am Mittwoch würde der Finanzministcr Ronvier über Tctailfragcn mir der Budgctcoiiimission bc- rathcn, so daß diese alsdann bereit wäre, in der Kammer daö Budget zu diScutiren. * Die italienische Nationalhymne scheint ver schiedenen ausländische» Dirigenten und deren Orchestern große Schwierigkeiten zu bieten. War der Kronprinz von Italien gezwungen, in Dänemark die Marseillaise als dcS „Vaterlandes ^wchgcsang" in den Kauf zu nehmen icS ist dies ans dem Festmahle, welches der italienische Gesandte in Kopenhagen zu Ehren des Kronprinzen gab, seitens einer däni schen Eapcllc geschehe»), in S'Gravenhage wnrdc er gelegentlich des Besuches der französische» Oper mit einem mixtum oom- vosituiu begrüßt, das eine verzweifelte Aehnlichleit mit dem Falinitza-Marsch in Eboralform hatte. Das Publicum hörte entblößte» Hauptes die bekannten Töne an, und auch der Kronprinz, der möglicherweise dachte, daß cS sich um die niederländische Nationalhymne handle, folgte dem Vorbilde des versammelten Volkes. Als er »ach Beendigung des Pseudo- HymnuS seine Umgebung nach der Bedcuinnz des Vorgangs sriig und börte, daß man ibm die italienische Nationalhymne gespielt habe, schüttelte er lächelnd den Kops uud äußerte sich, in Italien spiele mau eine ganz andere Melodie. Der Eapcll- meister der französischen Oper hat bis jetzt noch keinem Menschen verratyen, mit welcher musikalischen Auslese er seine Zuhörer tractirt hat. * Die bulgarische „Swoboda" veröffentlicht ein Hand schreiben des Prinzen Ferdinand, in welchem die Demission des Iustizministcrs angenommen und der Dankbarkeit für die Thätigkeit des Ministers und dessen Patriotismus Ausdruck gegeben wird. * Die serbische Regierung hat ihren Vertreter bei der Pforte beauftragt, derselben ein neuerliches Memorandum in Bezug aus die Einfälle der Ar na Uten in serbisches Ge biet zu überreiche». In demselben werten ebenso wie in dem ersten vor ungefähr 5 Monaten überreichten Memorandum die einzelnen Gewaltthaten der Ariiautcn detaillirt ansgefübrt, um die türkische Regierung in den Stand zu setzen, die Schuldigen zu bestrafen. DaS erste Memorandum hat immerhin einige, wenn auch durchaus nicht die wünschenS- werthe Wirkung erzielt. Die daselbst namhaft gemachten Ucbcltbätcr wurden seitens der türkischen Behörde vor die Gerichte citirt, allein die Kläger hatten nicht den Muth, vor Gericht zu erscheinen, da sic im Falle einer wahrheitsgemäßen Aussage für ihr Lebe» fürchteten. * Wie auS Alexandrien geschrieben wird, lauten die daselbst in letzter Zeit über die Lage im Sudan cin- langendcn Nachrichten vollständig beruhigend. Jene Strcil- kräfte des Mahdi, welche allenfalls als siebendes Heer be zeichnet werden könnten, beziffern sich kaum auf mehr als 7—8000 Mann, deren Erbaltung dem Mahdi und seinen Rätbcn schwere Sorgen bereitet. Die Stimmung der Be völkerung ist, zumal, da die Nil Uebcrfluthungcn die Fruchtbar keit des Bodens erhöhen, keine unzufriedene; die von der Eentral- Rcgicrnng ausgeschriebenen mäßigen Steuern wurden nur im Scininr und i» einem Tbcile des Korkofan cingehoben. Im klebrigen herrschen die fast uiiabbängigcn Scheitbs nach ihrem Belieben. Die sehr empfindliche Hemmung der Ausfuhr nach dem Norden erscheint durch die Herstellung der Verbindung zwischen Kassala und Massauah einigermaßen conipensirt. Andererseits ist cs Lsman Digma gelungen, bedeutende Waarcnvorrätbe, die sich im Inneni aufgcstapelt Halle», »ach Asien zn exporkiren. Da sich die einflußreichsten Scbeikbs der Regierung des Kbcdivc vollständig unterwarfen und die Ein leitung von Verhandlungen wegen rascher »nd vollständiger Wiederaufnahme des HandcSvcrkebreS angcbotcn haben, so ist von dem wiederholt i»S Auge gefaßten Plan einer englischen Expedition nach dem Sudan gegenwärtig keine Rede mehr. Stadtgarlen. X. Tie Stadtgarten-Vorßclluiigktt yabcn am gestrigen Sonntag für die diesjährige Messe ihren Abschluß gesunde». Ter Besuch war ein recht guter, am letzten Sonntag den Saal fast überfüllend, ein Beweis, daß das Gebolcne Len Erwartungen vollkomme» enlsprochrn Hai. Besondere die weiblichen Glieder dcr Stodtgarlen-Truppe haben es verstanden, in der Gunst des Publicum« zu stehe», was durch Ueberreichung prächtiger Bouquets an die- selben zum Ausdruck gelangte. Tie Anwesenden zeigten sich am Sonntag sehr animtrt und spendeten nach jeder Nummer lebhaften Beifall, wodurch sich lt die Tarstellenden zur Zu- gab« meist neuer Sachen veranlaßt sahen. Es ist eigentlich zu per-
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