Zittau gab, daß der Rat bis in die Neuzeit das Recht hatte und auch ausübte, Geistliche, die den Ordnungen zuwiderhandelten, abzusetzen. Die Ordnung ist eine Zusammenfassung des neu Gewordenen, sie be rücksichtigt das Alte, noch kümmerlich Dahinlebende nicht mehr. 1570 verkaufte der Johanniterorden seine Kommende Zittau an den Rat. Damit verließ der Komtur, die letzte bedeutendere und einflußreichere Persönlichkeit, die katholisch geblieben war und den alten Glauben ge stützt hatte, die Stadt, nachdem 2 Jahre vorher der letzte Mönch von Oybin gestorben war. Es ist anzunehmen, daß erst jetzt in aller Stille der katholische Gottesdienst in Zittau aufhörte. Die neue Lehre hatte gesiegt. Aber im Gegensatz zu vielen an deren Gegenden Deutschlands war man schonend gegen die alten Formen vorgegangen, etwa wie in der englischen Hochkirche. Kein Bildersturm fegte durch die Zittauer Kirchen, erst die Katastrophe von 1757 und der Unverstand des 19. Jahrhunderts hat das Mittelalter liche aus ihnen entfernt. Noch bis ins Ende des 18. Jahrhunderts wur den die alten farbenprächtigen Chorgewänder der katholischen Zeit, die jetzt hervorragende Stücke unseres Museums sind, in den lutherischen Kirchen unserer Stadt gebraucht. Und selbst das Recht des katholischen Erzbischofs von Prag ließ man bestehen, sowie es nicht im offenen Widerspruch zum Luthertum stand. Für das Eherecht blieb auch in evangelischer Zeit, solange die Oberlausitz ein Nebenland der Krone Böhmen war, also bis 1635, der Erzbischof in Prag die höchste In stanz, vor der die Eheprozesse evangelischer Zittauer geführt werden konnten. Die Zittauer Reformationsgeschichte ist ein Beispiel dafür, wie neuer Geist, allen Widerständen zum Trotz, die alten Formen erfüllen und umbilden kann und endlich doch siegt, ohne daß es zu einem Bruch der Entwicklung kommen muß. Bisher ist nur die Umgestaltung dieser Formen und das Absterben des Alten behandelt. Was wissen wir nun über das Eindringen des Neuen? Auszugehen ist da von der Tatsache, daß Zittau im Erzbistum Prag lag, in dem den Utraquisten bereits seit 1433 der Gebrauch des Kelches beim Abendmahl gestattet war. Aus ihnen hatten sich die böhmischen Brüder entwickelt, denen Luther das Zeugnis gah, „daß sie gar viel näher dem Evangelium seien denn alle, die ihm bekannt wären, ja in manchem seien sie seinen Anhängern voraus" (Von der Anbetung des Sakraments des heiligen Leichnams Christi, Witten berg 1523). Brüdergemeinden gab es nun schon zu Beginn der Re formationszeit in nicht weiter Entfernung von Zittau. Zu den Brü dern gehörte Johann von Biberstein, der 1521 bis etwa 1535 die Herrschaften Friedland und Reichenberg verwaltete, ihnen nahe stand Burggraf Nicolaus v. Dohna, der Besitzer von Grafenstein in der-