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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-04
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Rauch haupt entschlossen sei, die Führung der konservativen Fraktion im preußischen Abgeordnetcnbause während der bevorstehenden Tagung Anderen zu überlassen und sich überhaupt an den Ver- handluugcn nicht zu betheiliacn. Der Grund liegt in dcn Vor- gängcn im vorigen Jahre bei Berathung der Landgemeindc- ordnung, die, wie man sich entsinnt, von der Mehrheit der conscrvativcn Fraction erst angenommen, dann aber nach Aenberungen, die das Herrenhaus vorgcnommcn hatte, abgelehnt worben war. Herr von Rauchhaupt ist da mals unversöhnt in die Hcimath gereist und auch die Auszeichnung, die ihm von höchster Seite zu Theil wurde, hat seinen Wunsch, sich in dcn Hintergrund der parlamentarischen Bühne zurückzuziehcn, fortbestchcn lassen. Man taun Herrn v. Rauchhaupl nicht den Hoch- conservaliven beizählen, er bat vielmehr immer und zumal als FractionSführcr im Abgeordnetenhaus« eine mittlere Stellung eingenommen. Wenn auch die agrarischen Interessen in der konservativen Fraction deS Abgeordnetenhauses noch stärker vertreten sind, als in der konservativen Fraction des Reichstags, und wenn auch in diesen Kreisen eine sehr ver drossene Stimmung unverhohlen zum Ausdruck kommt, so ist die Befürchtung doch wohl übertrieben, daß die conservative Fraction deS Abgeordnetenhauses unter einem neuen Führer in eine frondirende Stellung Hineintreiben werde. Wem auch die Führung zufallcn möge, ob dem Grafen Kanitz oder einem anderen Gegner der Handelsverträge und der Landgcmcindc- ordnung, — zu der Rolle als Sr. Majestät allergetrcueste Opposition scheint weder die Partei noch die Fraction in ihrer jetzigen Zusammensetzung angcthan. * Eine Feststellung deS Rechtsverhältnisses zwischen Verfasser und Verleger nach dem jetzigen RechtSzustande bereitet der Börscnvcrein der deutschen Buchhändler vor. Der von einem Ausschüsse dieses Vereins ausgearbcitete Ent wurf einer Verlagsordnung für den deutschen Buchhandel ist nebst einer Begründung jetzt in einem Be richte an dcn Vorstand veröffentlicht worden. * Wie aus Hannover geschrieben wird, nimmt man dort i» unterrichte,en Kreisen mit Bestimmtheit an, daß der Rücktritt deS Generals Bronsart v. Schellcndorf vom Coinmando des X. ArmeecorpS erst am 1. März erfolgt. Der Wunsch deS Generals soll dahin gegangen sein, möglichst bald von seiner activen Stellung entbunden zu werden, der selbe hat aber, wie es heißt, höheren Einwirkungen soweit nachgcgcben, daß er noch einige Zeit das Eommaiibo weiter führt. Der Rücktritt deS im besten Manuesalter stehenden OfficierS ist nicht etwa auf Differenzen in seiner dienstlichen Stellung zurückzuführcn, von solchen ist niemals auch nur daS Geringste bekannt geworben; derselbe wird ledig mit der schweren Krankheit seiner Gemahlin erklärt, welcher Herr v. Bronsart daS Opfer bringt. * Eine Eingabe der Katholiken in Württemberg um Ge stattung von OrdcnSniederlassungen in Württem berg erklärt Bolksmissionen durch OrdcnSpriestcr als uner läßlich für daS sittliche und religiöse Gedeihen und bezeichnet eS als einen uniöSbaren Widerspruch für den RechtSsinn de- Volkes, baß die OrbcuSmänner der katholischen Kirche miß trauischer und strenger behandelt werden sollen als die Socialisten. Es sei dies eine „schwere Versuchung" für da« katholische Volk, in dem Vertrauen aus dir Regierung er schüttert zu werben. Unter Hinweis auf die bessere Lage der Katholiken in Preußen wird die Regierung gebeten, die Errichtung einiger Männcrklösler in der Dröcese Rotlen- burg zu gestatten. * Wie der „N. Badischen Landeszeitung" mitgetheilt wird, bat die Budgetcommission der badischen Kammer den Posten für den neuen (vierten) Ministermit einer Stimme Mehrheit bewilligt. Sämmtliche nationalliberalcn Mitglieder haben dafür, sämmtliche übrigen dagegen gestimmt. . " . * Die „Neue Freie Presse" meldet: Die österreichische und ungarische Regierung werde den Parlamenten Vorlagen unter breiten, um die Genehmigung der mit der deutschen Regie rung getroffenen Vereinbarung über die VereinSthaler einzuholen. Nach dieser Vereinbarung übernimmt die deutsche Regierung die in Deutschland befindlichen, mit 75 Millionen Mark veranschlagten Bereinstbaler, während Oesterreich- Ungarn etwa vier Millionen Mark, daS ist ungefähr dcn dritten Theil jenes Verluste-, bezahlt, welchen Deutschland durch die Differenz zwischen dem Silberwerth und dem heutigen Wertb der VereinSthaler in Oesterreich erleidet. * Nach den Provinzbcrichten der Obergespane an die ungarische Regierung durste die Regierungspartei bei den nächsten Wahlen eine größere Mehrheit als bisher erlangen. * Die Befestigung Kopenhagens bildet bekanntlich in Dänemark seit Jahren einen nationalen LicblingS- gedankcn. Vor sieben Jahren wurde zu dessen Verwirklichung eine Vertheidigungs-Azitation begonnen, welche den Namen „Freiwillige Selbstbestcucrung zur Förderung der Brrthei- digung" führte und die erforderlichen Geldmittel hcrbei- zuschaffcn bestimmt war und auch tbalsächlich herbcischaffte, denn eS kamen für diesen Zweck wäyrend dieses Zeitraumes nicht weuiacr als l 700 000 Kronen zusammen. Da nun- mehr die Befestigung der Hauptstadt eine» gewissen Abschluß erreicht hat, ist diese Agitation mit Ende deS verflossenen IahrcS eingestellt worden. Eine Eorrespondcnz der „Bossischen Zeitung", welche diese Frage behandelt, erinnert übrigens daran, daß die BcfestigungSfrage eS gewesen, die seinerzeit die Opposition im dänischen Parlament geschaffen hat. DaS im Jahre 1875 ans Ruder gekommene Ministerium Estrup trat bald mit einem LandeS-VertheibigungSplane auf, in welchem für die Befestigung Kopenhagens große Summen gefordert wurden. In Folge des hartnäckige» Widerstandes deS FolkcthingS in der BefestigungSsrage wurde 1885 an das dänische Volk ein Aufruf zur „freiwilligen Selbstbesteuerung" erlaffen und so eifrig agittrt, daß die oben genannte Summe zusammcugebracht worbe» ist. Dieser Bewegung, nach welchem Muster sich in Norwegen und Schweben eine ent sprechende Agitation bildete, verdankt Dänemark unter Anderin ein ganzes stark befestigtes Fort, daö „Garderböhen"-Fort, das, auS diesen Mitteln errichtet, im nächsten Jahre in completem Zustande dem KriegSministcrium übergeben werden soll. Es ist eins der stärksten Forts in der Kopcnhagcner Befestigung von der Landseite her; eS ist sturmfrei mit bombenfesten Kasematten und Eascrncn, die 600 bis 800 Mann einen sicheren Zufluchtsort gewahren. Bestückt wird das Fort mit neun Panzerlasettc», einem transportablen Panzcrlhurme, Mitraillcusen und anderen Geschützen. DeS Weiteren erwarb die „Selbstbestcucrung" den Grund und Boden für daS „Gammelmosegaard"-Fort und hat diesen jetzt, nachdem sie dort bedeutende Erdarbeiten auSgesübrt und drei Panzcr- lastttrn angebracht bat, der KriegSleitung übergeben. * Der König der Belgier begab sich gestern Nach mittag von Lacken »ach Brüssel, wojclbst er von >-3 Udr bis 7 Ubr verweilte. Hieraus kebrte der König nach Lacke» zurück. Bon dem leichten Influenzaanfalle bat sich der König volinändig erholt. Seit gestern ist der König außer ärztlicher Bel andlung. Der bekannte Professor der Nationalökonomie Emile de Laveleye ist nach zweitägiger Influenza-Erkrankung geftorben. Emile Ludwig Vieler de Laveleye, der hervor rag ildste belgische Publicist und Nationalökonom der liberale» Schule, ist geboren zu Brügge am 5. April 1822, seil 1804 ordentlicher Professor der StaatSwirlhscbast an der Univer sität Lüttich, seit 1872 Mitglied der belgischen Akademie: er ijt Verfasser zahlreicher Werke und Esiavö auf dem Ge biete der Politik, Volks- und LanbwirtbschastSlebre und cnt- wick-lte bis in die letzte Zeit hinein eine äußerst fruchtbare Thäiizkeit. 's Vom französischen Minister deS Aeußcrn werben die in Paris verbreitet gewesenen Meldungen über eine Note der französischen an die bulgarische Regierung, betreffend die Ausweisung Chadourne'S, für unbegründet erklärt. * Die „Kölnische VolkSzeitung" meldet aus Rom über das Befinden des Cardinal-StaatSsecretairs Rampvlla: DaS Fieber deS Patienten hat nachgelassen. Die Luiigcucnt- zündung ist in der Abnahme begriffe». *Die anhaltendcKran kheit dcSKönigSvon Schweben hat eS notbwcnvig gemacht, daß im zusammengesetzte» schwedisch- norwegischen Staatöratbe, der in des Königs Zimmer stattsaud, in Uebercinstimmung mit dem Grundgesetze der Kronprinz an Stelle seines BaterS die Regierung übernahm. Der Beschluß ist auf Grund deS folgenden Bulletins des schwedischen Arztes Prof. BerzcliuS und des norwegischen Leibarztes Tb. Egcberg erfolgt: „Sc. Majestät der König, der seit Ende November von einem Luströhrcukatarrh besä,wert wird, erkrankte am 22. d. an der hier epidemisch verbreiteten Influenza unk leidet daran fortdauernd. Da Sr. Majestät Kräfte ziemlich herab gesetzt sind, und die Influenza oft bedeutende Mattigkeit und Kraftlosigkeit zurückläßt, meinen wir, daß Se. Majestät, um schnellmöalich volle Gesundheit wieder zu erlangen, sich einige Zeit der RcgicruugSgeschästc entbalten muß." * Ter englische Botschafter Dufferin wird Anfang Februar sein Beglaubigungsschreiben irr Paris überreiche». * Der Londoner Corrcspondent deS „Manchester Guardian" schreibt: „Es dürfte Niemanden wundern, wenn Lord Rcrudolph Churchill der Nachfolger Lord LanSdowue's als Vicekönig von Indien würde. ES hieß vor nicht langer Zeit, daß Lord George Hamilton, der jetzige britische Marinennuister, zum Vicekönig von Indien auSerschc» sei. Wahrscheinlich aber wird er Generalgoiiveriicur von Canada, als Nachfolger Lord Stanley'« von Preston werden. Lord LanSdownc würde sich entschieden vortrefflich zum Botschafter eignen und eS würde Wohl nicht überraschen,, wenn er von Calcutta abreistc, um eine der freien Botschafter-! stellen zu übernehmen." > * Ter kürzlich erfolgte Tod Sir William Wbite'S macht wiederum eine Verschiebung de- englischen Grsandt- schastspersonals nolbwendig, und obgleich seit den creigniß- volle» Tagen Lord Stralsort de Redclisse's der persönliche Einstuß deS britischen Botschafters in Kvnstanlinopcl aus allgemeinen politischen Grünten abgenommen bat, so wird doch dem zu ernennenden Nachfolger noch immer ei» große- Feld für diplomatische Rührigkeit und Schueidigkeit offen stehen. WaS Sir William White da« volle Vertrauen so wohl der conservalivcu wie der liberale» Führer in der orientalischen Frage sicherte, daS war seine gründliche Keniltniß nicht nur der türkischen Diplomatik, sondern auch der tausend kleinen Mittel und Wege, durch welche eS bei einem geringem Maß von Anstrengung möglich war, den höchsten Grad von Einfluß unk Machtstellung zu ..rzielcii. Ob diese wissenschaftliche Methode sich verfolgen lassen wird, das muß dahingestellt bleiben, doch scheint Sir Henry Trummond Wotsf in Buckarest, auf den beule Aller Augen als den ver- muthlichen Nachfolger Sir William White's gerichtet sind, nickt schlecht geeignet, da« Spiel mit dem „kranken Mann am goldenen Horn" weiter zu spielen. Sir Henry Wolfs hat als Sohn eines englische» Missionars (er ist in Malta geboren) von Jugend auf zu kosmopolitische» Studien Gc- tcgeiihcik gefunden, und während seiner ld52 begonnenen diplomatischen Laufbahn hat er mehr als einmal im orientalische» Brei »lilgerübrt. Seine Thätigleit bei der Aufstellung der neuen Verfassung für Ostrumclien (1878) brachte ibm Hobe Auszeichnung, und seine Missionen, erst in Persien, dann in Rumänien, scheinen ihn für taS feine Ränkc- spiet des SeraglioS reis gemacht zu habe». In England wußte er sich während seiner parlamentarischen Tbätigkcit als Mitglied der kleine» vierten Partei und als Busenfreund Lord Randolph Churchill s vortrefflich zu spreizen. * Die Explosion im Schlosse zu Dublin, die glück licherweise keinen großen Schaden angcricklet und Niemanden an Leib und Leben geschädigt Kat, wird nach allen Richtungen viel erörtert. Bon liberaler Seite versucht man alsbald auf die eine oder andere Weise auö dem Vorfall politisches Capital zu schlagen. „Der Zweck der gestrigen Explosion", schreibt die „Daily News", „ist so gchciinnißvoU, wie die Wirkung glücklicherweise harmlos war. Es kan» fick jedoch kaum um einen Zufall hanteln, und hätte sich die Explosion eine Stunde später ereignet, so hätte» einige Mitglieder des dann in Sitzung befindlichen Conseils ernstliche Verletzungen d.rvontragen können. Vielleicht habe» die llebetlhätcr nurSchrcckcn errege» oder auch die nationalistische Sache schädigen wollen. Un möglich ist eS auch nicht, daß es unzusricdene Arbeiter waren, welche sich wegen eines Streites an dem 'Amt jür öffentliche Bauten rächen wollten. Aus leinen Fall dürseu wir iudeß die Gefahr neuer Ausschreitungen außer 'Acht lassen. Der verstorbene Parnell hat nach seiner 'Absetzung an tic Fenier Berufung eingelegt an „die Männer vom Berge", die Männer der Tbat. Leute, die mit dem Getriebe der iniicre» irische» Mißwirthschast wobl vertraut sind, glauben i» letzter Zeit Grund zu der Annahme zu finden, daß ,.ug>'ii<* piovooLtours^ eisrig au der Arbeit seien. Das parnellilischc FractiviiSwesen hat zu der thcilwcise» Wiederbelebung des Geheimbüiiolerlhumü geführt, und dieses letztere wirb nicht ausgcrottet werde», so lange nicht das irische Voll seiucn Willen an der Wahlurne ^um Ausdruck gebracht hat." * In Spanien dauert die Erregung wegen der noch immer nicht gelösten Wernzoilfrage fort, in der Frank- Lj Feuilleton. Das geflügelte Rad. Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck »crtoien. (Fortsetzung.) Anna hatte indessen den Kuchen in vier Tbeile getheilt. Ten größten davon legte sie ihrem Bräutigam vor, während sie die drei übrige» den Freunden und sich selbst zutbeiltc. „Aber Anna, Du hast Deinem Bräutigam ja noch gar nicht die große Neuigkeit erzählt", mahnte Trudchcn. „Um Gotte-willen nicht jetzt, so lange er ißt!" cntgegnete Anna. „Er verschluckt sich sonst vor Freude. ES ist mir so nicht ganz wohl dabei, wenn ich ihn essen sehe." Robert horchte neugierig auf. „Da muß ick, mick ja be eilen", sagte er. „Oder besser, Du erzählst sofort, und ich esse nachher weiter." Er schob den Kucken zurück. „O. die Männer!" rief Anna. „Da wirft man den Frauen immer Neugierde vor, aber man sehe doch daS starke Geschlecht!" „Also nicht! meinetwegen!" sagte Robert und griff wieder zum Küche». „Ich kann warten!" „Nun, ich bin nickt so verschwiegen. ES ist kein Ge- hcimniß. Du kannst eS auch gleich hören." Robert dielt sich die Ohren zu. Kch hin nickt neugierig!" Kaum aber hatte Anna die groß? cuigkeit ausgesprochen, als Robert in der Tbat vor freudige:» Schreck der Bissen im Munde stecken blieb. Einen Augenblick sab er seine Braut a», als trau: er seinen Obren nicht. T,nn schloß er sie mit einem lauten Hnrrab! plötzlich in die Arme. Und nun nahm die Unterhaltung einen hohen Schwung. Bci der Beratbung, WaS Alles zu einer vollständigen Ein richtung gehöre, wurden tausend Wünsche laut, unk als man sich endlich Uber die Gegenstände geeinigt hatte, stellte sich heraus, baß dazu eine kleine Wohnung, wie sic Robert allein mielhen und bezahlen könne, nicht au-reichcn würde. Tic Beratbung begann also von vorn, und Anna batte eS als einen großen Erfolg zu verzeichnen, daß sie das „gute Sopha" gerettet batte. Schneller einigte man sich über den Tag der Hochzeit. Bei einer so kräftigen Mithilfe der Gnädigen stand der Ver bindung de- jungen Paares vor dem Winter kaum mehr etwa- »n Wege. In dem Wunsche, daß die Hochzeit schon Michaeli- stattftnden solle, kamen sich Beide entgegen, und so Word« dieser Zeitpunct festgesetzt. Glücklich umarmte sich da- jungc Paar beim Abschiede. Robert leuchtete seiner Braut die Treppen hinunter und stand lauschend so lange, bis Anna - Tritt unten im Hause verhallt war. Als er in die Stube zurückgekebrt war, begann Gustav eine Unterhaltung in plattdeutscher Sprache. „Mein Junge", sagte er, „ich nabe mit Dir ein ernstes Wort zu reden. Tu mußt so bald als möglich eine andere Beschäftigung er greifen." Robert erschrak. „Wer sagt das?" „Ich sage eS und ich werde dafür sorgen, daß Du ander wärts ein Unterkommen erhältst." „Bin ich der Direktion nicht mehr gut genug? Ich habe, dächt' ich, immer meine Schuldigkeit getban." „TaS hast Du", versicherte der Freund, „und die Directicn denkt gar nicht daran, Dich zu entlassen. Aber ich sage c« Dir als guter Freund, und Du wirft selbst cinsche», daß eS nöthig ist." „Sage mir nur, warum?" „Ich habe Dich beute von der Drucke auS zwischen den Wagen gesehen. Mir ist angst und bange dabei geworden. IedcSmas, wenn die Puffer ancinandcrstogcn, war mir'-, als ginge eS Dir anS Leben. DaS ist eine gefährliche Arbeit!" „Ist es weiter nickt-?" „Weiter nickt«? Ist eS nickt genug, wenn daS Leben aus dem Spiele strbt?" „Pah!" machte Robert. „DaS Leben steht immer auf dem Spiele. Wo wir sind und WaS wir treiben, überall droht uns der Tod. Aber bange machen gilt nicht! Der Schiffer aus dem Meere, der Soldat im Felde, die Arbeiter in einer Pulverfabrik, der Dachdecker auf dem Tburmc — Alle sehen dem Tode in- Auge. Wenn die alle ihren Platz verlassen wollten. waS sollte da au- der Welt werden?" Gustav schüttelte energisch dcn Kopf. „Rede mir nicht- davon! Kein Platz ist so gefährlich wie der Tcinige. Jeder muß an sich denken, und wenn Du Deinen Play verläßt, hast Tu Dich nicht darum zu kümmern, ob die Welt darüber zu Grunde geht oder nickt." „Aber mein Platz wird wieder besetzt werden, und die Gcfabr ist für meinen Nachfolger da wie für mich." „DaS ist nicht Deine Sache!" „Hobo, ob daS nicht meine Sache ist! Ich soll einen Posten verlassen, weil er gefährlich ist? Gustav, bist Du Soldat gewesen?" „Laß daS, Robert! Ich bin so wenig feige als Du, und als Soldat würde ick stets meine Schuldigkeit thun. Aber wenn eS Jedem srcistände, zu tbun, WaS er will, freiwillig Kriegsdienste nehmen würde ick nicht. Weib und Kind stehen mir näber als .KriezSlust und Ruhm Es wäre einfach ge wissenlos, wollte ,ch mein Leben freiwillig in die Schanze schlagen. Nun, habe ich Recht?" Robert nickte. „Nun, siebst Du, alter Junge, in derselben Lage bist Du. Deine jetzige Beschäftigung ,st gleichsam ein immerwährender Kriegsdienst. Wagen, Räder und Puffer sind die Feinde, gegen die Du immerwährend auf der Hut sein mußt. So lange Du keine andere Beschäftigung hast, bist Du dazu ge zwungen, und Niemand wirb Dir einen Vorwurf machen. Aber wenn sich Dir ctwaS Besseres bietet, wäre cS mindestens leichtsinnig von Dir, wenn Du Kuppler bliebst." „Und was soll ich nun sagen, wen» ich meinen Abschied nehme?" „Sagen? Gar nichts! Darum Du da- thust, danach hat Niemand zu fragen." „Aber ich müßte mir selbst sage», baß ich auS Furcht weiche. Ich müßte rokli werde» dabei und mich mein ganzes Leben laug dcSbalb schämen Nein, »ein, so schlimm ist eS nicht. Warum malst Du mir solche Gespenster an die Wand?" „Aber Du kannst doch nicht Tein ganzes Leben lang Kuppler bleiben?" „Nein, daS werbe ich nicht. Ich werde aufrückcn, wenn die Vorgesetzten sehen, daß ich zuverlässig bin." „Wenn Du vorher nicht —" Gustav vollendete den Satz nicht. Er faßte Robert'« Hand und fubr eindringlich und mit Wärme fort: „Mein lieber Freund, höre aus »nch! Ich will Dir nicht bange machen; eS ist nur meine Sorge um Dick. Du bist ein harter pommerscher Schädel; ich werde Dich nickt lenken und leiten. Aber denke an Deine alten Eltern, denke an Deine Braut nnd sei vernünftig!" Rcbert'S Gesicht erleuchtete ei» freudiger Glanz. „Gerade daS ist cS ja, waS mich so fest macht. Ich habe bis jetzt wenig vom Leben gehabt. Ich habe mein Glück noch vor mir. Und von meinem Glück hängt daS Glück meiner Braut, daS Glück meiner Eltern ab. Gustav, kann die Vorsehung so unvernünftig sein, unS Allez» vernichte»? Siebst Du, ich muß glücklich sein, meinetwegen und ihretwegen!" „Laß tic Vorsehung auS dem Spiele!" mahnte der Freund. „Der sich unnötbig in Gefahr begiebt, soll sich nicht auf die Vorsehung berufe». Die Vorsehung kommt dem liebe» Gott zu, dem Menschen aber die Verficht!" Robert stand unrubig aus. „Laß mich in Ruhe damit! Sieh diese Brust, diese Arme, diese Glieder! Eine Eisenbabn- schienc könnte ick über bei» Knie zerbreche» wie einen dürren Ast. Und die- Alle« sollte nur dazu gemacht sei», um unter den Rätern auf den Schiene» zermalmt zu werten? Geh mir mit Deinen Besorgnisse»! Jedem ist sein Ziel gesetzt, und meines liegt ganz wo ander-, als wo Du cS befürchtest." „DaS ist Aberglaube", rief Gustav hitzig. „Nein, daS ist kein Aberglaube!" cnlgcgncte Robert be stimmt. „Schon als Knabe hatte ich am Fahren mein größtc- Vergnüaen. War cS Zufall, daß ich in« Eisenbahn-Regiment kam? War es Zufall, daß ich nack meiner Dienstzeit eine Stelle auf dem Bahnhof erhielt? Nein, da« ist kein Zufall, daS ist Bestimmung! Auf der Eisenbahn werde ich mein Glück machen; ich bin stolz auf da« geflügelte Rad au meiner Mlltzc, in diesem Zeichen will ich siegen." „Wie Tu willst. Ich habe meine Schuldigkeit gethan." ES entstand eine Pause, während welcher Jeder seinen Gedanken folgte. Plötzlich reichte Robert dem Freunde die Hand: „Du bist doch nickt böse ans mich?" „Dickkopf!" cntgcgiietc Gustav. Robert lachte. „Daö bin ich nun einmal, und ich kann cS nickt ändern. Aber deshalb werden wir uns doch ver tragen. Nicht?" „Freilich!" „Na, dann gute Nacht!" Er ging in die Kammer und legte sich ins Bett, ^uftav aber ging noch aufgeregt im Zimmer aus und ab. Trudchcn hatte der Unterhaltung der Männer mit Auf merksamkeit zugchört, ohne sich ins Gespräch zu mischen. Nur die Unruhe ihres Wesen« und das wiederholt verstohlene Blinken zu ihrem Manne hinüber bewies, daß sie etwa- aus dem Herzen batte. Jetzt sagte sic leise: „DaS hast Du so ungeschickt wie nur irgend möglich an- gefaugen. Konntest Du nicht vorher mit mir rarübcr sprechen! Ich hätte mich hinter Anna gesteckt, und dann hätten wir ibn schon mit List aus einen andern Posten gebracht. Nein. Mann, bist Du ein Elepbant!" „Frau, Du hast Reckt", cntgegnete Gustav, indem er Trndchen mit komischer Verlegenheit anschaute. „Na, versucht meinetwegen, ob ihr WeibSleutc mit Eurer List mehr auS- richten könnt!" Aber sic richteten nicht- auS. Anna meinte, daß cS gar nickt so schwer ballen würde, mit Hilfe der Gnädigen für Robert einen anderen Posten zu sinken. Dieser blieb bei der Meinung, baß cs seine Bestimmung sei, bci der Eisenbahn sein Glück zu machen „Ja, wen» mit meinem Abschied die Gesabr überhaupt beseitigt wäre", »icinle er. „Ja, wenn die Gcfabr überhaupt beseitgt wäre! wieder holte Gustav leise für sich. „Wie kommt eS nur, daß noch Niemand etwas erfunden hat?" Mit Robert'S entschiedener Weigerung war die Frage cudgiltig erledigt. Gustav machte sich selbst Vorwürfe darüber, den Freund erst aus tic Gesabr aufmerksam gemacht zu baden, und er suchte sich ciiizurcdc», daß er wirklich zu schwarz sähe. Aber die bange Bcsorgniß »m Robert wurde er nicht loS, WaS dazu beitrug, daß fick sein Vcrhältniß zu ihm in der Folge nur noch inniger gestaltete Die Vorbereitungen zur Hochzeit wurden mit freudiger Emsigkeit betrieben. Robert miethctc eine Wohnung in der Dennewitzstraßc Im Hinterbausc gelegen, vier Treppen bock bol sic die Aussicht aus dcn Potsdamer Bahnhof und hatte dcn Vorzug, hell und freundlich zu sein. Sie bestand aus
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