02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920114023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-14
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Die Stimmung der Polen ist fcbr gehoben. * Der Kaiser traf Mittwoch um 6 Nbr Nachmittags aus dem Bahnhöfe in Bückcburg ein und begab sich in Begleitung des Prinzen Adolf zn ^chaumburg-Lippe und seiner Gcinahlin, der Prinzessin Victoria von Preußen, welche dem Kaiser bis Hannover cntgegengefabren waren, zu Wagen durch die Bahnbofslraße nach dem fürstlichen Schlosse. Die Häuser waren festlich erleuchtet. An beiden Seiten der Tlraße bildeten Vereine und Bürger Spalier. Die zahlreich herbeigeströmte Menge begrüßte den Kaiser mit lauten Hnrrabrnse». Im Gartensalou de- Schlöffe- wurde er von der Fürstin zu Schaumburg Lippe, der Herzogin Maximilian von Württemberg »nd dem Prinzen Hermann zu Schaum burg Lippe empfangen. Der Fürst war durch Unwohl sein verhindert, den Kaiser zu begrüßen und an den Festlichkeiten tbeilzunekme». An der Tafel, welche »in 7 Nbr im Schlosse stattsank, hatte der Kaiser zwischen der Fürstin zu Schanmburg-Lippc und der Prinzessin Victoria von Preußen Platz genommen. Eine zahlreiche Volksmenge, welche sich aus dem elektrisch erleuchteten Schloß hofe cingcfundcu halte, sang patriotische Lieder. * Der Inhalt teS preußischen VolkSschulgesetz- entwurss wird jetzt in ziemlich au-sübrlichcn Auszüge» miigelbeilt. Der erste Eindruck wird allenthalben der sein, daß eine weitgehende Verschärfung de- confessioncllcii Ebar alter- der Volksschule und eine erhebliche Stärkung des Einflusses der Geistlichkeit in der Schule von diesem Gesetz, wenn eS zu Stande kommt, zu erwarte» ist. In dieser Beziehung wird man namentlich auf den consessioncllcn, für jede einzelne Schule besonder- zu bildenden Schulvorstand unter geistlichem Vorsitz und die Bestimmungen über die Vorbildung der Lehrer, sowie über den Religionsunterricht hinzuwcisen haben. In diesen Puncten gebt der Entwurf erheblich über die Goßler'schen Vorschläge hinaus. Vielfachen Bedenken werden auch die Bestimmungen über den Privatunterricht mit der Ausgabe der EoncessionS- Pflicht und dem Verzicht auf Prüfung der Bedürfnißfrage begegnen, welche die Gefahr in sich schließe», daß den SlaatS- sckulcn durch „freie Schulen" unter kirchlicher Leitung immer inebr der Boden abgegraben wird. Zweckmäßig scheinen im Allgemeinen die äußeren Verhältnisse der Schule und der Lehrer geregelt zu sein. Es ist selbstverständlich, daß man einem so tieseingrcifcnden, so schwierige Verhältnisse ordnenden unk so mannigfache Erregungen der verschiedensten Art hervor- rufendc» Gesetzentwurf gegenüber nicht gleich aus den ersten Blick über flüchtige Umrisse seine Stellung nehmen lann. Einzelne Theile dcö Entwurf- scheinen wcrthvolle Reformen zu enthalten, bei anderen, und namentlich bei den principiell wichtigsten Puncten, wird man die praktische Tragweite sehr genau zu untersuchen haben. Ob aus diesem Entwurf »ach Ausscheidung oder Umänderung mancher bedenklichen Be stimmungen ein brauchbare- und auch für liberale Männer annehmbares Gesetz sich gestalten läßt, möchten wir heute noch nicht Vorhersagen. * Der elfte deutsche Eongreß für erziehliche Knabcn-Handarbeit wird am 1l. und 12. Juni in Frankfurt a. M. stattsinde»; e- soll mit demselben eine rößerc internationale Ausstellung von Schüler- und cbrcrarbeitcn in de» unteren und oberen Räumen de- Kunst- acwcrbe Museums verbunden sein. Auf Einladung und unter Leitung de- Oberbürgermeisters AdickeS fand am I I. Januar in Frankfurt eine zahlreich besuchte Versammlung im Saale de- Polvlcchniscken Verein- statt, i» welcher der Abgeordnete von Schenckendorsf unter lebhafter Zustimmung der Versamm lung die Ziele dieser sich immer weiter in Deutschland auS- breilende» gemeinnützigen Bestrebungen darlcgtc. Von be sonderem Interesse waren auch die Mittheilungcn des Redner-, in welchem Umfange eine Reihe außerdeutfcher Staaten die Bestrebungen förderten; er kam zu dem Schluß, daß Preußen ans diesem Gebiete leider im Rückstand geblieben sei Seiten- teS Minister- des Innern seien im Hinblick auf die sociale Bedeutung einer größeren Werthschätzung der Arbeit der Hand zwar umfassendcMaßrcgeln seit Jahren zur Förderung getroffen, und ebenso wende der EulluSininistcr den Bestrebungen seine Sympathie zu, indessen lei eine weitere finanzielle Unter stützung, als der Etat im Umfange von l4 00o.<e jetzt Nach weis«, vorerst abgelebtst worden. Dem gegenüber sei ange führt, daß der Unterricht in Frankreich obligatorisch cingcsührt ist, daß die Stadt Paris allein 480 ooo Franc- jährlich hier für auSaicbt und daß daselbst 03 000 Knabe» methodischen Unterricht in der Handarbeit erhalten. In Schweden, da- etwa den sechsten Thcil der Einwohnerschaft von Preußen zählt, geben der Staat jährlich 110 ooo.// »nd die Provinze» 225,00».Aehnlich sei cS i» einer Reibe anderer Staaten, und die Statistik hierüber sei fast für alle derselben fertig- gestellt. Redner legte die Gründe näher dar, welche dort dir Veranlassung seien, staallicherscitS die Anregung zur Förderung der Sache zu geben, und Ebenso in Preußen zutrcffen würde». Doch wolle er zugebcn, daß vielleicht im gegenwärtigen EtatS- jahr der Zcitpunct »och nicht gekommen sec, wo die Finanz verwaltung hier eingreiscn könne. Geneigtheit und Wohlwollen sei sicher auch dort vorbanden. * Der deutsche Botschafter Graf Münster in Pari ist heute früh nach Berlin zur Theilnahme an dem Eapitcl des Hoben Ordens vom Schwarzen Adler und an dem OrdenSststc abgercist. Während seiner voraussichtlich acht Tage dauernden Abwesenheit wird der BotschaslSrath v. Schocn die Geschäfte der Botschaft führen. * Die preußische Regierung bat eine statistische Erhebung über den Umfang deS polnischen Privat-DprachunterP richtS angeordnct. Daraus schöpft der „Kurhcr PoznanSki" die Hoffnung, daß dieser Unterricht möglicher Weise nicht mehr privatim ertbeilt, sondern in den Schulplan aus genommen werde» dürste. Da- Blatt bemerkt, dcu Unterricht ui der bisherigen Weise fortzuführen, sei für die Dauer un möglich. Abgesehen von den sehr großen Kosten für diesen Unterricht, fehle eS den polnischen Lehrern an Zeit, und die Kinder, welche weite Schulwege hätten, müßten diese am späten Abend zurücklcgcn. DaS Blatt macht den naiven Vorschlag, einige Stunde» des Lehrplans, etwa für Gerichte, Geographie, Rechnen zu streichen und dem polnischen Sprach unterricht zu überweisen. * Für den Fall, daß nicht durch in der GewcrbeordnungS- novcllc vorgesehene ort-statutarische Bestimmung die für da« HandelSgcwcrbc zugclasscnc fünfstündige Sonntaaö- arbeit weiter eingeschränkt wird, ist den preußische» Re gierungspräsidenten folgende seiten- der „Voss. Ztg." mit- aeiheilte Instruction bezüglich der Festsetzung der für diese Beschäftigung erlaubten Tageszeit ertbeilt worden: „Bei Festsetzung der Arbeitsstunden ist die kür de» öffentlichen Owtle-dienst beUiminte Zeit ledeniaUS soweit zu berücksichtigen, daß diese Stunde» nicht in die Zelt de- HauvtgotlesPieiisie« und th»n- lichst auch nicht in die Zeit solcher Nebengoitesdienste sallcii. während welcher nach den znr Zeit geltenden Borschrikten die BcrkausSslällen geschlossen sein müssen. Die Arbeitsstunden sind einerseits sür größere Bezirke — tbnnlichsl kür Negierungsbezlrle oder Provinze» —, andererseits für die verschiedenen Zweige des HandetSgewerdeS mög lichst einheitlich srstzusetzen. Damit den in Betracht kommende» Personen eine wirkiame Sonntagsruhe zu Tbeil werde, wird der Beginn der zulässige» BeichäsligungSzeir möglichst kräh »nd da« Ende derselben derart sestzusetzen sein, daß der größere Theil de« Nachmittags und der Abend irrt bleiben. Lime besonderen zwingen den Grund werde» deingemLß die Arbeitsstunde» sich nicht über zwei oder äußersten Falts drei Uhr 'Nachmittags hinan« erstrecken dürfe» " * Tic sür ossiciöS gehaltenen „Berliner Politischen Nach richten" bringe» folgenden Artikel: Der 21 lick in die französische Volksseele, den die jüngsten Erörterungen »nd Vorschläge Pariser Preßorgane über das Tdema des Rücksalle« Elsaß-Lothringens a» die ..i»öro-,>n>rio" tt»>» lassen, konnte so manchen Ideologen, welcher seine Hvflinnia ans da« allinälige Emleben der Franzvien in die durch den Frank- snrter Frieden geschossene Page setzt, eines Besseren belehren wen» Ideologen, d h. geschworene Feinde aller realistischen Welt anschauung und Politik, überhaupt sich belehren ließen, daß die geschichtliche Entwickelnng der Nationen durch Thalsache» »nd nicht durch Hirngkipinnlte bestimmt wird. Noch heute liegt den Franzose» der Gedanke eines endgiltige» Verzichtes aus die in einer früheren Zeilperiode dem Dentschen Reiche geraubten Länder jo ser» wie numitlelbar nach dem Verstummen des NricgS- lärms. I» den beiden Richtungen aber, nach denen sich das sran- zöstsche VorsleNungSvermvgcn einer Rückgewinnung Elsaß-Pothringen« bewegt, der gewaltsamen, mit sreinder >trieaSbnnLeSgenosse»schast. und der gütliche», mittelsi Kanses oder Tausches, steckt eine solche kieke Nichtachtung der nationalen 'Würde Tentschland«, daß nnr die sprichwörtliche Gntmnlhigkeit des deutschen Michel-, nebst seinem unverwüstliche» Phlegma, die beleidigenden Pointe», von denen jede Auffrischung de- leidigen elsaß-lothringischen Thema« aus sranzüsischcr Seile strotzt, ruhig hinnchnie» kan», ohne sich dergleichen Zumnthungen ein- sür allemal i» unzweidmtigster Weise zu verbitte» Die össentlichc Meinung Denlichlanb« stellt sich den elsaß-lothringischen Gelüsten der Franzose» selbstverständlich durchaus ablehnend gegenüber: snr deutschnalionale Politiker gicbt es »be» Haupt keine etsaß-lvthringische „Frage", ebensowenig für irgend einen Staat oder irgend ein Volk, welchem an der Pflege guter Beziehungen z» Teutichland auch nur das Mindeste gelegen ist. An diesem Maßstatc gemessen, scheint man jenseits der Vogesen allerdings der Erhaltung eines leidlichen mcxlun vivomli zu dem östliche» Nachbar init der Zeit immer geringeren Werth beizulegcn, wenn man auch jetzt noch a»S teichtdegreislichen Erwägungen sich hütet, die letzte» Lonsegnenzen seines illvholen Verhaltens zu ziehen. Pflichttreue und gewissenhafte deutsche Patrioten aber werden die Lehre, welche da« fortwährende Aus- wersen einer elsaß - lothringische» „Frage" seiten« der französische» StimmungSmacher natieleal, nicht unbedachtsam in den Wind schlagen, sondern eingedenk sein, daß die einzige unter allen Um ständen zweckentsprechende Bürgschaft gegen Exeesse von Westen her in der fortgesetzten Sorge sür Erkaltung unserer nationale» Weh» krast aus der volle» Höhe der Zeitansorderunge» beruht. Wir haben den Artikel ganz mitgetbeilt, ohne seine Be fürchtungen zu theilen. Was Deutschland durch daS Blut seiner Söhne erwerben bat, da- wird cS festbaltcn, dazu bedarf mau gar keiner DiScussion oder Ermahnung. * In diesem Jahre bereitet sich die Socialdemokratic sehr frühzeitig auf die Maifeier vor; diesmal ist sic wegen der Festsetzung de- Tage-Zoller Sorge enthoben, denn der erste Mai fällt aus einen Sonntag Der erste Mai ist, wie der socialistische Kalender bemerkt, der „Tag der Metzelei in FourmierS'; die Totien von FvmmicrS werde» sicherlich bei der diesmaligen deutschen Maifeier oft eilirt werten * Zu den vielen sich widersprechenden Nachrichten über die nächste» Absichle» Major von Wi ff man» - und die Aussichten de- llntcrnebmeiiS den auseinandcrgenoinmcnen in Saatani liegende» Dampfer »ach dem Vieloriasee zu bringe», registrirc» wir auch noch die der „Schlesischen Zeitung": „Major von Wissmann ,n nach gütlicher llcbereinkuuft mit dem Antisciavcrciconiitö, welche« am vorigen Sonnabend in Neuwied tagte, von der Führung der Daiupserexpeditiou zurückgelrclen." * Wie gestern schon iu einem Thcil der Auflage mit- gethcilt, ist bei der badischen Landtagsersatzivahl in Waldkirck' der nalioualliberale Bürgcrnieisicr Burger mit 7l gegen 07 Stimmen gewählt worden. * In der Fortsetzung der Generaldebatte im öster reichischen Abgeordnetenhanse über die Handel« Verträge bob Gasser die schlechte Lage der Landwirth- schasi hervor und erklärte, er werde wegen der Bcsiimmungcn über den Wciiizoll gegen re» Vertrag mit Italien stimmen. Adamck führte aus. Tcnlschlant habe den Vertrag ge schlossen, um feiner Industrie zu Helsen unk sich vor der ihm drohende» socialen Gefahr zu retten. Die Klagen der deutschen 'Agrarier seien nnr ein Echeinmanöver. Der deutsch-öster reichische Vertrag solle nur eine Etappe zum Zollverein beider Länder sein Hierdurch würde Oesterreich Ungarn feine Selbst ständigkeit cinbüßcn. Gvmpcrz drückte die Hoffnung ans eine baldige Durchführung der Valularcgulirung und den Abschluß eines Vertrages mit Rumänien aus. Hierauf be antragte T erlag o eine Resolution, die Regierung aufzuforker», mit der italienischen Regierung in tircctcVcrhandlnngcn zu treten wegen Abänderung d?S Schlnßprotokolls und Vereinbarung eine- sirc» Zollsätze- bei dem Import der italienischen Weine. Eoronini beantragte gleichfalls eine Resolution wegen Ver bannung mit der italienischen Regierung, damit'binsichllich der Wcinzollclausel zwischen Italien und Oesterreich Ungarn volle Gegenseitigkeit herrsche, und verlangte die Förderung des österreichischen Weinbaues. Die Verhandlung wurde hieraus abgebrochen. * Bei der in Rum bürg in Böhmen stattacbabten ReichSrathSwahl wurde der deulschlibcralc Pergelt mit l305, Stimme» gewählt. Der dcuifchnalioualc Grgen- candidat erhielt 280, der socialkemokratlfche 331 Stimmen. * Der niederländische Ministerrath bat in einer seiner letzten Sitzungen die Frage des Gegenbesuches der beiden Königinnen in Berlin behandelt Als Zcitpunct des GcgenbcsuchS sci cndgillig dcr Monat Mai scslgcsctzt worden. Eö fei wahrscheinlich, daß auch die junge Königin Wilbclmine die Königln-Rcgcntin begleiten werde Ter Ministcrralb habe ferner beschlossen, die beite» Königinnen anläßlich ihres Besuches am deutschen Kaiscrhvse durch eine» Minisicr be gleite» zu lassen, »nd cs sei hierzu der Minister de« Acußern van Tienhovcn anscrfehe» * Nach einer Melkung dcr „Agencc balcanique" bat die Pforte der bulgarischen Re.zicrnng de» Enlwnrf einer von der letztere» an die französische Regierung zu richtenden Note, betreffend die Beilegung des Zwischenfalles Ebadournc, mitgethcilt. Da das bulgarische Eabinet gegen gewisse Stellen Das geflügelte Nad. IOj Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck verboten. i Fortsetzung, Mechanisch war er neben anderen Fußgängern stehen geblieben, aber waS ihre Neugierde reizte, hatte er nicht bemerkt. Einer solchen Zeit stillen Sinnens folgte dann oft eine Zeit fieberhafter und lauter Tbätigkcit. In dcr Wcrkstältc eines Kunst'chlosscrS, Len er seiner näheren Bekanntschaft gewürdigt ball., schmiedete er die Eisenthcile; an seinem Schraubstock bearbeitete er sic mit Hammer und Feile. Dann war er dcr fleißigste Arbeiter, den es je gegeben hat. Er gönnte sich lanm eine Minute zum Else». Unk war er fertig mit seiner Arbeit, dann warf er sic als unbrauchbar in den Winkel, wo sich »ach und »ach ein ganzer Berg allen Eisens angehäuft batte. Später kam er darauf, seine Gedanken zunächst in Hotz auSzusübre». Dadurch ersparte er sich die schwierigere Effcnarbclt und die Ausgaben für da« Material. Gustav war in feinem Stadtviertel bald eine bctannie Persönlichkeit. „Ter Erfinder", wie er genannt wurde, er- lä icn als ein curioscr Gesell, wie vic gutgesinnten, als ein Rarr, wie die bösen, und als ein Original, wie die ge bildete» Leute sagten. Seine Gutmülbigkeit lvnrrc allgc- incin anerkannt, und die Kinder liefen idm auf dcr Straße entgegen, reichten ihm die Hand und sagten: „Guten Tag, Herr Erfinder " Einige Maurer, die ans einem Ban in der Näkc arbeiteten, batten ciizsl versucht, ihn zu soppen, indem sie ihn mit Kalk und Staub bewarfen und fassten, er ioUc Golk daraus mache». Ta aber war das Kind wieder zum Riesen geworden. Er batte den ersten besten gepackt und so derb aufs Master gesetzt, daß dieser das Aufsteben in den eisten fünf Minuten vergaß. DaS flößte den Herren vo» dcr Kelle gewaltigen Rcspect ein. und sie ließen ihn in Ziifunit »»geschoren Trudchcn seufzte oit im Stillen über daS Päckchen, das sic ;» tragen batte. „Er begreift eS mcht einmal und erkennt cS nicht an, was sür schöne Wäsche ich ihm Sonntags hinlege", nieinlc sic. Als Gustav einmal wieder stundenlang im stillen Hinbrülcn lec seiner Kuppelung yescffcn batte, kam il»n plötzlich zum Bewnßlsein, daß er die Gegenstände doppelt l>st> Er rieb tick, die Augen und faßte sich an die Stirn. Ein dumpfer Truck lastete ans feinem Gehirn Er sprang aus und lief in, Zimmer auf und ab. Eine Mattigkeit in allen Gliedern erschwerte ibm die Bewegung. „Du wirst »och einmal ilberfchnappcn", Halle seine Krau früher öfter zu ihm gesagt. Er erschrak, als er an diese unheilvolle Prophezeiung dachte. Nein, davor wollte er sich bewahren. Er mußte sich schonen, um sich seinem Werke und seinem Glück zn erkalten. Eine mehrwöchige Rübe, hoffte er, würde ,hm gut thun und ihn von seiner geistigen Uebcranstrengung heilen. Er wollte sich zerstreuen und da- Leben genieße», so weil cS möglich war. DaS Leben genießen! Sonnenschein, Viumcnglanz und Vogelfang stellten sich ihm plötzlich in aller Pracht und Lieblichkeit dar. Wie lange hatte er nichts von alledem wahrgcnommcn! Auö der Vergangenheit klang der Ton fröhlicher Lebenslust verlockend in die Gegenwart hinein. Ja, damals! Damals batte er noch Auge und Ohr offen sür die Schönheit dcr Welt, und so manche glückliche Stunde hatte er sowohl allein als auch in Gesellschaft seiner Frau und seiner Kameraden durchlebt. Eine Sehnsucht nach Lebens genuß erfaßte ihn plötzlich, so heftig und stark, als müßte er das seit Iabrc» Versäumte in einigen Tagen nachbolcn. „Die Stettiner Sänger?" Die hast Du »och nicht gehört? O, da muß man lachen! Heute Abend in dcr Victoria Brauerei — " Zwei Männer waren oben auf der Straße wie Schalten vorübergegangen. Nur die Beine hatte Gustav von seinem tiefen Standpunkte aus bemerkt, aber gebört batte er genug, um zu wissen, waS er zu thun batte. Er packte sorgfältig alle Tbeile seiner Kuppelung zusammen, wusch sich und ordnete seinen Anzug. Der Abend war nabe. Trudchcn besorgte daS einfache Abendbrod, und die drei Familiengticter, die Ehegatten und der Knabe, aßen schweigend, wie sic eS seit langer Zeit gewohnt waren. Tradchen bemerkte wohl, daß Gustav »och auszugeben beabsichtigte, aber sie fragte nicht danach. WaS ging eS sie an! Gustav war schnell fertig, nahm seinen Hut und ging. Aus der Kellertreppe blieb er sieben. WaS war denn da- mit ibm ? Er kalte seiner Frau und seinem Kinde ja nicht einmal „Guten Abend" gesagt. DaS war ja längst nicht »icbr geschehen, beute aber kam eS ihm zum Bewußtsein ES war dock, zu komisch — er, der Mann und Vater! Tollte er zuriickgehcn? Ja, vielleicht kamen Frau und Kind mit? Natürlich! Wie konnte er ohne sie zum Vergnügen geben! Er ging zurück und fragte durch die Tdürspaltc: „Trudchcn!" „Ja" Der Ton klang hart »nd rauh. „Wollt Ihr mitkommen?" „Wobin denn?" „In die Victoria Brauerei. — Die Stettiner Sänger sind da. Es soll sehr lustig sein" Eine» Augenblick kerrsckte drin im Zimmer lautlos« Stille. Dann ertönte plötzlich Trudchcn'S wüibende Stimme: „Geb doch, Tu Tagedieb! Ich muß arbeiten!" Dabei schlug sie die Thür mit solcher Heftigkeit zu, daß Gustav zurückprallte. Trudchcn erzählte später, daß sic sich in diesem Augen blicke nicht hätte halten können, und wenn e- sofort ihr Tod gewesen wäre. Dieser Mann, der keine» Pfennig verdiente und von dem sancr erarbeiteten Gelbe seiner Fra» lebte, wollte da-Geld wcgwcrfen und sich Faxen vorniachcn lassen! Da- Herz hätte ihr brechen können. Aus- Tiefste beleidigt, stieg Gustav zur Straße hinauf. Der Wulbau-Hruch seiner Fra» dauerte fort, »nd noch einige Häuser weiter hörte er ihre kcifende Stimme. Ein anderer To» rauschte ihm au- dcr Victoria-Brauerei entgegen. Der weite Garte» begann sich zu süllcu. An den Tischen umher saßen Männlein und Wciblcin lachend und scherzend und dem behaglichen Biergenuß ergeben. Er durch schritt dcii Garten seiner ganze» Länge nach und näherte sich dem Theile, in welchem die Stettiner Sänger ihre Vor stellungen gaben. Ra»sche»des Händcllaischc» drang a»S dem Hintergründe. Die Vorstellung batte bereits begonnen. Gustav entrichtete sein Eintrittsgeld und blieb während de-Gesänge-, in wcichem dcr Sänger sorisubr, an einem Baume sichen. Ans dcr kleinen Bühne im Hintergrnnre stand der Sänger iu cincm Eostüm, daS ihm ei» äußerst trauriges und bedauernSwcrtbcS Aussehen gab. Seitwärts am Elavier saß ein junger Man», welcher die Gesänge begleitete. Dcr Spieler fesselte Gustav'- Aufmerksamkeit Er stellte eine» Pantoffelhelden dar, welcher iu gar jämmerlichem Tone vo» dcu Leiten seines Ehestandes erzäbltc und dazwischen einen lustigen Refrain sang, in den das Publicum oft beiter einslimmlc Er verbreitete sich, vvn Adam und Eva ausgehend, über alle berühmten Männer der Geschichte und wies nach, daß auch die größten Helten gegen ihre Frauen nichts auSgerichtci hätten Zum -Schluß ahmte er eine moderne Scene zwischen einem Ebepaarc nach, und als Gustav die kciseiidc Frau hörte, war es ibm, als ob er Trudchcn s Stimme vcriiäbmc. Die Nachahmung war so »aturwahr, daß sic da- Publicum zu stürmischer Heiterkeit binriß, welcher sich auch die zahlreich anwesenden Frauen und Mädchen willig Hingabe». Durch den heiteren Ton süblte sich Gustav zunächst aus- Angenehmslc berührt Er verwandte kein Auge vo» dem Sänger, bald hatte er seinen Acrger vergessen und sein Ge sicht erglänzte wie Sonnenschein. Die letzte Scene, welche gleichsam den Austritt vorbin mit Trutchc» carikirtc, befreite ibn vollends vo» dem Bann, der aus seinem Herzen lastete. Er lachte aus vollem Halse, daß ibm die Thränen über die Wange» tiefen, und völlig hingeriffen, stimmte er mit dem Publicum in den Refrain ein: „Und schreit sie Dir die Lhren voll, So mach' Dir nichlS daraus!" Nein, Gustav machte suh nichts mehr daraus. Er nahm an einem »och leeren Tische Platz, bestellte sich ein Gla« Bier »nd verfolgte mit größter Heiterkeit die Vorstellung. „Sic erlauben?" Ein Herr sagte cS »nd setzte sich, ohne eine Antwort ab- zuwartcn, Gustav gegenüber. Er hatte einen ausdrucksvollen Kopf mit gewölbter Stirn und gebogener Nase, aber seine Mienen waren streng und die Haare, auf dem Scheitel bereit- gelichtet, zeigten das cigciisinuige Bestreben, sich cmpor- zurichtcn. Dcr Garte» füllte sick> »icbr und mehr. Dann und wann überflogen die scharscn Augen deS neuen Ankömm lings den Garten nach bei» Eingänge zu. Plötzlich sprang er aus und winkte mit der Hand, und im nächsten Augen- blicktc drückte er srciiiidscbastlich dem neu hinzulrctcndcn Herrn die Hand. Dieser war klein und rund von Gestalt, hatte ein volle« Gesicht mit einer Stumpsnasc und kleinen, listigen Auge» und weiße« Haar, da« ihm bis in den Nacken reichte. Später gesellte sich noch ein Dritter zu ihnen, dcr auch bereit« der vorgerückte» Altcr-ftnsc angchörtc, scbr beweglich und fröhlich schien und dem Fremden sofort durch seine wundervoll gebildete Stirn anssicl. die sich bis in den Nacken sorlsetzlc. Nur zwei Büschel an >cder Seite des Kopse- waren die Reste dcr cinstigcii Iugcnklockcnfülle. Gustav, a» den Umgang mit Mensche» nicht gewöhnt, süblte sich durch die neue Gcscllscbast zunächst bedrückt. Aber der keitcrc Hauch, der von dcr Bühne her über den Garten webte, brachte die Herzen dcr Herren bald einander näher, und nachdem sie eine kalbe Stunde lang »>it einander gelacht batten, stellten sie sich vor. „Mein Name ist Seidel", sagte der Herr mit dein Ekaraltcrkops. ..Zimmcrmann", sagte der mit den ekrwürdige» weiße» Haaren, sieb würdevoll verneigend „Ferdinand Luch»", fügte der dritte mit Sctbstbcwnßtsci» hinzu De» letzten Namcn batte Gustav schon gebört, er wußte aber nicht gleich, >» welcher Verbindung. Nick't ohnc Be fangenheit nannte der an vornehme UmgangSsormcn nicht gewöhnte Arbeiter seinen Namcn „Wir kennen Sic schoi»", sagte Herr Seidel „Herr Roll- mann. Erfinder Denn ick> nicht irre, ist cS das Problem der Eisenbabnkiippctung, da« Sic beschäftigt." Gustav nickte. Er süblte sich geschmeichelt im Gefühl seiner Popularität „Tie sind in einer Gesellschaft", fuhr dcr Herr fort, „die Itn Streben z» schätze» weiß Ick selbst babe mich vom einfachen Arbeiter zum Pianosorlesabrikantcn ausgeschwungen Mid in meinem Gkichäst schon manchen eigenen Gedanken verwirklicht. Herr Ziniinermann dcmait die 'Wände, nicht nur mit frischen Oetsarben, sondern auch mit schönen Land schaften, wenn'S bezahlt wird, und wenn tue Oeffcatlichkeil
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