02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920119025
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
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- Tag1892-01-19
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Der Panzer hißte sofort die Kaiserstanbartc, die im Hasen liegenden Schiffe gaben den Salut ab Hierauf ließ der Kaiser die Garnison alarmiren nnd lras zur Be sichtigung der Truppen um 12 Uhr aus dem Cascruen- platze ein. * Einen interessanten, auch von uns schon anzedeutctcn Zug der jüngsten ReickSiagSwabl in HildcSdeim heben die „Miltbeilungen für die Vertrauensmänner der nationalliberalen Partei" hervor. Unter der Uebcrschrift ..Centrum und Socialdemokratie" wird da berichtet: Die ReichStagSersatzwabl in HildeShcim hat den Ultramon- lanen wieder rininal Gelegenheit gegeben, in ungenirtester Weise mit der Socialdemokratie Geld- und politische Geschäfte zu machen Die Ccnlrumslcute, die hieran sich bergeben, müsse» heute den Spott zum Schaden mit in Kauf nehmen. DaS Geschäft ist erfolglos geblieben, so theuer es auch gewesen sein mag DaS Belastungsmaterial liegt vor Zunächst bat der Vertrauens mann der socialdcmokratischen Partei für den ReichStagS- wahlkreiS, Maler Stephan-HildeSbcim, in öffentlicher Ver sammlung ain 29, Dcceinber erklärt, daß ihm von ultramon- tancr Seite Geld geboten worden sei. wenn er bei de» Socialdemokratcn Propaganda für da- Centrum mache. Der officielle Führer der Socialdemokraten im Kreise mußte da- natürlich ablehnen. Die „Genossen" aber nahmen das Geld und leisteten dagegen, waS geleistet werden konnte. In allen Bezirken mit evangelischer Bevölkerung agitirten zur Stichwahl lediglich die Socialdemokraten, von den Ultramon- tanen war nichts zu höre», noch zu sehen. Das Geld derselben muß sehr reichlich geflossen sein, denn eS batte auch Socialdemokratcn auS Hannover heran- gelockt, die angeblich auf der „Durchreise" mit für das Centrum wühlten. ES wird sich aber a»ck erweisen lassen, daß von ultraniontaner Seite nicht nur Geld und Bier in Hülle und Fülle für die Zwecke der Propaganda gespendet wurden, sondern daß geradezu die Stimmen der Social demokratcn um festen Preis für jede einzelne Stimme gekauft waren. In Elze waren 50 Pfennig, in Hildesheil» l Mark vereinbart u. s. w. Und die Socialdemokratcn? In der Brrsammlung vom 29. December wurde mit Einstimmigkeit beschlossen, bei der Stichwahl sich der Stimmabgabe zu enthalten und zwar sollte, soweit möglich, den ländlichen Parteigenossen von diesem Beschlüsse Kenntniß gegeben werden. Das geschah nun in der Weise, daß die städtischen Genoffen mit schweren Packeten voll Flugblättern und Stimmzetteln für Bauermeistcr daS Land überschwemmte», in alle national- liberalen Versammlungen eindrangen, thcilS »»» nur zu stören, lHeils um offen a>« Candidatcn der Socialdemokratie für die Stichwahl den Centrumsmann (als braven und besten Volks- ircund!) zu empfehlen, wie dies in Gleidingen und Nord» stemmen geschehen. Inzwischen saß Herr Stephan zu Hause in HildeSheim und bedauerte bei Gelegenheit mündlicher Aus sprache da und dort, daß er „so gar nichts dagegen thun könne". DicS die Thatsachen. Das Bewcismaterial ist so umfangreich, wie man es nur wünschen kann, die Belastungs zeugen sind unanfechtbar glaubwürdig, denn sie stehen sämmt- Iich auf der Gegenseite, nicht etwa im nationalliberalen Lager. Auch die Wahlziffcr» reden eine beredte Sprache. Man vergleiche beispielsweise Salzdetfurt. Daselbst wurden abgegeben am 18. December 4 ultraiiioiitaiie und 66 socialbcmokratische, am 4. Januar 70 ultramontane Summen Ob bei den Socialdemokraten die vollendete Zuchtlosigkeit einreißt, sobald daS Geld im Kasten klingt, oder ob die Parole der Stinunknentballung bewußte Heuchelei gewesen, soll dahingestellt bleiben, ist auch berzlick gleichgiltig. Interessanter schon ist eS. wie die Kundgebungen des Papste- zur socialen Frage, die Hirtenbriefe bcS Fürstbischofs I>r. Kopp, ja auch die aus die sociale Gefahr biiidtulentc Wendung in der Ansprache des neuen Posener Erzbischofs an den Kaiser, die zahllosen Versicherungen der CcnirumSpartei selbst, daß sie allein den festen Hall gegen die sociale Revolution biete» könne, und all dergleichen sich in Einklang bringen läßt mit den Silberlingen, die in Hilde-Heim von ultramontaner Seile den Socialtemvkratcn reichlich in die Taschen gesteckt wurden. * Nach dem am 16. Januar abgeschlossenen Fraktions- vcrzeichniß des preußischen Abgeordnetenhauses zählt die conservative Partei 125, das Centrum 98, die »ationalliberale Partei 84, die freiconservativc Partei 66, die deutschsreisinnigc Partei 27, die polnische Fraction l4 Mitglieder; II Mitglieder gehören keiner Partei an. Erledigt sind fünf Mandate, nämlich 9. Osnabrück Ersatzwahl für Buddenberg, 4. Hannover für Tramm, 2. Berlin für Zelle, 7. Posen für von Slablcwski, 3. Posen für Kiepert. Von den erledigten Mandaten waren drei im Besitz der Nationalliberalen, je eins im Besitz der Deutschfrcisinnigcn und der Polen. * Die erste EtalSberathuug im preußischen Ab- geordnctenhause, die am Donnerstag beginnen und voraussichtlich am Freitag beendigt werden wird, dürfte sich zu einer großen Debatte über die allgemeine politische Situation gestalte», lieber das Volksschulgesetz berathen die Fractionen in den letzten Tagen dieser Woche. Der Schwcrpunct der Beralbung dieses Gesetzes wird in eine Commission fallen, die voraussichtlich sehr langwierige Verhandlungen herbei- sühren wird. * In der letzten Zeit haben zwischen preußischen und brcuilschcn Comnussarien unter Hiiizuziehung von Commissarien des ReichsmarineaiiilS Verhandlungen stattgefunden, welche die Abtretung preußischen Gebiets zum Zweck der Hasenerweitcrung von Bremerhaven betrafen. Sie waren eine Fortsetzung der Verhandlungen von Ende November v. I. in Bremerhaven und haben, wie die „Wes. Ztg." mittbrilt, materiell zu einer völligen Uebereinstimmung der Commifsarien über einen ihren Negierungen zur Ge nehmigung vorzulegendcn Entwurf geführt. BrcmischcrscitS habe» die Herren l)r. Barkhausc» und Senator Or. MarcuS an den Verhandlungen theilgenommen. * Ein weitverbreitetes nltramontancs Prcßerzcugniß, der Regensburger „Marienkalender" für >892, bringt es fertig, über de» Fürsten Bismarck folgenden Satz zu schreiben: „Es ist nur der Langmuth de- Monarchen zu danken, daß der rücksichtslose Frondeur, der größte Feind des Deutschen Reiches, nicht vor Gericht gestellt wurde". — Schamloser oder besser dümmer hat sich der BiSmarckhaß wohl noch Niemals bloßgestellt. * Die badische Kammer hat ihre Sitzungen wieder aus genommen. Die Wabl de- nationalliberalen Bürgermeisters Burger i» Walkkirch wurde für giltig erklärt. Die Regierung legte mehrere Gesetzentwürfe vor, darunter einen solchen, be treffend die Besteuerung de« Kunstweins. * Die ZollvertragS-Berhandlungen zwischen der Schweiz und Italien gcitalten sich immer schwieriger DaS der Schweiz angeborene Zollcartcl würbe als dev Staats- souverainität widersprechend abgclehnt. Dieser Umstand dürste voraussichtlich den Vertrag zum Scheitern bringen, wenn nicht noch eine unvorhergesehene Verständigung eintritt Der Gencraltaris würde sodann mit dem 12 Februar eingesührt werten. Die römischen Blätter Wersen der Schweiz vor, daß sic Schmarotzcrpolitik treibe und vom Leben anderer Staaten zehren wolle Gleichzeitig weisen sie aus Oesterreich hin, welches schon lange zum Zolleartel gehöre und fragen, warum die Schwei; auch die Markcnschutzgescye nicht anerkenne Die Antwort sei, daß sie alle Staate» wirtbschastlich ailSdcute, was aber eine schwere Reactio»-Hervorrufen werde. * Die außerordentliche Session der schweizerischen Bundesversammlung, welche hauptsächlich zur Beralbung der Handelsverträge einberuseu wurde, ist am Montag er öffnet worden. * Der belgische Staalsministcr Woeste veröffentlicht ein Schreiben an seine Wähler, in welchem er vor zu cxcessivcr Agitation gegen de» Handelsvertrag warnt. Diejer sei viel mehr entweder unverändert auzunehinen oder adzulehnen. Die Ablehnung wäre politisch und commerziell ein schwerer Fehler. Das Gemeinwohl gebe über die Sondervortheilc. DaS Schreiben bat einen großen Eindruck bervorgcrufc». * In Fortsetzung der HandelSvcrtragSdebatte i» der ita lienischen Deputirtenkammer erklärte Berichterstatter ENcna, die Commission erfülle ihre Pflicht, ohne sich die Mängel und Lücken der Verträge zu verhehlen. Gegenüber dem Deputirten Pantano bemerkte er, der Tarif von >887 sei derzeit der am wenigsten illiberale Tarif der großen Continental-Staaten. Redner verlangte, die Regierung möge erkläre», daß sic Len von der französischen Re gierung den Züchtern von Seidenraupen gewährten Prä mien itatienijche Prämien entgegcnstellen werde, falls ersterc die italienische Production bedrohen sollten. Die beiden großen Zweige der Ausfuhr, Scikenwaaren und Wein, könnten nicht ungestraft angegriffen werden. Der Vertrag mit Oesterreich-Ungarn könnte bester sein; er ver diene jedoch nicht den herben Tadel einzelner Redner. Wenn der Austausch von HandelSproducten mit Oesterreich-Ungar» nicht so gut vor sich gehe, wie derjenige mit Deutschland, so liege die« auch in den natürliche» Verhältnissen. Redner giebt zu, daß von Italien Deutschland große Opfer ge bracht wurden, die italienische Ausfuhr nach Deutschland sei aber auck eine bedeutende. Ellena fordert die Kammer auf, die Verträge zu genehmigen, ohne die Annahme aus- kommen zu lasten, daß die Wünsche Italiens vollständig er füllt seien, oder daß eine sofortige, erhebliche Besserung der wirthschastlichen Lage zu erwarten sei. — Minister Cbimirri führte unter lebhaftem Beifall aus, die vorliegenden Handels verträge begründeten für die italienische Volkswirtbschast nützliche Erfolge und Vortkcilc Der Vertrag mit Lester- reich bringe eine wesentliche Verbesserung des Leinenzolles. Die Weinzollclaiisel habe schon in dem bisherigen Vertrage bestanden. — Im Verlause der Sitzung kündigte der Präsident an, daß der Teputirtc Barzilai eine Interpellation betreffs der italienischen Politik im Orient und betreffs des Ver haltens der Großmächte gegenüber der Lage in Bulgarien eingebracht habe. — Dir Generaldebatte wurde geschlossen. * In der Sitzung der portugiesischen Corte« legte der Ministerpräsident das Programm des CabinclS dar und führte aus, daß zur Herbeiführung der Reorganisation der Finanzen sich Alle Opfer auferlcgen müßten. Die Regierung werde genötkigt sein, an die Gläubiger des Staates zu appclliren. * Die Mittheilung der deutschen „St. Petersburger Zei tung". daß die lutherisch-theologische Facullät iu Dorpat verbleibt, bestätigt sich. Die Verlegung der frag liche» Facultas nach einer anderen Stadl, resp ihre Um wandlung in eine Akademie ist, wie von unterrichteter Seile verlautet, tbatsächlich beantragt gewesen und auch wiederholt eiiigebend im Ministerconiitö berathen worden; die Mehrzahl der Mitglieder des Mi»istercomil6S bat sich jedoch gegen den Antrag ausgesprochen und ist daS Project nunmehr als aus- gczebcn anzusehcn. * Ucbcr die Krankheit der Kaiserin von Rußland wird der „Kölnischen Zeitung" aus St. Petersburg ge schrieben: Ter übliche Ncujahrseilipsang siel gestern wegen der Krankheit der Kaiserin auö. Der leibende Zustand der hohen Frau ist tbcilweise eine Folge eines übcr- slandencn leichten GrippcansaUS nnd zeigt sich in großer Nervosität, die sich auch besonders i» häufig wiederkehrenden Weinkrämpfcn darthut. Sehr besorgt ist die Kaiserin uni ihren Sohn, den Grvßsürsie» Georg, wenn auch über seinen Zustand keine wesentlich schlechte» Nachrichten ein- gelaufcn sind. Auch erregt cs sic, daß der Thronfolger nun mehr in die NotbstandSbezirkc abrciscn will, um a» Ort und Stelle sich von der Sachlage zu überzeuge». Man hält eS in Hoskrcisen für möglich, daß in Folge besten die Abreise des Thronfolgers noch binausgcschvbcn wird, zumal in vielen Bezirken der Typhus herrscht. Für den a»sgesallc»en'Neu- jahrsempsaiig ist nach der Festlichkeit der Wasscrweibe am 18. Januar ciu größeres Frühstück angesetzt. Tie Kaiserin braucht übrigens nicht das Zimmer zu büten und macht täglich Ausfahrten. Einem St. Petersburger Privalbriefc zufolge nimmt ungersnolh und Hungertypbus in den Gouvernements asau, Ssimbirsk und Ssaratow einen immer größeren Um fang an. In mehreren Kreisen dieser Gouvernements wülbet der Hungertyphus ärger als während des Krimkrieges. Sämmtliche Lazaretbe sind überfüllt. * Die ,^köln. Zeitung" meldet au« Moskau: In hiesigen und Petersburger Kreisen herrscht kein Zweisel mehr darüber, daß da« Gerücht, ans der Moskau-R jä sall erEisrnbadnlinie sei kürzlich eine Mine gelegt worden, um den aus Livadia zurückkckrenden Zug de« Zaren in die Lust zu sprengen, durchaus begründet ist. Die Petersburger Polizei entwickele gegenwärtig eine außerordentliche Tkäligkcit, um die Ver brecher zu ermitteln. * Der Chadournc-Zwischenfall ist erledigt. Die bulgarische Regierung erkennt in einer Note den bei der Aus weisung Ckadournc's begangenen Formfehler an und bedauert ihn. Eonsul Lancl erhält die Weisung, seine Beziehungen zur bulgarischen Regierung wieder aufzunchmcn. Jur parlamentarischen Lage. ** Berlin, l8. Januar. Kaum acht Tage ist der Reichstag seit Neujahr versammelt, aber die Bänke de« Hauses zeigen eine so trostlose Ocdc, als ob die übergroße Mehrheit rer Parlamentarier durch eine überlange nn^ Feuilleton. Das geflügelte Rad. 14s Roman von Hermann Heinrich. Nachdnick »erb-Ie». (Fortsetzung.) Die kleine Gesellschaft nahm Platz, und Amalie begann mit klopfendem Herzen die Unterhaltung. „Mein Schwager machte mir soeben eine interessante Mit- theilung. Entsinnst Du Dick de« Herrn Rollmann, der un- gestern vom Professor zuzcsührt und vorgestellt wurde?" „Sehr wohl." „Denke Dir, dieser Herr hat auch eine Kuppelung, und zwar eine Scitenkuppelunz erfunden, die in Fachkreisen Auf sehen erregt bat." Dorner fühlte, daß in diesem Augenblick vier Augen forschend auf ihm rukten. Er nahm seine ganze Kraft zu sammen und antwortete: .Da« ist in der Thal interessant. Und die Erfindung soll brauchbar sein?" „Eie bat in Fachkreisen Aussehen erregt", erwiderte Kroll. „Man hält die Aufgabe für cndgiltig gelöst " „So. so", meinte Dorner mit überlegenem Lächeln. „DaS wäre um so auffallender, als icncr Herr zu den Gebildeten wohl kaum gezählt werden darf Er sprach zwar wenig, aber gerade genug, um erkennen zu lasten, daß er die Sprache nur jchr unvollkommen beherrscht." „Meinen Sie. daß dies etwa« zur Sache thun könnte?" fragte Kroll „Im Allgemeinen bat man ein Recht", cntgegnete Dorner. „die Arbeit eine« Menschen nach seinem BiltungSstanrpuncte zu beurtbeilen. Doch sind Ausnahmen wobl möglich Jeden falls möchte ich die Erfindung einmal sehen " Amalien- Gesicht hellte sich bei diesen Worten aus. „DaS Modell ist auf dem Patentamt ausgestellt", sagte sie schnell. „So werde ich in den nächsten Tagen bingeben und eS mir anseben", entgegnete Dorner ,.E» inleressirt Dich vielleicht, mein Unheil darüber zu hören " „Gewiß", sagte Amalie. „Und wenn Dir die Arbeit ge fällt. kannst Du vielleicht etwa- für deren Emsübrunz thun, meinst Tu nicht?" „Sehr gern. Wenn sie meine Empfehlung verdient, soll eS ihr daran nicht fehlen. Aber ick sage eS im Voraus, daß mein Unheil streng ist, und baß die allgemeine Meinung aus mich kemen Einflug au-übt." „Umso werthvoller wird diese« Urthril sein", sagte Amalie freudig. Ihre« Bräutigams Derbalten batte die bösen Voraus setzungen des Schwagers widerlegt und ihre Hoffnungen er füllt. Sie war glücklich darüber und fühlte sich in ihrem vorhin ausgesprochenen Entschlüsse gestärkt. Kroll war sehr ernst. Er erkannte in dem Entgegen kommen des Ingenieurs die schlaue Berechnung eine« egoistischen Menschen und beklagte im Stillen die Vertrauensseligkeit seiner Schwägerin. Aber vorläufig war hier nichts mehr für ihn zu thun, weshalb er sich verabschiedere und die Beiden allein ließ. Dorner warf ihm einen spöttischen Blick nach. „Und nun, liebe Amalie, habe ich eine besondere Angelegenheit sehr ernster Natur mit Dir zu besprechen", sagte er, indem er seinen Sessel an den ihrigen schob, traulich ihre Hand erfaßte und ihr liebevoll ins Auge sah. „Sehr ernster Natur?" fragte Amalie lächelnd „DaS klingt ja ordentlich feierlich." „ES ist eS auch Alles, was das innigste Verbältniß zwischen Mann und Frau berührt, ist ernster und feierlicher Natur " „Nun?" „Ich habe eine schlaflose Nacht gehabt." „Und was beunruhigte Dich?" „Dein Verhalten zum Doctor, oder vielmehr das ieniige zu Dir. Du weißt offenbar nicht, welche« vertrauliche Ansehen er seiner Unterhaltung mit Dir zu geben weiß." Amalie hielt ruhig ihre« Bräutigam« forschenden Blick auS. Sie selbst war völlig ruhig, und sie beabsichtigte, Dorner -,ede billige Genugthuung zu gewähren und damit daS Unrecht zu sühnen, da« sie gegen ihn begangen zu haben glaubte. „Welche- vertrauliche Ansehen?" fraate sie. „Gewiß ist unser Verbältniß ein vertrauliches Ich schätze ibn als einen guten Freund. Er war eS, ehe ich mich mit Dir verlobie. und er ist e» während unserer Verlobung geblieben Ma laiin Dir daran auffällig sein?" Dorner'« Augen blitzten, und leidenschaftlich rief er: „Es ist einfach unerhört! Ich wäre kein Mann, wenn ich dergleichen rukig mit anseben könnte, und ich will eS nicht länger mit anseben." „William —I Bist Du eifersüchtig?" Dorner beruhigte sich „Ja. Amalie, ich hin eifersüchtig, aber meine Eiscrsuchi ist nicht gemeiner Nalur Zu glauben, daß Du mir jemals Deine Neigung enizicben und ibm oder rineni Andern zuwenden könntest, wäre eine Lästerung Rein, so etwa- kann mir auch nicht im Traume einsallen. Aber für ibn kann ich nicht gut sagen Ich weiß nickt, mit welchen Hoffnungen er sich trägt, und wenn ick daran denke, daß auch nur der Schimmer eine« unedlen Gedanken« von seiner Seite aus Dich fallen könnte, eS müßte mich rasend oder elend machen." „Beruhige Dich, mein Lieber", sagte Amalie, seine Hand fassend „Und dann die Oeffcntlichkeit!" fuhr er fort. „Meinst Du, daß andere Leute nickt beobachten und ihre Schlüsse ziehen? Wenn ich an den gestrigen Nachmittag denke — dem Fremden müßte eS sckwerfallcn, zu enlscheiden, wer von uns Beiden Dein Bräutigam ist." „So darfst Du nicht sprechen", cntgegnete Amalie ernst. Ja, Amalie, so darf ick, so muß ich sprechen!" rief der Ingenieur „Merkst Du, in welcher Weise ich eifersüchtig bin? Eifersüchtig bin ich auf Deine und meine Ebre. Du überläßt Dick Lei» Zuge Deines menschenfreundlichen, liebenswürdigsten Herzen-, und D» hast ein Recht dazu; mir aber ziemt cs, darüber zu wachen, daß Deine Liebenswürdigkeit nicht gemiß- braucht wird." Er stand auf und ging im Zimmer auf und ab, während Amalie vor sich binsab. Dann sagte sie: „Du hast Reckt, William. Ick kann Dir für Deine Auf merksamkeit nur dankbar sein. Doch ich kann dem Doctor nicht einfach mein HauS verbieten, nachdem er jahrelang meine Freundschaft genossen bat Es giebt nur ein Mittel, uns vor den geschilderten Gefahren zu beschützen." „Und welches?" fragte Dorner gespannt Amalie sab ihn mit ernsten Augen an. „Daß wir uns verbriratben", entgegnete sie. „Amalie!" Ein Iubelrus war eS, der aus Dorner'« Munde kam. Mit au-gcbreiteten Armen ging er auf sic zu, sank vor ihrem Sessel nieder und zog sie an seine Brust. Er schien berauscht vom Glück, und seine Glutb tbeilte sich ihr mit. Der Zauber, der sie schon so ost besiegt hatte, übte auch jetzt wieder seine Macht Nein, dieser Mann, der so ganz in der Liebe zu ihr ausging, konnte kein durchaus unedler Mensch sein, und allein schon durch seine große, flammende Liebe erschien er ihrer würdig Im weiteren Austausch der Gedanken und LiebeSbcweise beschloß da- Paar, zu Michaelis Hochzeit zu halten, aber bis tadln ein stilles Seebad zu besuchen. Kurz vor der Abreise tan, Dorner eines Morgen« zu Amalie mit der Mitlheiluna, daß er aus dem Palcntoureau gewesen sei uno sich die Roll- mann'i'che Kuppelung angesehen habe. „Nun. was sagst Tu dazu?" fragte Amalie gespannt. Dorner schüttelte mit mitleidigem Lächeln Len Kops. »E« ist Nicki- " „Wirklich nicht«?" „Man könnte ebenso aut mit einer Nußschale Amerika entdecken, als mit diesem Versuch dir Frage der gefahrlosen Kuppelung lösen wollen Ich habe r- mir gleich gedacht. Wie sollte einem einfachen Arbeiter gelingen, waS seit Jahr zehnten den tüchtigsten wissenschaftlich gebildeten Technikern unmöglich gewesen ist!" „Ist Rollmaiiii ein einfacher Arbeiter?" „Ja, er ist früher in unserer Cciitralwcrkstätte beschäftigt gewesen »nb wegen eines Versehens im Dienst und Wider setzlichkeit gegen Vorgesetzte entlassen worden. Schon damals, sagte man mir, sei er von einer Art von Größenwahn befangen gewesen." „Ter Arme! Seine Erfindung ist also werthloS?" „Sic ist nicht mehr wcrth als eine Nürnberger Spicl- schachtcl. Wenn Rollman» seine Hoffnung darauf gesetzt bat, so ist er zu bedauern." „Wie ist eö aber zu erklären, daß man von manchen Seite» seiner Arbeit einen so bedeutenden Werth beilegt?" „Sehr einfach. Wenn ein wissenschaftlich gebildeter Techniker ein bedeutende« Werk ins Lebe» ruft, so erscheint das einfach selbstverständlich. Hat aber ein ungebildeter Arbeiter einmal einen Gedanken, so ist das ein Ereigniß, ras zunächst unter Freunde» und Gevattern erzählt und bald der Leffentlichkeit mit Pauken und Trompeten verkündet wird. Ter Fachmann aber ist gewöbnt, die Dinge mil eigene» Augen zu betrachte», und er muß iminer wieder die Bemerkung macken, daß die Genies nicht wild wachsen." Amalie seufzte. „Wie viel zerstörte Hoffnungen giebt eS in der Welt", sagte sie leise und wie in, Selbstgespräch, und laut fügte sie hinzu: „Hoffen wir, daß der Arme seinen Irrtbum bald erkennt und zu seiner Arbeit zurllckkehrt, ehe die Noth bei ihm anklopft." „Ich selbst will ihm gern zu dieser Rückkehr die Wege ebnen", cntgegnete Dorner. „Doch darüber »u sprechen, ist »ach unserer Verbindung noch Zeit genug/' Dann stellte er sich vor daS im Boudoir ausgestellte Modell der Selbst kuppelung und sagte: „Ich bi» weit davon entfernt, mich zu rühmen, aber wenn jene Arbeit auch nur einen Thalcr wcrth ist, so darj ich die meinigc nach Millionen schätzen." * ^ ^ * Gustav Rotlnicum hatte die Quelle, welcher er seine Geld- mittel entnahm, geheim gehalten. DaS Gebeiiniiiß war ein- sach genug zu lösen Er batte sich durch Vermittelung eines Geldmaklers bei einem Wucherer fünfhundert Mark gegen Wechsel geborgt. Der Wucherer batie sich zuvor vergewissert, daß die Möbel Rollmann'S diese Summe wcrth seien, und Trudchen konnte sich nicht Lenken, daß der freundlich auS- sckendc Herr, der eines Tages ihre Wohnung besucht hatte und dann mit Gustav in Geschäften auSgeganaen war, in Gedanken ihre Mobilien abgeschäyt hatte. Ebenso hatte Gustav die Ausstattung seines Bureau« gegen geringe An zahlung einem Möbelgeschäft entliehen. Bon der felsenfesten Hoffnung getragen, dag ihm seine Erfindung in kürzester Zeit goldene Berge einbringen werde, harre er sich zu birst» An-
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