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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920121020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-21
- Monat1892-01
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Äröhere Schriften laut unserem Preis- verzeichoib- Tabellarischer und Zifferufatz „ach höherem Tarif. Srtra-Veilageu (gesalzt), nur mit der Morqea - Ausgabe, ohne Postbeförderuag -l 60.—, mit Postbeforderung 70.—. - Ällnahmeschluß für Jaserale: Abend-Aasqab«: Bormittag- 10 Uhr. Morgra-Au-gabe: ssiachmittagS 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh 0 Uhr. Bei den Filialen und -Innadmeslellen je ein» halbe Stund« früher. Inserate find stet- an di« «r»edttt»n zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» 1» Leipzig Donnerstag den 21. Januar 1892. 8V. Jahrgang Leipzig, 21. Januar. * Ein parlamentarisches Essen beabsichtigte (wie mitgetheilt) der Reichskanzler am 22. dö. MtS. zu ver anstalten, zu welchem der Besuch des Kaisers in Aussicht gestellt worden war. Nachdem der Kaiser dem Bedauern Ausdruck verliehen bat, diesen, Feste nicht beiwohnen zu löurien, ist dasselbe abgesagt worden. * vr. Freiherr v. Schorlemer-Alst wurde am Montag in einer halbstündigen Audienz vom Kaiser und sodann auch von der Kaiserin in Audienz empfangen. * Die Nachricht, daß dem Reichstage noch in dieser Session ein Gesetzentwurf über die Depot- bei Bankiers -.„gehen werde, bestätigt sich nicht. Die Ansammlung des Materials und die Borarbeiten sind noch nicht so weit gefördert. * Biel Widerspruch, nickt nur in konservativen Kreisen, wird auch der Schtußparagraph de» preußischen ÄolkSschulgesetzentwurfs sindcii, wonach die Einnahme des preußischen Staates an Einkommcnstener zu den in den FZ. 82—84 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Äuni l89l bestimmten Zwecken nur noch insoweit verwendet werden soll, aiS dieselbe den dort bczeichncten Betrag unter Hinzurechnung eitler Summe von neun Millionen Mark jährlich übersteigt. Die in Rede stehenden Paragraphen de« Einkommensteuergesetzes bestimmen bekanntlich, daß, sofern die Einnahme an Einkommensteuer für da« Jahr 1892/93 den Betrag von 80 Millionen Mark und für die folgenden Jahre einen um je 4 Procent erhöhten Betrag übersteigt, die Ueberschüsse nach Maßgabe eines zu erlassenden besonderen Gesetze« zur Durchführung der Beseitigung der Grund- und Geväudester als Staatssteuer bezw. der Uebcr- wrisuog derselben an communale Berdände verwandt werden sollen. Bis zum Erlasse dieses Gesetzes, jedoch längstens bis zum EtatSjahre 1893,94 einschließlich, sind die Ueberschüsse zu einem besonderen, von dem Finanzminister zu verwaltenden Fond« abzuführen. Ist jenes Gesetz nickt bi« zum l. April 1894 ergangen, so sind die Ueberschüsse einschließlich deS bis dahin etwa aufgesammelten Fonds zum Erlaß eine- entsprechenden Betrage« an Einkommensteuer zu verwenden. Diese Be stimmungen sollen also dahin abgeändert werden, daß auS jenen Ueberschüssen 9 Millionen Mart vorweg für VolkS- schulzwecke genommen werden, was allerdings eine Ab änderung eines eben erst zu Stande gekommenen Gesetze» in einem schr wesentlichen Punct darstellt. * In der officiös bedienten „Düsseldorfer Zeitung" findet sich eine Berliner Correspondenz, worin die Angaben der „Hamb. Nachr." über den Finanzminifter Miquel sehr scharf bestritten werden. Es beißt in der Eorresondenz: „Es ist nicht zutreffend, daß ein scharfer Eonflict zwischen dem Finanzminifter und seinen Herren AmtS- genoffen bestand, — r« ist völlig erfunden, daß Dr. Miguel die kaiserliche Vermittelung in einem acuten Streite habe anrufen müssen. Es ist ferner eine gänzlich grundlose Behauptung, daß der Herr Reichskanzler gegen den Finanz- minister auS irgend einem Anlässe verstimmt sei. In dem betrfffcnden Ministerrathe, in welchem Herr vr. Miquel das in diesen Tagen veröffentlichte Finanz- und EtatS-Erposs in de» Grundzügen entwickelte, hat man ohne jede Bitterkeit oder Erregung sich geeinigt. Jedermann weiß, daß Graf von Eaprwi jederzeit eine ganz außerordentliche Liebens würdigkeit im Verkehr niit den Entlegen an den Tag legt, daß aber auch I)r. Miquel in dieser Beziehung niemals auch nur den leisesten Berstoß sich hat zu Schulden kommen lassen. Bei einer solchen Verkehrsart aber dürfte eS doch wohl unerfindlich sein, wie da „scharfe" Eonflicte im CabinetS- schooßc entstehen sollten? Da» Verhällniß zwischen den Herren Miquel und Thielen bewegt sich auf genau der gleichen Grundlage. Die mehrfach erwähnte Audienz de» Herrn FinanzministrrS bei Sr. Majestät den, Kaiser verstand sich ganz von selbst, da Se. Majestät selbstredend das größte Interesse daran nehmen, wenn einer seiner Minister rin für die gesammte RcgierungSpolitik verbindliches FinanzexposS dein Parlamente vortragen soll. Ter Herr Finanzminifter trat keineswegs vor seinen Monarchen, um sich über einen Eollegen zu beschweren, sondern man wird wohl oder Übel anncbmen müssen, daß eS sich vorwiegend in der Audienz um da« besagte Fmanzerposü bandelte". * Die „Hamburger Nachrichten" schreiben: „Bezüglich der jetzt die Zeitungen durchlaufenden und auch in diesem Blatte neulich in einer Berliner Eorresponden; behandelten Gerüchte über Gegensätze ini preußischen Ministerium, bei denen insbesondere Herr b>r. Miquel betbeiligt sei, möchten wir die Ansicht äußern, daß wir die Stellung des Finanz- Ministers in keiner Weise für bedroht anseben können und dies Zwar, weil wir glauben, daß Herr 1)r. Miquel der ein zige Minister ist, der das Vertrauen des EcntrumS, der jetzigen Hauptstütze der RegicrungSpolitik ge nießt. Wir sind der Ansicht, daß, wenn die Negierung entschlossen ist, sich auch fernerhin aus das Eentrum zu verlassen, sie Herrn 1)r. Miquel im Amte ballen muß, da sein Ausscheiden sie der Unterstützung des EentrumS berauben würde. Wir glauben auch nicht daran, daß Herr Vr. Miquel gegen den Volks- schulgeseyentwurf, wie er jetzt vorliegt, im Ministerrathe ge stimmt bat, wie verschiedentlich behauptet wird, sondern wir halten imGegcntheil die persönlickeBetheiligung deS Herrn vr. Miquel an dem Entwürfe für höchst wahrscheinlich. Endlich sind wir der Meinung, daß eine vom Eentrum gestützte Regierung nicht ander« procediren kann, als die« mit der jetzigen Vorlage geschehen ist. Wir sind überzeugt, daß dem Eentrum nock ganz andere Zu geständnisse als dir vorliegenden gemacht werken; wir be trachten den Entwurf nur als Einleitung zu weiteren Schritten auf der damit besckrittenen Bahn." * Die „NeueFreie Presse", welche bekanntlich seiner stark mit dem „neuen Cur«" gcliebäugelt hat, scheint jetzt von sbrer vertrauensseligen Stimmung gegenüber dem Ministerium Eaprivi zurückzukommen, indem sie einen Artikel über den neuen VolkSschulgesetz-Entwurf mit folgenden Worten beschließt: Die Zeit der ruhigen Fahrt ist vorüber. Es bereiten sich schwere parlamentarische Stürme vor, und alle guten Wünsche geleiten die Liberalen, welche im Begriffe sind, ein kostbares Gut des Volkes vor unheilvollem Schaden zu bewahren. Das Ministerium Eaprivi aber wird, wie immer sich auch das End« deS Kampfes gestalten mag, mit harter Einbuße aus dem Sturm» hrrvorgehen, ja e« bat dieselbe jetzt schon erlitten. Denn das Vertrauen, welches ihm bereitwillig entgegen gebracht wurde, ist erschüttert, seitdem seine Schulvorlage bekannt geworden. Ein Ministerium, welche- einer solchen Schulpolitik seine Zustimmung und seine Autorität leiht, unter grabt sich selbst dir Wurzeln, durch die »- mit dem Bolk« zusammen bängt. ES giebt eine Grenze, welche unter allen Umstanden respectirt sein will, auch wenn das Verlangen, alle Parteien zu befriedigen, noch so groß ist; in Berlin wird das Eentrum niemals Regierungs partei sein, weil da- preußische Volk eine Regierung nicht verstebe» kann, welche sich aus diese Partei stützt, am allerwenigste», wenn die Volksschule den Preis bilden soll, mit welchem da- Eentrum für seine Gefügigkeit bezahlt wird. Wer die Schule hat, dem ge- hört die Zutun«, und seine Zukunst den Ullraiitoiitanen und Mucker» auszuliesern, ,sl nicht die Mission Preußen-, das an der Spitze der deutschen Ration marjchirt — der Ration, welche von jeher die Schul« als ihren besten Besitz gehütet und entwickelt hat. * Bezüglich der Wahl der Beamten zu VolkSver- tretern schreiben die „Hamburger Nachrichten": Die DiS» ciplinar Untersuchung gegen den Grasen Limburg-Etiruni gebe Denjenigen Reckt, welche slkis warnten, Beamte zu wählen; das Vorkomniniß erbringe den Beweis, daß ein sonst sympatdischer Beamter unter dem Druck, welcher unter Umstänken geübt wird, unmöglich die wünschenöwerthc U»- abbäiigigkeit behaupten könne. Die jetzige Stellung des Landraihs i» Preußen sei eine andere geworben; die früheren Landrälhc gerächten eine Lebensstellung im Amte zu finden, die jetzigen Landrälhe seien junge Bcamtc, die ten Land- ralbspostcn als eine Stufe ihrer Earrwrc betrachten; um letztere zu bcsörter», seien sic bereit, sich nach oben dienstbar zu erweisen; dieselben seien nicht geneigt, im Parlament ten ihnen Vorgesetzten Ministern ossen und scharf enlgegen- zutrcte». * DaS amtliche Resultat der LanttagScrsatzwabl im 9. hannoverschen Wahlkreise (Bersenbrück-Wittlage) an Stelle des verstorbenen Abgeordneten Bubbcnberg besteht darin, daß Gutsbesitzer Mues-Hcsscpe (nationalliberal) mit 100 von 206 abgegebenen Stimmen gewählt wurde. Hof besitzer Gerkepoti-Brockbauscn (Eentrum) erhielt 96 Stimmen, Hofbesitzer Knille-Kalkricsc (nationallibcral) 1 Stimme. * In die ständigen F a ch c o m in i s s i o n c n deS preußischen Abgeordnetenhauses wird die national» liberale Fractivn folgende Mitglieder entsende»: In die GcschästSordnungScvinmissio» die Abgg. Kletschke, Westerkamp, Schmieding, in die Petitionscommission die Abgg. Jurgenscii, Graf, Dürre, -brause, Weber (Gentbin), Friedrich- (Gummersbach), in die Gemcindecommission die Abgg.Ludvwicg, Tschocke, vom Herde, in die UnterrichtS- comMission di?Abgg. Leyffardt-Magdeburg, v. Schenckcn- dorff, Schmelzer, Olzcm, in die Jnslizcommission die Abgg. v. Euiip, ÄvenariuS, Oetker, m die Budget commission die Abgg. Mitboss, EnnrcceruS, Sattler, Francke, in die RechnungScommiffion Abg. Sattler, in die WahlprüfungScommizsion d,e Abgg Licht, Grimm (Wiesbaden), Peters, in die Agrarcommission die Abgg. Schoos, Knebel, Seer. * Der gestern im Reichstag verbandclte, eine strengere Wabrung der Geheimhaltung der Abstimmung bei den NcichStagswahlen bezweckende Antrag Rickert ist stets auch vom Eentrum lebhaft unterstützt worden. Dem gegenüber türsle eS von Interesse sein, an eme Aeußeruiig WindthorstS i:n constiluircndcn Reichstag zu erinnern. Dieselbe lautet: „Ich sür meinen Theil bin entjchieden für die öffentliche Stimmenabgabe, und alle die, die dagegen kämpfe», geben damit da« direkteste Zcugniß gegen die Zulässigkeit des allgemeinen dirccten Wahl rechts, denn wenn die socialen und sonstigen Verhältnisse noch nicht erlauben, die öffentliche Slimmenabgabe einzu- führen, dann erlauben sie auch noch nicht, den Leuten das allgemeine directe Stimmrecht in die Hand zu geben." WaS sagt da« Eentrum heute zu diesem Standpunkt? * Zn der öffentlichen DiScusston sowohl innerhalb wie außerhalb der parlamentarischen Körperschaften ist e« mehr fach als ein Mangel in der Organisation der preu ßischen Eiscnbabnverwaltung bezeichnet worden, daß ibr köbereS Bcamlcnpersonal sich wesentlich auf zwei Kate gorien von Beamte» beschränkt, deren Vorbildung nickt speciell den Bedürfnissen de« Eiscnbabnbctriebcö angcpaht ist. Weder die juristische, nock die bautechnischc Vorbildung, welche bisher allein die Grundlage der Eisenbabnearric^re bildete, noch die neuerlick hinzugetretenc iiiaschinenteckiiische Vorbildung ent hält eine besondere Ausbildung für den Eisenbahnbetrieb. Dem Veniebmcn nach liegt cs in der Absicht, demnächst diese Lücke durch die Einrichtung einer besonderen Eisen» babncarriüre mit speciell eisenbahntechnischer Vorbildung auSzusüllcn. * Der konservative preußische LandtagSabgeordnetc für den KreiS Labiau-Wchlau, Robert in Tornow, ist gestorben. * DaS von der polnischen R eichstag Sfraction in Wie» an den Erzbischof v. Stablews ki gerichtete Tele gramm begrüßt ihn »ach dem jetzt veröffentlichten Wortlaut als Primas von Polen und tüchtigsten parlamentarischen Verthcidigcr der Rechte der polnischen Nation i» Preußen. * Der „Conscrvativcn Eorresponkenz" zufolge wird die in Oesterreich einzusübrende Börsensteuer noch wäbrend dieser Session in dem Parlamente verhandelt werden. * Die falsche Nachricht von der ernsten Erkrankung tcS österreichisch-ungarischen Botschafter- Grasen Szcchcnyi in Berlin bat sofort die Eonjccturalpolitiker veranlaßt, nach einem Nachfolger auSzuspäbcn, und sic haben ib» auch in der Person des Herrn von Plencr gesunde». Wir können dem gegenüber, so schreiben die „Berliner Pvlit. Nachrichten", versichern, daß Gras Szcchcnvi weder „krank heitshalber" zurückzutretc» gedenkt aus dem cinsackcn Grunde, weil er gar nicht krank ist, noch daß in Wie» daran gedacht wird, den hiesigen Botschafter, welcher sowohl daS Vertrauen seines Monarchen al» auch die größte Wertschätzung des kiesigen HofeS und der ganzen hohen Gesellschaft besitzt, zu ersetze» Die falschen Nachrichten, welche seil zwei Jahren über diese Frage lancirt werden, sind augenscheinlich aus eine und dieselbe Ouclle zurückzuführen. » « « * Dem „Standard" wird aus Wien gemeldet, daß zwischen dem Papst und dem Kaiser von Oesterreich Meinungsverschiedenheiten betreffs deS Rücktritts deS Car dinalS Rampolla und seines zu ernennenden Nachfolger- entstanden seien. * Der schwedische Reichstag ist mit einer Thronrede eröffnet worden, worin r« beißt, die Verhältnisse zu allen srcmdcn Mächten seien sortdaiiernd befriedigende und der König sei iniablässig bemübt, dieses wüiischenSwerthe Ber- bällniß beizubehalten. Diese Bemübungen würden aber umsomehr erleichtert werten, wenn ein gut geordnetes Ver theidigungSwescn die friedliche Unabhängigkeit deS Lande- bewahre Dem Reichstag werte eine Vorlage zu einer wesentlichen Verständigung über das VerthcidigungSwesen gemacht werden, ferner werden Mittel zur Fortsetzung der nördlichen Stammciscnbahn verlangt und schließlich rrhcblickc Herabsetzungen der Einfuhrzölle für gewisse Gelreidesorten in Vorschlag gebracht. Feuilleton. Vas geflügelte Rad. Ikj Roman von Hermann Heinrich. >!»cbtriick «eeboien. (Fortsetzung.) Da wurde da« Kind wieder zum Riesen. Wie Simson die Fesseln, mit denen ihn die Philister gebunden batten, so icküttelte Gustav die beiden Brüder ab, daß sie zur Erde stürzten. Er wandte sich »m, und auch Siegfried wankte zur Wand, nicht ohne Gustav'S Rockschoß durch einen Riß einen empfindlichen Schaden zugefügt zu haben. Dann eilte Gustav binauS, die Treppe hinab. Unten machte er Halt und lauschte. Ein wüthendeS Gffchrei drang von oben herunter. Die „Gebrüder" waren mit „unserem Freund" handgemein geworden, weil er ibnen durch seine Unverschämtheit das Geschäft verdorben habe. Plötzlich wurde aber die Thür anfgerissen, und mit furchtbarem Gepolter und Geschrei, ,n welchem da« Wort „Schweinbund" wiederholt durchschallte, kam etwas die Treppe herabgeflogea. E» war der Ingenieur. An der HauStbur erwartete ihn Gustav. Schon aus dem Hofe hatte Werthholz seine Sachen abgeklopfl und die verrenkten Glieder gerade gebogen. Jetzt stand er mit dem harmlosteu Lächeln vor Gustav und sagte: „Wie gefallen Ihnen die Gebrüder Brombergcr? Sehr biedere Leute, wenngleich etwas lebhaft. Man darf sich durch die rauhe Schale nicht beirren lassen. Guter Kern. Nun, morgen ist auch noch ein Tag. Aus Wiedersehen, Herr Rollmann!" e- 4 * Am nächsten Tage ging Gustav zum Makler Rüben, um ihn zur Prolongation de« in einigen Tagen fälligen Wechsels zu bewegen. Ter Makler aber, welcher mit feinem Jnstinct die Aussichtslosigkeit Gustav'S erkannte, weigerte sich mit Ent schiedenheit. länger zu warten, und drohte mit all' den Un- armehmliihteiten, welche eine Wcchselklaze im Gefolge hat. Gustav ließ alle seine Freunde und Bekannten, welche er etwa um Hilfe bitten könnte, an seinem geistigen Auge vorbei- riehen. Seine Frau mußte von vornherein ausgeschlossen bleiben. Sie hatte nach wie vor nicht daS mindeste Ver- ständoiß für Gustav'S höhere» Streben gezeigt und dasselbe gelegentlich mit bissigen Bemerkungen einer abfälligen Kritik unterzogen. Sie hatte Geld auf der Sparkasse, vielleicht genug, um di« Schuld zu bezahlen; aber sie hatte ihrem Manne di« Augen »»«gekratzt, wenn er eS gewagt bitte sei« Hand danach au-zustreckrn. Wenn er dieses Weib vor sich sah mit dem bleichen, knochigen Gesicht und dem ewigen Vorwurf in den trüben Augen, ja wenn er an sie dachte, so stieg der Zorn in seinem Herzen auf. Er haßte sie und beklagte daS Schicksal, da« ihn an ein solche« empfindungslose« Wesen gefesselt hatte. Aber da waren ja seine drei Freunde, Ferdinand Luch«, Zimmermann und Seidel! Wir viele fröhliche Stunden hatte er in ibrer Gesellschaft verlebt, wie oft hatten sie ihm Beweise ihrer Zu neigung und Werthschähung gegeben. Sie waren die einzigen, an welche er sich wenden konnte. Er seufzte tief. Diejenigen um Hilfe bitten zu müssen, vor denen man stet« als ein wohlhabender Mann erschienen ist, daS ist ein schwere« Stück. Er beschloß, mit dem Professor anzufangen. Er batte von den Summen gehört, die derselbe für seine Kunstwerke bekam, ungeheure Summen. ES konnte ihm auf tausend Mark nicht ankommen. Gustav wurde vom Professor wie immer sehr freundlich empfangen. „Sie haben etwas auf dem Herzen, lieber Herr Rollmann. Herunter damit! Sprechen See!" Stotternd brachte Gustav sein Anliegen vor. Der Professor lächelte. „Halten Sie mich für reich?'' „Ich glaubte, daß Sie wohlhabend seien." „So!" sagte der Professor. „Freut mich, wenn ich diesen Eindruck mache. Aber bitte, kommen Sie mit! Ich will Ihnen etwas zeigen." Gustav folgte dem Professor auS dem Atelier in die prachtvoll auSgestattete Wohnung. Hier hob er einen Sessel auf und zeigte aus eine für gewöhnlich nicht sichtbare Stelle unterhalb desselben. Gustav erkannte da« Siegel de« Gerichtsvollzieher«. „Ist es möglich!" rief er. Lächelnd legte der Professor seine Hand auf Gustav s Schulter. „Mein lieber Freund", sagte er, ,,e« ist eine oft zu beobachtende Erscheinung, daß dte hilfsbereiten Menschen nichts haben, und daß diejenigen, die etwa« haben, nicht hilfsbereit sind. Ein Mensch mit meinen Ansprüchen an« Leben, mit meinen Ausgabe» und den Bedürfnissen meiner Frau Professorin kann unmöglich mit seinem Einkommen auSreicken, noch viel weniger Geld sparen. ES zeugt von Ihrer Harmlosigkeit, daß Sie da« nickt selbst erkannt haben " „Nehmen Sie eS mir nicht Übel, Herr Professor." „Durchaus nicht, lieber Herr Rollmann. BedauenSwerth ist e« sür mich nur, daß ich Ihnen nicht helfen kann." „Glauben Sie, daß Herr Zimmermann oder Herr Seidel dazu in der Lage sind?" Der Professor zuckte die Achseln. „Ich weiß eS nickt. ES ist mein Grundsap, niemals die Hilfe derjenigen in An spruch zu nehmen, mit denen ich verkehre. Aber Sie mögen e« immerhin versuchen." Schweren Herzen« wandt« sich Gustav zu, Wohnung de« errn Zimmermaiin. Zwar flößten ihm dessen kleine, listige »gen keineswegs Vertrauen ein, aber daß er Gemüth batte, bewiesen ja seine Gedichte, die er wiederholt in der Wein stube deS Herrn Zandcl vorgctragcn hatte. „Welch freudige Ueberraschnng", rief Herr Zimmermann, als Gustav eintrat. „Siebst Du, Frauchen, da« ist der be rühmte Erfinder Gustav Rollmaim, von dem ich Dir er zählt habe. Hoffentlich bringen Sir mir etwas Gutes. Ihre Erfindung wird nun doch noch vom Staate angekauft, nicht?" Gustav erzählte, wie die Sachen stehen, und bat schließlich um ein Darlchn von tausend Mark. Aufmerlsam batte Herr Zimmermann zugchört, nnd leb haft leuchteten seine grauen, klugen Augen. „Aber wie mich das schmerzt!" rief er. „Wären Sie eine Stunde früher ge kommen! Jetzt vor einer Stunde, nein, eS kann noch nicht eine gange Stunde vergangen sein, war ein Freund bei mir mit derjelben Bitte. Ich bade dem armen Kerl natürlich gebolfe». Fünfzehnhundert Mark! Und jetzt bin ich so arm, daß mir sogar daS nöthige Kleingeld scklt. „DaS klingt fast wie ein Gedicht", darbte Gustav, und da er den armen Herrn Zimmermann unmöglich noch ärmer machen konnte, so bat er um Entschuldigung, von dem herz lichen Bedauern und den besten Wünschen Herrn Zimmer- mann'S begleitet. E« blieb ibm nun noch der dritte Weg zu Herrn Seidel übrig Zu diesem batte Gustav da- geringste Vertrauen, da dem Gesichte Seidel s ein scharfer, herber Zug eigen war. Aber der Mann hatte sich ja vom einfachen Arbeiter zum Hof- pianofortefabrikanten emporgeschwungen. Er mußte wissen, wie einem Armen zu Muthe ist. Herr Seidel empfing Gustav mit sehr ernster» Gefickt nnd in kühler Stimmung. Gustav blieb fast da« Wort im Halse stecken Es war ihm zu Muthe, ol« ob Herr Seidel kühler und kühler wurde und al« ob schließlich eine eisige Kälte von ihm auSgche. Als Gustav seine Bitte ausgesprochen hatte, bedauerte er bereit«, eS gethan zu haben. „Sir überraschen mich nicht, Herr Rollmann", sagte der Hospianosortefabrikant, so langsam und feierlich, al« ob eS sich um einen Richterfpruch bandelte. „Ick habe mir längst im Stillen die Frage vorgelegt, wovon Sie eigentlich leben mögen, da Sic nickt arbeiten und ein baronisirendeS Leben führen. Daß Sie die Arbeit in der Eentralwerkstätte nieder legten, war ein großer Febler; daß Sie keine neue suchten, war rin nicht minder großer Febler, und daß Sie so be stimmt auf den Erfolg Ibrer Erfindung bauten, war vielleicht der größte Fehler, denn au» diesem ergeben sich alle anderen. Und so. Herr Rollmann, ist Ihr Leben gleichsam eine Kette von Fehlern." ,Uad wem neuester Fehler ist ««', entgegnet« Gustav bitter, „daß ich von Ihnen Hilfe in der Roth zu erlangen glaubte." „Ich bin weit davon entfernt, diesen Fehler zu beschönigen", entgegnete Herr Seidel kalt. „Aber bleiben Sie, Herr Roll mann. Man muß für jede Wahrheit dankbar sein, auch wenn sie bitter ist. Sic sind ein junger Mann und werden noch viel lernen müssen. Sebe» Sie mich zum Beispiel an. Ich habe mich vom einfachen Arbeiter zum Hofpianosorte- sabrikantcn emporgeschwungen. Ich könnte ein Buch schreiben über die Kunst, ein glücklicher und wohlhabender Mann zu werden." „Ich wünschte, Sie studirtcn ein Buch über die Kunst, sich in der Wohlhabenheit nicht zu überheben", antwortete Gustav. „Ich habe mit Ihnen nichts mehr zu theilen." Er stand auf und ging. „Sie werden überhaupt niemals etwa« zu th-ilen haben, wen» Sie so sortleben", rief ihm Herr Seidel nach. „Merken Sie sich da«, Herr Rollmann!" Gustav war fertig mit seinen Freunden und der Welt. Eine ungebeucre Bitterkeit erfaßte ihn. „Diese Menschheit ist nicht Werth, daß man zu ihrem Heil auch nur einen Finger rührt. Wölfe sind eS, die fick gegenseitig auffresscii. und der beste Wolf ist der angesrhenstc und mächtigste." Er bättc i» die Wüste stieben „logen, uni keinen Menlchen mehr zu sehen. Er bätte die Welt mit einem Fußtritte zcr trümmern mögen. Nach und nach verlor sich die Aufregung, eine dumpfe Resignation beherrschte ihn, in welcher er theil nabmSloS Alle« über sich ergehen lassen wollte. WaS nock weiter mit ibm gescbebcn sollte, daS war ibm völlig gleichgiltig. Ter fällige Wechsel wurde Gustav präscnlirt, und dieser schickte ihn unter Protest zurück. Die Wcchselklage wurde eingeleitct und Gustav zur Zablnng der Summe und der bedeutenden Kosten verurlheilt. Rüben beantragte sofort die Ezecution. Trudchcn batte in dieser Zeit die schwersten Tage ihres Leben« durchlebt. Einen doppelten Schmerz batte sie zu tragen. Mit der größten Besorgnis! für die Zukunst erfüllte sie die Wahrnehmung, daß Gustav sich der Arbeit immer mehr entwöhnte und bei seinem Müßiggang rin ziemlich kost spieligeS Leben führte. Er verdiente nichts und verbrauchte viel, indem er zugleich da« Verdienen verlernte. Traurige Gegenwart, traurige Zukunft. Aber dieser Schmerz um die materiellen Güter de« Leben« batte bald dem tieferen um die verlorene Liebe Gustav'S nacksteben müssen Trndckrii war voll von Zärtlichkeit gegen Diejenigen, die ibr nabe standen, aber eS lag nicht in ihrer Natur, dieser Zärtlichkeit Aus druck zu geben; hatte sie wie alle einfachen Leute eine gewisse Scheu vor Aeußerungcn eines tieferen Gefühls, so kam lei ihr noch die Heftigkeit hinzu, die sie im Augenblick beherrschte uvd ihr riu Wort auf die Zuugr legt«, da« ihrem tieferen
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