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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.01.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920122021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892012202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892012202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-01
- Tag1892-01-22
- Monat1892-01
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Tabellarischer und Ztsserasatz »ach höherem Tarif. ckrtra-Vellage» (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Posidesörderung .-t 00.—, mit Posidesörderung 70.—. Äunalnnrschlub für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh 0 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Inserate sind stets an di« Ernedtttan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig ^«39. HreitaH den 22. Januar 1892. 8«. Jahrgang Leipzig, 22. Januar. * AuS Kiel wird vom 20. Januar geschrieben: Heute Vormittag bat, wie bereit« telegraphisch niitgetheilt, in Gegen wart de« Kaisers die Vereidigung der im Ansange dieses Monats bei der l. Matrosen-Division und l. Werst- division eingestellten Recruten, gegen 700 a» der Zabl, statt- gesunden. Der Vereidigung ging in der Marine-Garnison- kirche eine gottesdienstliche Feier vorauf, an welcher auch der Monarch, der am Portal von dem Prinzen Heinrich empfangen wurde, Tbeil nahm. Die Recruten der t. Matrosendivision, welche zum Theil in Friedrichöort cinguartiert sind, waren mittelst Privaldampserö von dort nach Kiel befördert und schlossen sich den aus dem Easernenplayc angetretcne» Mann schaften der beiden Marinctbeilc an, welche dann unter dem Vortritt der Musik nach der Garnisontircke marschirten. Dir kirchliche Feier war um 10 Uhr beendet, nach welcher die jungen Mannschaften im großen Exercirhausc Ausstellung nahmen, woselbst die Vereidigung durch einen Lssicier vorge- nommen wurde. Rach Beendigung derselben hielt der Kaiser etwa die folgende Ansprache: „Der gnädige Gott »nd Ich haben Euren Eid gehört. Vor Weinen übrige» Landeskindern seid Ihr dazu berufen, die deutsche llhre auf Meinen Schiffen inS Ausland zu tragen. Unsere Marine ist noch klein, aber der Kern liegt in der guten TiSciplin und in dem Gehorsam der Mannschaften gegen den obersten Kriegsherrn und die Vorgesetzten. Wo Ihr auch (ein mögt, im In- und Aus lände, ob zu Eolonialzwecken oder sonst wissenschastlichen Er uditionen, benehmt Euch stets, eingedenk Eurer Pflichten, als deutsche Matrosen. Eure Voriabren haben sich schon einen guten Ruf im Auslande erworben, haltet denselben aufrecht und Neht treu zu Kaiser und Reich, wo es auch immer sei, und vergeht nicht, was Euch Eure Eltern schon gelehrt haben, die Religion, dann werdet Ihr Euch auch wohl suhlen in Euren Dienstverhältnissen." Am Donnerstag blieb der Kaiser am Vormittag im Schlösse und besuchte am Rachmittag die Werft. Die Rück kehr deS Kaisers nach Berlin erfolgt heute. * König Albert wird zur Feier tcS kaiserlichen Geburtstages am 20. d. M Mittags 12'/« Uhr, in Berlin cintressen und im königlichen Schlöffe absteigen. In seiner Begleitung werden sich befinden der General ä In suite Generalmajor v. Hodcnberg und Flügeladjutant Obersllieutcnant Graf Vitzthum. * Das württembergische KönigSpaar wird in Berlin am Sonntag Abend auf dem Anhalter Badnbof kintrefsen, wo großer militairischer Empfang stattsinden soll. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin werden ihre erlauchten Gäste nach dem Schlöffe geleiten, wo Familien- rafcl stattfindet. Da sich die württembcrgischen Majestäten noch in Trauer befinden, ist von glänzenden Festlichkeiten Abstand genommen worden. Am Montag findet ein Gala- tilier im Weißen Saale statt und am Dienstag werde» Kaffer und König bei den Leib-Garde-Husaren speisen. * Der BundcSratb hat in seiner gestrigen, unter dem Vorsitze des StaatSsecretairS des Innern, StaatSministerS p. Bötticher, abgckaltenen Sitzung den Entwurf eines Cbeck- gesetzeS den Ausschüssen für Handel und Gewerbe und für Iustizwescn überwiesen. * Die „Kreuzzeitung" stellt auch die Meldung in Abrede, daß Herr Herrfurth gegen das Volksschulgesctz gestimmt bade. Danach bleibt von der Meldung der „Nationallib. Eorr", daß das Gesetz auf starken Widerstand im StaatS- miittsterium gestoßen und schließlich gegen die Stimmen zweier Minister zur Annabme gelangt sei, »ichlS niebr übrig; denn von den übrigen Mimiker» ist kann« anzunebmen, daß sie dem Grasen Bcklitz bei seinem „lonalen und folgerechten" Versuche, die Bestimmungen der Verfassung über taS VolkS- schiilgesctz zur Durchführung zu bringe», Schwierigkeiten be reitet hätten. * AuS Berlin wird uns geschrieben: Der Geheime Oberjustizrath und SeiiatSpräsident, Vorsitzende des Straf senats de« Kam»icrgerichtS, deS höchsten Preußischen Gerichtshofs für dieLanbeSstrafgesctzgcbung. Ritter de" rolhen Adler- und Kronenordcns ll Cl. Herr DeliuS hat heute zum letzten Male dem Strafsenat präsidirt und wird am t. Februar er. in den wohlverdiente» Ruhestand treten. Derselbe bat bereits im Jahre 1888 sein fünfzigjähriges Dienstjnl'ilLum gefeiert, dem Staat also bis zu seinem 77. Lebensjahre 5>4 Jahre treu gedient. Bis zum Jabrc 1870 Rath bei dem Obcrtribuual gewesen, trat er dann als SeiiatSpräsident in das Richtercollegium des KammergerichtS ein, wo er zunächst dem 0. Eivilsenat und da»» dem Strafsenat präsikine. Bei der Beliedtheit, deren er sich in allen Kreisen des KainmergerichlS erfreute, gestaltete sich der Abschied, den er von den College» und den Beamten seines RessortS, sowie auck von dem Vertreter der Presse bei dem Kanimergcrickt (G. Meyer) »ahm, zu einem tief er greifenden Act. Der Presse ist Herr DelinS, indem er sich bei Bitten um Gewährung von Jnsormalion in schwierigen RcchtSsällcn .-c. nie abweisend vcrbiclt, in dankenSwertkcr Weise entgegengekommcn. * Die dem preußischen Abgeordnelenhause zugcgangenc letzte Nachweisung über die Veranlagung zur Classcn- und classisicirten Einkommensteuer sür l80l 02, wie sie in dieser Form nicht wieder erscheinen wird, giebt auch einen inter essanten Aufschluß über die räumliche Bert Heilung der Wohlhabenheit in Preußen. Es erzieht sich daraus, daß in den Provinzen Ostpreußen und Pom mern, sowie in der Provinz Hannover mit Ausnahme deS Stader Bezirks kein Einkommen von mcbr als 300000 .eü zu veranlage» war. In der gleichen Lage waren die Regie rungsbezirke Marienwcrder, Frankfurt, Minden und Casicl. Im Regierungsbezirke Stralsund waren die höchsten veran lagten Einkommen von 90 000 bis 108 OVO im Regierungs bezirke Köslin von 72 bis 84 000 ^ und im RegicrnngS- bezirke Gumbinnen gar nur von 00 000 bis 72 000 * Die „N.-L C" schreibt: Die Stimmung auch in conservativen und freiconservativen Kreisen des Abgeordnetenhauses schlägt, wie man aus zahlreichen Aeußeruugcn von jener Seile entnehmen kann, mcbr und mehr zu Ungunsten des vorliegenden VolkSscl, ul - gesctzentwurfS um. Die hochmülhigen Redens arten der „Kreuzzeitung" können darüber in keiner Weise täuschen; das Blatt spricht auch in dieser Frage wieder »ur die Auffassung einer kleinen äußersten Gruppe aus und dürste bald belehrt werden, daß sein Anspruch, RainciiS der ganzen conservativen Partei z» sprechen, eine Ucberbebung ist. Man kann schon jetzt mit Bestimmtheit annchiiien, daß ohne wesentliche Umgestaltungen das Gesetz auch nicht durch eine conservativ-klerikale Mehrheit zu Stande kommt Von der Anmaßung deS Eentrumü kann cS einen Begriff gebe», daß die Blätter dieser Partei jetzt schon Uber den Vorsitz in der künftig einzusetzcnden Commission ver fügen. Sie erbebe» Widerspruch, daß wieder, wie in der vorigen Session, ein Nationallibcraler den Vorsitz sühre (eS war der Abg Franckr), und wollen nur einem Mitglied der Rechten dies Amt übertragen * In der Eoininissio» des ReickStagS zur Vorberathung deS Gesc^entwurfS, betreffend die Anwendung der ver tragsmäßigen Zollsätze auf das am l. Februar 1802 in Deutschland vorhandene unverzollte ausländische Getreide, ist die nationalliberale Fraction durch die Abgg. BUsing, Bubt und Scipio vertreten. Vor sitzender ist Fürst von Hayseldt-Trachenberg, Stellvertreter Frhr. v. Weudt. * lieber den angeblichen Knabenmord in Xanten schreibt die „Kölnische Zeitung": „In einzelne» conservativen Parteikreisen, vor Allem in gewisse» (antlsemitischei» Blätter», macht sich seit einiger Zeit eine höchst be denkliche Strömung gellend, die Niivartellichketl und Gerechtigkeit unseres RichterstandeS und unserer Gerichte anzuzwelseln »nd somit in weitere» Volk-krelsen z» »nlergrabe». Am schlimmsten tritt das jetzt bei dem Fall Bnscbofs in .Xante» zu Tage, den ge wisse conservative Blätter zu einem Rilualmord zu slempcl» anscheinend Interesse haben. Es genügt, darauf hinzuwciien, daß ln diesem wie in jedem andere» Falle die Vorunter suchung geheiin zu führen ist, daß über die Aussagen in dieser Voriiiitersiichung also selbstverständlich »ur durchaus unzuverlässige Nachrichten in di« Lessenliichkeit dringen können, die bei einem ehr- iichen »»d »nbcsangenen Beurtkeilrr unmöglich als geeignete Grund lage ansgenoiiinikn werden könne», sich ein Bild der Sachlage zu schaffen. Nicht bloS ist ein besonder» tüchtiger Pvtizci-Inipcctor mit der Ermittelung der Wahrheit neben den Gerichtsbehörden beauf tragt worden, neuerdings hat sich sogar im Auslranc des JustiziuinislerS der aus langjähriger richterlicher Thäligkeit in der Rbeinprovinz mit de» rdeini'chen Verhältnissen wodlverlraule Geh. Iustlzralh Vietich, Vor tragender Rath im Justizministerium, mit dem Lberstaatsanwalt Hamm an Lrt und Stelle begebe», «in weitere Ermittelungen vor- zunchme». Daß angesichts dieser Thatjachen conservative Blatter sich dazu vergeben können, entgegen der blshrrigen Ansicht der mit der Untersuchung besaßt gewesenen Gerichtsbehörden einen bc- stimmten Menschen als Mörder zu bezeichnen und die mündliche Verhandlung gegen denselben zu verlangen, beweist nur, wie blind Leidcnschaitrn und Partcitaktik die Menschen machen können. Wenn Slaalsanwalt und Untersuchungsrichter der übereinstimmende» Ansicht sind, das bieder ermilieltc Beweis malettal sei nicht geeignet, den Verdächtigen zu überführen, so würde Loch noihwendig aus einer überstürzten mündlichen Ver handlung sich die Wahrscheinlichkeit seiner endailtigcn Freisprechung und damit die Möglichkeit ergeben, daß der Verbrecher btt späterer ausreichender Ergänzung des Bewetsmaterials straffrei ausgehen würde. Unteres Erachten» hat die conservative Partei ein dringendes Interesse daran, daß sie nicht ferner eine solche systematisch» Untergrabung des Ansehens und der Unparteilichkeit unserer Gerichte duldet. Mit lebhaftem Bebauen, haben wir wahr- iiehmen müssen, daß bisher nicht ein einziger der conservativen Parteigenossen den Muth gehabt hat, gegen die neulich» Bebauptung des früheren Hosprcdigers Stöcker Stellung z» nehme», daß „man überall das Gefühl habe, daß etwas wackele, wenn Juden vor Gericht stehen". Sind solche die Autorität des Staates »nd deS Throne« untergrabenden Erklärungen wirklich die Ergebnisse einer neuen conservativen Grundanichauung, dann scheint uns in der Thal di« Forderung der endliche» Ausstellung eine» neue» conjer- vativcn Parteiprogramms dringend wünschenswerth. Tie neuesten Angriffe gegen die Unparteilichkeit »nserer Richter und Gerichte sind höchstens den Socialdemokratc» willkommen und nützlich." * AuS Posen wird vom 2l. Januar gemeldet: Aus Befehl des commandirenden General« wurde heute früh dem Erzbischof Vr. v. StablcwSki vor seineni PalaiS von einer Militaircapclle eine Morgcnniusik gebracht. DaS entspricht ganz dem neuen EurS, der den Polen und dem KlerikaliSmuS gegenüber cingeschlagen worden ist. - Man schreibt uns aus Schlesien: Die von der preußische» Regierung augcortnete strenge Handhabung deS PaßwesenS a» der russischen Grenze hat in schlesischen HandclSkreiscu sebr unangenehm berührt. Es sind überwiegend Kauslcutc aus Russisch-Polen, welche bisher ungchinderl aus Halbpässc über die Grenze kamen, in Schlesien ihre Einkänse machten und dann wieder zurück fuhren, die jetzt unter Gendarmcubcglcitung über die Grenze zurückgebrackt werten, weil sie keine Jahrespäffe gelöst haben. Von der Eröffnung der Bahn Lublinitz-Herby hatte man sich eine Hebung des Verkehr mit Rußland versprochen, jetzt ist diese Hoffnung ausgegcbcn, da die Handhabung de« Paß- wesens geradezu abschreckend wirken muß. Ein russischer Bollpaß kostet an 100 Rubel und wird in der Regel nur Großkauflcuten ausgestellt, die russischen Einkäufer aber sind überwiegend Detailbändlcr. Wie man vcrniuthet, bat die am l.'l. Januar «iugelrelcnc verschärfte Handhabung des russische» PaßwesenS den Anlaß zu der „Revanche" - Maßregel an der preußischen Grenze gegeben. Daß dieselbe in das eigene Fleisch schneidet, scheint man sich nicht klar gemacht zu haben, und eS wird Sache der Handelskammern zu Oppeln und Breslau sein, der Behörde darüber Auf klärung zu verschaffen. * Bekanntlich bat der „Deutschfrcisinnige Verein" in Nürnberg eine Agitation für Aufhebung deS Jn- paliditätS- und Altersversicherungsgesetzes inö Werk gesetzt, welche Agitation die Absenkung von bezüglichen Petitionen an de» Reichstag und den BundeSrath zum Zweck bat. Wie uns mitgetbeilt wird, werden jetzt die nämlichen Petitionen nicht nur i» Bayern, sondern auch in den übrigen deutschen Bundesstaate» von dcutschfreisinniger Seite angeregt und in Umlauf gesetzt. Eö steht also ein PctitionSjturm gegen den Fortbestand des „KlcbegcsetzcS" zu erwarten. * Zn dem Lcrickt der Kommission des österreichischen Herrenhauses über die Handelsverträge wird die cr- srcnlichc Tkalsachc bcrvorgehoben, cS sei Oesterreich-Ungarn gelungen, mit dem politisch eng verbündeten Deutschland die Führung zur Herstellung eines neuen mitteleuropäischen Handelssystems zu übernehmen. Hinsichtlich des deutschen Vertrage« spricht der Bericht dir Befriedigung über die Bc stimmung der gegenseitigen Unterstützung betreffs de» Eisen- babntarifcS aus. Da der freie Verkehr deS österreichischen BicbcrportcS in Deutschland erst dann einlretc, wenn die öster reichischen Verfügungen dcö SeuchengcsetzcS de» bezügliche» deutschen Vorschriften gleichgestellt werden, so wünscht der Bericht, daß die hierfür nötbigc» gesetzlichen Maßnahmen sobald wie möglich in Wirksamkeit treten; ferner wird die Regelung des Geldwesens baldmöglichst für wünschen« wcrtb erklärt. >1» Anbetracht, daß in der Stetigkeit und der Aussicht aus Schaffung einer lobuendc» Arbeit ein segens reiches Ereignis! zu erblicken sei, daß die Regierung entschlossen sei, Vertrags Verhandlungen mit andere» Staaten baldigst aufzunchmc», daß die Ausdehnung deS mit Deutschland und Italien geschlossenen engen politischen Bündnisses aus Handels politischem Gebiete als eine »euc Bürgschaft der Erhaltung des Friedens mit voller Befriedigung begrüßt werden könne, welche durch die Verträge mit Belgien und der Schweiz noch erhöbt werde, beantragt die Eommission einstimmig die Annahme der Verträge. Feuillrtsi,. Vas geflügelte Rad. 17s Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Wenn er da« Leben hätte von sich abwerscn können wie einen Rock! Er jauchzte auf bei dem Gedanken, von der Last befreit zu sein. Aber warum durste er'S nicht? Wer wollte ihn daran hindern? War dieses Leben nicht sein Leben, war eS nickt da« einzige Eigentbum, über das er noch zu verfügen hatte? Mit dämonischer Gewalt bannte ihn dieser Gedanke, lleberall schaute ihn der Tod verlockend an, hier aus dem stillen Spiegel des Canal«, dort von der Höhe der Säule oder des Thurme«, und in dem Rauschen de« vorbeisausenden Lladlbahnzuge« hörte er seine erlösende Stimme. Bei der letzteren Wahrnehmung bekamen seine Gedanken eine bestimmte Richtung. Er hing durch den Thiergarten .urück, die Potsdamerstraße hinaus und bog nach dem Maltbäi- kirchbcs ein. An der Hinteren Mauer deS Kirchhofe« stieg er «n Tcinpelhofer Berg hinan, ging an der Casrrne de« Eisen- babn-RegimenlS vorbei und stand bald darauf aus der Brücke de« RangirbahnboseS. Der Abend war angebrochen, und dir Koben Bogenfenster re« Anbalter Babnbose- erglänzten im elektrischen Lickt. Die Kundert Lichter und Flämmchen de« BahnboseS waren ent zündet. Die Lust war mild, und nur das Stöhnen der ranairenden Züge störte dir feierliche Still« de« Abend«. Ru« der Ferne nahte brausend und dampfend ein Zug. Starren Auge- sah Gustav seinem Nahen entgegen, und weit beugte sich sei» Körper über da« Geländer der Brücke. « * * » Gustav war kaum eine halbe Stunde fort, al» in dem Wascbkellrr der Frau Rollmann eine Dame erschien in stwarzem .Kleide und mit einem weißen Häubcken auf dem Kopse. Ein frische« Gesicht wurde von der weißen Rüsche umrahmt, und au« demselben sahen zwei große, schöne Augen freundlich auf die Nein«, vergrämte Frau. „Guten Tag, Trudchen." Verwundert sah Trudchen auf die Diakonissin und in daS ihr so bekannte und dock, unbekannte Gesicht. Aber nur einen Rugenblick sann sie nach. Dann tönte ein Frrndenruk a»S ihrem Munde, und unter Weinen und Lachen schloß sie die Diakonissin in ihre Arme und bedeckte ihr Gesicht mit «sie». »>a»a, liab« Rrma l" Ja, cS war Anna, die Braut des unglücklichen Robert. Wie oft batten sie sich dort oben vier Treppen hoch im Hinterbause der Bülowstraße gegenüber geseffen, von der „Gnädigen" erzählt und unter Plaudern und Scherzen sich die Zukunft so schon auSgemaltl Wie oft hatte Trudchen an die Freundin gedacht und bedauert, nicht in ihr tbeil- nehmende« Herz alle ihre Sorgen auSschütten zu können! lind nun hielt sie die Freundin in ihren Armen, schaute sie in ihr liebes Gesicht, hörte sie ihre traute Stimme! ES war zu schön! Anna war von der Diakonissen-Anstalt in Stettin nach einem Tockterhanse in einer süddeutschen Stadt geschickt worden und batte die Erlaudniß erhalten, auf ihrer Durchreise cin'n Tag in Berlin zu verweilen, uni ihre alten Freunde wicdcr- zuseben Ihr erster Weg batte sie zu Trudchen geführt, die sie anfänglich in der alten Wohnung gesucht und dann in der neuen gefunden hatte. Trudchen wußte sich nicht zu lassen vor Freude, und kaum hatte Anna Platz genommen und die ersten Fragen beant wortet, als Trudcken begann, der Freundin ihr Leid zu klagen. Bon jenem unglückseligen Augenblick, wo Gustav die Idee gefaßt batte, eine gefahrlose Kuppelung zu erfinden, bi» zur letzten Viertelstunde, wo sie ihm da« Sparkassenbuch an-qc- bändigt batte, erzählte sie die Geschichte ihre« Unglücks. Jyre Zunge überstürzte sich fast bei der Uederwältigung de« aus- gebäusten Stoffe«, so daß Trudchen die Zeitsolge nicht immer einhielt und zuerst erzählte, wa« erst später geschah. Und dazwischen stoffen dir Tbränen in Strömen, ließ die Kaffee mühle ibr verheißungsvolles Knarren hören, wurde da« kifft- Ucvc Getränk gekocht, ringegossen und getrunken. DaS schönste Geschirr batte Trudcken gewählt und den schönsten Kranz kuchen aus der „Feinen Kuchrnväckerei" geholt. Anna batte mit größter Tbeilnabme zugehört und sich der Thränen bei der Erinnerung an Robert nickt enthalten können. Bald aber batte sie die Bewegung überwuncen, und wir dir Sterne vom blauen Himmel, so voll ruhiger Freundlichkeit strahlten ihre Augen au« dem gütigen Gesicht. E« war ihr Beruf, Wunden zu heilen, und niemals, da« fühlte sie, war ihre Hilfe nöthigrr als hier. Zwei Mcnscken- lrbenstanden aus dem Spiele, und der Knabe aus dem Schooße der Mutter, welcher sich an der mitgebrachten Zuckertüte der Tante Anna erfreute, erinnerte daran, daß mit den Zweien noch ein Dritte« eng verbunden war. „Armes Trudchen! Du bist sehr unglücklich!" sagte ste. „Ich bin der unglücklichste Mensch auf der Welt!" be, kräftigte Trudchen, indem sie auf« Neue die Schürze zum Gesicht führte. „Aber noch unglücklicher scheint Drin armer Mann zu stü». So zu arbeiten, um schließlich nickt« zu erreichen, alle Hoffnungen begraben zu müssen! Er verdient unser größtes Mitgefühl." „Freilich, schlimm genug ist'S ja", gab Trudchen ru, „aber Anna, konnte ich anders handeln? Ich bade mick gequält Tag und Nacht, um ein paar Pfennige zu verdienen, und er ist zu Biere gegangen, um mit seinen Freunden herrlich und in Freuden zu leben, ja, er hat gcthan, als ob ich und Karlchen sür ihn gar nicht mehr da wären. Konnte ich mir das ruhig gefallen lasten? Konnte ich?" Trudchen kannte recht gut den Theil ihrer Schuld, aber vor Anna batte sie gern rein dagestanten. Sie fühlte das Bedürfniß, so reckt von Herz:» bemillcidet und bedauert zu werden, und sie befürchtete, .daß ihre Schuld den Eindruck bei Anna abschwächcn konnte. Anna lächelte. „Ich macke Dir ja keinen Vorwurf, Trudchen, aber eS bandelt sick hier nicht darum, wer von Euch Beiden Recht oder Unrecht hat, sondern darum, wie Euch zu helfen ist." „Ach, wenn wir wieder glücklich werden könnten!" ries Trudchen. „Es ist mir nicht leicht geworden, mein Spar cossenbuch mit meinen sauer ersparten paar Groschen binzu- geben, aber wa» ist da» gegen das Glücklichsein! Ach, Anna, Dich schickt der liebe Gott. Wenn Du etwas dazu tlmii könntest! Man sagt, daß eine richtige Diakonissin ein halber Pastor ist »nd mit Gottes Wort umzugehen weiß, und Dir trau ich « zu, mehr wie irgend einer " „Du meinst also, daß ich Deinem Mann eine Predigt halten soll?" fragte Anna. „Freilich", antwortete Trudchen. „Er hat zwar einen barten Kopf, aber ein Unmensch ist er nicht. Er wird scko» aus Dich hören, wenn Du ihn so recht in« Gebet nimmst. Ganz verstockt ist er noch nicht." Anna wurde sehr ernst und sagte: „Und wenn ich nun mit der Predigt bei Dir anstnge?" „Bei mir?" „Ja, Trudchen, bei Dir. Du hast an Deinem armen Mann nichr reckt gehandelt." „Ach mein Gott, man ist doch auch nur ein Mensch!" „In der Bibel steht: Er soll dein Herr sein! Du aber hast ihn zum — nun ich will cS nicht aussprechen, wozu Du ihn erniedrigt hast." „Wenn er nur nickt so unverständig gebandelt hätte!" „In der Bibel steht: Die Liede eifert nickt, sie stellet sich nickt ungeberdig. Und wie hast Du geeifert, wie ungrberdig hast Du Tick gestellt!" „Freilick bin ich kein Engel gewesen!" rief Trudchen. „In der Bibel stebt: Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr! der ist de« höllischen Feuer« schuldig. Und wie oft hast Du Deinen armen Mann einen Narren gescholten!" „Hör nur aus!" rief Trudchen. „Ich will mich ja gar nicht wcißbrennen. Ich sehe ein, daß ich unrecht an ihm gehandelt habe." „Jedes böse Wort", fuhr Anna fort, „hat eine Wunde in daS Herz Deines Manne« gerissen. Ist eS ein Wunder, daß er sich abwandte und die Heilung anderswo suchte? Sein Herz verblutete im Stillen, und dann wunderst Du Dich, daß er kein Her; mehr für Dich hat?" „Ich will ja Alle« wieder gut machen!" „Jedes böse Wort muß mit einem guten gesühnt werden, sein Herz muß geheilt, seine Liebe wieder angesacht werden. Werde Du eine Andere, Trudchen, und Dein lÜkann wird ein Anderer werden!" Trudchen nickte wortlos. Sie schluchzte heftig und konnte nur dnrck Zeichen ihre Zustimmung zu erkennen geben. „Die Liebe hoffet Alles, sie glaubet Alle», sie duldet Alle« " Anna sagte eS mit leuchtendem Gesicht und erhobenem Tone, ein Zcugniß dafür, daß sic selbst im Hoffen, Glaube» und Dulden die Ruhe und das Glück ihres Leben« wieder gesunken batte. Eine längere Pause entstand; jene feierliche Stimmung beherrschte die Gemütber, welche von guten Entschlüsse» und srobcii Hoffnungen unzertrennlich ist. Dann nahm Anna wieder da« Wort. „Vierhundert Mark waren cS also, die Euch zur Deckung der Schuld noch fehlen?" „Ja, vierhundert Mark. Anna, wenn Du uns das Geld boracu könntest! Wir würden eS Dir Heller sür Pfennig zurlickgcbe», darauf kannst Tu Dich verlassen. Die Leute haben erzählt, daß in den großen Krankenhäusern sehr oft Grafen und Fürste» auf Besuch kommen, sogar der Kaiser und die Kaiserin kommen manchmal hin. Ta giebt'S gewiß manches hübscke Trinkgeld " Anna schüttelte lächelnd den Kopf. „Unsere Arbeit hat nur einen Lolm, den die Welt nickt geben kan». Nein, Trud- ckcn, ich habe nickt», den» auck die kleine Summe, die ich mir im Dienst gespart hatte, unk de» Erle» a»S dem Verkauf der Sachen habe ich den Eltern Robert'S geschenkt. Die paar Dbaler sollen den armen, allen Leuten da« Aller erleichtern. Aber ich will zur Frau von Brcidenbach geben. Sie pflegt um diese Zeit aus dem Bade zurück zu kommen. Ibr will ich dir Sache vorstellen, und ich zweifle nicht daran, daß sie helfen wird " „Da« ist wahr, Anna", rief Trudchen freudig. „Die Gnädige bat immer ein so gute« Her; gehabt. Ach, wie dankbar bin ich Dir sür Deine Vermittelung." „DaS ist ja selbstverständlich, Trudchen." Anna ging und ließ Trudchen in einer getrösteten Stim mung zurück. In einigen Minuten stand sie vor dem Hause u» der Bülowstraße. Si« stieg »in« Treppe hinauf uod
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