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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
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Nachdem man von allen Seilen der Absicht, sich zu verständigen, Ausdruck ge geben, darf erwartet werden, daß aus gedachtem We»e ne Vorlage einer gedeihlichen Erledigung zugesührt werden wird. Im gleichen Sinne dürfte auch die Unterhaltung sich wirksam erweisen, welche am Sonnabend Abend seitens Sr. Majestät gepflogen wurde und an welcher außer dem Herrn Finanzminister vr. Miguel, dem Herrn Eultusminister Grasen v. Zedlitz, dem Geb. LczaticnSrath Or. Lindau, dem Vice-Präsidenten des Herrenhauses Freiherrn v. Manleuffel und dem Abg. v. Helldorsf, wie wir erfahren, auch Se. königliche Hoheit der Prinz Heinrich Theil ge nommen hat. * In parlamentarischen Kreisen erzählt man, daß der Reichskanzler Graf Caprivi wie der CultuSminister Gras Zedlitz am Sonnabend Besprechungen mit national- liberalen Führern gehabt haben, was zu einer Bei legung, wenigstens der persönlichen Differenzen, geführt habe. * Zum BolkSschulgesctz schreibt die „National- Zeilung": „Hier und da macht sich in der liberalen Presse eine gewisse Enttäuschung darüber bemerkbar, daß die sensa tionellen Verhandlungen des Abgeordnetenhauses, namentlich vom Freitag, nicht alsbald markante Thatsachen zur Folge gehabt haben, daß sich vielmehr trotz Allem bestätigt, was wir am Donnerstag Abend sagten: die Krisis werde sich vermöge der nothwcndigcr Weise lange» Dauer der Eommissions- und Plcnar-Verhandlungen in beiden Häusern des Landtags, Monate lang bin ziehen. Bei mibercr Ueberlegung wird man sich indeß wohl auf alle» Stilen innerhalb der liberalen Parteien sagen müssen, daß ka«, worauf cs gnkommt, nämlich die Verhinderung eines VolkSschulgesctzeS nach den Principien des Grafen Zedlitz, wenn überhaupt, dann nur aus diesem langwierigen Wege der schrittweisen Bekämpfung des Entwurfes in allen Stadien der parlamentarischen Berathung zu erreichen ist. Käme ein solches Gesetz dennoch zu Stande, so wird eS dann Zeit sein, tie politische» Conseguenzen zu ziehen, welche von ungeduldigen Erwartungen vorweg genommen wurden. * Dem „Hann. Cour." schreibt man aus Berlin: „Man scheint kaum fehlzugehcn, wenn man die Lage so ernst wie möglich auffaßt. Daß überhaupt klerikalen Combinationen eine solche Bedeutung zu Theil werden konnte, ist durch die parlamentarische Lage nicht ausreichend erklärt; cs ist dazu der Einfluß solcher politischer Grundanschauungen nöthig, denen der mystische Dunstkreis stets besonders sympathisch ist, unter dessen Schutz der Klerikalismus allemal seine eigen nützigen Pläne verfolgt hat. Diese Erwägung ist eS, welche das Einbringen des neuesten Schulgesetzes zu einem sensa tionellen Ereigniß für das ganze Reich gemacht und in der liberalen Presse Bayerns, Württembergs und aller deutschen Staaten den gleichen Widerspruch bervor- gerufen hat wie in Preußen. Kommt der Geist, welcher »n preußischen Schulgesetze sich dem deutsche» Volke offen bart, zu thatsächlicher Herrschaft, so wird er versuchen, sein Machtbereich immer weiter und weiter auszudebnen. Mit richtigem Gefühl glaubt die Nation eine gesunde Entwickelung und damit den Bestand deö Reicks ernstlich gefährdet, wenn diejenige» Elemente zu hestimmendem Einfluß gelange» sollten, denen eine freudige Mitwirkung an der Begründung des Reicks wie an den, Ausbau seiner Institutionen »i verbältniß- mäßig freiheitlichem Sinne nicht nachgesagt werden kann. Die Bewegung, welche sich unseres Volkes bemächtigt bat, ist deshalb mehr als eine Opposition gegen ein einzelnes Gesetz, sie bezeugt den ernsten und festen Entschluß, uister politisches Leben nicht in Bahnen drängen zu lassen, die weil adliegcn von den Wegen, in denen deutsches Geistesleben sich entwickelt bat, die weit wegfübren von den Gesinnungen und den Idealen, deren Betätigung daS Deutsche Reich unter Führung der HohcnzoUcrn groß »nd mächtig gemacht hat." * Die Commission des Abgeordnetenhauses zur Berathung des VolksschulgeseycS ist beute gewählt worden und bat sich constiluirt. Zum Vorsitzenden wurde der conservative Abg. Gras Clairon d'Haussonville, zu seinem Stellvertreter der sreiconjervalive Abg. Wessel gewählt. Das Eentrum wurde also übergangen, was immerbin als kleine» Symptom bemerkenswert in. Bon der nalionalliberalcn Partei geboren der Commisston an die Herren: Hobreckl, EnnecceruS, Friedbcrg, Grimm-Frankfurt, Ludowieg.Seyffardt. Die weitere Entwickelung der Angelegenheit liegt jetzt in den Beratungen dieser Commission, die am näcksten Montag ihre Arbeiten beginnen wird. Man wird gut tun, sich jetzt ans einen langsameren Verlauf dieser Entwickelung gefaßt zu machen. Die vorjährige Commission bat wochenlang ge arbeitet und die jetzige wird die Sacke sckwerlich rascher fördern, wenn nicht ganz unvorhergesehene Wendungen ein- tretcn sollten. Indessen wird man dock bald zu erkennen vermögen, vb auf Seite» der Regierung und der cvnser- vativcn Partei irgend welche ernstliche Neigung besteht, den liberalen Einwendungen Necknnng zu trage», oder ob wir uns von vornherein einer unumstößlichen Mehrheit gegenüber be finden, gegen die jede« Ankämpsen praktisch crgebniß- und hoffnungslos sein muß. * Inder „Frankfurter Zeitung" und autern demo kratischen Blättern, welche stets mit Eifersuckl darüber wachen, daß nur den am linkestcn stehenden Parteien der Ruhm der Verteidigung freiheitlicher Institutionen zusällt, wird bc Kauplet, daß die nalionalliberale Partei sckon wieder eine Annäherung an die Regierung suche. Natürlick! Die Herren müssen eS ja wobl wieder wissen, und wen» nichts vorgeht, so wird es für ihre Zwecke erfunden. Die nalionalliberale Fraction bat ibre Stellung zum Schulgesey- entwnrs des Herrn Grafen Zedlitz in bestimmter Weise ge nommen, sic bat entsckieden erklärt, daß der im vorigen Jahr vereinbarte Entwurf des Herrn von Goßlcr die Grenze ihrer Concessivn bilde, aus dieser Linie werden fick auch die in der Commission zu stellenden Anträge der nationallibcralen Partei bewegen. Daß die „gesinnnngstücktigere", bisher allerdings stets mit den Ultramontanen liebäugelnde Presse während dieser CommissionSverhandlungen immer wieder den Versuch machen wird, Mißtrauen zu säen, was denn schließlich dem Zedlitz'schcn Entwurf, also dem Centrum und seinen Be strebungen zu Gute lommen muß, wissen wir im Voraus Jede liberale Sache ist stets durch die Art der Verlheibigung derselben gefährdet worden, und die Ultramonlanen verstehen cs meisterhaft, in sich für liberal auögebcnde Blätter ibre Kuckuckseicr bineinzulegen. Vielleicht dürfen die armen Na lionalliberalen sich schon mit keinem Minister mcbr unter halten, ohne in den Verdacht einer Verschwörung zu Gunsten ullramontaner Bestrebungen zu geratben. * Aus Berlin wird geschrieben: Tie politische Situation bat sick seit Sonnabend nur wenig geklärt. Als völlig a»S der Lust gegriffen bat sich die Nachricht bcrausgestelll, daß der Obcrprasikenk von Hannover, v. Bennigsen, um seine Entlassung auö dem Staatsdienste einaekvmmen sei. Zu einem solcken Schrille liegt vorläufig nock keinerlei Veranlassung vor. Ebenso verhält eS sich niit der Nachrickl von dem neuen Demissionsgesuck deS FinanzministerS Miguel. Ader cs be seitigt sich immer mehr in unterrichteten Kreisen die Auffassung, daß nock in dieser Wocke eine Klärung der Dinge, wenigstens soweit sie daS Staalsministerinm betreffen, erfolgen wird. Wie diese erfolgen wird, wird beute kaum vorauszusagen sein. Ans die schroffen Aeußernngen des Reichskanzlers beginnt man all- mälig nicht mebr so entscheidenden Werlb zu legen, wie cs ansänglick der Fall gewesen ist. DaS Mißtrauen, welckes aus denselben berauSblickte, ist ohne Zweifel von bochconser- vativer Seite ans daS Eifrigste geschürt, ja künstlich gezüchtet worden. Liegt dock dieser Alles daran — und zwar seit langer Zeit —, daß eS zuni offenen Brücke der Regierung mit der nalionalliberale» Partei kommt. Die Verhandlungen am Sonnabend haben ohne Zweifel nach dieser Ricktung bin ausklärcnd gewirkt und cü sind noch nickt alle Hoffnungen geschwunden, daß dieser Bruch nickt eintritt. Die Folgen ans demselben für die weitere Entwickelung einzelner Pro vinzen Preußens wäre kaum zu ermessen. In den be- theiliglen Kreisen scheint man sich darüber, nachdem nun die Ruhe der Ueberlegung ibr Reckt erhalten hat, völlig klar geworden zu sein, und Niemand wird die Verantwortung für eine weitere Verschärfung der Situation übernehme» wollen. Man erwartet deshalb auch zunächst nicht, daß Herr v. Bennigsen in dieser Angelegenheit — vorläufig wenigstens nicht — noch einmal das Wort zur Erwiderung ergreift. Die Krise wird sick keinesfalls vor dem Forum der Ocffent- lichkcit entscheiden, sondern im Schoße der Regierung selbst und, wie man hofft, unbeeinflußt von rechts und links. Darin wird man dem Reichskanzler Recht geben, daß er nicht Heg^ubt hat, welche Folgen die Vorlage des Zedlitz'schen Schulgesetzes haben würde, und daß die Lage, in welche die Regierung durch jenen Gesetzentwurf gekommen ist, ihm sehr unerwünscht ist. Man erwartet die Ankunft des Herrn von Bennigsen, der für Sonnabend bereits seil >4 Tagen eine größere Ballsestlichkeit anzcsetzt batte und deshalb nach Han nover reisen mußte, Dienstag Mittag hier, und die rubige Besonnenheit deS nationallibcralen Führers, der über den Ver dacht, „Verschwörungen" anzustistcn, denn dock erhaben sein sollte, wird gewiß viel dazu beilragen, ui» eine endlicke Klärung in die Lage zu bringen. Daß die tilgen der Einbringung eines Enlwnrses, wie des vorliegenden, sick der Voraussicht des Ministerpräsidenten entzogen haben sollten, ist u»S kaum glaubbasl. Wir unsererseits, so bemerken die „Hamburger Hc'ackrickten", sind von Anfang an über daS Ungeschick ver wundert gewesen, mit dem man diesen Stein des Anstoßes in die Situation geschlendert hat. Der Entwurf mußte nolb wendig den Culturkamps neu beleben, den die vorige Ne giernng niit große» Opfern »n Interesse des inneren Friedens beigclegt hat. DaS mit Mübe errungene Ergebnis; ist durch den Entwurf ohne Notb preisgegeben worden. * „Wo bleibt der Irsnitenantrag?" — so muß man nothwendig fragen, wenn man die Tagesordnung der nächsten RcichstagSsitzung ansieht. Dieselbe ist Anträgen auS dem Hause gewidmet, und zwar finden sich darunter die letzten, welche vor dem am 3. Deccmbcr 189» eingebracktcn Anträge Windthorst auf Aufhebung deS Iesuilengcseyes noch die Priorität hatten, außerdem aber auch zwei socialdemo kratische Anträge, welche erst nach dem Iesuitenantrage an die Reihe kommen. Das Ccntrum hält also den Augenblick für die ossiciellc Erörterung der Angelegenheit, mit welcher man vor Jahr und Tag das ganze deutsche Volk in Erregung versetzt hat, noch immer nicht für gekommen. Worauf aber wartet man denn noch? Während der parlamentarischen Weibnachtöserien thal die „Germania", als vb ihre Partei die Entscheidung nunmehr möglichst beschleunigen werde. Man sollte meinen, die Mittbeiluug über die ablehnende Stellung Preußen« zu dem Anträge, welche Graf Caprivi im Ab geortnctcnkausc gemacht hat, müßte für die Antragsteller ein »Lporn sein, um endlich einmal volle Klarheit in der Sache zu schaffen. Wir unsererseits haben bisher dem Anträge, da wir seine Ablehnung durch den VundcSratk für absolut sicher hielten, durchaus gleichgiltig gegcnübergestanden. Nach den Erlebnissen der letzten Woche aber würde eS unS doch inleressiren, die Gründe zu börcn, welche Graf Caprivi für seine ablehnende Stellung anzusübrcn hätte. Wir fürchten, der Reichskanzler würde alSdann Herrn Porsch sich ein Wort des preußischen Ministerpräsidenten ancignen hören, welches mutntis mutaoclig etwa lauten würde: „Ter Gegensatz zwischen den Befürwortern und de» Gegnern der Wicderznlastnng der Jesuiten ist in letzter Instanz der Gegensatz zwischen Christcntbum und Atheismus" Vielleicht würde alsdann dem Grafen Caprivi etwas verständlicher werden, warum die Nationalliberalcn zur Abwehr einer Gefahr rüsten zu müsse» glaubten. Aber eben deswegen glauben wir auch nicht, daß cü das Ccntrum in naher Zeit zu einer Erörterung der Iesuitensrage kommen kaffen wird. * Wie mitgetbeilt wird, hat der CultuSminister Graf Zedlitz den »affauisckcn Abgeordneten I4r. Lotichiuö em pfangen. Der Minister sprach sick für Erkaltung deS nassauisckcn SimullanschulwesenS auS; er will einem dahin- zielcntcn Anträge zustimme». Dadurch allein wird aber die Vorlage für die nassauisckcn Abgeordneten »och nickt an nehmbar. Im Obertaunuskreis circulirc» bereits Masscn- pctitioncn gegen das Gesetz, nachdem in Bad Homburg eine Wählerversammlung staltgefunten hat. * Unsere neulichc Notiz über die plötzliche Erkrankung deS preußischen KricgSministcrü ergänzen wir dahin, daß Herr von Kaltenborn schon mehrere Tage vor dem Geburts tage Sr. Majestät sich nnwohl füblte, am 27. Januar früh aber glaubte im Stanke zu sein, den Festlichkeiten beizuwohnen und demgemäß sick zu dem feierlichen Gottesdienst in die Schloßcapelle begab. Hier kam die bis dabin latente In fluenza zum Ausbruch und äußerte sick zunächst in einer kurze» Obnmackt, wie solche beim Beginn dieser Krankbeit mehrsach beobachtet ist. Der weitere Verlauf ter Krankkeil deS Herrn Ministers ist der bei Influenza gcwöbnlickc. Wie man hört, bat Herr von Kaltenborn bereit« das Bett ver lassen können und er hofft mit dem Beginn der nächsten Woche die Geschäfte seines Ressorts wieder ganz übernehmen zu können. * Tie Leichenfeier für den plötzlich gestorbenen Ab l geordneten I)r. Mitkoff fand gestern Mittags 12 Uhr in ! dem kleinen Sitzungssaal aus dem Potsdamer Bahnhof in Fouilletsn. Die schöne polyrena von Freiberg. 3j Historische Novelle von Adolf Lippold. ItaSdni» »rrbetkii. (Fortsetzung.) AlS der Zug stillstand, geleiteten die beiden Brautjungfern den Junker in daS Haus, blieben aber an der Zimmerlbür recht« und links stehen, indeß der Bräutigam ans seinem Posten im Zuge verblieb Georg ermannte sich, klopfte an die Thür und trat ein, letztere wieder hinter sich schließend. Er richtete seine Augen auf Polypen«, aber, als er nun versuchte, die herkömmlichen Worte der Einladung, daß eS ihm vergönnt werden möge, die ehrsame Jungfrau bis zum Altar zu geleiten und daselbst den Händen des Bräu tigams zu übergeben, zu spreche», da war es ihm, als ob ihm jedes Wort in der Keblc stecken bliebe; er fühlte, wie ikm gewaltsam Las Blut zum Herzen drang und war nickt fähig, auch nur ein einziges Wort zu reden. Erstaunt blickte ihm Polypen« inS Angesicht und reichte ihm freundlich die Hand. Georg trat näher und indem er sich über die kleine Hand beugte und dieselbe küßte, siel eine einzige beiße MamieStbräne auS seinen Äugen und mitten auf dieielbe. „WaS ist Euch, Herr Junker — was ist Euch?" flüsterte Polyrena, bestürzt dem sichtlich tief erregten jungen Mann in die Augen sehend und den tiefen Sckmerz, sowie die unend liche Trauer desselben darin lesend, indem sie selbst ein seltsames Gefühl im eigenen Herzen ergriff und bewegte. „Verzeiht, edle Jungfrau!" antwortete Georg ebenso leise, indem er sich gewaltsam ermannte, „verzeiht und — vergeht! — Seid Ihr bereit, so beliebt mir zu folgen!" Betroffen legte Polypena die Hand auf die ihr von Georg gereichte Recht«; als sie sich aber anschickte, an seiner Hand die Stube zu verlassen, gerictb ihr Fuß unter die ungewohnte lange Schleppe, sie kam zum Stolpern, schwankte einen Augen- blict und lag im nächsten Moment in den Armen und am Herzen des jungen ManncS. Erschreckt und sür einen Augenblick wie betäubt schloß sie unwillkürlich dabei dir Augen; als sie dieselben aber gleich darauf wieder ausschlug und wiederum in die schmerzbewegten Augensterne Georg « blickte, da zog eine bange und sie doch auch zugleich beglückende Ahnung davon in ihr Herz, daß der vor ihr Stehende sie liebe, liebe mit einem ganz anderen ihr bisher unbekannten Gefühle. Sic erschrak heftig und indem sie sich stolz aufrichlete, nahm sie den ihr aus- Neue dargebotenen Arm Georg « und Beide verließen da« Haus. Jubelnde Zu ruf« der draußen karrenden Menge begrüßten da« schöne Paar, die kleinen Mädchen traten dein Paar vorauf und streuten Blumen bis zur nahen Pforte de« Domes, auö welcher jetzt mächtige Orgelklänge zu ihnen herübertöntcn. Wunderbare Gesüble bestürmten das Her; der Jungfrau, füblte sie Lock, daß ein ihr unerklärliches Etwas sic unwiderstehlich zu ihrem Begleiter hinzog, unk bang fragte sie sich, ob ihr bculiger Schritt zu Gottes Altar auch noch mit denselben reinen lindlick dankbaren Gefühlen geschehe, wie e« gestern noch geschehen wäre. Sie wagte eS nicht, sich diese Frage zu bcanlworten: stumm duldete sie eS, daß im Dome Herr Andreas Böume die Stelle Georgs einnakm, sie körte nicktS von der prachtvollen Kirchenmusik und dem cngelrcinen Gesang der Cborschüler, sie vcrnabm wobl die Worte, welche der Priester sprach, aber verstand nicht den Inkalt seiner Rede, mechanisch trat sie mit Böhme vor den Altar, mechanisch sagte sie „Ja!" mechanisch ließ sic daS Wechseln der Ringe geschehen und neigte daS Haupt unter der segnenden Hand deS würdigen Geistliche», und erst, als sie sich in der >Lacristci wietcrsand und Herr Andreas de» BräutigamSkuß auf ihre» Mund drückte, da war eS zu Ende mit ibrer dumpfen Festigkeit Fast widerwillig, so daß sie ibr Mann erstaunt anschaute, schob sie ihn von sich zurück und warf sich, in beiße Tbränen auS- brechend, in die Arme des treuen Elans, ter auf ihren eigenen Wunsch während des ganzen Festes einen Ebrenplay einnahm und demzufolge auch hier in ihrer unmittelbaren Nähe ge blieben war. Dagegen balle Junker Georg seine ganze Festigkeit wictcr- gewonnen. An dem Augenblick, wo durch Polypcna's Ge lübde am Altar ibr Ebcbunt mit dem Blauherr» geschlossen worden war, batte er im beißen Gebet für da« Glück ter Geliebten zum Himmel gefleht und sich gelobt, mit keinem Wort, keiner Miene je wieder seine Gesüblc Polypen« zu verratben. Er machte sich selbst bestige Vorwürfe ob seine« BencbmenS bei seiner Tbätigkcit als Brautsükrcr unk dankte Gott, daß ibm wenigstens keine Worte, welche seine Gcsühle verratben hatten, entschlüpft waren. Georg war unter liebe voller Strenge seines ValerS unk in Frömmigkeit durch seine geliebte, vor zwei Jahren verstorbene Mutter erzogen worden und hatte sich seine sittliche Reinheit, selbst am bcrzoglichen Hofe, wo zu jener Zeit nicht immer die besten Sitten unter den jungen Leuten herrschten, bewahrt. Ander- bei Polypen«. Wie bei Georg war auch bei ihr während deS kaum minutenlangen Alleinseins mit Georg der zündende Funke heißer Liebe in ihr bis dahin unberübrte« Herz gefallen; während eS aber der Junker vermochte, seine GcsÜHIe zu bezwingen, war die- bei Polypena nur momentan der Fall. DaS südliche Blut ihrer italienischen Mutter wallte in ihrem Herzen aus und mit Verzweiflung erkannte sie jetzt, als eS zu spat zu jedem Rücktritt war. daß sie den Junker eben so heiß liebe, wie sie jede vertrauliche Annäherung ikreS Mannes mit immer größerer Abneigung, ja niit Entsetzen erfüllte. Ibr Angesicht batte eine wacböartige Blässe angenommen, und nur mit größter Anstrengung ver- mocble sie während des der Einsegnung folgenden MableS, in ihrem nunmehrigen, glänzend cingcrichtelen Heim, dem stattlichen Btsiytknm des Herr» Andreas Böhme, auf der großen Meißncriscbcn Gasse zu Freiberg, den Pflichten der .pauSsrau den Gästen gegenüber gereckt zu werden. Herr Böbme bcnicrkle wobl die Blässe ihre« Gesichte« und ibre Niedergeschlagenheit, allein er sckob eS, ebenso wie das Be strebe» Polypcna's, jeder seiner zärtlicke» Annäbernngen zu entgehen, auf die sckücktcrne Aeiigstlichkeil einer so plötzlich in ganz andere Verhältnisse versetzten Inngsran und deshalb war er fröhlich und gute» MutbeS und voll taclvollen schonenden BenekmenS gegen sein junges Weib. Ter große Malzbodcn >m ersten Stockwerke des hinter dem Wvbnbanse liegenden Brauhauses war durch Entfernung aller Vorrätbc deS Lagers und reicher Tecorirung desselben zum Tanzsaal eingerichtet worden, und als die Tafel am brrcinbrcchcnden Abend nach stundenlangem Schmausen endlich aufgehoben worden war, blieben nur die älteren Herren an derselben beim Weine und Spiele sitze», indeß das junge Volk dem Ruse der Musik solgle. Auch der Branherr führte sei» eheliche« Gemahl zum Reibentanz, aber nur um seiner Pflicht zu genügen, denn schon nach der ersten Runde troff sein gutmülbigeö Angesicht voller Schweiß, und beiter winkte er alsbald dem Junker Georg, denselben als Brautführer aufsorternd, seine Stelle ein- zu icbmr», indem er sich den bei der Tafel gebliebenen Gästen n dmen wolle. Ter Junker konnte sich dieser Pflicht nicht inlzicbcn, er bot deshalb Polypen« die Hand zu dem eben beginnenden Runttauz und im nächsten Augenblicke schwebte da« Paar dahin. Herr Andreas Bödme aber nickte ver gnügt und stieg dann hinab, um wieder zur Tafel und zu den für ihn passenderen Freuden zurückzukehren. Georg aber und Polypen« wechselten kein einzige» Wort während des ganzen Tanzes, aber wenn ab und zu die Blicke Beider ineinander tauchle», so laS Jede« in deS Anderen Auge» deutlich genug die Gefllble desselben, als daß eS der Worle bedurft Kälte; sie genossen die Freuden de« Augenblickes und dachten nicht an die Zukunft. Erst beim letzten Trompetenstoß des Tanze« hielten sie tief aufalhmend inne und Georg sah sich nach einem Sitze um, nach welchem er Polipena geleiten könne. An ter Hinteren Front des Haust« batte Böhme au- zwei Fenstern eine große Ocffnung bi« zum Fußboden brechen und eine breite mit Teppichen belegte Holztreßpc bcrrichle» lasten, welche von dieser Leffnung direct in den auSgedcbnte», bi« an die Wälle der Statt reichenden Garten hinabführle. Tie so entstehende Thür- öffnung war reich mit PvrliLren verhängt unv drapirt, die Treppe mit Geländer versehen, Windlichtcr beleuchteten, wenn auch nur schwach, die vorderen Theile und BoSguetS de« GartenS. Eine große Anzahl Tänzer eitle jetzt hinab, um in der erfrischenden Luft deS Garten« Kühlung zu suchen bis z»m Wiederbeginn deö Tanzes, »nd als Georg mit Polyrena an die Ocffnung kam, sagte Letztere: „Laßt uns ebenfalls in den Garten hinabsteigen, wenn eS Euch recht ist, die dumpfe Luft hier ist erstickend." „Aber — Ibr werdet Euch leicht erkälten", entgcgnete Georg besorgt, „Ihr seid zu heiß!" Schon aber batte Polyxena die Gardine zurückgezogen und gehorsam folgte Georg ihrem Wunsche. Stumm, beite von mit einander ringende» Gefühle» be wegt, schritten sic Arm in Arm dabin, ohne eS zu beachten, daß die Wege schon nach kurzer Zeit dunkel und einsam wurden; da nabni der von ibncn verfolgte Pfad plötzlich ein Ende, Georg schaute auf, eine von Reben und Heckenrosen dicht iinlsponncnc Laube lag vor ibncn. Beite flanken still, ohne zn sprechen; doch als Georg eine Bewegung zur Rückkeyr machte, hielt ibn Polnzena'S Hand fest. Er I'.ickle sie an und sie ihn und — beide, zu schwach, ihren Gefühlen länger z» widerstehen, sanken sich i» die Arme und obne Worle fanden sick im heißen, fast endlosen Kuß ibre glübendcu Lippen. Aber mir Augenblicke waren cö, während welcher Georg nnierlag, und bocbcrrölhend wollte er zurücklrclcn, da brack sich all die in Polypen«'« Herzen ousgcspcickerle Lcitcnsckaft in un widerstehlichem Strome Bahn, sie schlang die vollen Arme um Georg'« Hals, zog ihn vollends in die Laube, Tbränen brachen a»S ihren Augen und erregt rief sic fast laut au«: „Geb' nicht — bleib' — bleib' nur wenige Augenblicke — ick liebe Dich, wie Tn mich liebst — Tein bin ich und Witt ich bleiben! — Geh' nicht — oder — ich tötte mich vor Leinen Augen!" Sie zog einen kleinen, blitzenden, zweischneidige» Dolch mit goldenem, reich cisclirtcm Griff aus ihrem Gewände und setzte sick die Spitze so energisch und heftig aus die wogende Brust, daß Georg »hre Hand faßte und ihr den Dolch entriß. „Polypen«!" rief er, „WaS thut Ihr? — Wie soll die« enden?" „Gebt mir den Dolch wieder"', sagte Polnrcna etwas rubiger, „eS ist das letzte Andenken an meine Mutter!" „Nur wenn Ihr mir versprecht, Euch nichts anzuthun!" „Ick verspreche es Euch, Georg — verzeiht — mir ist, als sollte ich wahnsinnig werden. Ol Georg — warum mußtet Ihr meine Wege kreuzen!" „Gott wollte es — theuersteS Wesen! Glaubt Ihr Polypena, mein Schmerz, wie meine Liebe zu Euch seien geringer, als die Euren? Aber da eS uns Gott und di« Heiligen einmal versagen, daß wir un« angehören sollen» so
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