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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920203021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-03
- Monat1892-02
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Insbesondere ist rS in unserem deutschen Vaterlande augen blicklich der schwere Kampf zwischen GeisteSfrciheit und religiöS-confessioneller Herrschsucht, welcher in den weitesten Kreisen de» Volke», nicht blo» in Preußen, schmerzliche Be unruhigung hervorgerufen hat. Wer Denjenigen, die vor zwei Jahrzehnten dir glorreiche nationale Erhebung und Wiedergeburt mit durchlebten, damals hätte sagen wollen, daß nach so kurzer Zeit sie gezwungen sein würden, einen solchen inneren Kampf zu bestehen, der wäre einfach bespöttelt worden. Und doch ist e« so, die derzeitige Genrratioa ist in die traurige Nothwendigkeit versetzt, einen Culturkampf in de» Wort«» höchster Bedeutung zum LuStrag zu bringen. Um so glücklicher find wir zu preise», wenn ein gnädige» Geschick «< fügt, daß di« Mühseligkeiten und Aufregungen einer derartige» Zeit durch eine Reih« freudiger Tage, an denen die Ideal« der Menschheit in den Vordergrund gerückt sind und die Streitaxt begraben wird, unterbrochen werden Ja, in der That, r» sind Tage der Freude, die augenblicklich in unserer Stadt Einkehr gehalten haben. Wie immer, freuen wir un» von ganzem Herzen, wenn Se. Majestät, unser allgeliebter König und Landesherr Albert, in den Mauern Leipzigs weilt, um den so vielseitigen Aufgaben und Neigungen eines durch HerzenSgüte und treue Pflichterfüllung aus gezeichneten Regenten nachzugehen. Wir wissen, mit welcher Gewissenhaftigkeit und Unermüdlichkeit König Albert die Zustände seine» Lande» und vor Allem eine» so großen und wichtigen städtischen Gemeinwesen», wie e< in unserer Stadt z sich verkörpert, k«»uea zu lrraen sucht. Auch diese« Ma! ist eine Reihe interessanter und wichtiger Besichtigungen und Untersuchungen in das Programm des Aufenthaltes Sr. Maj, ausgenommen — LandeSvertheidigung, Wissenschaft, Kunst, Industrie und Gewerbe, sie sind alle berücksichtigt, von der Aufmerksamkeit de- Königs in Anspruch genommen zu werden. In erster Reihe wird cS die morgen zu er öffnende Internationale Ausstellung für das Rothe Kreuz Hygieine, BolkSernährung, Kochkunst rc. sein, welche durch die Anwesenheit und Besichtigung Seiner Majestät AuSzcich nung und Förderung erfährt. Lebhaftes Bedauern hat eS in den weitesten Kreisen erweckt, daß leider bei dieser Gelegen beit die hohe Protcctorin der Ausstellung, die allvcrehrte Königin Carola, welche ein so ganz außerordentliches Interesse an dem glücklichen Zustandekommen diese» Unternehmens bekundet hat, an der Seite ihres könig-1 licken Gemahl» zu missen sein wird. Ihre Majestät ' befindet sich bekanntlich im GenesungSproceß einer durch die Unbilden der Jahreszeit hrrvorgrrufentn Krankheit, und r» bleibt nicht» übrig, al« die herzlichsten Wünsche, daß die Königin recht bald wieder ihre volle Gesundheit finden möge, nach der Residenz zu senden. Was nun aber weiter dazu beiträgt, daß wir uns in diesen Tagen so recht der innigen Freude bingeben können, da» ist der Umstand, daß zum ersten Male der künftige Thronerbe unsere» SachscnlandeS, Se. königliche Hoheit Prinz Friedrich August und höchstdcsscn junge Gemahlin, Prinzessin Luise, nach ihrer vor Kurzem stattgehabten Vermählung unserer Stadt die Ehre ihres Besuches geben werden. Nur noch wenige Stunden und da» hohe Neuvermählte Paar wird unter dem brausenden Jubel der Bevölkerung seinen festlichen Einzug in Leipzig halten, zu welchem dir umfassendsten Vorbereitungen getroffen sind. Es ist von unserer Stadt gesagt worden, daß sie ihre Eigenarten habe, und hyperloyalr Leute haben in früheren Zeiten bisweilen einen Stein auf sie werfen wollen, indessen dir Erfahrung hat gezeigt, daß Leipzigs Bürgerschaft sich bei keiner Gelegenheit in der Bethätignng patriotischer Gesinnung gegen das angestammte Herrscherhaus übertreffen ließ, und so wird eS ganz gewiß auch heule und in den nächsten Tagen sein, wenn die Mitglieder der Königsfamilie in unserer Mitte verweilen. Leipzig ist durch und durch eine deulschgesinnte Stadt, aber in ihr wohnt auch eine unver brüchlich treue und monarchische Gesinnung für daS HauS Wettin. Wie könnte es auch ander» sein? Hat sich nun doch schon seit Jahrzehnten ein so schönes und Vertrauens volles Verhällniß zwischen dem Hohenzollcrnthron und dem sächsischen Königsthron, wobei der Grundsatz „suum eulczus" zu vollster Anwendung kommt, entwickelt, daß jeder recht schaffcne und patriotische Mann daran seine unbegrenzte Freude haben kann. Und daS die» so ist, da» verdanken wir in erster Linie unserem allvrrchrten sächsischen Königshaus, und deshalb die Liebe und Verehrung, welche dasselbe in unserer Bürgerschaft findet. Der heute hier eintreffeode Prinz Friedrich August ist uns kein Neuling, im Gegentheil, er war ja mehrere Jahre hindurch unser akademischer Mitbürger, und alle Herzen schlagen ihm von seinem damaligen Aufenthalt, der in der Hauptsache dem ernsten Studium galt, noch entgegen. Alle», was inzwischen über Seine königliche Hoheit verlautete, hat daS Vertrauen nur bestärken können, daß, wenn er einstmals berufen sein sollte, den Königsthron zu besteigen, die Geschicke Sachsen» dann in demselben Sinn und Geist, in welchem der jetzige Monarch daS Scepter führt, gewahrt sein werden. Prinz t Friedrich August hat sich mit Ernst und Eifer aus seinen künftigen I Herrscherberuf vorbereitet. Und die frohen und herzlichen Empfindungen unserer Einwobnerschaft darüber, sie werden beute, dessen sind wir gewiß, zum glänzenden Ausdruck kommen, sie werden sich aber auch mit derselben Kraft auf die im Iugenbrciz prangende Gcmablin des Prinzen, Ibre kaiserl. und königl. Hobest Prinzessin Luise, übertragen. Wir haben seiner Zeit gelesen, welche große Vcrcbrung die bobe Fra» i» der Stadt, in welcher sic ihre Jugendzeit verbrachte, in Salzburg, bei Arm und Reich, Niedrig und Vornebm genoß und welche schmerzlichen Gefühle deshalb dort ibr Scbciden lebendig werden ließ. Nun, auch in der mitteldeutschen Tiefebene, in Sacbscn und insonderheit in unserer Stadt Leipzig, weiß man schöne Fraucntugenden zu schätzen und zu würdigen, und der bculige Empfang wird beweisen, daß Prinzessin Luise eine zweite traute Heimath gesunden hat. Und so wollen wir uns denn inmitten des unruhigen und aufregenden Treiben», von dem wir im Eingänge unsere» BegrüßungSartikelS reden mußten, an den Tagen wirklicher Freude, die bei uns eingckchrt sind, erquicken und neue Kräfte für die Aufgaben der Tage gewinnen, die nur zu bald wieder an uns berantretcn werden. Wir schließen unsere Be trachtungen mit dem innigsten Wunsch: Gott schütze und erhalte Se. Majestät König Albert und das gange Königliche HauSl Leipzig, 3. Februar. * Es bat gestern Nachmittag wieder eine Sitzung des preußischen StaatsministcriumS ftattgefunben, in der eS sich, wie man wissen wollte, wieder um Fragen gehandelt hat, die durch das Volksschulgesetz bcrvorgerufcn worden sind. * Tie „Nationalliberale Correspondcnz" schreibt: I» den Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses ist vielfach der Vorwurf erhoben worden, die im Lande herr schende Erregung gegen daS Volköschulgesctz sei aus eine künstliche Agitation zurückzusükren und verdiene darum wenig Beachtung. Nichts ist falscher als diese Behauptung. Der Apparat der politischen und Partciagstation, der ja sonst oft genug in Tbätigkeit gesetzt wird, bat in dieser Angelcge»- -xeit noch kaum gewirkt; die sonst an der Spitze von Be wegungen, die einer künstlichen Nachhilfe etwa» bedürfen, stehenden Persönlichkeiten, die bekannten Volks- und Ver- saminlungSrcdncr sind nirgends im Lande ausgetreten. Der Sitz der Bewegung sind die städtischen Magistrate und communalen BertrelungSkörperschaften, denen im Allgemeinen Niemand eine besondere Neigung zu agitato rischem Treiben nachsagen wird. Wenn solche Körperschaften wie wir cö in de» nächsten Wochen massenhaft erleben werde», ihre warnende Stimme erbeben, so lbun sie eö nicht au» Freude an politischer Aufregung, sondern in wohlerwogener Würdigung der ihnen obliegenden Pflichten »nd Ausgaben und in dem Bewußtsein, daß wichtige Interessen dcS öffent lichen Lebens auf dem Spiel stehen. In der Tbat können gerade die deutschen Städte mit besonderer Genuglbuung au ihre Leistungen in der Pflege deS Schulwesens Hinblicken; das städtische Schulwesen ist, weit mehr als daö ländliche, durch große Opfer und unausgesetzte liebevolle Pflege auf eine ,ohc Stufender Enlwickclung gebracht worden und jedes unberufene Eingreifen kann hier nur Schaden stiften. Daß k>c freie und gesunde Entwickelung de» Schulwesens im Allgemeinen unk insbesondere des städtische» durch den vorliegenden Gesetzentwurf mit ernsten Gefahren bedroht wird, ist in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses aufs Eindringlichste nachgewicscn worden. Eö wird aber in Kürze, wenn sich die Städtetagc und commnnalen Körpers»,aNen mit der Angelegenheit befassen, noch gründ licher geschehe». In Berlin arbeitet unter Andern«, wie wir hören, der Stadtschulrath Bertram eine Denk- christ aus, welche dem Magistrat »nd den Stadtverordneten vorgclegt und bann dem Abgeordnetenhaus sowie auch den Behörden anderer Städte überreicht werken wird. Man darf sich von ihr eine ruhige und sachliche Darstellung vcr- precbcn. In anderen Stätten werden ähnliche Kundgebungen vorbereitet, die sich Wohl vielfach an de» Berliner Vorgang anschließcn werten. Eö ist nur wünschenSwcrtb. daß der parlamentarische Widerstand gegen einen großen Tbeil dieses GesctzeiitwursS durch einen kräftigen Widerhall im L«ndc unterstützt wird. * Die Socialdemokraten haben den VolkSschulgesctz- entwurs zum Anlaß genommen, um eine lebhafte Agitation zum Austritt aus der Landeskirche zu entfalte». In diese Agitation gegen den Gesetzentwurf isl die socialdcmokratische Partei in den letzten Tagen von den Kreisen bineingetriebe» worden, die zur freireligiösen Partei gehören und die glauben, daß jetzt ihr Weizen blühe» werde. Erwähnung verdient noch, daß die spcoisisch jüdischen Blätter (gleich de» antifeinstischcn) sich für den Entwurf aussprcchen. So preist die orthodoxe jüdische Presse in Berlin .»die Segnungen" des Entwurfs und gicbt ihm den Vorzug vor dem vorjährige» Goßlcr'schen. Tie in Magdeburg er scheinende, ans resormerischcin Standpunct stehende israeiilischc Wochenschrift brachte vor Kurzem eine Reibe von »Pädagogischen Briefen" zum Abdruck, deren Verfasser sich durchaus für die conscssioncllc Schule entscheidet. Eine jede Religion müsse einer anderen gegenüber „intolerant fein". Der Verfasser schließt seinen dritten Brief mit der Malmung: „allen Ein fluß sür die allgemeine Wiedereinführung conscssioncller Schulen geltend zu machen". Dagegen scheinen die Polen nickt sämmtlich befriedigt. Wenigstens spricht der „Dziennik Pozn." seine Befürchtung wegen des StandpnncleS an-, welchen der Herr EultuSministcr gegenüber den „be rechtigten Forderungen der Polen" an den Tag gelegt habe. Wen» die Anträge, welche die polnischen Abgeordneten stellen werden, nicht berücksichtigt werde» sollten, dann hätten die Pole» gar keinen Grund, sich de» neuen Gesetzes zu freuen und kür dasselbe zu stimmen. Solle die deutsche Unterrichts spräche i» den von polnische» Kindern besuchten Schule» fernerhin bcibcballen werden, dann wäre das neue Schul gesetz für die Polen lediglich eine Sanetionirung dcö Unrecht», welches ihnen seit nabe 20 Jahre» geschehen sei. * Daö preußische Abgeordnetenhaus wird jetzt die zweite ElatSberathung energisch in die Hand nehmen und nach Möglichkeit fördern. Ans die VolkSscbul- gesetzcoiiiinission, die von nächster Woche ab möglichst täglich Sitzungen ballen wird, soll dabei tlmnlnbst Rücksicht genommen werden. Auf eonservativcr und klerikaler Seite scheint die Absicht zu bestehen, die Bcratlningen der Schul commission aus» Äcußcrsle zu beschleunigen. In diesem Sinn schreibt bereits die „Krcuzzeitung": „Einige Wochen Feuttletsi«. Die schöne Polyxena von Freiberg. 4j Historisch« Novell« von Adolf Lippold «la-druä »ertöt«». (Fortsetzung.) „Wenn ich frei wärel" murmelte sie vor sich hin, und ihr schöne» Angesicht verzerrte sich in kaum wieder zu erkennender . Weise, „wenn ich frei wäre", wiederholte sie leise, „aber ich bin nicht frei!" schrie sie fast laut auf au» liesgequältcm Herzen, „und warum bin ich nicht frei — warum soll ich nicht frei sein?" Furchtbare, entsetzliche Gedanken schienen in ihrem Hirn aufjusteigen, ein dämonischer Zug wilden Trotzes legte sich um ibre Lippen. „Besser tausend Tode, al» ein Leben ohne ihn. E» muß geschehen!" flüsterte sie aufs Neue vor sich hin. — „Und dann? — Wird er mich aufnehmen? Mir gestatten an seiner Seite zu bleiben bi» zum Tode? — — Wo nur Elau» bleibt!" In diesem Augenblick klopfte rS an die Thür und auf Polyxena'S Hereinruf trat der eben genannte alte treue Diener in da» Gemach. Polyrena schritt hastig auf ihn zu. „Nun, Claus, was bringst Du für Kunde?^ fragte sie erreat, indem sie ihm einen der hochlehnigen, mit gepreßten, Leder überzogenen Stühle anbot. Der Alte setzte sich, nahm die Kappe ab und fuhr sich betrübt mit der Rechten durch da« spärliche schneeweiße Haar. „ES ist. wie Ihr erfahren habt, Polyxena", sagte er leise. „Junker Georg reitet schon nächsten Freitag, also morgen Abend, und zwar zunächst nach Burg Laucnstein, im Gebirge oben an der böhmischen Grenze; eS ist ein starker TageSritt von hier au» bi« dahin. Auf Lauenstrin soll er seine Aus rüstung vollenden und dann in da« Böhmerlank hinabsteigen, um über Praa Wien zu gewinnen: nächsten Montag reitet er von Lauemtein ab — seine» Vaters alter Diener, Ihr kennt ja den alten Günther noch von Rom her, hat es mir mitgetheilt und dieser, sowie ein anderer Knecht werden Len Junker »ach Wien begleiten." „Es ist gut Elau» — ich danke Dir — Du kannst geben " Der Alte erhob sich von seinem Sitze, aber er zögerte mit seinem Fortgehen. „Polyxena — geliebtes Kind — Ihr macht meinem alten Herzen, da» sich so lange Jahre an Euch erfreut hat, jetzt schweren Kummer. Bedenkt, Kind, wa« Ihr thut. Ihr seid da» Weib ein«» wackeren, braven Manne», dessen einzige» Glück Euer Wohlergehen, Eure Freude ist. Freiwillig habt Ihr Euch ihm zu eigen gegeben, und wenn Euch Gott jetzt dadurch prüft, indem er Euch über Nacht eine große Liebe zu einem anderen Mann in daS Herz senkte, so „Clans " „Laßt mich auSreden, Polyxena! Meine alten Augen sehen doch noch scharf genug, um Eucrn Zustand zu be reifen — oder wollt Ihr vielleicht mir gegenüber, mir, dem such Eure sterbende Mutter sowohl als Euer verstorbener Vater in ihrer letzten Stunde an daS Herz legten, der tausendmal freudig sein Leben für Euch gelassen hätte und lassen will — wollt Ihr auch mir gegenüber leugnen, daß Ihr den Junker liebt?" „ElauS! Claus!" rief Polyxena, vcrzweiflungSvoll die Hände ringend. „Schweigt und hört mich an", fuhr Claus fast rauh fort. „Wenn Euch Gott also prüfte, so ist cS Eure Pflicht, treu anSzuharven in Dem, was Ihr vor Gotte« Altar feierlich geschworen habt, und bräche selbst Euer Herr darüber. Zn einer Schandthat — und die» wäre da» Verlasse» Eures Mannes, wenn Ihr solches plant — reicht Euch der alte ElauS nicht sein« Hand, eher gehe ich hin zu Eurem Gemahl und entdecke ihm Alles." Ein unheimliches Feuer loderte in Polyxena'S Augen auf, fast feindselig schaute sie den alten treuen Diener an. „So gehe hin!" sagte sie hart, „geh' und verrathe da» Kind Deine» alten Herrn! Ich leugne nicht» — komme eS auch, wie es will — geh!" Der alte Diener warf sich zu ihren Füßen. „Polyxcna", rief er schluchzend, „hört auf meine Mah nungen, bedenkt Euer irdische» und ewige» Heill Was soll ich dereinst Euren Eltern berichten, wenn mich der Herr — wa« bald geschehen niöge — von der Erde abruft und mich dieselben fragen, ob ich mein Gelöbniß, über Euch zu wachen, gehalten habe?" „So kannst Du mit gutem Gewissen sagen, daß Du Deine Pflicht redlich gelhan hast — die» sei Dir genug, lieber ElauS", fehle sie saiistcr hinzu. „Doch nun laß mich allein, ich werde Deiner Worte gedenken — lebe wohl!" Sie reichte bewegt dem Alten die Hand, die derselbe an seine Lippen zog, hob ihn auf und drängte ihn sanft nach der Tbllr. „Sage eS in der Küche, daß mir Licht gebracht werde", sagte sie noch gütig, al- Elan« da» Gemach verließ, dann kehrte sie in die Fensternische zurück, und da» Haupt auf den Arm stützend, starrte sie durch die in Blei gefaßten runden Scheiben zum Himmel hinauf, dessen leichte Wolkengebilde der letzte Strahl der untrrarhenden Sonne mit zartem Purpur umsäumte. Eine Magd krachte Licht in zwei silbernen, je dreiarmigen Leuchtern, und gleich darauf auf einer großen Tablette verschiedene kalte Speisen, sowie Wein in einem kleinen silbernen Krug; Polyxena achtete nicht darauf, und erst später, als die Magd das Zimmer wieder verlassen hatte, stand sie auf. Sie durchschritt die in das Nrben- gemach führende Thür und trat ia ein kleines ein- fenstriges Zimmer, in welchem die wenigen Möbel standen, welche sie vom Vaterhaus auö initgebracht hatte. Vor einer alten auögebogten, mit Messingringen als Handgriffen versehene» Coinmode blieb Polyxcna sieben, dann häkle sie den Schlüsselbund vom Gürtel ihre» HauSgewandcs, suchte eine» Schlüssel und öffnete den oberen Kasten de» Spinde». Derselbe enthielt Berge von schneeweißer Wäsche, doch diese suchte Polyxena'S Hand, als sie weit nach dem Hintergrund des tiefen Kastens griff, ohne aber sogleich das Gesuchte finden zu können, nicht. Ruhig nahm sie einige Stöße Wäsche heraus, tastete wieder nach dem Innern des Kasten» und brachte alsbald ein in SchweinSledcr gebundenes Buch heraus. Sie zog einen Stuhl bcran, legte das Buch auf die Kante de» Schubkastens und öffnete den Deckel. Eö war da» sorgfältig geführte Tagebuch ihres Vaters. Mechanisch schlug sie die Seiten um, bis ziemlich zum Ende d»S starken Bande«, wo zwischen zwei Seiten ein Bändchen als Buch zeichen eingelegt war. „Gestern wurde die Wittib Katharine Nothcr durch Säcken im unteren Deich am Kreuz-Brunnen vom Leben zum Tode ebracht und ihr Körper nachher auf dem Schindanger ver- charret, waS eine große Menschenmenge mit ansah. Sic war erst neunudzwanzig Jahre alt und hatte, in heißer Liebe zu ihrem Gesellen entbrannt, mit demselben ihren um 4» Jahre älteren Eheherrn durch ein Kissen gewaltsam ersticket, so daß derselbe de» Todes verblich. — Armes, elendes Weib, nur wer da selbst heiß und innig gelicbet, wird milder über Dich denken. — Als vor Jahren der Herr mein geliebtes Weiv durch jähen Tod von meiner Seite riß, vermeinte ich schier auch zu verzweifeln und setzte ein Fläschlcin mit tödtlichcm Gift zusammen, um eö alsbald einzunehmen, falls da« Kind, welches mir mein Weib in ihrer Todesstunde gebar, ebenfalls sterben sollte. Aber der Kerr ließ mir zu meinem Tröste da» Kindlcin, das Fläschlcin aber mit dem Gifte hob ich sorgsam aus und erst, wenn ich dereinst meinen Tod heran» nahen fühle, will ich eS vernichten" n. s. w. Wieder griff Polyxena in die Schublade »nd brachte rin kleines Kästchen au» Horn zum Vorschein. Sie öffnete dasselbe, und aus Wolle gebettet lag in ihm ein winzige» Fläschlcin. welche» eine rubinrothe Flüssigkeit enthielt. Scheu blickte stc auf, als sic daS Kästchen hastig zu sich steckte, aber gleich darauf brachte sie Buch und Wäsche zurück an ihren Platz, schob den Kasten zu, verschloß ihn sorgfältig und schritt ruhig wieder in da» Wohnzimmer hinüber, wo sie in vrütendem Nachsinnen ihren Platz in der Fensternische wieder einnahm. Hochoben auf dem Kamme des Gebirge», welches Sachsen vom Böhmerland trennt, liegt da« Städtchen Lauenstein, und daS noch jetzt Wohl erhaltene, überaus feste und massiv ge baute Schloß, das dicht am Städtchen liegt, war der uralte Stammsitz Derer von, Geschlecht von Laucnstein. In der Zeit, wo unsere Geschichte spielt, war eS noch von Wall gräben, welche jetzt zum größten Theil anSgesüllt sind, umgeben und schaute von seinem hohen Stand gar weit und trutzig in daö Land. Von seinen Zinnen konnte ma» nicht blvö die Städte Dohna, Glashütte, Dippoldis walde, Pirna und andere mehr, sonder» sogar die Tbürme der herzoglichen Residenz Dresden, sowie Freiberg sehe», indeß hoher hinauf, nach dem Süden zu, hohe, mit dunkeln Tannenwäldern bewachsene Berge den weiteren Ausblick vcr sperrten. Auch in die Tiefe hinab bis an das ebene Land im Norden und Westen dehnten sich gewaltige Wälder, welche erst in den späteren Jahrhunderten unter der Art siele», an», doch lag da» Schloß mitsammt seinem Städllcin so doch, daß man nach jenen Richtungen bin über die Forsten binwcg schaue» konnte. Eine breite Zugbrücke führte von außen i» den geräumigen Schloßhof, dessen vier Flügel ein großes Quadrat bildeten, im Hintergebäude aber, welches dem Tbor- eingang gegcnüberlag, führte eine kleine Pforte in den ebenfalls jetzt noch wohlcrhaltenen Garten, welchen vor dem Wallgraben eine hohe feste Mauer umschloß. Das Gebäude rechts vom Thoreingang enthielt die Herrenwohnnng, wurde aber damals freilich wenig genug benutzt, sintemalen Herr von Lauenstein zur bessern Wartung seines Amtes alo Oberberghauptmann seinen Wohnsitz im Flecken Brand bei Freiberg genommen hatte und nur ab und zu seinen Stammsitz besuchte. Es war am Nachmittag de« Tage» de» im vorigen Ab schnitt Erzählten. Im Schloßhosc zu Lauenstein saßen auf den vor den Häusern angebrachten steinernen Bänken eine Anzahl Knechte, welche beschäftigt waren, Helme, Arm- und Beinschienen zu putzen oder Lederzeug in Ordnung zu bringe»; aus den offenen Stalltbürcn im linken Seitengebäude drang da« Stampfen und Wiehern von Rossen von Zeit zu Zeit herüber und mischte sich mit dem eintönigen Gelang der in ihre Arbeit vertieften Knechte. Der alte Günther ging ab und zu, ordnete hier im Hofe oder in den Ställen bald Die», bald Jenes an, dann verschwand er wieder auf einige Zeit, um in daS erste Stockwerk de- Herrenhauses zu eilen und Junker Georg Bericht zu erstatten oder neue Befehle desselben einzuholen. Galt c» doch die Ausrüstung fowobl des Junker» und Günther-. al» einer größer» Anzahl meist aus der Umgegend des Schlosse» gebürtiger Knechte, welche den Junker begleiten sollten zu seinem Zuge an den Hof des deutschen Kaiser- und wahrscheinlich auch zum Kamps« gegen dir da« Abendland bedrohenden Türkin. Während
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