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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.11.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-11-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891110402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891110402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-11
- Tag1891-11-04
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Moraen-Au-gab«: die 6gespalten« »eile 20-H.Reclamen unter dem Redacttons- ftrrch (4gespalten> 50^, vor den Familien- Nachrichten (6gespalten) 40-L Abend-Ausgabe: die «gespaltene Petitzeile M^Neclamen unter dem RedactionLstrich l4ge>palten) 1 ^1, Familicunachrichlen und Anzeigen verlorener Gegenstände lilgespalten) 20 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztffrrnsatz nach höherem Tarif. ^rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung SO.—, mrt Postbesörderung >l 70.—. ^nnatiwkschluß für Inserate: Abend-AuSgabc: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Nnnabinestesten je eine halbe Stunde früher. Inserate sind stet» an die i»rpr«itt«a zu richten. ^?3«2. Mittwoch dm 4. November 1891. 85. Jahrgang Leipzig, 4. November. * In unterrichteten Kreisen Berlin« glaubt man. daß hie in den nächsten ReichöhauSball cinzustellende Forde rung an einmaligen Ausgaben zum Zwecke der Verbesse rung und Ergänzung dcS Artillerie-Materials, insbesondere also für die Einführung eines EinheitSgeschosseS für die Feld-Artillerie, den Betrag von 110 Millionen Mark ungefähr erreichen oder knapp überschreiten dürfte. Die Deckung dieser Forderung soll im Wege der Anleihe erfolgen. Wie man hört, liegt der Mililairelat bereits dein RcickS- schatzainl vor und dürste bald dem BundcSralh zugchcn. * Auf dem RcichStagSbureau bat man noch immer keine sichere Nachricht, wann die Wiederaufnahme der Sitzungen beginnen soll. Zahlreiche Anfragen von NcichS- tag-abgcordnclen beweisen, wie dringend der Wunsch ist, jetzt endlich über den Termin dcS Wiederbeginns der parla mentarischen Arbeiten »nlerrichtet zu sein. Es giebt sich eine gewisse Mißstimmung über die GeschästSleitung nn Reichstag kund, die ihre Entschließungen in dieser Hinsicht von Tag zu Tag hinausschiebt. * Der BolkSsch»lgesehentwurs liegt nunmehr, wie wir hören, dem preußischen Staatsministerium vor, nachdem er den bekheiligteii EinzelressortS zur Kenntnißnahme und Begutachtung unterbreitet gewesen. Ucber den Inhalt wird noch längere Zeit Stillschweigen beobachtet werden, doch wird wiederholt versichert, das auf liberaler <Äite vielfach geäußerte Mißtrauen sei zum mindesten übertrieben. * Die Ernennung des Propstes v. Stablewski zum Erzbischof von Poscn-Gnesen wird jetzt von allen Ccitcu bestätigt. Man kann nicht behaupten, so sagt die „Nat.-Lib. Eorr.", daß der Eindruck dieser Ernennung in deutschen Kreisen ein sehr günstiger ist. Abgeordnete, die den neuen Erzbischof ans seiner langjährigen Thätigkcit im Landtag genau kennen, wollen in seinem parlamentarischen Auftreten nie etwas wahrgenommen haben, was zu dem Vertrauen berechtigte, daß der neue „PrimaS" sein Amt nicht in ein seitig national-polnischem Interesse auSüben werde. Ob die Negierung Bürgschaften hat, daß dies nicht der Fall sein werde, wissen wir nicht. Bei dem engen Zusammenhang kirchlicher und nationaler Interessen in den LandeStheilen mit vorwiegend polnischer Bevölkerung überragt dicSKirchen- auit an Wichtigkeit alle andern preußischen BiSthumer. Möge daS Vertrauen der Regierung besser gerechtfertigt werten, als seiner Zeit bei dem Grasen LedochowSk'I * Ucber Acndcrungen im Berliner Polizeidicnst wird aus Berlin Weiler geschrieben: „Die Erwägungen, welche aus Anlaß der letzten Ereignisse hier stattgefundcn haben, werden im Polizeidienst, der theilweise noch auf ver altete Verhältnisse zugcschnittcn und gegenüber dem groß städtischen Berkehrsleben unzulänglich geworden war. wesent liche Veränderungen znr Folge haben. Zn solchen batte schon die geplante Einbeziehung einer Reihe von Vororten in die Verwaltung Berlins Veranlassung geben müssen, eine Maß nadme, die in erster Linie auf Gründe polizeilicher Natur zurück zuführcn sein wird. Der Thätigkcit der Criminalpolizei ist durch die geographische Grenze dcS Berliner Stadtbezirks eine sehr unbequeme Schranke gezogen worden. Ueber sie hinaus AmlSbandlungcn vorzunebmen, war den Berliner Beamten okne besonderen Auftrag ihrer Vorgesetzten und die Erlaubniß des PolizeivorstandeS der betreffenden Gemeinde untersagt. Das Vcrbrechertkum aber hatte sich diese Einrichtung, die erschwerend aus Ueberwachnng und Verfolgung einwirkcn mußte, wohl zu Nutzen zu machen gewußt, indem eS seinen Wohnort in Vororten Berlins nahm, während daS Feld seiner Thätigkcit nach wie vor die Hauptstadt blieb. Vor Allem wird das seit langer Zeit als reformbedürftig erkannte Nacht wachwesen eine Umgestaltung erfahren. Es ruht bis jetzt in der Hand von Leuten, die von der Schutzmannschast und der Criniiiialpolizei unabhängig sind. Sie sind kärglich besoldet und zur Erhöhung ihrer Einnahmen auf einen Nebenverdienst angewiesen, der ihnen dadurch erwächst, daß sie gegen eine Entschädigung die Schließung der HauSthüren Abends lO Uhr übernehmen und während der Narbt Jedem, der ihnen unver dächtig erscheint, gegen ein Trinkgeld die geschlossenen Häuser wieder öffnen. DaS sind Zustände, wie sic unvollkommener s.ir eine Stadt mit großstädtischem Verkehr kann, gedacht werde» können, »nd eö ist bobe Zeit, hier endlich Wandel zu schassen, indem man unter gleichzeitiger Beseitigung der Haus- fchlüssclwirlhschaft de» Nacktwachtdicnst der Schutzmannschast nnd Eriininalpolizei überträgt. * Der RcichScommissar für die Weltausstellung in Ebicago, Geb. RegicrungSratb Wermuth, erstattete im Verein zur Beförderung dcS Gewerbesleißes in Berlin Bericht über die Erfolge seiner letzten Reise nach Amerika. Ter Ecmniissar faßte sich dahin zusammen, daß er es für dringend geboten halte, daß sich die deutsche Industrie weder durch die Verstimmung über die Mac Kinlcy-Bill, noch durch Auoslcllui'.gsmiitigkcit, noch durch die allgemeinen schleckte» Zeiten ahhaltcn lasse, sondern die ganze Kraft zusammen- nekme» solle, um auf der Ausstellung in Ebicago würdig zu c sckciiicli. — Heute ist abermals eine bedeutende Goltscndung nach Rußland abgegangc». Tie gesamune Goltauc-subr der letzte» Monate ist viel nmfaiigrcickcr, als bisher angenommen * DaS Wahlergebnis; in Stolp-Laucnburg gicbt der „Post" zu solgende» Betracktungen Anlaß: Es kommt daber, wenn man Wablcrsolge erzielen will, darauf an, der gegnerischen Agitation möglichst den Boden abzugrabcn Dazu hieten fick zwei Wege, welche aber nicht einzeln sondern cumnlativ zu benutzen sind. Zunächst kommt eS darauf an. sachlich rer gegnerischen Agitation eine möglichst geringe Aiigrisss'läche zu bieten, mit ankeren Worte», eine nn gute» Sinne populäre Politik zu betreiben. Sache sorg fältiger Prüfung wird cs sein müssen, ob diese VorauSictzung überall zulrifft oder ob nicht in Fragen von weniger grunksätz sicher Natur ein: Abweichung von der bisher innegebabten Linie sich ciiipsichlk. Soll Erfolg erzielt werde», io wird man sich aber damit nicht begnügen dürfen, sondern auck von langer Hand der durch ständige Einwirlung aus die Wähler der Boden geebnet werten müssen Jahre lang die Zügel am Boten schleifen lassen »nd dann kurz vor der Wabl sic stramm aiizichc» wollen, suhlt nach alle» Erfahrungen der letzten Jahre nur zu oft zur Niederlage. Die Presse, das Verein-Wesen, vor Allem aber der persönliche Verkehr von Mund zu Mund sink die wichtigsten Mittel zur Verhütung eines übermäßigen Einflusses der Agitation während der Wahlzeit selbst. Hieraus werden die Eonscrvativen aller Richtungen mehr als bisher ihre Anstrengungen richten müssen, wenn ander- sie nicht noch mehr an Terrain ver lieren wollen. * Wie nach den Erklärungen des Herrn Reichskanzlers von Caprivi bei der letzten EtatSberatbung im preußischen Abgeordnetenbause mit Sicherheit anzunehinen war, wird in dem nächsten ReichsbauSbaltS-Etat eine beträckllichc Erhöhung dcS Dispositionsfonds des Auswärtigen Amtes vorgesehen werden. Herr von Caprivi batte bereits bei jenem Anlaß daraus bingewiesen. daß ein nickt nnerbeblicker Tbeil der Einkünfte deS sogenannten WelsenfondS für Zwecke des auswärtige» Dienstes verwendet werde, für welcke der minimale Dispositionsfonds de« Auswärtigen Amte- von 48 000 ^ nicht entfernt auSreickt, und daß daber, bevor an eine gesetzliche Neuregelung der Frage des WelsenfondS hcran- gegangen werden könne, dem Auswärtigen Amte durch den ReicbSbauShaltS-Etat der Ersatz für die bisher a»S den Ein künften des WelsenfondS bezogenen Mittel gewährt werden müsse. Tie Einstellung einer Summe von 500 000 anstatt der bisherigen 48 000 steht daber in unmittelbarem ursächlichen Zusammenhänge mit der damals von dem Herrn Ministerpräsidenten bekundeten Absicht, den WclscnsontS ne» zu reguliren. Die Bewilligung der geforderten Verstärkung dieses Fonds bildet dir Voraussetzung, unter der allein ohne ernstliche Schädigung wichtiger Interessen des Reiches jene andcrwcitc Regelung vor sich gehen kann. * Der „Apotheker-Zeitung" zufolge ist nicht, wie sud deutsche Blätter meldeten, ein Gesetzentwurf über die Rege lung deS GeheimmitteiwcscnS vom BundeSrathe der würltcmbergischen Regierung zugestcllt worden, sondern die letztere selbst hat einen solchen Entwurf ausgearbeitet. Gerade hierin dürste der dircctc Anstoß für die erneute Inangriff nähme der Gcbcimmittclfrage von Seiten der RcichSregierung gesehen werde» können, die bekanntlich darin bestellt, daß den einzelnen Landesregierungen Fragen in Bezug auf dir Rege lung deS GeheimmittelverkchrS zur Begutachtung vorgelcgt worben sind. * In colonialpolitischen Kreisen ist neuerdings vielfach der Gedanke angeregt worden, im Reichstag a»S denjenigen Parteien, die den colonialen Bestrebungen günstig gegenüber stehen, eine freie parlamentarische Bereinigung zu bilden, wie solche auch zur Berathung und Verständigung über andere Fragen schon bestanden. ES kämen dabei natür lick nur die conscrvativcn Parteien, die Nationallibcralcn und daS Centn»» in Betracht. Man glaubt, durch eine solche engere Fühlung und festere» Zusammenschluß zwischen den colonialfreiinklichen Elementen den weiteren Gang unserer Colonialpolitik wirksamer fördern und die Anschauungen dcS Reichstag- der Regierung gegenüber besser zur Gel tung bringen zu können. Es ist auch z» bedenken, das; in dem Colonialratk, offenbar mit Absicht, der Reichstag nickt vertreten ist, so daß also jene Körperschaft, die mehr daö Urtbeil praklisckcr Colonialpolitikcr und GeschästSmänner darftcllen soll, zur Vermittelung und Verständigung zwischen Regierung und Reichstag wenig beizutragc» vermag. Durch eine freie parlamcntarilche Vereinigung aus einem Gebiete, daS wenigstens in den colonialfrcundlichcn Kreisen des RcickS- tags der PaNcipolitik ziemlich entzogen ist, glaubt man eine für den ferneren Gang der colonialen Sache nützliche Wirk samkeit entfalten und die Sicherheit verstärken zu können, daß die Leitung dieser Angelegenheiten sich in dauerndem Ein vernehmen mit einer festen Mehrheit dcS Reichstags befindet Es besteht die Absicht, nach Wiederbeginn der Sitzungen diese Anregung in weiteren Kreisen deS Reichstags zur Erörterung zu bringe». * Die „Nat.-Ztg." schreibt: Der Appetit kommt beim Essen! Soeben hat bekanntlich der UntcrrichtSministcr auf den Wunsch der Polen angeordnet, daß auch dir Kinder deutscher Eltern zu dem „Privatunterricht" heran gezogen werden können, welcher neuerdings in der Provinz Posen in de» Volksschulen von den staatlich angcstcllten Lehrern im Polnischen erthcilt wird. Schon ist der „Dziennik Pozn." mit einer neuen Forderung aus dem Plan. Er führt aus, eS sei zu befürchten, daß polnische Kinder auch ferner hin als Deutsche bezeichnet werden dürsten, wenn eS sich um deren Theilnahme am polnischen oder deutschen Religionsunterricht bandeln werde und wenn in dieser Hinsicht der „Wille der Eltern" nicht beachtet werden sollte In Pose» seien viele polnische Kinder gegen den Willen ihrer Eltern den deutschen Religionsabtheilungcn überwiesen worden eS sei dringend erforderlich, eine principicUc Aenderung dahin zu treffen, daß nicht die Lehrer oder Sckul-Inspectore», sondern ausschließlich die Eltern darüber bestimmten, in welcher Sprache das Kind den NcligionSiinIerricht erhalten solle. Natürlich ist eS auch hier nur daraus abgesehen, Kinder aus Familien mit „deutsch-klingenden Namen", d. h. aus deutschen Familien, resp. aus Familien, wo nur entweder der Vater oder die Mutter polnisch ist, durch Tbciliiahmc an dem polnischen Religionsunterricht zu pclenisircn. Nack den, „privaten" Unterrickt soll auch ein Zweig des obligatorischen hierzu benutzt werden. * Zuverlässigen Nachrichten zufolge sind die Verhandlungen über den Handelsvertrag zwischen Deutschland und Italien nunmehr bis aus einige Förmlichkeiten zum Abschluß gelomuien. Es stebt sonach nicht- im Wege, daß dieser sowie der deutsch-österreichische Handelsvertrag dem ReickSIag al-bald »ach Wiederbeginn seiner Sitzungen vor» gclcgt und noch vor Neujahr erledigt werden kann. Die anderen schwebende» Handelsverträge mit den kleineren Staaten sind nock etwas weiter >m Rückstand, haben aber auch nickt die wirlhtchaslsiche und politische Wichtigkeit wie die Verträge mit Italien und Ocsterreick-Unqarn An der Annahme der Handelsverträge durch de» Reichstag ist allgemeiner Ansicht zufolge nicht zu zweifeln. * Aus Wiesbaden wird der „Rh.-Wests. Zcituna" ge schrieben: Der Leiter der russischen auswärtigen Politik, Herr v Gier-, der mit seiner Familie seit ca. >4 Tagen in unserem Bade weilt, führt hier ein außerordentlichzurück gezogenes Leben. In der Oeffentlichken sieht mau den Munster fast nie, nur am vorigen Sonntag bewegte er sich Vormittag- unter den Spaziergängern auf der WithelmSallce, ohne von irgend Iemanvcn erkannt zu werden. Herr v. GierS be endet sich bereit- in einem Alter — er zählt über 7l Jahre —, in welchem sich der Mensch nach Ruhe zu ebnen pflegt, und da auch bei ibm, wie schon seine etwa- gebückte Haltung verräth, die Jahre sich immer mehr fühlbar machen, so wird man immerhin mit einem in nicht ferner Zeit eintrctenden Wechsel in der seit bald lO Jahren in de» Händen deS Herrn von GierS ruhenden Leitung der aus wärtigen Politik Rußland- zu rechnen haben. Herr v. Gier- gebraucht hier, nachdem er in Italien keine volle Genesung von seinem körperlichen Leiden gefunden, die Massagceur bei Or. Mezger, der gleichzeitig die Gemahlin de- Ministers behandelt, die täglich in einem Krankcnwägetchcn zu dem berühmten Masseur gefahren wird. Frau von GierS weilte schon öfter zur Cur hier und wohnte regelmäßig in der in der unmittelbaren Nähe deS CurhauseS gelegenen „Park-Villa", i» der nun auch ihr Gatte mit ihr Wohnung genommen bat. Mit den Eltern weilt der jüngste Sohn und eine Tochter hier, die säst allabendlich das königliche Theater besuchen. Ter bereit- zu Enke voriger Woche aus Paris erwartete ältere Sohn, Legationö-^ecretair Staatsralb von GierS, ist bis heute nock nicht hier cingetroffcn. Daß während des hiesigen AuscntkattcS deS Ministers, trotzdem derselbe sich in Urlaub befindet, politische Fragen nickt ganz unberührt geblieben sind, gebt aus dem hiesigen Aufenthalt des russischen (gesandten in der Schweiz, Herrn v. Haniburgcr, des Attaches der russischen Botschaft in Berlin, Kainmerhcrrn v. Lwoff, und des russischen Gesandten am württcmbergischen Hose, Baron FrederickS, hervor, welche Herren inzwischen sämintlich wieder von hier adgercist sind. Sonst nimmt der Minister hier keine Besuche entgegen. Der Einzige, der von ibm öfter empfangen wird, ist der fast jeden Abend bei ihm verweilende kiesige russische Propst Erzpricsier von Protopoposs, ein Herr auS fürstlichem Gcschlcchte, der aus innerem Herzens trieb den pricstcrlichcn Berns erwählt »nd unter Ausgabe seines fürstlichen Namens und Ranges den Namen von Pro- topopoff angenommen bat. Wie lange der Minister hier »och bleiben wird, ist noch nicht bestimmt »nd dürste hauptsächlich von den Fortschritten seiner hiesigen Cur abliänge». * Herr Eugen Richter hat in diesen Tagen in Gotha eine Gastrolle als VolkSredner gegeben. Der „Köln. Zlg." geht darüber folgender Bericht zu: Gotha, 2. November. Der Gcncralgewallige dcS Deutschs»! sinns, Herr Eugen Richter, hat den thüringischen Landen einen Bssuch gemacht. Am gaücigen Sonntag ließ er seine Getreuen i»i Schteßhaussactte Revue passiven »nd verwehte dann, den gesunkenen Manncomulk durch die bekannteste» seiner bekannten Redewendungen wieder auszufriichen. Was hat Herr Enge» Richter in Gotha gewollt? Die gläubigsten Gemüttier hosjle» aus eine Abrechnung mit dem widerhaarigen Bodenresornicr in Jena; sie erwartete», daß aus dem durch die Anwescnbeit deS großen Mannes erleuchteten Golba der Bannstrahl zncken sollte nach dein gcinnthlichcn Muscnßädtchen an der Saale. Andere hegte» andere Hoffnungen. Und wa.> bat Herr Eugen Richter seinen Liebe» und Getreuen aus Berlin mit gebracht? Tie fadeste» Genieinplätze, die abgedroschenste» Redens arten, die je ein deittschfreisinniger Agitator seinem Publicum z» bieten gewagt bat, und ats besondere Zugabe einige Pfessernnsie, welche den Haiwter» des hiesige» Freisinns schleckt belvinmcn werden. Das eine dieser Parteibaupter, Herr Rechtsanwalt E. A. Müller, bekannte sich tinst in Lemjelben Schießhausjaate zu den Grundiätze» der Harmening »nd Witisch, indem er bei einem von ihm an geregten, abcr völlig inißlnngrnen BerbrndernngSfeste zwischen Social- demokralen und Freisinnige» verkündete, diese Paeleien halten io viele Berührungspuncte miteinander, daß sie ein großes Stück Weges Zusammengehen konnten. Herr Fcodor Witisch aus Schmalkalden drückte sich nur anders aus, wenn er sagte, Laß er von 20 soeiai- demokratischen Forderungen 15 als die seinigen, als deulschsreisinnige anerkenne» müsse. Herr Enge» Richter Ist, so lange in Preußen zunächst Landtagswahten bevorstchen, ganz anderer Meinung. Nach seiner gestrigen Rede sollte man glauben, es könnte grundsätzlich keine größeren Gegensätze geben, ats sie zwischen der Leutich- sreisinnigen und der socialdeinokralischen Partei bestehe». Und darum kann auch der Freisinn nicht die Pvrsrucht der Social demokratie sein, sondern Fürst Bismarck dal das WachSlhum dieser uinstürzlerüchcn Partei verschuldet durch Anwendung von Peitsche und Zuckerbrod. Nichts sei schädlicher als das Zuckerbrod der S o c i a l r e s o r m, nichts verheißungsvoller und segens reicher als der Weg der Selbsthilfe, und um diese Be> Häuptling zu erhärten, wies Herr Richter aus die hiesigen Feuer und Lebensversicherungsbanken hin. Hätte der sreisinnigc Toctrinair uns lieber mitgetbeilt, wie er sich die Selbsthilfe etwa bei unser» bungcrnde» Gurtwcbern auf dem Walde vorslelll, die bei einer täg lichen Arbeitszeit von 14 bis 15 Stunden einen Woctienlohii von 5—7 .^i verdienen. Und dazu müssen noch Fron und Rinder mit- Helsen. Wenn Herr Richter behauptete, die sociale Rejormgeietz gebnng sei sowohl bei Arbeitnehmern wie bei Arbeitgeber» im böchilc» Grade unbeliebt, so wollen wir ihm dies in beschranktem Maße zu gegeben, wenn er abcr erklärt, daß die Zwecke der Versicherung durch diese Gesetze nur höchst mangetbait erreicht wurde», so sind wir weient- lich anderer Ansicht. Möge Herr Richter — im .Kopfrechnen ist er ja groß — nur einmal die Frage in Erwägung ziebe», wie viele unserer Arbeiter sich freiwillig gegen Rrankbeii, Unfall und Altersschwäche vcrsichcrn würden. Eine wahre Freude war es, den Führer der dculichsreisinnigen Partei aus teinein Sieckcnpscrbe, der Lebcns- mittetvert de »erring durch Schutzzölle und Verbrauchsabgaben, zu sehen. Aus der Rednerbühne Herr Richter das Flamiiieiischwert schwingend gegen agrarische» Eigennutz und siaatsmanniiche sturz- jich igkcit, und drunten im Saale die dcutschsreisinnigen Stadtverord neten, die ui» keinen Preis der Welt an der städtischen Fleis.hsieucr rütteln mögen. Natürlich spielte die Behauptung, daß nur die Groß- grundbejitzer von den Zöllen Boriheile hätten, wiederum eine große Rolle, und Herr Richter behauptete, in den Herzogtbümer» Evburg und Gotba gäbe es über 2«00>» Inndwirtbichaiilichc Betriebe, von denen >2 400 nicht mehr Land ats das bei der slaiisttschen Erhebung sesigeictzle Mindesimaß belaßen. Jeder Landwirth in den beiden Herzogtbümern batte Herrn Richter beule von der Unrichtigkeit der Behauptung, daß der kleine Grundbesitz keinen Vorlbeil von den Geireidezolle» Hobe, überfuhren können. Ter frühere Landwirih und jetzige Reichslag-abgeordnele inr Go:ha, Herr Zangeineißrr, dereinst als Landwirth und Vorsitzender eines großen landwirlhschoillichen Verein« ein eitriger Beiürwo:ter der Geireidezölle, heule Senator und deutschsreislN'iigcr Rornzoll-Paiilus, schwieg dazu. Wenigstens hatte er doch leinen Herrn und Meister belehre» tonnen, daß in jene» 12 400 nur dos Mindestmaß erreichendcn Lniitwiltlischaitcn die große Menge der stadttschen und in der Industrie ihatigen Ein wohner einbegriffen isi, die einen Obst- und Gemüiegarle» am Haute haben. Auch bei der Besprechung deS von der Regierung geplanten Triiiiksuchtsgeseyes ging er nicht ohne einige Hiebe auf die schnapsbrennenden Agrarier ob, dagegen geschab der Freunde des deutschsreisinnigen Tichier» Albert Traeqer, der Nordhauser Schnaps- brenner, keinerlei Erwähnung. Die scherz«, die Herr Richter bei dieser Gelegenheit machte, sind bereits Gemeingut größerer Kreise geworden. Auch die Septennatsivablcii von 1Ä7 mußten wieder herhallen »nd hierbei sprach der Redner das große Wort gelassen aus: „Wir bewilligen lautlos (I) große, sehr große Summen, Hunderie von Millionen siir das Heer." Diese Redewendung und tue rbelorische Frage: „Wo haben Sie jemals von mir eine Oppo- itionsrede gehört, wenn es sich darum handelie, solch» nolhwendige Ausgaben zu bewilligen!" waren die beide» besten, >a, die einzigeil Scherze i» Herrn Richter s langer Rede. Wa» möchte sich beinahe fragen, ob Herr Richter bisweilen im Banne des Somnambulis mus stehe. * Bei der stattgebabten Landtagsersatzwakl wurde im Kreise Ncucnburg (Württemberg) der Sägeiiiilhleubesitzcr Comiuerell (»atioualliheral) ciustiinmig, >mKreise Obern - dors der bisherige Abgeordnete Oberbau,alh von Leibkcrnd (nationaliberal) und im Kreise Oebringcn der Gutsbesitzer Haart mann (Demokrat) gegen den bisherigen nationab- liberalcu Abgeordneten Lcemann gewählt. * Im österreichischen Abgeordnetenhaus bczeichnete bei der Berathung des Budgets des Unterrichtsministeriums der UntcrrichtSministcr Ilr. Frbr. Gautsch v. Frankcnthurn, die Frauenfragc besprechend, cs als eine Aufgabe der Unlerricktsverwaltiing, die Franc» für die Erziehung ihrer eigenen Kinder zu erziehen. Der Minister erkannte wohl die Befähigung der Frauen für die Heilkunde betreffs ihres eigenen Geschlecktes an, bemerkte indessen, die Lösung dieser Frage liege nicht hauptsächlich im Ressort dev UnterrichtS- vcrwallung. * Vor >4 Tagen überreichte der Präsident dcS öster reichischen Obcrgcrichtshoscs. Schmerling, dem Kaiser aus GesundheilSrücksichten sein DciuissionSgcsuch, welches, wie ver lautet, auch angenoniincu werde» wnd; als sein Nachfolger ist Slrcmaner, Vicepräsideiit desselben Gerichtshofes, a!>S- crschen. Die Stelle Slreinaiier's bleibt offen. * Der König und die Königin von Dänemark sind in Scbastopol cingetrosfc». * Wie verlautet, hätte die französische Regierung den Entschluß aufgcgcbcn, vom Parlamente eine Ralisicirung dcS Vertrages mit den, Könige von Dahomey zu fordern. — Am Donnerstag wird fick eine Anzahl radicalcr Dc- putirtcr versammeln, um über eine Wiederherstellung der Gruppe der äußersten Linken zu hcratlic». Die gemäßigten Republikaner erklären angesichts dieser Eventualität, ihr Pro granil» laute: Stabilität oder Auslösung der siammcr. * Der England feindliche Ebaratlcr der franzö sischen Politik inanifcstirt sich in demselben Maße nn- gescheuter, als die Beziehungen der Republik zu Rußland sich z» verengern scheinen. Eben jetzt, wo die Echos der aint- tichcn und außeramtlichcn Russenseier im Hafen von Brest »och kaum verklungen sind, mcbre» üü, die französischen Preßslimmcn, welche daran; dringen, das; man de» Engländern, die überall aus dem Erdenrund den Ziile>etten der Republik cntgcgcnarbeilctcn, cutschlosse» und nachkrmtlich dicZähuc zeige. Der Lärm, der iu England neuerdings wegen des vertrags widrigen Ausbaues von Bi'crta zu einem französischen Kriegs- Hase» an der tunesische:! .Küste geschlagen wird, hat iu Paris osscnbar stark verschnupft, nickt minder die Entschiedenheit, womit alle Versuche der srauzösischcn Staaislunst zurück- gcwicsen werde», de» Engländern die Bestimmung eine- cliez ml <>uoin ihrer cgvptischcii Oecupatioiispoliiik zu entlocke». Soweit nur curoväische oder solche Dinge in Frage komme», welche, wie die Mittclnieerangelcgenheitcn, in uiimittelbarem Zusamnicnbangc »iit der europäischen iulernationale» Politik stehen, bleiben die englischen Antipathie» Frankreichs vor länfijz ohne Folge. Denn da die Republik siel, jeder auS wärtigcn Initiative zu Gunsten ihre- russischen Ver bündeten begeben hat, so bleibt il,r eben mir Übrist- die Entwickelung der Dinge in Geduld abzuwarten, wie schwer das auch dem französische» EhauviiiismuS falle» mag. Um so eifriger beobachtet mau die entlegeneren Gegenden dcS Erdballes, namenllick Asien, wo Rußlands Machtstellung de» Engländern tagtäglich »nbequemer wird, und wo Frankreich ebenfalls Interessen wabrzniichmen oder auch, ebenfalls ml mnjni'om »Iimim» des russischen Bündnisses, prciSzngebcn bat Ein solcher Pnnct ist z B. Eliina. Das ossenlunkigc Werben Rußlands »in die chinesische Freundschaft scheint auch in den französischen Anschauungen von der chinesischen Frage eine Umwälzung hervorzurnse», welche auf daS Preisgeben der bisherigen VcrhaUnngolinie und Ab- schwenken von der bisherigen Gcmcinschast mit den übrigen Mächten zu den Russen deutet. * Die bekannte Madame Adam in Paris scheint dcsiniliv zu der Einsicht gelangt zu sein, daß etwaige Liebens würdigkeiten, die sic nock anszilbicten Kälte, bei ihren Lands leuten nicht mehr verfangen würde»; sic versucht cö jetzt, um den Ruf einer interessante» Frau zu rette», mir dem Gcgcn- tbcil. Sie möchte den sranzösischcn Politikern Nachweise», das; sic arge Gimpel seien. Hat dock kürzlich eine ebenso rablrcichc als bistingiiirle Versammlung, in welcher die Regierung der Republik mit niclircrcn ihrer Mitglieder vertreten war, dem Bürgermeister von Brüssel lauten Beifall gespendet, als er sich vo» hoher Stelle ermächtigt erklärte, alles Gerede von einem geheimen Vertrag zwischen Belgien und Deutschland als tköriihtc Er findung zu bezeichnen. Und Herr von Frclicinct selbst er widerte in Worten, welche die vollste Zustimmung zu den Worten dcS Bürgermeisters voranssctzcn ließen. Tic reifere Weisheit der Frau 'Adam nnii blickt tiefer ats die gcsaminlc T iploinatie. Im letzten Heft ihrer ..VulvIIo liovnv" erklärt die Vertraute verschiedener Erbincte, allen Ablcugnittige» z»m Trotz eristirc die Mi lila > rconvcn tiv» zwischen Belgien und Dculschlant dennoch. Ticselbe befände sich i» russischen Händen und die Bcrösscniliämiig res Teiles sei demnächst zu erwarten. Frau Adam rechnet offenbar darauf, daß Herr v. Gicrs nicht so ungalant sein werde, eine so — schöne Dame Lügen zu strafen. ' AnS Rom wird geschrieben: Die Leser werden sich deS große» Lärms erinnern, welcher im verflossenen März erhoben wurde anläßlich der Entdeckung vo» mancherlei Verbrechen, die i» Msassauah sollten begangen worden fein. Die öffent liche Meinung, von den Gegnern der eoloiiialciiUnternehmungen aufgeregt, erhitzt sich dermaßen, daß sic das gegenwärtige Ministe rium, da« damals erst seit wenigen Tagen ans Ruder gekommen
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