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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920206025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892020602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892020602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-06
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Dem Ent wurf eines Gesetzes für Elsaß-Lothringen über die KreiS- straßen wurde die Zustimmung ertheilt. Bon der vorgelegten llebersicht der Geschäfte beS Reichsgerichts i», Jahre 180l uahni tie Versaminlung Keiuilniß. Endlich wurde noch die Wahl zweier Mitglieder der DiSciplinarkammer für elsaß- lothringische Beamte und Lehrer in Metz vorgenommen. * A»S Berlin wird der „Allgemeinen Zeitung" ge schrieben: Durch die in den letzten Tagen hin und her gegangenen Verhandlungen ist unsere innerpolitischc Lage lciiieSwegö klarer geworden. Sicher dürste »ur das Eine stin, daß in RegicrungSkrciseii die ernstesten Bedenken vor igen, von der Macht Gebrauch zu machen, über welche Graf Zedlitz durch die ibm absolut sichere Majorität von (konservativen und Eentrum im Abgeordnetenhaus,: verfügt. Will die Regierung das Gesetz durchsetzen, so kann sie es baden, und zwar sehr bald baden. Es ist aber der Eindruck gewonnen, daß sich über die Erregung der dem Gesetz opponirendcn Kreise doch nicht so ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen läßt. Der Druck der öffentlichen Meinung, die mit so ungewöhnlicher Nachhaltig leit ausgetreten ist, bat die Differenz der Stimmenzaklen rechts und links ausgeglichen und die Nothwendigkeit hervor- gerufen, einen Ausweg zu suchen, der dieser Stimmung Rechnung trägt. Gesunden hat ihn aber zur Stunde noch Niemand, und die Verhandlungen, die bisher zwischen der Regierung und einzelnen Parlamentariern geführt worden lind, haben die Sache nicht weiter gefördert. Auch ist Wohl die Auswahl keine glückliche gewesen; die Herren von Hell- torss und von Mantenssel baden den Einfluß nicht, .der ilinen beigemessen wird, und auch daS ist sehr fraglich, ob die Verhandlungen mit Herrn von Bennigsen zum Ziele sichren können. Gewiß wurde der Umstand, daß Herr v. Bennigsen zum parlamentarischen Diner zum Reichskanzler geladen wurde, als ein erfreuliches Zeichen der versöhnlichen Ltiuimung der Regierung empfunden. Kaiser Wilhelm bat dem Führer der nationalliberalen Partei die Ehre einer Unterredung von 20 Minuten Dauer gewährt, über deren Inhalt zwar nichts Sicheres bekannt ist, die aber ganz be stimmt die Haltung der Nationalliberaien in der Volksfchul- gesetzsrage betroffen hat. Run scheint uns »ur dreierlei mög lich zu sein: entweder ist Herr v. Bennigsen von Sr. Majestät dafür gewonnen worden, de» Entwurf in einer den Eonsc»- vativen und dem Eentrum genehmen Fassung zu befür worten, oder Herr v. Bennigsen hat durch seine Darlegung den Kaiser davon überzeugt, von der jetzige» Fassung deö Ge setzes abzustcbcn, oder endlich, eine Verständigung erwies sich als nicht zu erreichen. Trifft der erste dieser drei Fälle zu, so ist der Boribeil ein ephemerer, denn Herr v. Bennigsen steht dann als Einzelner da, weil seine Partei sich sofort von ihm trennen würde. Im zweiten Fall wäre die Stellung des CultuSmiiiislers so arg erschüttert, daß sie sich nicht be haupten ließe (?), im dritten endlich »ach beiden Seiten der vorhandene Gegensatz noch verschärft. Die Schwierigkeit liegt eben in der fast unlösbaren Aufgabe, die Stimmen von Eentrum, Eonservativen und Nationalliberalen für diese« Gesetz zu vereinigen. Sobald die Regierung sich entschließt, einen der beiden letzten Factorcn prciSzugcbcn, läßt daS Gesetz sich erzwingen. Die Gegnerschaft einer großen Partei aber ist dann unvermeidlich. * Als die hauptsächliche Hilfskraft des Grafen Zedlitz bei der Ausarbeitung des neuen Volksschulgesetz entwurfs wird der erst vor Kurzem aus dem Eonsistorium in Eassel in daS Unterrichtsministerium als UntcrstaatSsecrctair berufene bochconservativ-oribodoxe frühere ReichSIagSabgeord- nete Weyrauch bezeichnet. Der Ministerialdirector im EultNS- ministcrium I)r. Kuegter, welcher de» Goßlcr'schen Entwurf vertrat, soll an der ÄuSarbcitung de« neuen Entwurfs nickt bclbciligt sein. Außerdem wird als Hauptmilarbeiter an dem neuen Entwurf der Vortragende Rath Di Stander be zeichnet, früher Gymnasialdirector in Emmerich und zeitweilig freiconscrvativer Abgeordneter. Kncgler war von Goßler zum llnterstaatSsecretair bestimmt, konnte aber in Folge des Vetos der EcntrumSparlei zu dieser Stelle nicht in Vorschlag ge bracht werden. * Eine recht eigenthümlichc Stellung nehmen die Social- dcmok raten zu dem Volksschulgesctzentwurf ein. Ihre Blätter haben sür die Bewegung des Widerstandes, die durch daS liberale Bürgerlhnm gebt, nichts als Holm und Spott; mit einer wahren Flutb grober Beschimpfungen und Verdächtigungen wird die nationaltiberale ebensowohl wie die dcukschsreisinnige Partei in der socialtemokratischen Presse be handelt, weil sic den reactionaircn Bestrebungen aus dem Gebiet der Scknle entgegcntritl. Woher diese eigenthümlichc Haltung? Sccialdeniokratische Blätter sprechen cs unveryohlen aus, daß ein solches Schulgesetz nur ihrer Partei zu Gute kommen würde. Je mehr sich die BolkSerziebung in Widerspruch mit dem Geist der Zeit und den Anschauungen deö lebenden Geschlecht« setzt, um so mehr werde» gerade die zerstörenden und ver neinende» Elemente Nahrung daran« ziehen. DaS ist die Rech nung der Socialtemokratcn, und wir möchten ihr keineswegs jede Berechtigung ahsprecken. Wenn conservative und klerikale Blätter von einem vereinten Ansturm tcS Liberalismus und der Socialtemokratie gegen das Volksschulgcsetz reden, so ist dieö eine vollkommene Entstellung. Die Svcialteinolrateii fallen vielmehr auch hier wieder dem Liberalismus in den Rücken und leisten »baisächlich der Reaclion Vorschub, wie sie es noch immer und überall getban haben. * Die Volksschulgesetzcommission de« preußischen Abgeordnetenhauses wirb ihre Arbeiten am nächsten Montag Vormittag >(.,1l Uhr beginne». Es ist zunächst eine General tcbattc in Aussicht genommen. Die Plenarsitzung fällt an diesem Tage aus. * Ta die Provinz Pommern immer noch als eine Hoch burg der Eonservativen betrachtet wird, so ist es »m so bcmerkenöwerlher, daß die Bevölkerung zu dem Volks sch ul- gesctzentwurf eine ablehnende Stellung einnimmt. AuS allen Thcilen der Provinz werten Kundgebungen gegen das Gesetz gemeldet, selbst Hintcrpommcrn macht davon keine Ausnahme. Von Stettin aus ist eine Petition gegen daS Gesetz an den Landtag abgesandt und in verschiedenen Städten der Provinz werden gleiche Eingabe» vorbereitet. Die größte Besorgnis; hat das Gesetz jedoch in Westprcuße» hervor gerufen und gerate die katholischen Lehrer Ibeilcn sie, da sic fürchten, der polnischen Geistlichkeit überliefert zu werden, die schon jetzt bemüht ist, tie freien Lebrervcrcinc zu unterdrücken. Nickt ganz unberechtigt scheint die Be fürchtung, die in einem Bericht von dort ausgesprochen wird: Die Tentschwcrdung der Provinz Wcstpreuße» dürste durch Uebergabc der Vollsschnle an tie polnische Geistlichkeit min- dcstcuö zum Stillstand komme», denn „katholisch" »st bei uns gleichbedeutend mit „polnisch". * Der preußische LandtagSabacorkiiele Professor Ennec- cerus hat den Titel Geheimer Iustizrath erhalte». * Tem Reichstag, welcher noch vor Ostern geschlossen werden soll, wird bis dahin voraussichtlich daS Trunk sucktSgescy nickt mehr zur Bcratkung zugehcn. * In Dirschau tagte gestern eine Versammlung von etwa 400 west preußischen Landwirlhen unter dem Vorsitze de« Abgeordneten v. Putlkamcr ans Plautb. Der Zweck der Versammlung war die Eonstituirung eine« Vereins zur einheitlichen und energischen Vertretung der materiellen Interessen Wcstprenßciis namentlich auch im Landtage. Ter Vorsitzende eröffnclc die Versammlung mit einem Hoch auf Sc. Majestät den Kaiser, in welches die Anwesenden be geistert cinstiinmteii. Es wurde dann ein vom Vorsitzenden entworfenes Statut eines zu bcgründcnten wcstpreußischcn WahlvercinS angenommen. Die Anwesenden erklärten ihren Beitritt zu demselben. * Im Reichstag hat sich gestern wieder die Beschluß- Unfähigkeit herauögeftellt. Es gab überhaupt in dieser ganze» SessiouSperiotc notorisch noch kein Dutzend Sitzungen, wo die Versammlung tbatsächlich beschlußfähig gewesen wäre. Es liegt hier ein öffentlicher, das Ansehen des Eonstiliilionalis nuis tief schädigender Mißstand vor, der nachgerade dringend nach Abhilse ruft. * Von nationaltiberalcr Seite (l)r. Pieschcl) ist folgender Antrag aus Erlaß eines Gesetzes, betreffend Aufführung der justisicirenden EadinetsordrcS in den Bemerkungen des Rechnungshofes des Deutschen Reiches zu den allgemeinen Rechnungen über den ReichühauSbalt eingedruckt: Einziger Paragraph. Die justisicirenden EabinetSordrcS sind sämmttich in den Bemerkungen de« Rcchnungöhofcö des Deutschen Reiches zu den allgemeinen Rechnungen über den Reichö- banskalt derart aufzunehine», daß sic in denselben als solche kenntlich gemacht werden. * Es ist bereits gemeldet worden, daß in Folge der FuSangel'sche» Angaben gegen eine Anzahl Beamte und I Arbeiter des Bochumer Vereins Anklage wegen der Sckicnenflickerei en resp. Spcmpclfälschuitgen er hoben ist, gegen Geh. Eommcrzienrath Baarc jedoch nickt. Was diesen betrifft, so berichtete Herr FnSangcl i» seiner „Wcstsäl. VolkSztg.", der Staatsanwalt habe ihm initgetbcilk, eS sei ermittelt worden, daß Herr Baarc um Stempel iälschungcn gewußt, die bctr. Fälle seien jedoch verjährt. Gleichzeitig veröffentlichte er allerlei Einzelheiten aus dem angeblichen Belastungs-Material gegen Ingenieure und Arbeiter. Diese Nummer des FuSangel'sche» Blatte« ist mit Beschlag belegt, später aber wieder freigegebcn worden. Wir unterlasse» tc» Abdruck der Angaben, sür die lediglich Herr FnSangcl cinstebt. Die gerichtliche Verhandlung muß demnächst authentischen Anssckliiß ertbcilen. * AuS München wird gemeldet: Abgeordneter Frei herr von Stauffenbcrg hat sich in Folge Falles eine starke Fußvcrlctzung zugezogcn — 0 Untcrofficicrc deö Leib- RegimentS wurden wegen übler Behandlung der Soldaten entlasse». * lieber eine badische nationallibcrale Protestvcrsamm- lnng wird berichtet: Karlsruhe, 5. Februar. In der gestrigen Generalversammlung der iialionaUiberalcn Partei kam die in der Bevölkerung herrschende Erregung über die Haltung der Berliner Regierung in schärfster Weise zum Ausdruck. Mehrere Abgeordnete sprachen energisch gegen die neue Aera in Berlin, die durch den uttranwnlaii-reaclionaireii VolkSschul- gesetzenlwlirs gekennzeichnet werde, und prvlcslirten unter lcbhustesler all- seitigster Zustimmung der aus mehreren hundert Köpie» hestchcndcn Berjainniluiig gegen die Berunglinipsung der badischen liberalen Gesetzgebung und Regierung durch den preußischen EultuSminisler. Spater wurde ein Telegramm an den Abg. Friedberg adgcsandl. » * * Der italienische Senat genehmigte den Gesetzentwurf, betreffend die fiteicommissarischen Galerien * Der Proccß gegen tie in Mailand verhafteten Anarchisten bat bereits im beschleunigten Verfahren be gonnen. In dem Proecsse gegen die Mai Vcrhgstelcn wurde der dcntsch-socialistischc Student Körner verhört; derselbe bestritt jede ungesetzliche That. * Die Wahl eine« neuen Icsniten-Gcncrals ist »unmehr sür den Monat Mai im deutsch-ungarischen EvUcglum festgesetzt. In der Versammlung wird der iiitckimistischc fp—ilsche Gencralvicar Pater Marlin den Vorsitz führen. Alle .10 Provinzen des Ordens werden den Provinzial und zwei Rectoren entsenden. Tic Wahl erfolgt mit absoluter Majorität. * Vier Anarchisten, welche wegen Tbeilnaliuic an den im Januar bei TereS slattgchablen Unruhen zum Tode verurth eilt worden sind, sollen demnächst bingcrichtet werden. * Die portugiesische Deputirtenkammer lehnte cs fast einstimmig ab, in eine Bcrattmng über den Antrag Tereira's, betreffend den Verkauf der Eolonicn, cinzutrclen. * Einer Meldung der „Köln. Ztg." ans Petersburg zufolge hätte die Verlobung der ällciien Tochter des Zaren mit dem Großfürsten Alexander Michailowilsch im engsten Familienkreise slattgefunde». Die Verbindung werde jedoch wegen Famiiicntrauer und großer Jugend der Braut binaus- geschobcn. * lieber den Notbstand in Rußland sind schon viele Schilderungen veröffentlicht worden, daö Elend ist ein aller Beschreibung spottende«, die osficicllen Hilfeleistungen, so Feuilletsi,. Die schöne polyrena von Freiberg. 7j Historische Novelle von Adolf Lippold. NaSdmil versoien. (Schluß.) Ter Weber eilte davon, die beiden Stattknechte nahmen die Hellebarden und besetzten den Tborauögang, dessen Haupt- tbor der Thorhüler sorgsältig verschloß. Er batte dieö kaum gelhan, aiS fünf Reiter unten in die PcterSstraße einbogen und auf daS Thor zurittcn. Der Erste von ihnen, welcher voraus ritt, gewahrte die .Knechte, welche ihre Hellebarde» senkten, und da« verschlossene Tkor. „WaS soll daS bedeuten?" rief er überrascht, „noch ist nicht die Zeit des TbrrschiusscS, warum ist dasselbe ver schlossen und was soll Euer Thun?" „Laßt zuvörderst festen, wer Ihr seid!" antwortete der Tborhüler, es geht dcrö Gerückt, daß Helfer der infamen Mörderin dieselbe befreien »volle». Die Scharwacke wird gleich hier sein, also nennt Eure Naiiien und zeigt Eure Ge sichter, sonst bleibt das Thor verschlossen." Wie um der Aufforderung Folge zu leisten, sprang der erste Verhüllte aus dem Sattei und trat an den Thorhüler heran, der noch dev Schlüssel in der Rechten trug. „Ich will Euch sagen, wer wir sind", sagte er, „aber Euch allein — die Knechte brauchen eS nicht zu wissen." Ter Hüter beugte ihm neugierig sein Haupt entgegen, empfing aber in diesem Augenblicke einen so furchtbaren Stoß aus leinen stattlichen Bauch, daß er, während ibm der Schlagende tie Schlüssel gewandt entriß, wie ein Sack hintenüber siet und aus die Straße rollte. Zugleich drangen drei der Reiter auf tie Stadlkneckte ein, indem sie die Hellebarden der Uebrr- rasckten mit ihren langen Degen bei Seite stießen und so auf die Beiden eiahieben, daß dieselben das Thor freigaben und m daS HauS rrtirirten Sckncll schob nun der erste Angreifer den Schlüssel in daö Schloß, aber während er sich abniühte, den verrosteten Schlüssel kerumzudreheu, »able im Lauf schritt die über zwanzig Mann starke Scharwache, und ein wilder Kamps begann Endlich sprang Vas Thor aus, Georg ergriff Polvxena'S Pferd am Zügel und spornte sein Roß an, un» da« Tdor zu erreichen, da eilte aus dem Thor- hau- der eine der vorher geflohenen Knechte heraus uud stieß Georg die Hellebarde tief in die Seile, so daß derselbe schwer verwundet vom Pferde sank Mit einem Schrei des Schreckens sprang Polyxena auS dem Sottet, nickt darauf achtend, daß fick dabei ibr Haar löste, um Georg bcizustehe». Da ergriff sie der Anführer der Scharwachc, heute ein Obermeister der Fleischerzunft, bei > ihrem langen Haar, und sic an demselben zurückziebend, schleuderte er sie in die Hände seiner Untergebenen, welche Polyxena, ebenso wie den alten Claus, der ihr zu Hilfe eilte, sofort fesselten. Günther aber, als er sab, wie durch Polyxena'S Gefangen- nehmung die Anfiiicrksamkeit etwas von Georg, den man ohnehin sür todt hielt, abgelenkt wurde, ergriff mit starkem Arme den Körper desselben, legte ihn aus ein Roß und ge wann. fick hinter den Körper Georg'S ausschwingent, nebst dem iiiitftichcnbe» Schließer, indem sie wacker rechts und links Hiebe auSthciltrn, glücklich Thor und Landstraße, aus der sie im Galopp davoiijagten. Viele auS der Wache waren, z»»i Tbcil sogar schwer, verwundet worden »nd zornig trieben die klebrigen die leiden Gefangene» vor sich her, bis sic da« Gcsängniß erreichten Diesmal war Polyxena wirklich verzweifelt, und als sie sich auf ihrem Lager bin und her warf, rauste sic sick da« schöne Haar aus, soweit cö ihre gefesselten Hände znließeii, stieß sich mit dem Kopse gegen die Karten Mauern, vergeblich den Tod herbeiwünschend und ihn suchend, bis tiefe Bewußtlosig keit ihre Sinne gefangen nahm und das wiltpochendc Herz wenigstens momentan zur Ruhe brachte. e- * » Am 8. September dcS Jahres 1522 lagerte eine Unmasse, zum Theil aus weiter Ferne herheigekoinmenen Volkes aller Stände bei dem Dörslcin Schirma bei Freiberg und immer neue Sckaaren strebten dem Orte zu. Zwischen dem Dörflein und der Stadt befand sich aus einer Anhöhe daS Hochgericht nebst tem Galgen, und bereits gestern waren die Meister und Gesellen teS ZimmergewerkeS aus Freiberg mit Musik und in festlicher Kleidung au-gerückl, uni taS Schaffet zu erbauen, auf welchem beute gegen Mittag die schone Polyrena, dem Spruche deö Gerichte« gemäß, erst enthauptet und kann aus das Rad geflochten werden sollte. Die Be stätigung des Unheils durch de» Herzog war gestern angclangt und sofort hatten die Zimmerer die Arbeit begonnen und vollendet. Nach gethaner Arbeit war das Gewerk wieder ehrlich gesprochen worden: „i»aaßcn Niemand berechtigt sein sollte, dem Gewerk ob der Arbeit etwa« vorzuwerfen oder dasselbe diescrhalb in Unehre zu bringen" u. s. w., und war wieder mit klingendem Spiele in die Stadt gerückt, wo selbst aus der Herberge ein Freitrunk ihrer karrte. „Wer hätte eS wohl vor noch nickt drei Monaten denken sollen, als die Hochzeit de- PaarcS so stattlich gefeiert wurde, daß die Beiden ein solches Ende nehmen würden", sagte ein Bürger, in, Kreise der Seinen und verschiedener Nachbarn auf dem Nasen de« dicht beim Schaffet liegenden Feldraines rastend und in Erwartung teS kommenden Schauspieles ein ivohibelegteS Bultcrbrod verzehrend. „Tu lieber Gott", siel seine Ebebälste bedauernd ein, „und dabei ist das arnie Ding kaum siebzehn Jahre!" „Ach was", eiferte ibr Ebeberr, „eine Verstockte ist »nd bleibt sie. Hat sie nicht tie ärgste peinliche Befragung, sogar den vierten Grad der Folter, die StrccUcitcr, auf der doch sogar der alte Claus gestorben ist, anSgehaltcn, ohne zu sage», wer ibr Befreier a»S dem Gcsängniß gewesen ist und wer sie zu ihrer That verführt bat, oder ob sie gar mit dem Teufel Umgang gehabt bat, weil sie zwei volle Tage a»S dem Hause verschwunden unk dann trotz der Schilbwacke und Lcichcnwächter plötzlich wieder zu Hause gesunden wurde?" „So ist der alte ElauS auch gefoltert worden?" „Freilich — aber er hat ebenfalls nichts gestanden, bei der Leiter solle» sie ihm die Halswirbel auSgerenkt haben, so daß er auf einmal gestorben ist." „Dies wäre auch für Polyxena das Beste gewesen, doch sebt — wie dort die Buben rennen — gewiß kommt schon der Zug mit der Delinquentin." Es war i» der That so, der Zug in dein ganzen grau sigen Eercmoniell der damaligen Zeit nahte heran. Er batte schon die Landstraße verlassen und kam jetzt dicht an der Gruppe der vorgenannten Sprecher vorüber. Das allgemeine Interesse concentrirtc sich natürlich aus Polyxena. Sie saß, daS schöne Angesicht ruhig, fast beiter der Gegend link« zugewcndet, von wo die Spitzen des Erzgebirges kcrüberleuchteten; den Zuspruch der beiden reckt« und links von ibr sitzenden Patres hörte sie freundlich und dankbar mit an und küßte gehorsam daS ihr wiederholt gereichte Bild des Erlösers. Beim Schaffet angekommen, mußte man sie vom Wagen herunter beben »nd die wenige» Stufen teS enteren hinauf tragen, da durch die Folter die Sebnen ihrer Beine zerrissen waren. Ruhig saß sic auf dem vrrbängnißvollen Stuhl. „Wird auch mein Haar kurz genug geschnitten sein, damit Ihr Euer Werk ohne Hinderniß verrichten könnt?" fragte sie freundlich den an sie yerantrctcnden Henker. „Gewiß — liebe Fra» —" antwortete derselbe. „Ihr wollet mir nickt zürnen, daß ich thne, waS meines Gewerkes ist. Und so Ihr Euch sein säuberlich und ruhig verkalket, so wird eS schnell vollbracht sein." „Ick zürne Euch nickt, sondern danke Euch; lebt Wohl und thut »ach Eurer Verordnung, Meister!" Mit sestcr Hand schob ihr der Henker daS Tuck über die Augen, dann trat er etwas zurück, das Schwert blitzte in der Sonne, und im nächsten Augenblick rollte daS Haupt Polyrena'« auf das Schaffet. Ter Leichnam ward entkleidet und aus da« Rad geflochten, daS wachsbleiche, noch immer schöne Haupt oberhalb des RabeS auf eine eiserne Spitze gesteckt. Da« war daS Ende der schönen Polyxena. Die Stunden flohen dabin und der Abend nabte, heran, da« Volk hatte sich, nachdem seine Ne»giertc gestillt j war, verlaufen und einsam still lag die Richtstätte, schon umschwärmt von Raben und Doblcn, seitwärts der Land straße mitten im Felde. Die scheidende Sonne sandte eben ihre letzten Strahlen auf daS blutige Gerüst, als auS dem nahen Gehölz langsam ein einzelner Mann in der Haus- tracht reisiger Knechte herankam. Es war der alte Günther. Schmerzlich betrachtete er die blutigen Ucbcrreste de« jungen Weibes, bann zog er eine kleine Schecre aus seinem WainmS »nb schnitt, das Blutgerüst nicht ohne Schauer erkletternd, eine Locke von dem noch immer reichlichen Haar des aus gesteckten Kopses. Einige Minuten später war er wieder im Walte verschwunden, und nur die Raubvögel umkreisten noch die unheimliche Stätte. * * * Junker Georg lag während des zuletzt Berichteten in wilden Fieber Phantasien Monate lang aus dem Schmerzen« lager im Hause seines Vaters zu Brand, wohin ibn Günther und der Schließer gebracht hatten, »nd aus den Reden seines Sohnes während des Wundsicberö crrieth Herr von Lauen stein daS Geschehene zur Genüge. Auch dem Arzt konnte dasselbe natürlich nicht verborge» bleiben, doch war derselbe ei» alter bewährter Freund der Familie und bewahrte tiefes Schweigen über seine Beobachtungen. Endlich siezte die kräslsize Natur deS Junkers über die furchtbare Wunde, und als daS Frühjahr herannabte, erstand er zur Freude seuies BalerS genesen von seincm Lager. Aber wenn Herr von Lanenstein geglaubt und gehofft hatte, Georg »verde nun zur Stütze seines AlterS zu Hause bleiben und von seinem Vorhaben, gegen die Türken zu ziehen, abslehen, so täuschte er sich, denn eifriger als zuvor betrieb sein Sobn seine Abreise, und gegen da« Ende des Monats März 1521 nahm er zärt lichen Abschied von seinem Vater und ritt, von Günther, HanS und einigen anderen Knechten begleitet, dem Gebirge u, ui» sich gen Wien zu begeben und allda seine Dienste der edrohten apostolischen Majestät anznbieten. Am Abend des ersten TagcmarschcS aber übergab der treue Günther seinem junge» Herrn eine kleine kupferne Kapsel, welche LaS Haar Pvlnrcna s enthielt. Georg küßte unter beißen Thronen daS kleine Hciligthum und barg eS an einer Schnur auf seinem Herzen. » Als einige Jahre darauf Sultan Soliman» Wien belagerte, machten die Belagerte» eine« Tage« einen heftigen Ausfall. Ein wütbender k^anipf entbrannte, der mit der endlichen Zurückwerfiing der Belagerten endigte HaufenweiS lagen die Leichen auf rem Kampfplatz unk unter den Grsallenen befand sick auch der herzoglich sächsische Hauplman» Georg von Lauenstem , Uber der Leiche seines Herren aber lag, bis in den Tod getreu, von den Hieben der Türken fast zur Unkenntlichkeit entstellt, der Leichnam deS getreuen Günther.
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