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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920216026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892021602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-16
- Monat1892-02
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Wedell, der baverische BundeSbcvollmächtigte Gras Lerchenfeld, der sächsische PimteSbevollmLchtigle Graf Hobcnthal, Fürst Radolin, ker Ehes des MilitaircabinctS General v. Hahnkc, der (Ihef des Cwilcabincts v. Lucanus, der Unter-TtaatS- iecrctair v. Roltenburg, der Oberpräsitent v. Bennigsen, Ministerialdirector v. Boeltichcr, Geh. Rath Werniuth, Krupp »nd der Schwager deö Gastgebers Assessor Berg, sowie felgende Mitglieder dcS Reichstags, Herren- und Abgeordneten hauses: v. Koller, v. Heeremann, v. Benda, v. Helldorf-Bedra, Gras Zielen-Schwerin, Gras Kleist-Schmenyin, BopeliuS, Graf Douglas. Prinz Arenberg, Frhr. v. Manteuffcl, Ober bürgermeister Boetticker, Stengel, Eberty, von KoscielSky, Frhr. r. Stumm, Frhr. v. Erffa, Gras Ballcstrem, Gras Clairon- dHaussonvillc und vr. Lieder. Sc. Majestät der Kaiser er schien in Begleitung seines Adjutanten Major v. Scholl um V Uhr und nachdem Sr. Majestät diejenige» Abgeordneten rorgeslellt worden, welche bisher nicht vorzestellt waren, be gann da- Diner. Se. Majestät der Kaiser saß zwischen ,,rau von Boctticher und dem Reichskanzler; gegenüber Sr. Majestät saß Minister von Boeltichcr, zu seiner Reckten Prinz Heinrich, zur Linken Herzog Ernst Günther. Kurz nach 7 Ubr war daS Diner beendet, worauf der Kaiser (sercle hielt und in ungezwungener Weise mit den einzelnen Herren conversirte. Das Hauplthema der Unterhaltung bildete Machst, wie die „B. P. N." mittheilen, die Ehicagoer Ausstellung, für welche Se. Majestät daS lebhafteste (Interesse bekundete, sich die Pläne und Abbildungen verlegen »nd erklären ließ. Eingehend erkundigte sich der Kaiser über die voraussichtliche Bethciligung der deutschen Industrie, über Beförderung der Ausstellungsgüter von der See nach dem AuSstellungSplatzc rc. Auch der Prinz Heinrich und Herzog Ernst Güntkcr zeigten lebhaftes Interesse für die Ausstellung, bängere Zeit unterhielt sich der Kaiser mit den Herren o'rrf' Lerchenfeld, Krupp und Freiherr von Stumm, dann wnrec Graf Clairon d'Haussouville und später Herr von KoscielSky durch eine längere Unterhaltung ausgezeichnet. Es bildeten Arbeiterfragen, die Lage der Industrie, Weitcransban der Handelsverträge, daS VolkSschulgesetz, die neuen Forde rungen für die Marine weitere Themata der Unterhaltung. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir annehmen, daß cS einem bereit- bei früherer Gelegenheit geäußerten Wunsche Sr Majestät deS Kaiser« entspricht, wenn über den Inhalt der Gespräche nichts verlautbart. Bis gegen ',»12 Uhr ver blieb der Allerhöchste Herr, welcher in heiterster Stimmung war, in der Gesellschaft. * Der preußische Kriegsminister, Gcnerallicntenant roi, Kaltenborn - Stachau , ist nach mehrwöchiger Kranlbeit jetzt soweit wieder bcraestellt, daß er sich aus etwa eier Wochen zur Nachcur nach Wiesbaden begeben konnte. * Wie die „Kreuz-Zeitung" wissen will, bat der Kaiser ter im Reichsjustizamt tagenden Eom Mission für Aus arbeitung des bürgerlichen Gesetzbuches miigethrilt, daß er an einer Sitzung theilzunehmen gedenke. * Zu einem parlamentarischen Essen, welches am 17. Februar unter Thcilnatnnc deS Kaisers bei dem Reichs kanzler Graf Eaprivi stattsinden wird, sind, wie wir hören, aus dem Abgeordnelcnhause vorzugsweise Mitglieder der Schulgcscycommission, darunter auch die national- liberalen, geladen. * Dem Berncbmcn nach dürste sich der Bundesrath dem nächst mit einem Anträge zu beschäftigen babe», welcher sich aus die ÄussübrungSvorschriften zu dem Gesetze, betreffend die Erhebung von Rcickssrempelabgaben, bcziekt. ES ist nämlich in letzter Zeit vielfach vorgekoiniiien, daß Ver anstalter von Vollsconecrten oder äbnlichen Vergnügungen hiermit eine Ausspielung verbinden und jedem Besucher entweder neben der Eintrittskarte ein Loos ohne be sonderes Entgelt oder eine looSartige Eintrittskarte ein bändigen. Es sind nun Zweifel darüber entstanden, ob in solchen Fällen eine Reichsstempclabgabe und in welchem Betrage zu erbeben sei. Ter Antrag beim Bundcsratbc be zweckt, diese Zweifel dahin zu belieben, daß, wenn auf den Loosen oder LpielauSweiseii ein Preis nicht angegeben ist. der Unternehmer in der bei der Steuerbehörde einzurcickenden Anmeldung anzugcben haben soll, welcher Tbeil von jenem Betrage auf die Loose oder Spielausweisc fällt. Ter auf die Loose oder TpielanSweise zu rechnende Betrag darf nicht geringer sein als der Werth der Gewinne. Wenn die Angabe von dem Unternehmer nickt oder nickt in befriedigender Weise gemacht wird, so soll cS der Steuerbebördc sreistehe», den aus die Loose oder Spiclcinlagen zu rechnenden Betrag nach eigenem Ermessen festzusetzen. * In der neueren Geschichte steht der Fall Baare wohl ohne Beispiel da: ein hochgeachteter Mann, dessen Verdienste alS Fabrikdirector vieler Tausende von Arbeiter» nm die zufriedene und gute Lage derselben, kessen Verdienste als Staatsbürger nm daS Gemeinwohl unbestritten und öffentlich bei den verschiedensten Gelegenheiten anerkannt sind, wird viele Monate hindurch von den infamsten Verdächtigungen verfolgt, die noch dazu von einem Mensche» auSgehcn, dessen Lieblingsbeschäftigung notorisch nicht erst seit gestern, sondern schon seit beinahe zwanzig Jahren die Ehrabsckneiderei bildet. Diese Ehrabschneidern wird von der »ltramontanen, demokratischen und socialdemokratischen Presse Herrn Baare gegenüber noch erweitert und ist jetzt sogar, wie wir gestern des Weiteren darlegen konnten, aus der Tribüne des Reichs tags betrieben worben, ohne daß eö Herrn Baare bisher möglich geworden ist, sich Schutz zu holen und zu finden gegen diese Ver leumdungen. sei eS, baß er Gelegenheit findet, dieselben vor Gericht zu kennzeichnen, sei eS, daß den Ehrabschneidern seitens der zuständigen Behörde daS Handwerk gelegt wird. Wir finden cs daher sehr begreiflich, wenn Herrn Geheimen Eonimerzicnratb Baare endlich die Geduld auögcbt. Wie derselbe der „Rb.-Wcsts. Ztg." mittheilt, hat er infolge der letztbin gegen ihn im Reichstage auSgcsprochclien Beschul digungen bei dem Herrn Iustizminister den Antrag gestellt, daß die Voruntersuchung schleunigst gegen ibn eröffnet werde, damit er in die Lage komme, den Verdächtigungen, denen er seit anderthalb Jahren fortwährend wehrlos auSgesetzl go wesen ist, wirksam entgegenzutreten. * Ueber daS BolkSschulgesetz und die politische Lage wird aus Berlin geschrieben: Tie Berathunq der Bolksschulgesetzvoriage i» der tLominission geht in Folge der vorhandenen Schwierigkeiten so langsam vorwärts, bah man in parlamentarische» Kreisen kaum an eine Behandlung der Borlage im Plenum vor Osler» glaubt. Ueber daS schließlich« Schicksal des Gesetzentwurfs läßt sich Besiimmtes nicht sagen. Die Optimisten unter den Parlamentariern glauben immer noch an eine gemeinsame Redaktion des GesetzeiilwiirsS durch de» größeren Theil der gemäßigte» Deutsch- Coniervalive», der Freiconiewaliven und der Nalionalliberalc», ui» so mehr, da es seslzuslehcn scheint, daß von Seilen der Regierungs- gewall keinerlei Truck aus die conservative Partei nach irgend einer Richtung hin auSgeübt werden sollf?)- Sicher ist, daß sich ei» sehr großer Tbeil der Dcutsch-llonjeroaliven durchaus nicht so erbaut von dem Gedanken der Schaffung eines BolksschulgesetzeS mit den Ultramo». tauen und gegen Freiconicrvative und Nattonalliberole fühlt, wie eS »ach den Erklärungen der „ttreuzzeitung" de» Anschein bat. Diese gemäßigle» conjervativen Elemente besitzen eben kein Organ, um wirksam gegen ein Ausaminengehe» mit dem Eentrum zu protestirrn. Bisher i>t die sogenannte Kreiizzeitungspartei in der Fractioir des Reichstages ganz ohnmächtig gewesen, es sieht aber fast so aus, als ob sie auch dort die Herrschaft a» sich reißen möchte. Kaum zu irgend einer Zeit hat die Partei vor einer folgenschwereren Entscheidung ge standen als heute im Landtage. Die nationalliberale Partei ist in den Grundanschauungcn'über den Entwurf zi»n Boitsschulgcsetz einig und nicht weniger ist cs die freiconservalive Partei; cs wird sich also darum haiidelu, nach welcher Seite hin die Teutsch-Conserva- tiven sich am Ende entscheiden. Im Ganze» ist die Stimmung i» parlamentarischen Kreise» zwar ruhiger, aber nicht eben lwssnungs- frcudiger geworden. Ter Entwurf zum BolkSschulgesetz liegt wie ein Alp auf den Gemiilbenl und Jedermann, der sich der Folgen klar bewußt ist, bangt vor der Entscheidung. * Die Petition der Berliner Universitär gegen daS BolkSschulgesetz babe» von 83 ordentlichen Professoren 6!» unterzeichnet, von 8 Tkeologen ti, darunter von der Goltz, Kleinert, Mitglied des EonsistoriumS; zu den Unterzeichnern gehörten auch von Treitschke und Schmolle». * Die „.Kreuzzeitnug" bleibt mit dem ihr eigenen Starrsinn bei ihrer Bebauptung, daß die Bewegung gegen das VolkSschulgesetz über Erwarten matt und nur ein künst liches Strokfeucr sei, während koch die massenhaftesten und wirkungsvollsten Kundgebungen ans allen politische» Rich tungen »nd Berufskrciscn längst nicht mebr vollständig registrier werken können, und andererseits die Zustimmungen zu dem Gesetzentwurf sich aus kleine Eirkel strenggläubiger evangelischer Pastoren beschränken. Mit Leuten, die nickt hören und sehe» wollen, ist freilich nicht weiter zu verhandeln. Wir wissen aber zuverlässig, so sagt die „Nationalliberale Eorrespondenz", daß an maßgebenderen Stellen, als es die Umgebung der „Kreuzzcitung" ist, die vielleicht unerwartete Macht des Widerspruchs, der sich gegen die Grundlagen dieses Entwurfs erhoben, in vollem Maße anerkannt und gewürdigt wird. Auck innerhalb der conservative» Partei herrscht keineswegs dieselbe Stimmung wie in der „Krruzztg.", welche die Augen schließt und dann Nichts erblickt. In der confer vativen Wählerschaft ist die Stimmung zum Mindesten eine sehr getl,eilte, wie mancher Abgeordnete bereits erfahren haben wird. Uno auch unlcr den Anhängern der Ecntrunis Partei herrscht keineswegs einmüthige Begeisterung Uber dies Gesetz. Bei dem Terrorismus, mit dem die leitenden Männer dieser Partei jede Opposition zu unterdrücke» wissen, dringen freilich aus diesem Lager nur selten Stimmen deö Widerspruchs in die Oeffentlichkeit. Gleichwohl ist cs, mag eS auch von ultramontancn Blättern bestritten werden, eine Thaisachc, daß selbst friedliebendere und wohlmeinendere deutsche Bischöfe aus ihren Besorgnissen vor de» Wirkungen dieses Gesetzentwurfs kein Hehl gemacht habe» und daß in der katholischen Lehrerschaft, der eine ganz unwürdige Unterordnung unter die Geistlichkeit zngc dacht ist, ein mühsam zurückgehallcner Unwille» herrscht. Die „Kaplanokratie", die jetzt eine neue Stärkung erfahren soll, kennt man eben sowohl in den leitenden Kreisen der katho lischen Kirche als bei den Untergebenen. Wo also sinket dieser Gesetzentwurf wirklich überzeugte Zustimmung, wenn er nickt nur auf de» cinmülhigcn Widerspruch des liberalen BllrgcrlhnmS, sondern auch aus schwere, wenn auch notb- gedruligen zurückgebalteiie Bedenken in denjenigen Kreisen lößt, durch deren Vertreter in, Abgeordnetenhause er durck- geprcßt werken soll ? * Man schreibt nns aus Berlin: Die Anwesenheit des ranzvsischcn Dcputirtc», ehemaligen UnterstaatSsecrctairs Godefrvy Eavaignac in Berlin ist kaum bemerkt worden, und dock verdient sie größere Beachtung, nmsomcbr, als es in Frankreich sehr einflußreiche Kreise gicbl, die Herrn Godcfroy als Nachfolger de» Herrn Earnot bezeichnen. Godesroy Eavaignac ist bekanntlich der Sohn von LouiS Eugdnc Eavaignac, der, nachdem ihn am 23. Juni >848 die Militair dictatur von der Nationalversammlung übertragen worden war, im viertägigen beißen Ringen die Revolution nieder geworfen batte. Als Gegenkandidat des Prinzen Napo leon um die Präsidentschaft brachte eS LouiS Eugene Eavaignac ans anderthalb Millionen Stimme». Godcfroy Eavaignac hat mchrerc Wochen in Berlin geweilt und ist durch den französischen Botschafter Monsieur Herberte dem Kaiser auf dem letzten Hofball vorgestellt, der de» Sotni deö berühmten sranzösischen Generals in ein längeres Gespräch zog. Gokesro» Eavaignac war nach Berlin gekommen, um hier Studie» für ein größeres Werk „Die Erhebung Preußens »ach 1806 1807" zu beende» Herr Eavaignac soll sich wicder- bolcntlick mit großer Befriedigung darüber ausgesprochen haben, daß ibm von alle» Seiten bei seinen Studien mit der größten Liebenswürdigkeit Hilfe gewährt sei, die Archive hätten sich ihm erschlossen »nd alle Quellen seien für ihn offen gewesen. * Aus Thüringen wird unö geschrieben: Ter jetzige gotbaische StaatSmiinster Strenge bat von seinen frühere» politische» Freunden wiederum eine Ablehnung erfahren, die allgemein überrascht und die zu einem Eonflicte zwischen Regierung und Volksvertretung führen dürste. Dem Land tage war ein Postulat der LtaatSrcgiernng zugegangcn, bet» Erhöhung der Avcrsa für die für Sc. Hoheit den Herzog rescrvirten Gebäude, Garten und Anlagen :c. in Höhe von 14160 Diese Forderung bat der Landtag vor einigen Tagen mit großer Majorität abgclehnt, trotzdem daß der Staats minister hcrvorhob, daß die Stellung, die die Majorität der Finanzcommission cingcnommcn babc, für die Regierung auffällig und überraschend sei. Der Landtag möge die Staats regiernng nicht vor eine schwierige Situation stellen, auö dcr Reibungen und Eonflicte entstehen können, die unbedingt sich cinsicllc» müßte», wenn die Vorlage abgclcknl werde. Der Verfall dcr öffentlichen Anlagen werde in diesem Falle sicher cintrctcn. Dem cntgegncic der Abg. Müller, daß die gegen wärtiae Zeit zu solchen Bewilligungen eine sehr ungeeignele sei. Die Bedürfnisse im Lande jländeii auf einer sehr Hobe» Stufe; man habe jetzt alle Bcranlassung, nur Das zu bc willigen, waü absolut »othwcndig sei. * Nachdem in Jena bereits eine von Mitgliedern aller Parteien stark besuchte Versammlung de« dortigen national liberalen Reichsvereius Stellung gegen den preußischen Voltsschn lg esetz ent Wurfs genommen hat, protestirte auch dcr Verein für wisienschaftlichc Pädagogik in seiner letzten Sitzung gegen das Werk. Der Professor der Pädagogik Rein führte aus, der Entwurf habe eine katholisirenke Feiiilletsii. Die veilnhardtsbrii-er. 21 Socialer Roman von A. Lütetsburg. rr-»d>«4 verteil». (Fortsetzung.) Die Knaben halten nie Anlaß zu einer Klage gehabt, nie einen solchen gegeben. Wie ibrc Kleidung und Ernährung eine bessere war, als die Mutter sie ihnen hätte gewähren können, wie Güte und Freundlichkeit „Am Tcnnhardl" daS Regiment führten, wenn anders nickt BoSbcit n»d Sünde Strenge forderten, so batten wederIatob noch Hans seit ihrem Aufenthalt », diesem Hause durch ibr Betragen gezeigt, daß ihr Ebarakter z» Besorgnissen irgend welcher Art Veranlassung gebe. Still und eifrig erfüllten sie ihre Pflichten, genügten den an sie gestellten Anforderungen, und nur der beständig finstere, trotzige GesichtSanödruck deö Acltcrcn war Schuld, daß inan ibn nickt ohne Mißtrauen beobachtete. Die Begegnungen zwischen Mutter und Kindern waren selten erfreulich. Frau Brenner sah, wie die Schmach, in tieser Umgebung zu sein, wie die Schuld an dem Herzen vüolob S nagte, unk alle Trostvcrsuche nur den tiefen Groll 'eines Inner» nährte». Selbst seine zärtliche Liebe gegen ten jüngeren Bruder, di« er allezeit zur Schau getragen, schien verloren gegangen, und nickt selten zeigte er sich gegen tcnselben Kart und unsreundlick Brau Brenner war auch am gestrigen Tage „Am Denn- bardt" gewesen und schmcrzerfüllt heimgckehrt. Sie hatte deck wobt zu viel erhofft, wen» sie an eine befriedigende Losung gedacht, wie sie nnter den bestehenden Umstanden zu erwarten war. Schon batte sie sich mit dem Ge danken an den Zeitpunkt beschäftigt, an welchem ihre Knaben wieder unter ihre Obyut gestellt werden würde», »nd ihr Herz schlug höher in dieser Erwartung. Lie wollte von hier fortziehen, weit in di« Welt hinaus, wo Niemand von ihr und ihren Kindern wußte, wo Niemand davon gekört, daß diese zum Tbeil ihre Erziehung m einer Besserungsanstalt genossen. Vielleicht wllrdc »>it der Zeit dann auch wieder der finstere Trotz aus dem Antlitz ihre« ältesten Knaben schwinden und seine ureigene Natur roll Alte und Fürsorge für Andere wieder znm Durchbruch kein»,ex. Und bei Liesen Gedanken und Hoffnungen war eS dcr einsamen Frau wieder leichf.V »mS Her» geworden, die Arbeit gewährte ihr doppelten Trost, ^veil der Lohn sie in den Stand Hen würde, ihre ZukunstSträun« zur Ausführung zu bringen die arbeitete eitriger, alt je jsiuvor, »d auch dir lieber anstrengung die Wangen schmaler und bleicher machte und sic nicht selten der sie vollständig überwältigenden Erschöpfung keinen Widerstand leisten konnte. Die Erinnerung an den vorhergehenden Tag drückte die kaum erwachten Hoffnungen wieder zu Boden. ES war Klage über daS Betragen Jakobs geführt worden, man batte ibn wiederholt bestrafen müssen und für den Fall, daß er sick nickt ändern würde, init ernstlichen Züchtigungen bedroht. Er sollte sick unverträglich und rauslnslig zeigen. Wiederholt war eS zwischen ihm und einigen Knaben z» Reibereien gekommen, wie sie „Am Dennhardt" nicht selten sein mochten, aber doch nickt offenkundig wurden. Jakob allein zeigte keine Scheu vor den Lehrern und Aufsehern. Er hielt es nicht mehr für nöthig, die gefährlichen Seiten seines Eharaktcrs zu verbergen. Frau Brenner war über bie ungünstigen Berichte sebr erschrocken gewesen. Mit Thräncn in den Angen batte sic Jakob ermahnt und ihn gebeten, nicht noch schwereren Kummer über sie zu bringen. Er zeigte auch der Mutter gegenüber keine Reue und gab ans alie an ihn gerichteten Frage» nur zur Antwort, daß man ihn gereizt, und er im Wiederholungsfälle dasselbe tbun würde, was er gclhan habe, um elende Verleumder zum Schweigen zu bringe» Nur als die Mutter gegangen war, batte er Tbränen in den Augen gehabt »nd dann eine Frage an sic gerichtet, die alle bösen Geister der Vergangenheit heransbcschivorcn „Mutter, wann ist der Vater gestorben und wo?" Diese Frage war cS, die wie Krallen in ibr Her; gegriffen, »nd daß sie idrem Knaben daraus keine Antwort batte geben können, kur; und klar, da- drückte sie jetzt zu Boden und batte alle neuen HoffnungSkeiine in ibr erstickt. Sie saß am Fcnster und blickte ,n den engen Hosraum schon seit vielen, vielen Stunden. Ihre Arbeit ruhte, die Hände waren im Schovß gefaltet Sie sann, »m einen Aus weg zu sinken, »nd sic fand keinen. Wie sie gestern ihrem Knaben die Antwort auf die an sie gerichtete Frage verweigert, so würde sie auch i» Zukunft schweigen müsse», um nicht neue» Leid über ihre Lieblinge ;» bringen. Welchen Eindruck würde dir volle Wahrheit aus Jakob machen! Andererseits durfte sie sick nicht verhehlen, daß er mit Fragen nickt ansbörcn werte, bis er erforscht, waS er zu wisse» begehrte. Offenbar hatte man ihm von seinem Vater gesagt, vielleicht — der Herzschlag der armen Frau stockte bei dem bloßen Gedanke» — daS Schlimmste. Frau Brenner hatte sich unruhig von ihrem Sitz erhoben und wandertc in dem engen Raum aus und nieder. Bis weilen fuhr sie sich mit ihrem Tuch über die Stirn, um die kalten Schweißtropfen binwegruwischeu, welche immer ne» hervor- brachen. Wenn da», waS sich ihr jetzt, bei der Erinnerung an Len gestrigen Tag, ahnungsvoll aufdrängte, Wirklichkeit war, dann würde Schweigen ein Unrecht sein, welckeS sic nickt nur an ihren Kindern, sondern auch an ten Mann verübte, der eines Tages unter dem schweren Verdacht be gangener Verbrechen in die Welt binaus geflüchtet war, um nie mehr von sich hören zu lassen. Ja, sie mußte sprechen, mochte die Wirkung sein, welche sic wollte. War ein furchtbares Samenkorn in die Herzen ihrer Kinder gesäct, so war eS eine heilige Mntterpslicht, dasselbe nach Kräften auszurotten. Mil Ungeduld erwartete sie die nächste Begegnung mit ihren Kindern, um ihren Borsay zur AuSsührnng zu bringen Sic konnte sich einer heimlichen Furcht nickt erwehre», und als endlich die Stunde gekommen war, in welcher sie wieder Zutritt „Am Tennbardt" erlangen konnte, »nd sie nur den jüngsten Knaben aus sich zukommcn fab, war sic zwar erschrocken, aber kaum überrascht. Hans stand dcr Mutter wortlos gegenüber. Auf ihre Frage nach dem Bruder antwortete er mit einem unterdrückten Schluchzen. Ein Aufseher trat heran. Er tbeiltc Frau Brenner un aufgefordert mit, daß Jakob eine Strafe zu verbüßen bade, weil er eine» Knaben ernstlich bedroht. Es würde ihr leider dcr Zutritt zu ihrem Sohn heute nicht gestattet sein. „Aber mir liegt sehr daran, ihn zu sprechen", kam eS bebend von den Lippen dcr Fra». „5ch möchte von ibm hören, wie er dazu gekommen, Derartiges zu tbun »nd ihn ermahnen." Ter Aufseher zuckte zwar anfangs mit den Achseln, er klärte sich aber beim Anblick der siebend aus ihn gerichtete» Augen dcr Frau bereit, bei dem Herrn Inspektor um Er- laubiiiß zu bitten, daß mit ihr heute eine Ausnahme gemacht werde. Zitternd vor Aufregung erwartete Frau Brenner dann seine Rückkehr, während sie den jüngsten Sohn um schlungen hielt. DaS Gesicht desselben erschien ibr ungewöhn lich blaß. Ihr aber war die Kehle wie zugeschnürt, und sie brachte keine Frage nack dem Vorgcfallenen über ihre Lippen. So stand sie, die Wiederkehr des Aufsehers erwartend. Er kam bald zurück, um die Mutter dem Sohne zuzusiihren. Jedes klaren Gedanken« unfähig, war sie dem Manne gefolgt. Erst als sie dem Sohne gcgenübcrstand, der bei ihrem Eintritt regungslos in der eingenommene» Stellung verharrte und nicht einmal de» gesenkten Blick erhob, fühlte sie den Tckmcrz, welchen er ihr bereitet, in vollem Umfange, und doch — nicht eine Regung de» Zornes wurde in ibr lebendig. ,Lakob, Tn «batest nicht wobl. Dich von einer schlimmen Leidenschaft so dinreiße» zu laste» DeS Menicke» Zorn ihn« nicht, waS Gott recht ist. Warum willst Du mir die Hrffniing nehmen, Tick bald wieder bei mir zu haben!" So redete sie noch lange in beruhigender und ermahnender Weis« auf ihn rin. und al» eine zärtliche Hand, deren vordere Finger seine eiskalte Stirn warm berührten, sich ans sein Haupt legte, schien ein Schauer seinen Körper zu durchrieseln. „Jakob, hast Du mir nicklS zu sagen?" „Nichts, Mutter", kam es gepreßt von den Lippen des Knaben. „Ich verspreche Dir, ich will nickt wieder Anlaß zur .Klage geben." „Dafür tanke ick Dir, mein Sobn, aber ick kann nicht beruhigt von binnen gehen, ehe ich nickt weiß, waS Dick bewegen konnte — Deinen — Deinen Kameraden hart und nnsreiinklich zu begegnen." DaS Wort batte nickt über ihre Lippen gewollt, und dock war cs denselben entschlüpft. Der Knabe erhob den Blick Flammend loderte cS in ihm auf. Dock nur auf eine flüchtige Sccunde, dann machte sich um seinen Mund der bittere, trotzige Zug bemerkbar, der ihrem Herzen eine schmcrzhaste Wunde schnitt. „Ich kan» eS Dir nicht sagen, Mutter", versetzte er jetzt mit erzwungenem Gleicht»»«,, »nd doch verriete, daö Bebe» seiner Stimme nur zu sehr die leidenschaftliche Erregung seines GemütheS. „Sic werden mich nickt wieder reizen." Die Hand der Mutter legte sich jetzt unter sein Kinn, »nd er widerstand nickt dem leisen Druck derselben. Aber nicht offen und voll kindlichen Vertrauen», wie sic cs gewünscht, begegnete» seine Auge» den ibrc», sondern sic flackerten scheu und »nllibig und suchten wieder den Boden. „Jakob, man sagte Dir BöscS von Deinem Bater?" „Wenn Du eS weißt!" „Ich weiß cS nickt, aber Deine Frage nach ihm, bei meinem letzten Hiersein, drängt diese Bermnthnirg mir auf." „Mutter — so ist cS wahr? Mein — Vater ist — nickt todt? Dcr Knabe war ausgesprungc», sein Gesicht war gcister bleich, seine Lippen bläulich gefärbt und der ganze Körper erbebte unter dem Anprall plötzlich geweckter, über mächtiger Empfindungen. Erschreckt blickte Frau Brenner auf ihren Sohn. „Gieb Antwort, Mutter!" drängte dieser. „Gieb Antwort!" „Ich Weiß nicht, Jakob — ich — ich —" Sie vollendete nickt. Mit einem erschütternden Schmerzen» laut sank der Knabe ans seinen Sitz zurück. Im nächsten Augenblick ruhte er ohnmächtig in den Armen der Mutter. Heiß tropften Tbränen auf sein bleiches, kaltes Gesicht und diese weckten ibn ans einer woblthätigen Besinnung« losigkeit. Mit weit geöffneten Augen starrte er die Mutier an. Die Gedanken krhrten znrvä und mit ihnen die Er innerung an all den Jammer seines Leben». „Mein Vater flüchtete — nm eine- Verbrechen- willen, Mutter", kam e» klanglos Uber seine Lippen, aber nickt wie ein« Frage, sondern wie di« Bestätigung einer Thatsache. Dir
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