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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920213022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-13
- Monat1892-02
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Nun, von „zu viel" ist in den preußischen und den deutschen Schulen überhaupt nicht die Rede. Und wa« das Socialdemokratischwerden betrifft, so werden gerade Die jenigen am leichtesten von den socialdemokratischen Hetzern ein- gesange», die am wenigsten in der Schule gelernt haben. Sebr einfach: sie verstehen nicht zu denken und nicht zu urtheilen und glauben auch da» tollsteZeug, da» ihnen von socialdemokratischen Rednern oderZeitunaSschre,brrnvorgemackt wird. DieDumm- beit ist sür dir Socialdemokraten gerade so werthvoll wie siir die Ultramvntanen. Darum sind die Socialdemo» traten im Allgemeinen auch nicht gegen da» schlechte preußische Schulgesetz, sondern verspotten die National- liberalen, weil sie da» Gesetz bekämpfen. Die Führer sagen sich: je schwärzer die Jugend in der Schule gemacht wird, desto leichter können wir sie roth machen. Und da» ist richtig gerechnet. Darum sind dir Kundgebungen der Socialdemokratie gegen da» Gesetz selten und mehr „Schandenhalber" veranstaltet, wie di» dieser Tage nach langem Hängen und Würgen von Bebel veranstaltete. Besonder« hat sich der Ultramontane Reichcnsperger gegen den Unterricht in der vaterländischen Geschichte aus gesprochen. Warum? Darum. Kenntnisse iu der vater ländischen Geschichtr sind aher eia au«gezricknetr» Mittel, um die Jugend vor der socialdemokratischen Verführung zu be wahren. Bor Allem lernen die Kinder auö der Geschichte Vaterlandsliebe, also da» Gegentheil von Dem, wa» dir Socialdemokraten predigen. Dann aber lernen sie auch au» der Geschichte, daß alle wirklichen Verbesserungen langsam und friedlich erworben worden sind und daß die Revolutionen immer und überall ein Unglück für die Völker waren und nur den Führern Vortheil gebracht haben. Kurz, wer etwa» Geschichte gelernt hat, kann viel leichter durch den social- demokratischen blauen Dunst hindurchsehen, als wer von der Vergangenheit nichts weiß. Aber die Hauptsache: Der Landwirth, auch der kleinste, bat heutzutage sür sein Geschäft und um den schweren Kampf mit den Verhältnissen durchzukämpsen, ordentliche Schulkenntnisse nothwcndig und ebenso der Handwerker. Wenn man die Herren Wucherer fragen würde, was sie zu der Rede de» Herrn Reichcnsperger meinen, so würde» sie Alle sagen: „Gvtt, waö sür ein gescheiter Mann!" Tenn so viel steht fest: wen» auch viele Bauern durch llnglücks- sälle in Wucherhände fallen, noch mehr werden bewuchert, weil sie nicht genug rechnen können und weil sie nickst verstehe», was sie dem Handelsmann unterschreiben. Und gerade so ist r- bei den Handwerkern. Vor einigen Monaten bat eine Gerichtsverhandlung slattgesunden, in der eS zu Tage kam, daß 50 deutsche Schneider einem gaunerischen Geschäfts mann Wechsel gegeben baden, ohne zu wissen, daß die Dinger, die sie unterschrieben, Wechsel waren. Also Rechne» und Deutsch — ordentlich Deutsch — sind kein „LuxuS", svudern eine Notbwendigkeit. Wer in der Schule gelernt hat, eine kleine Geschichte oder eine Beschreibung mit Verstanden lesen, der kann später auch verstehe», was ihm ei» Handels mann schriftlich oder mündlich vermacht, der weiß, waö er unterschreibt. Und bei der jetzt so »ölhigen Buchführung geht cs auch nicht ohne Schulkennlnissc. Die Verschlechterung der Schulen würde also auch den kleinen Mann i» seinem Erwerb schädigen, während ordentliche Kcniilnifse ganz gewiß dem Glauben keinen Abbruch tbu». Oder ist cö vielleicht rin gottgefälliges Werk, wenn ein Familienvater sich von einem Handelsmann über die Obren haue» läßt? Gegen einen richtigen Religionsunterricht bat Niemand elwaS e»>- zuwcnden, aber wa« der Mensch im Leben an Kenntnissen nöthig hat, daS muß er in der Schule auch lerne». Leipzig, 13. Februar. * Zn dem Befinden der deutschen Kaiserin ist seit Donnerstag keine wesentliche Aenderung eingetrctcn. Sic muß nach wie vor daS Zimmer hüten, doch giebl ihr Zu stand zu keinen Besorgnissen Anlaß. * Der Kronprinz von Schweden erfreute sich als Gast des Kaisers am Berliner Hofe ganz besonderer Aus zeichnung. Gestern Abend fand ihm zu Ehren ei» Tiner bei dem Kaiser statt. Wie wir erfahren, hat der Kaiser den Kronprinzen von Schweden zum preußischen Generallieutenant ernannt. Heute früh ist der Kron prinz nach Warnemünde abgereist. Prinz Heinrich von Preußen und der Erbprinz von Laden geleiteten den Prinzen nach dem Bahnhofe. * Au« Berlin wird der „Magdeb. Ztg" telegraphirt: Einzelne Blätter wollen von Gerüchte» über Einberufung des StaatSrathe« wissen; in hiesigen unterrichteten Kreisen ist davon nichts bekannt, e« ist auch nicht reckt er findlich, aus welchem Grunde die Berufung erfolgen sollte. Anlaß zur Berufung des StaatSrathe« hätten ja so manche Gesetzvorlagen der letzten Zeit bieten können, man bat in dessen vorgezogen, davon Abstand zu nehmen, sowohl bei den Handelsverträgen als bei dem BolkSschulgesetz; jetzt beißt c«, e« seien von Preußen Anträge bei dem BundeSratb geplant, Uber welche man den StaatSrath hören wolle. Ma» geht sicher nicht fehl, wenn man diesen Ausstreuungen lein Gewicht beimißt. * Zn der am II. dS. MtS. unter dem Vorsitze des Vice- Präsitenten de« SlaatSministcriuniS StaatsseerctairS dcS Inner» Or. von Boctlicher abgebaltenen Plenarsitzung des BundesratbS wurden an neu eingcgangcne» Vorlagen den zuständige» Ausschüssen überwiesen: der Entwurf einer Neu bearbeitung des BetriebS-Reglementö für die Eiscnbakncn DeutscklantS, die llcbersickt der nach der Verfassung und den Gesetze» des Reichs festznsteUcnkcn Bevölkernngszahleii nack der Zählung vom I. Dccembcr 1880 »nt der Entwurf von Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeite rinnen und jugendlichen Arbeitern in Drabtziebcrcicn mit Wasserbctricb. Von dem Geschäftsbericht des ReichS- VersickcrungSamtS sür daS Jahr I88l nabin die Vcrsainm lung Kenutniß. Den Anträgen der zuständigen Ausschüsse gemäß wurde» eine Reihe von Eingaben, welche sick auf den Abschluß der Handels- re. Verträge und die AuSführungS- besliiiimungcn zu denselben, auf den Zolltarif und die Zvll- bebandlung gewisser Waaren beziehen, ferner einige Ab änderungen dcS Etats der prcußifcken Zollverwaltungssosten erledigt. Dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gesell schaften mit beschränkter Haftung, wurde »ach den Anträgen der zuständigen AnSschüssc d e Zustimmung ertbcilt. * Am nächsten Montag werden voraussichtlich im Reichs tag die Beratknnge» über den Militairctal beginnen und die Verhandlung wird sich dabei zunächst auf die so viel Aussehen erregende Angelegenheit der Sold atenm iß Hand lungen und der Reform teö MilitairstrafrechtS er strecke». Es ist dringend wünschcnswerih, daß die in letzter Zeit sebr dünn besetzten Bänke des Reichstags sich zu diesen Verhandlungen wieder ansehnlich füllen. Gleich daran wird sich der Marine- und Colonialctak anschließen, wobei eben falls wichtige Entscheidungen bevorstcben. Für das Militair- u»d Marincwesen werden bekanntlich hohe außerordentliche Neusordcrungc» erhoben ; nack den bisherigen Vorbcrathunge» in der Budgetcommission scheint aber eine Verständigung bevorzustehen, wozu die anßcrordenttick entgegenkommende Haltung des EcntrumS nicht wenig beiträgt. Wir habe» bereits mitgetbeilt, daß man an der Möglichkeit fcsthäll. den Reichstag an Ostern schließe» zu könne», wobei allerdings mehrere der bereit« vorliegenden und noch angekündigtcn Gesetzentwürfe unerledigt bleiben müßten. * Zu der Angelegenheit der Solda tenm ißhand» lungen und der Reform de- MilitairstrafrechtS habe» die Abgg. l>r. Buhl und Richter mit Unterstützung der nationalliberalen und deulschfreisinnigcn Fraction folgen den neuen Antrag eiugcbracht: Zm Interesse der größeren Sicherstellung einer angemessenen Behandlung der Soldaten durch ihre Vorgesetzten erscheint es dringend erforderlich I> die Bestimmungen über das Beschwerderecht der Militairpersonen einer Revision zu unterziehen unk ins besondere mißhandelte Soldaten zur Erhebung der Beschwerde zu verpflichten, 2) bei der in Aussicht genommenen Reform der Militairgcricktsverfassuiig und der Militaftslrafproceß- ordnung die Grundsätze der Ständigkeit und Selbst ständigkeil der Gerichte, sowie der Oesfentlichkeit und Mündlichkeit dcS HauptverfahrenS, wie sie sich im König reich Bayern bewährt haben, zur Geltung zu bringen. * Am 28. Februar findet zur Feier des 25jährigen Bestehens der nationalliberalen Partei ein parla mentarisches Fest in Berlin statt, zu welchem gegen wärtige und frühere Parteimitglieder des Reichstages und der einzelnen Landtage cingeladcn werden. * Die »ationalliberalen Mitglieder der Com Mission zum Schulgesetz haben zu 8. iz (Berücksichtigung der coiifcssionellcn Verhältnisse) folgende Fafsung beantragt: „Die Anordnung der Verwandlung einer Con fessivnSsckulc in eine Simultanschnle und umgekehrt ist a» die Zustimmung der Gemeinde (GulSbczirk, Sckukverbaud) geknüpft. Die versagte Zustimmung kann bei Landschulen durch den KrciSansschufl, bei Stadtschulen durch den Bezirksausschuß ergänzt werde». Die vorhandenen Volks schulen bleiben in ihrer gegenwärtigen Verfassung bestehen " Abg. Grimm (Frankfurt a. M.) beantragt: „Die sür de» Bereich dcS vormalige» HerzogthnmS Rassau bestehenden gesetzliche» Bestimmungen über die Errichtung von Siiiiultanschulcn bleiben bestehen." * Tie „Rordd. Allg. Ztg." beginnt eine Artikelserie zur Bertbcidigung des StankpuncleS de« CultuSmiinslerü bei der Vorlage des Schulgesetzes. Die „N. A. Z." ist der Ansicht, auch die Gegner thäten besser, das Gesetz anzunebme». denn „waö wäre mithin der Gewinn, wenn kein Gesetz zu Stande käme? Dock offenbar nur, daß es nun erst recht nach dem Willen des Ministers ginge". Ferner wird gesagt: „Was aber vielleicht in einem gewissen Sinne atö cin Fcblcr von Seiten de» Herrn Ministers zu bezeichnen ist, das ist die Lsfenheit, die ehrliche Ausführlichkeit, mit welcher viele Bestimmungen des Gesetzes dargelegt sind: cs wird später durch Vergleichungen nach- gewiesen werden, wie mit etwas allgemeiner gehaltenen Vorschriften, die ohne Zweifel den Widerspruch weniger hervorgerusen hätten, i» Wirklichkeit sich ganz dasselbe hätte erreichen lassen." Soll daS vielleicht das Reccpt für den — nächsten Schnl- gcsetzentwurf sein? * Die „Post" schreibt zu der Erklärung des Grafen Ballestrem: „Tie bisher zur Schau getragene Auffassung, daß die Bewegung gegen das VolkSfchulgcfetz gemacht sei, scheint zum Lbeil einer bessere» Erkenntniß gewichen zu sei», wenigsten- begründete Graf Ballestrem die Zurückstellung dcS JesuitenaiilrageS init dem Hinweise auf di« tiesgedcnd» Beweg»»,, welche da« Volksschulgejctz hervor- gerufen habe. Wenn Gras Ballestrem aber meint, daß die Zurück ziehung des Jesuitenantrage« den Widerstand gegen das Vottsschul- gescü abschwächcn werde, so irrt er sich." Man darf sogar annehmcn, daß die Zurückziehung dcS Zesuitenantragcs der Masse der Bevölkerung die Augen erst recht darüber öffnen wird, was bei dem VolkSschulgcfetz ans dem Spiele siebt. * Wie die Professoren der Universität Halle, wollen auch die Professoren von Kiel eine Petition gegen den VolkSschulgesctzentwurs einreichen. * Gegen daS preußische Volksschulgesetz mackt sich in den weitesten Kreisen des Volkes eine imincr stärkere Strömung geltend, die ihren Ausdruck in großen Protest Versammlungen findet. Besonder- lebhaft äußert sick tie Agilation gegen die Berkümuieruug der Rechte der kürzer- Ferrillrtsn. Schulden. Bon Silvester Frey. »er»»te». „Schulden", sagt daS Sprichwort, „sind keine Hasen, sie lausen nicht davon." Aber ebenso steht fest, daß sie demjenigen, welcher sie zu bezahlen hat, sehr lästig zu sein pflegen. Emen Trost, wofern eS überhaupt einen solchen ,n der betreffenden Lage giebt, findet er höchstens darin, daß er sich niemals allein >n derselben sieht, So lange die Welt besteht, existirt auch da- peinliche Gefühl, daß wir einem Andern, für da», wa« er »nS geleistet hat. einen Entgelt schulden. Er braucht keineswegs stet» in klingender Münze allein zu bestehen oder in der Einlösung eines Wechsels, welcher un« zu einer ganz bestimmten Zeit präscntirt wird. DaS Thema läßt sich viel mehr nach den Ausführungen eines Humoristen, der damit recht schwerwiegende Wahrheiten in aller Nacktheit sagt, sehr ergiebig behandeln. Vor Allem sind wir Menschen schon ge borene Schuldner. „DaS Leben selbst ist nicht» als eine Schuld, tie wir mit dem Tode bezahlen. Wir haben ferner nichts, wofür wir nicht» schuldig wären — nicht einmal die Luft, in welcher wir leben, ist un» geschenkt. Wir sind nämlich iibuldig, dafür zu atbmen, so lange wir am Leben sind. Die Mutter zahlt die Liebe, welche sie sür ihre Länder empfindet, mit dem Schmerze bei der Geburt derselben. Dafür wiederum schuldet da» Kind ihr seine Liebe. So ist diese» ein geborener Schuldner der Mutter, und dir Liebe sür dieselbe eine heilige Schuld, die eS um so mebr bedrückt, als e» nie im Stande ist, dieselbe abzutragrn. Wenn der Jüngling ein Mann ge worden, so ist er seine Bildung dem Lehrer, seinen Gehorsam dem Gesetz, sein Leben dem Vaterlande schuldig. Schuldet der Mann aber dem Andern wirklich einmal Geld — wa» ja auch de- Oestern verkommen soll — so ist ihm dieser dafür m unserer gesitteten Zeit Humanität schuldig." (Das sind Thatsachen, an denen Niemand rütteln darf, man kann sie wobl übersehen, verschleiern, aber niemals gänzlich au« der Welt schaffen. Allein wa» sind gegen diese Schulden erst diejenigen, welche wir mit Bewußtsein einacgcmgen und aus Heller und Pfennig zu bezahlen haben! Nicht Zeder vermag so leicht fertig in den Dag kineinzuleben, wie jener TaugenichlS, der, darüber befragt, we-halb er denn zu feiner Wohnung rin so vcrbältnißmäßig große« Empfangzimmer gemiethet habe, zur Antwort gab: „Damit ick recht viele meiner Gläubiger zu gleicher Zeit warten lassen kann." Ueberhaupt ist ,n der -es-mmten Zunft der Lchuldeamachrr der Gläubiger der am meisten verhaßte Mensch. Man erlaubt sich, ihm Namen bei- tulrgea oder »ine Stellung in der Gesellschaft anzuweisen, welche »eu sichersten Beweis <ür die betr.Ansicht giebt. Ein bochqeboroer Schuldenmacher trifft auf dem Spaziergänge einen der Bielen, die an ihn eine Forderung haben. An ein Ausweichen ist nickt zu denken; der Gras weiß ganz gut, daß der Gläubiger nur diesen Weg gewählt hat, um mit ,bm zusammenrulreffen, um ihn bei dieser Gelegenheit womöglich an seine Schuld zu erinnern. Jetzt kommt er auf ikn zu und begrüßt ibn: „Ah, Herr Graf haben sich eine neue Dogge angcschafst? Famoses Thier, auf Ehre!" — „Ja wohl! Ich kann Ihnen sagen, vortrefflicher Hund! Folgt mir auf Schritt und Tritt! Ist anhänglich wie ein Gläubiger!" . . . Die Anspielung soll durchaus die beabsichtigte Wirkung erzielt haben. ... Ein andermal trifft unser Schuldenmacker einen seiner Gläubiger. ES war auf einem Reitwege in den Anlagen des TbicrgartenS, und wiederum bat der Graf daS Gcsübl, daß es eigen» darauf abgesehen sei, ibn an das bestimmte Conto, welches der Aus gleichung harrt, zu erinnern. Man winkt ibm sckcn von Weitem, wohl oder Übel muß er sein Pferd zum Sieben bringen. Nun beginnt folgende« Gespräch: „Guten Dag, Herr Graf!" — „Ich habe Sie zuerst nicht einmal gesehen, Herr Commerzienrath!" — „Aber ick Sie! Wenn man so reitet! Und was für ein famoses Pferd Sie wieder haben!" — Finden Sie das?" — „Natürlich! Reitet er eine» guten Trab?" — „DaS sollen Sie gleich sebcn!" ... Ein Anziehen deS Halfter-, ein leise« Schnalzen mit der Zunge, und das in der Thal vorzügliche Thier schnellt dabin wie der Wind. Der Graf aber schlägt dem ibm nachblickenden Gläubiger ein Schnippchen und denkt: „Diesmal Kälten wir Dich also glücklich vom Halse!" Wie manche Leute gleichsam darin ein Talent besitzen, sich deS unbequemen Gläubiger- auf jede nur denkbare Weise n cntlcdftzen, so Andere tie nickt ininter zweifelhafte Fertig et, eine Erduld auf die frühere zu häufen. Man kann ihnen nicht« abschlagen, selbst wenn man weiß, daß man von ihnen schwer etwa» zurück erhält. Entweder wird da»„Anpumpen" mit einer solchen Virtuosität auSgeilbt, daß man, überredet, überrumpelt. daS gewünschte Geld hinaicbt; oder wir sieben unter dem Bann einer persönliche» Liebenswürdigkeit, welche Gewalt über unsere Tasche wie über »nscrn Geldschrank besitzt. Solche Natur muß Bolingbroke gewesen sein, der leichtsinnige, fröhliche Schuldrnmacher. wie ihn »nS Scribe mit allen Schwächen und Liebenswürdigkeiten in seinem Lustspiel „DaS GlaS Wasser" geschildert bat. Solche PumpgenieS tauchen ferner von Zeit zu Zeit aus, wir begegnen ihnen in der Gesellschaft, wo sie wohlaelittcn sind, obgleich Niemand davor sicher ist, daß er im nächsten Augenblick in die Tasche greisen muß, um die Annehmlichkeit deS Verkehr- mit einer Summe zu bezahlen, di« er vielleicht niemals im Leben zurückerstattct erhält. Mitunter gesellt sich dazu eine Offenheit bezüglich diese« Zustande«, die nur dann begreiflich erscheint, wenn alle jene Merkmale zur besten Wirkung zusammentreffen. Zchßbabe einen Bekannten, der gleichfalls al» solches Pumpgenie be leumdet ist. Neulich begegnete ich ihm auf der Straße, wie er, in «inen Pelz vom elegantesten Schnitt und Stoff aekleidet, daherkommt Guten Tag!" — „Guten Tag!" — „Donnerwetter, Kerl, Du hast Dir ja ein Prachtstück von einem Pelz angeschafft! Was kostet der?" — „Ich weiß nicht", antwortet er, „mein Schneider hat mich noch nicht verklagt!" .. Ich begriff diese Antwort; er pumpt eben alle Welt an und weiß erst, waS er schuldig ist, wenn man sein Geld zurück haben will. Er bekommt auch selten eine abschlägige Antwort Nur einmal soll sich sei» Talent nicht bewährt Kaden — da mals, als er unser» gemeinsamen Freund Zk, den hartgesottensten Zahlenmenschen unserer gesammtcn Bekanntschaft, traf. Es war aus der Straße und Freund Pumpmeier tritt an ihn heran. — X wappnete sich mit allem nur möglcken Wider stand; er ahnte wohl, daß er Gegenstand einer wohlüberlegten Ucberrumpelung werden solle... . „Tu rechnest wohl wieder", fragt jener. — „Man muß nachgerade in dieser schlechten Zeit!" — «Darf ich Dir einmal ein neues Exempcl auf- geben?" — „Laß hören?" — „Ich bin nämlich in einer kleinen Verlegenheit. Wenn ich nun annckme, daß Du dreißig Mark in der Tasche käst, wie viel würde Dir übrig bleibe», wenn ich Dick ersuchte, mir fünfzehn davon zu leihen?" — „Dreißig Mark", erwiderte X prompt, indem er sich aus dem Staube machte. Wenn wir auf dem Gebiete des SchulkenmachcnS richtiger Weise drei Stationen, Anpumpen, Gemahntwcrden — Nichtbezahlen annehmcn» so befinde» wir uns nunmehr auf der zweiten. Auch hier wächst der Humor so gedeihlich, daß man leicht ein Sträußlein, gewunden au- den artigste» Vor kommnissen, Herstellen könnte. Eine Dame besucht ihre Putz macherin, um sich nach dem Charakter eines Dienstmädchens, welche« hier früher in Stellung gewesen, zu erkundigen „Sie ist fleißig und ordnungsliebend", erwidert die Gefragte, „in dieser Hinsicht hätte ich nicht zu klagen!" . . . „Ist sie aber auch ehrlich", fährt die Dame fort. — „Darüber bin ick in Zweifel", entgegnete die Putzmacherin; „ich habe sic letzthin mit meiner Rechnung zu Ihnen gesandt, und sie hat mir bis heute noch kein Geld abgegeben. ... Solche» Mahnen durch die Blume ist in den meisten Fällen ebenso schwer wie beiter. In Amerika wendet man, sobald da» Geld absolut nicht cin- gehen wist, Kraftmittel an. die bei uns nicht inimer am Platze wären. Al- cin Winkelblättlein daselbst von den Abonnenten die Beträge nicht erhalten konnte, mackie der Rcdactcur eines Tage« in demselben bekannt, daß er zu denjenigen, welcke nicht bi» zu einem bestimmten Termin ihren Verpflichtungen Nach komme» würden, einen Blatternkranken schicken würde, um diese Gelder einzucasstrcn ... DaS mag gezogen haben!... Noch curioser nimmt sich folgende Schulduiahnuna an-, die al« Bekanntmachung gleichfalls in einem amerikanischen Blatte zu lesen war. „Ein >unger Freund von »nS, Namens Bacon, früher in La Crosse, neuerdings in New-Iersey ansässig, ist todt. Er borgte vor vier Wockcn fünf Dollar- von u»S und versprach, sic in einer Woche zurück zu zahlen, wenn er am Leben bleibe Da er rin Gentleman und Mann von Wort war und seitdem nickt» von sich hören ließ, muß er natürlich todt sein." . . . Vielleicht ist er auf diese Todesanzeige hin, die doch nicht« anderes al» eine überaus geschickte Sckult iiiabnung war, wieder lebendig ge vordem ... In jedem Falle bleibt daS Mahnen immer peinlich sowohl sür den Schuldner als auch sür den Gläubiger. Es gehört auf beiden Seiten schon eine bedenkliche Hartgesottenbcit dazu, wenn man sick leickt in die bctrcsfeiive Lage hinein sinket. Einen Fall giebt eS übrigens, wo der Schuldner daS Mahnen seines Gläubigers überhaupt nicht mehr hört. Ter tritt immer dann ein, wenn er sich — bis über die Ohren in Schulden befindet! So überwuchert der Humor diese an sich unerfreuliche Situation im Leben deS Sterblichen mit reichem Gezweig. Und daS ist cin Glück, denn auf diese Weise kommt er am ehesten dazu, sie zu verwinden und somit wieder flott zn werden für die Obliegenheiten des Daseins. Ick habe eine» guten Bekannten, der, sonst ein ganz famoser Kerl, dock nie malS aus den Schulden heraus kommt. Dazu hat er das Unglück, einem jener Lumpen in die Hände gefallen zu sein, welche nickt allein ihr Geld zurück verlangen, sondern den kleinen Dienst, welche» sie mit der Gewährung deS DarlebnS erwiesen haben, noch mit blutigen Wucherzinsen in die Höhe zu treiben wissen. Das Gesetz gebt ihnen ja, wenn eine Klage erhoben wird, scharf zu Leibe, allein die Schlaufüchse lassen sich beinahe inimer eine Hintcrthllr offen, durch welcke sic entschlüpfen.... „Wann also werden Sic zahlen", herrscht der Gläubiger den armen Gustav an. Der antwortet mit aller Seelenruhe: „Sobald ich daS Geld bekomme, welches mir der Verleger zahlt, wen» er den Roman acccptirt, den ick ihm cinscnde, »achtem daS Werk beendet ist, welche- ick beginne, wenn ick nur erst einen passentcn Stofs und die erforderliche poetische Inspiration habe — dann sollen Sic sofort befriedigt werden!" Der Wucherer ist außer sich; mein Freund behält seine Ruhe. Jener sieht cin, daß er gefoppt werde; dieser will sich zu keinem ander» Dermin bestimmen lassen Es kommt natürlich zur Klage Die bekannte Hinter thür steht offen Gustav wird vcrurthcilt. Nu» nimmt der Proccß den üblichen Gang. Der Gerichtsvollzieher sucht, was er nicht findet, und Gustav bekommt die Vorladung, den OffenbarungSeid zu leisten Alle Wetter", sage ick, „daß hätte ick doch zu vermeiden gesucht!" — „Glaubst Du denn", erwiderte er, „daß ich dem Manichäer den Gefallen tknn werke?" — „Du wirst eS wohl müssen, nachdem die Sache einmal so weit gekommen ist!" — „Fällt mir gar nickt ein!" — „Wie willst Du denn diese Klippe zu ui» schissen suchen?" — „Da« wirst Du schon sehen", enlaegne: er gebeimnißvoll. Der Termin kommt. Der hartgesottene Gläubiger wartet schon, als Gustav erscheint. Aber den Manifestationseid hat er wirklich nicht geleistet, weil er, wie er zum Gaudium der Anwesenden angab, ein gvldeneSFünf Markstück verschluckt habe, welche« ihm noch immer im Magen sitzr. ...
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