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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.02.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920215025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-02
- Tag1892-02-15
- Monat1892-02
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UeEmedition ist Wochentag« ununterbrochen Mnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt, aik««'S Eorttm. (Alfretz Hahn), Universitätsstrab« 1, Laut» Lösche. ikihermenstr. 14, pari, »nd KömgSplatz 7. Abend, Ausgabe <WMr.Tageblatt Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und GeMsveM Jnsertiouspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstrich <4ge« spalten» 50^j, vor den Familiennachrichtru <6 gespalten) 40/^. Gröbere Schriften laut unserem Pres«, verzeichnib. Tabellarischer und Ziffern,»» uach höherem Tarif. Srtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe. ohne Postbesörderung v» 60.—, mrt Postbesörderung -St 70.—. Ännahmeschluß für Inserate: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Marge n.AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 0 Uhr. Bei den Filialen und Aunahmestellen je eine halb« Stund« früher. Inserate sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig Z83. Montag den 15. Februar 1892. 8«. Jahrgang Der Falt Laare. * Die Fructificirung des „Falle« Baare" wurde am Sonnabend bei der Fortsetzung der Debatte im Reichstag über den Eisenbahnetat von dem socialdrmokratischen Ab geordneten Bebel in voller Breite in« Werk gesetzt. Seit einem kalben Menschenalter hat man in unseren Parlamenten derartige Vorgänge nicht mehr erlebt. Damals war es ein Herr von Ludwig, der sich mit Vorliebe darauf verlegte, unter dem Schutze der parlamentarischen Redefreiheit die Ehre hervor- rageuderMänner anzugreifrn. Aber er suchte sich seine Opfer doch meist unter den Parlamentariern, die also in der Lage waren, an Ort und Stelle zur Abwehr zu schreiten. Auch gekörte er keiner Fraclion an und wurde in seiner Zurechnungsfähigkeit mehr oder weniger angezweifelt. Anders Herr Bebel: er ist der oberste Führer der socialdemokratischen Partei und seine geistigen Fähigkeiten sind anerkannt bei Freund und Feind. Wenn ein solcher Mann eS unternimmt, von der Tribüne de» Reichstags herab die Ehre eines Abwesenden, der sich im Augenblick nicht vertheidigen kann, auf das Schonungs loseste zu brandmarken, so giebt eS kein Maß der Verant wortung, welche- für die Beurtheilung einer solchen Handlungs weise zu hoch wäre. Wer das am Sonnabend Gehörte unbefangen prüft, kann nur zu dem Ergebniß kommen, daß Herr Bebel einer solchen Verantwortung nicht zu genügen vermag. Herr Bebel hat l'iir seine schwere Anklage keine andere Unterlage, als die An gaben eines fanatischen ZritungS-RedacteurS, der notorisch in einer ganzen Reihe von Fällen wegen Berleumdung verurtheilt ist. DaSist schon an sich eine sehr schwache Basis. Dazu kommt aber »och, wie sich aus der von Bebel provocirten sachverständigen Darlegung des Herrn v. Stumm ergab, daß, selbst wenn sich alle die bekannten Behauptungen von Schienenflicken und Slempelfälschungen bewahrheiten sollten, noch immer nicht eine Schuld deS Herrn Baare im Spiele zu sein braucht; vielmehr würde zunächst nur die Frage sein, ob ihm nicht Fahrlässigkeit in der Ueberwachung des Betriebes vorzuwersen wäre. Bei solcher Sachlage hätte ein seiner Verantwortlich keit sich voll bewußter Parlamentarier das Ergebniß des schwebenden StrafprocesseS abwarten muffen, bevor er sich hätte erlauben dürfen, von derprivilegirten Stelle aus, welche sein Amt ihm einräumt, ein Urtheil zu falle». Das hat Herr Schneider iHamm), der als Landrichter in Esten den Bochumer Ver hältnissen nahe steht, Herrn Bebel mit berechtigter Entrüstung zu Gemüthe geführt, und selbst Herr Hitze hat Sorge ge tragen. mit einigen Bemerkungen das Centrum von dem Ver kachle zu reinigen, als ob cS sich mit der That des Herrn Bebel irgendwie irentificiren wollte. Für diesen letzteren aber lamen Scrupel, welche sich jedes Mitglied jeder anderen Partei gemacht haben würde, überhaupt nicht in Betracht. Tie Socialdemokratie denkt gar nicht daran, Herrn Paare die verfassungsmäßigen Rechte zu Gute kommen zu lasten, die sie für sich jeden Augenblick in Anspruch nimmt; sic sieht in ihm nicht den Menschen und Staats bürger, sondern nur den „Bourgeois", der, wie Herr Schneider sich auSdrücktc, „daS Kainzcichen der Groß industriellen an der Stirn trägt", den Repräsentanten einer lsliffc, gegen welche jedes Kampfmittel erlaubt ist. Unter diesem Gesichtspunkte könnte denn auch die Verhandlung des letzten Sonnabend recht lehrreich sein für Alle, welche von dem allmäligen Umsichgreifen einer versöhnlicheren Stimmung in der Socialdcmokratie geträumt haben. Unverhüllter als in diesen letzten Tagen bat sich ihr glühender Haß gegen Alles, was der be stellenden Staats- und Gesellschaftsordnung als Stütze zu diene» vermag, seit langer Zeit nicht mehr gezeigt. So fanatisch ist dieser Haß, daß selbst ein so kluger Kopf wie Bebel sich dazu hinreißcn ließ, dem ödesten Manchestcrthum zum Sprachrohr zu dienen. Er setzte das ganze Pathos seiner Entrüstung daran, die bekannte Thatsache zu verurthcilen, daß die deutsche Eisenindustrie ihre Schienen nach dem AuSlande zu niedrigeren Preisen liefert als im Inlande, und deducirte, daß somit die Eisenindustriellen sich aus den Taschen ihrer Mitbürger in der unverantwortlichsten Weise bereichern. Herr von Stumm konnte ihn darauf mit der einfachen Auseinandersetzung belehren: zu verlangen, daß die deutsche Eisenindustrie in Deutschland zu den Preisen deö Weltmarktes producire, würde sie vernichten beißen, des halb bedürfen wir deS Schutzzolles und der dadurch be dingten höheren Preise; zu verlangen aber, daß sie ihre Produkte nach dem AuSlande auch nur zu diesen höheren Preisen liefere, würde sie auf dem Weltmärkte konkurrenz unfähig macken und damit zn einer starken Einschränkung ihrer Bctrieve und zu entsprechenden Arbeiterenttaffungen vcrurtheilen heißen. Herr Bebel hatte also Sturm gelaufen gegen eine Ein richtung, die in erster Linie der Arbeiterklasse zu Gute kommt. Aber freilich, die socialdemokratische Sophiflick wird seine Niederlage vor den UrtheilSlosen schon zu verdecken wissen. Leipzig, 15. Februar. * Bei dem parlamentarischen Essen, welches der Minister v. Boctticher am Sonnabend Abend 6 Uhr gab, erschien pünctlich der Kaiser. Sonst waren noch zugegen: der Reichskanzler, Präsident von Levcyow, Graf Ballestrem, Iir. Banmbach, die Minister v. Berlepsch und v. Wedell, Präsident v. Köller, die Abgeordneten v. Bennigsen, v. Helldorf, v. KoScielSki, Bartels, v. Buch, Graf Clairon v' Hauffonville u. A. — Bon anderer Seite wird geschrieben: Auf dem parlamentarischen Diner bei Boctticher blieb der Kaiser bis halb zwölf Uhr, obwohl man schon um 7 Uhr vom Tische aufgestanden war. Mit Lieber, vom Centrum, unk dem Freisinnigen Eberty, die ihm neu vorgestellt wurden, führte der Kaiser nur eine kurze Unterhaltung, dann stand er etwa eine Stunde in intimem Gespräch mit Miguel, Hcrrfurth und Manteuffel, später in einer Gruppe Helldorf, Clairon d'Haufsonville und Erffa. Schließlich ließ sich der Kaiser in einem Nebensalon mit Stumm, Krupp und dem Gesandten Lerchenfrld zu einer langen Unterhaltung nieder. Es verbietet sich auö begreiflichen Gründen, über Einzelheiten solcher Gespräche öffentliche Mittbeilungen zu machen, doch ließ schon die Begrüßung, die der Kaiser an Stumm richtete, keinen Zweifel darüber, daß ihm dessen Rede vom Freitag gegen die Socialdcmokratie genau bekannt war und seinen vollen Beifall hat. Uebcrhaupt wurde auch durch diesen parlamentarischen Abend der Eindruck verstärkt, daß man in den leitenden Kreisen sich mit der Socialdcmokratie sehr leb haft beschäftigt und, verleitet durch die wachsende Zuversicht und den zur Schau getragenen Uebcrmuth einzelner Wort führer und Organe dieser Partei, sich mit der Sorge einer energischen Bekämpfung derselben trägt. Die Bewilligung der Forderungen für die Marine im Reichstag interessirt den Kaiser lebhaft. cntwurf befinden, welcher daS «"'wEerun^, So sollen in. Auswärtige» Amt bere. s d - ^ ändcrung der bereits bestellenden I Aundeöralh AliswandcrungSwescn gcicheben Heit zuzeden. der Ei, - nbabnve r w a l n n g. «' d-r Deba - ve Etat der Eisenbahnverwailu»»- tlleiligteii sich lebhaft die Minister v. Thiele» und liigu . Abg Kammacher forderte Sclbstiiandigmackung d ' Lvlrwattung. Miguel wieö die ^rden.ng ftb M s rurück und verlangte von den Ucberschussen kcr Ei,enram> Verwaltung eine befummle Quote für allg-mem- «-laatSzwecke. um nicht den finanziellen Ucberblick zu verlieren. * Hur Vorgeschichte des Falles Graf Stirnm erzählt man sich in parlamentarischen Kreisen, ball civlinarversabren eingelcitet wurde, einem privatdrics res Grasen zu Limburg an den RcichStagSabgeordncten und Gegner der Handelsverträge Grafen Kanitz entnommen sei. Gras Kanitz babe bei dem Absender angcsragt, ob er nicht den Inhalt des Schreibens öffentlich verwerthen dürfe, woraus dann nach erfolgter Zustimmung des Grasen zu -'mburg d e Veröffentlichung in der,^reuzzeil»»g geschah. Gras 1 um bürg babe daraus einen Mildcrungögrund für slch bcrzuleileii selbstverständlich nicht unternoinmen Es verlautet nock nicklS Sicheres darüber, ob der Graf gegen daS Erkeniitniß des DiSciplinarhoseS Berufung an das Staatsministerium eingelegt babe. . * Während sich täglich aus allen Tbeilen der preligischen Monarchie Beschwerde» und Proteste gegen daS BolkSschut- gesetz vermehren und die Zustimmungs-Kundgebungen nur in bomöopalhischen Gaben einlaufen, wird, »me die „Bossische Heilung" mittheilt, in Kurzem von einer Stelle a»S eine Gegenströmung gegen den Entwurf eintreten, welckse auch die grögten Schwärmer für die Vorlage stutzig machen wird. In der Mitte deS — evangelischen Ober-Kirchen rat HS sind nack verschiedenen Richtungen Bedenken gegen den BolkSschul-Gcseyentwurf aufgetaucht, welche sich »m Großen »nd Ganzen mit den Einwänden decken, we cke von liberaler Seite erhoben worden sind. ES heißt, der Präsident des evangelischen Ober-KirchenralbcS, Backhausen, werde „i nächster Zeit Gelegenheit finden, an allerhöchster Stelle über diese Vorgänge zu berichten. Der Präsident Backbauscn war, wie bekannt, vor seiner Berufung aus seinen jetzigen Posten llnter-Staalssecretair im Cultusmiiiisterium und als solcher an dem Goßler'schcn Entwurf bctheiligt. * Der Grubenausschuß der siScalischcn Bergwerke in Saarbrücken beschloß, an den Landtag eine Petition um Einführung der Achtstundcnschicht, Acnderung der Knapp- schastsstatuten und theilweisc Lohnerhöhung zu richten. x . * » * Die Mehrheit des PreßauSschusseS der Deutsch- liberalen, Czechen und Polen im österreichischen Ab geordnetenhaus dezeichneten die Erklärungen der Re gierung in Bezug auf die Reform des Prcßgesctzes als rücksichtslos und rcactionär. Man verlangte Berichterstattung über diese Erklärungen an daS Parlament, damit das Auö land erfahre, wie in Oesterreich die Presse behandelt werte. * Die Wiener Blätter veröffentlichen eine Erklärung der Vertrauensmänner des Abgeordneten vr. Lueger, wonach derselbe die von dem Centralinspector der Donau-Damps schifffabrt-Gesellschast Elienne an ihn gestellte Herausforderung zum Duell adlehnt. * Großen Unmuth erregt in Wien ein Beschluß des MinisterrathS, den Reichsrath zu vertagen und die Wiener BerkehrSanlage» erst in einer Nachsession im April erledigen zu lassen. Dieser Beschluß ist kaum mehr rückgängig zu machen, er bedeutet eine unliebsame Hemmnisi in de» Vvrbcrcitungsarbeilen und eine Verschärfung der Noth- lage aller Baugewerbslcuie. Der wahre Grund dieser Ent schließung liegt nicht bloS in der Abneigung der Polen »nd deS CentrumS gegen die Vorlage, denn diese wäre zu bc seifigen gewesen, als in der Absicht des Grafen Taaffe, die deutschen Mitglieder des böhmischen Landtages, welche die Fortdauer der Sitzungen des Landtages behufs Bcrathung des Ausgleiches über Ostern verlangen sollten, hiervon abru- haltcn und sic zu zwinge», >m Reicköratbe zu erscheinen. Die Börse hat die Entschließung des Ministcrrathcs mit einer Baisse aller Localwcrthe und Eisenbahnwerthe begleitet. * Wie die „Wiener Zeitung" meldet, hat der Kaiser den Erzherzog Karl Ludwig als Prolector für die Bc tbciligung Oesterreichs an der Ausstellung in Chicago bestätigt »nd den HandelSminister Marquis Bacgnehem zum Präsidenten der Ccniralcommission für die Ausstellung crnannl. Ferner genehmigte der Kaiser die für die Commiision vor geschlagenen Bicepräsidente» und Mitglieder und ermächtiglc den HandelSminister zur Errichtung von Filial- und Special- comitüs. * Man schreibt aus Rom, 1l. Februar: Der in Marine- Äiigclcgciiheitcii sehr kompetente Dcputirte de Zer hi hat soeben eine Denkschrift über das Gleichgewicht im Mittel meere veröffentlicht, welche in Italien allgemein große Aufmerksamkeit hervorruft und auch außerhalb dieses Landes Beachtung verdient Herr de Zerbi geht von dem Satze auS, daß gegenwärtig ein Gleichgewicht im Mittel meere, so viel auch von demselben wie von etwas Bestehendem gesprochen werde, nickt vorhanden sei. Man müsse dieses Gleichgewicht erst schaffen, und will man dies, dann seien nock finanzielle Anstrengungen seitens Italiens erforderlich. Frank reich verfügt über eine imponirende, seine Rivalen bedrohende Flotte, in ledcm seiner Häsen liegen mächtige Schiffe. Ter deutsche Kaiser biete wohl für die Entwickelung seiner Flotte, die von kühnen und ehrgeizigen Männern befehligt wird, große Bemühungen auf; die Spitze der maritimen Rüstungen Frankreich« richte sich aber nicht gegen Deutschland, sondern gegen Italien. Herr de Zerbi erinnert an die Pläne, welche die Admirale Aube und Krantz gegenüber der italienischen Marine hegten, und führt an. Letzterer bade kürzlich in einem Gespräche mit einem italienischen Ossicier geäußert, daß im Mittelmcere gleichzeitig zwei große Flotten nickt bestehe» können. Das sei eine geschichtlich erwiesene Thatsache, bemerk der italienische Dcputirte, aber, so sügt er mit einer uner warteten Wendung Hinz», es ist keineswegs erwiesen, daß drei Flotte» nicht gleichzeitig im Mittelmcere bestehen könne». Sobald Italien seine Flotte vervollständigt baden wird, werde cs im Interesse Englands und demjenigen Frankreich« liegen, eine Berminderunz des Ansehens ihrer Flaggen im Mittel 0 Ferrilletsi,. Die Dennhardlsbrü-er. Socialer Roman von L. Lütetsburg. NaSdnick »erröte». Erster Band. Erstes Kapitel. Tiefe Stille ringsum. Nur wie ein unbesfimmes Getöse ober Brausen drang der Straßenlärm bis in das kleine, halb- dunlle Stübchen mit der Aussicht auf einen engen, von Koben Hintergebäuden umgebenen Hofraum, in welchem ein Dutzend Weiber und Kinder beisammen standen, die ersteren im Flüster ton sich unterhaltend, die Augen auf das einzige, kleine Fenster keS vorerwähnten Stübchens gerichtet, die letzteren mit dem Ausdruck der Furcht und deS Schrecken« in den schmutzigen, bleichen Gesichern. „Was sie nun sagt? Na, so weit hat man « doch noch nicht gebracht! Die Rangen! Gestohlen! Am Dennhardt! Gott bewahre! Da- kommt von dem Hochmutb, und wenn'« zur rechten Zeit keine Prüfung giebt! Na, Gott hüt'S, wenn Ihr Euch jemals muckt!" So schwirrte es di rcheinander, und die Kinder, an welche diese letzten Worte gerietet waren, duckten sich scheu vor dem Ausdruck der Augen, de : jene Worte begleitete. Im Hosraum wurde e- dunkler; einige schwere Regen tropfen sielen vom Himmel nieder und verscheuchten die Ver sammlung. Nun war'S in dem kleinen Stübchen ganz still. Aber ab »nd zu wurde ein Seufzer laut. Nem — nicht ein solcher, sondern ein Aufstöbnen, so voll Schmerz und Qual, wie es sich nur der Brust eine- gefolterten Menschen ent ringen kann. Stunden waren seitdem vergangen, Mitternacht nabte heran. Der Herbststurm durchbrauste die Straßen der Stadt, der Regen schlug klatschend auf da« Pflaster und gegen die Fenster, »nd pfeifend siibr der Wind durch den Gang deS Hauses. Nun er beb sich die Frauengestalk, welche bis zu diesem Augenblick, da» Gesicht in beide Hände vergraben, knieend vor dem alt modischen, mit Kattun bezogenen Sopha gelegen hatte, Gefickt und Hände in dasselbe gedrückt. Sir stand einen Augenblick und schaute sich um. Von einem gegenüberliegenden Fenster, an welchem allnächtlich rin Schuhmacher rastlos arbeitete, fiel ein schwacher Lichtstrahl in den Raum und gerade in die von Tbränen schmerzenden Augen der Frau, die tappend mir der Hand nach dem Tische fuhr, um sich vor dem Uni sinken zu schützen. Und wieder stöhnte sie auf, von grenzenlosem Jammer er- stllt. Wirr blickte sie um sich. Ta standen die beiden Betten ihrer Kinder dazwischen da« ihre. War r« denn möglich? Sie sollte sich fortan allein zum Schlafen niederlegen, ibre Kinder nur zu bestimmten Zeiten sehen, ihre Kinder, die sie so grenzenlos liebte und die fortan — „Am Dennhardt" bleiben jollten! ES konnte nicht sein. Ibre Kinder in einer Besserungs anstalt ! Sie batten gelogen, betrogen, gestohlen. So sagte alle Welt, und sie allein wollte, konnte es nicht glauben. Und doch — Wahrheit! Sie mußte vor den Thatsache» den Glauben ver lieren, um einen anderen dafür einzutauschen, den, daß sie eine schwache, elende Mutter gewesen war und über dem Jagen nach dem täglichen Brod versäumt batte, die Kinder zu überwachen und sie davor zu schützen, daß sie Schaden an ihrer Seele nahmen. Zu viel! Einen solchen Schmerz für all ihre Liebe, ihre Treue, ihren Fleiß — idr war'S, als sei nun daS Ente da, und sie müsse mit der Welt abschließen. Die Kinder batten ihr den Mulh gegeben, zu kämpfen, ein hartes, erbarmungsloses Schicksal zu ertragen, und nun bedurften sie ihrer nicht mehr — nie mehr. Und ein neuer Morgen würde kommen, — ein neuer Tag. Sie sollte wieder, wie bisher, ihren Platz an dem kleinen Fenster cinnehmcn, sollte einen Stich ihrer fleißigen Nadel an den andern reihen. Warum? Für wen? Für sich? Ein leises Hohnlachen kam von ihren Lippen. Sie fuhr auS ihrer in sich zusammcngcsunkenen Stellung auf. wie in Folge eines raschen Entschlusses. Mit festem Schritt näherte sie sich der Stubenthür und nahm einen Schlüssel von der Wand. So wollte sie das Haus verlassen. Sie kehrte indessen zurück. Ihr war'S, als ob sie wieder zu denken fähig sei. Sie durfte nickt so hinauSgeben. War schon die Stunde für eine einsame Frau zn einer Wanderung durch die Straßen der Stadt wenig geeignet, so würde sic noch eher auffallen, wen» sie so ging. Sic band sich ein Tuch um den Kopf, rin anderes um die Schultern. Nach einem letzten Blick auf die leeren Betten ihrer Kinder verließ sie nun daS Stübchen und gleich darauf das HauS. Auf der Straße angclangt, stand sie einen Augenblick still. Der schon seit mehreren Tagen herrschende Sturm schien den Höhepunkt erreicht zu haben, denn eS war kaum möglich, sich auf den Füßen zu erhalten. Förmliche Wafscrmassen stürzten vom nachtschwarzen Himmel bcrad. Zusammcnschaucrnd rang die Frau nach Lust, kann schritt sie, sick dicht an der Häuser reihe haltend, die Straße entlang, zunächst ziemlich eilenden Schritte«, so schnell eS der bcmmende Wind erlaubte. Die Straßen waren menschenleer, selbst die Nachtwächter batten ihren Unterschlupf gefunden. So konnte sie wenigsten-, ohne bebelligt zu werden, ihren Weg verfolgen. So batte sie die Straße erreicht, an deren AuSgang sie nicht nur an da» Ziel ihrer heutigen Wanderung, sondern auch an daS ihres jammervollen Leben« gelangt sein würde. Ihr Gang war jetzt langsamer geworden, sie stand wiederholt still. Wer ihr >n der Iugendblüthezeit gesagt haben würde, daß sie eine« Tages so enden sollte! Wie »offnungSfreudig hatte sie der Zukunft entgegen geschaut, und welches LooS war ihr geworden! Wieder schritt sie schneller. Sie siand an der Brücke. Unten gurgelte und rauschte das Wasser gegen daS Ufer und die steinernen Pfeiler. Die Frau stand und sann. Lang sam löste sic das Tuck, welche« sie um ibre Schultern gelegt batte, und schleuderte eS in die dunkle Flutb Beim ungewissen Schein der Laterne sah sie eS einen Augenblick auf der Oder stäcke kortschwimmen, dann drehte eS sich ein paar Mal rasch im Wirbel und war verschwunden. Niemand würde eS wieder finden. Das Kopftuch, testen sie sich dann entledigte, nahm denselben Weg. Nun sie selbst! Warum zögerte sie, den Sprung zu tlmn? Sie batte ja so heiß da« Ende ersehnt! Nur ein kurzer Augenblick, und Alles war vorüber! „Der Selbstmord ist nickt allein eine große Feigheit, sondern eine noch größere Lieblosigkeit. Es ist nicht schwer, ein Leben zu verlassen, das sich unS unfreundlich gesinnt gezeigt, aber Ichwer, den Kanips gegen ein harte« Geschick auszunchmen. und wem noch ein Menschenherz in Liebe schlägt, der muß auShaltcn aus seinem Posten um diese« einen Herzens willen, dem er durch einen freiwillig gewäblten Tod dunkle Schatten aus den Lebensweg werfen würde." Die Frau mußte an diese Worte denken, die aus einer fernen Vergang-nbeit zu ihr herübertönten. Ihr Vater hatte sie eines Tage« gesprochen. Und noch immer rauschte und gurgelte das Wasser, und die Frau sann und sann. WaS würden die Kinder ohne sie sein? — Nicht mehr und nicht weniger, als sie beute waren Die Kinder eines Vaters, den man einen Berbreckrr genannt die Kinder einer Mutter, die durch Selbstmord geendet! Ein leiser, unartikulirter Schrei kam von ihren Lippen und gleichzeitig trat sie einen Schritt und noch einen vom User zurück. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn verworrenen Sträbnen ttedtc Die Kinder eine« Verbrecher-, einer Selbstmörderrin! Lie, die Mutter, wollte den Fluch mehren, der auf schuld losen Häuptern lastete, anstatt befreiend und lösend zu wirken. Und weiter trat sie vom User zurück, wäkrcnd ein tiefer «tbemzua „ch ihrer Brust entrang. Sic stieg die wenigen stufen binan — nun war sic oben. Noch einen Blick wars Ne auf da« dunkle Wasser, nock einmal lauschte sic dem Gugeln da unten, dann floh sie eilend« davon, in die enge Wi. -E. - r--- Sie blieben nicht ans. Nicht« — nicht« wurde ihr er spart. ES dünkte sie, als wären selbst jene Tage, wo si ihrer Kinder wegen, die wiederholt Diebstähle in Garten und Läden verübt haben sollten, auf die Polizei bcfoblen worden war, um sich harte Vorwürfe ob ihrer Nachlässigkeit in der Erziehung der Kinder machen zn lassen, nicht so schwer zn ertragen gewesen, als die nun folgenden. Damals war die unglückliche Mutter wenigstens noch von dem Bewußt sei» getragen gewesen, daß ihre Kinder niemals ini Stande gewesen sein würde», ibre Hände nach Unrechtem Gut auSzustrccken. Sie mußte erfahren, daß sic sich bitter getäuscht. Nur der jüngste Knabe hatte hartnäckig die ihm zur Last gelegten Vergeben geleugnet, während der ältere Alle« zugeftandcn, niit einem Trop, welcher den Richter hatte ausbriiigc» und in ihm einen gefährlichen Burschen erblicke» lasse» müssen. Tage vergingen, che Frau Hedwig Brenner wagte, ibr Stübchen^zu verlassen, um einige notbwcndige Besorgungen zn machen Sic fürchtete die Lieblosigkeit und Harte der Menschen Nicht mit Ilnrcckt. Wenn sie sich scben ließ, folgten ihr nickt allein spöttische Blicke, sondern gehässige Worte von den Mil bcwobnerinncn deS Hauses. Die kwchmüthige Person! Sic batte eS niemals zugegeben, daß ihre Kinder sich mit den ihrigen gc mein gemacht. Immer hatten sie bessere Kleidung link sauberere Wäsche getragen, obgleich Jedermann, der Fra» Brenner kannte, auch wußte, wie kümmerlich sie sich und ihre Kinder ernährte. Inzwischen sah Frau Brenner mit wachsender Angst dein Tage entgegen, an welchem eS ibr vergönnt sei» würde, ibre Kinder zum ersten Male seil der Trennung wiedcrzusehe». Sie erblickte ihre Knaben unter einer Schaar aleichgekleiketer Kinder. Der Mutter war'S, als solle ihr das Herz in der Brust zcr springen. In der sauberen Kleidung, gut genährt, erschien der Ausdruck vieler dieser Gesichter minder häßlich und verwahrlost, als sie früher gewesen sein mochten, und doch — Frau Brenner schauerte zusammen — cS legte sich wie ein Schleier vor ibre Augen. Unter diesen Knaben waren etliche, deren Zügen der Stempel der Sünde und des Verbrechens ausgeprägt war. Und mit solchen Kindern mußten die ibren leben! Da traten ibre Söhne heran, geführt von einem freund lichen Manne, der einen mitleidigen Blick auf die todtblasse Frau mit den fest zusammengcprcßten. bläulich gefärbten Lippen warf. Cr sagte ihr ein paar gütige Worte, cs sollte rin Lob ihrer Kinder sein, die sich gut geführt. Frau Brenner konnte nur mit einem qualvollen Ausstich»«» antworten. „Jakob! Hans!" kam cs dann von ihren Lippen. Ei»cn Augenblick noch standen die Knaben regungslos, der eine mit rusammcngczogenen Brauen finster dreinschanend, die Ober lippe trotzig aufgeworsen, der andere, jüngere, blaß, zitternd, einen scheuen, ungewissen Blick auf die Mutter richtend.
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