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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920302021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892030202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892030202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-02
- Monat1892-03
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Indessen ist auch keinem derselben unaufschiebbare Dringlichkeit beizulegen. Allgemein ist der Wunsch, daß die Regierung sich jetzt in einem so vorgerückten Stadium der Session de- Einbringens neuen ArbeitSsloffeS enthalten möge. loslgteit zuruagefuhrt und die Verhandlung am Monlas wird der Erörterung dieser Frage neuen Stoff liefern. Be kanntlich ist die Diatensrage anläßlich einer deutschfreisinnigcn Resolution erst am 12. Januar d. I. im Reichstag eingehend zur Sprache gekommen und der Antrag wurde gegen die Stimmen der Conservativcn, der Reickspartei und der Minder beit der Nationalkiberalen unter Bennigsen'- Führung an genommen. Die Regierung hat sich an jener Debatte mit keinem einzigen Wort betheiligt, so wenig wie an der gestrigen. ES wird unS auch versichert, daß sie der Diätengewährung noch ebenso entschieden ablehnend gegenübersteht wie früher. Es mag auch daran erinnert werden, daß Herr von Bennigsen in der Verhandlung vom 12. Januar darauf aufmerksam machte, wie, wenn man die Reich-Verfassung in diesem Punct ändern wolle, die Frage der Äenderung de- Wahlrecht- davon schwerlich zu trennen sein werde. * Die „Berl. Polit. Nachr." schreiben: Die letzten Wochen baben in mancher Hinsicht gezeigt, daß in verschiedenen par lamentarischen Kreisen ein rechtes Bcrständniß für unsere Flotte nickt Wurzel gcsaßt hat Ta kommt denn Moltke'« militairische (Korrespondenz aus dem Jahre 1864 wie gerufen. Jene Correspondenz, vom Großen Generalstabe berauSgrgebrn, läßt zweierlei erkennen: l) Daß der Feldherr Moltke gleich bei seinem ersten Kriege so zu sagen fertig war, daß aber 2) hauptsächlich, ja ausschlichlich der trau rigen Verfassung der damaligen preußischen Kriegsflotte e« zugeschrieben werden muß, wenn dem kleinen Dänemark gegenüber nur ehrende taktische Waffenerfolge errungen wurden, dagegen keiner der strategischen Pläne auSgeführt werden konnte, welche aus einen vernichtenden Schlag gegen Dänemark abzielten und von Moltke entworfen waren. Moltke spricht die- selbst in dieser Correspondenz wiederholt aus, und man kann heute, nachdem man Tag für Tag Moltke« Ziele, aber auch die Hindernisse übersieht, welche sich der Ausführung derselben mangels einer ausreichenden Kriegsflotte entgegenstellten, den Werth, ja die Nothwendig kcit einer deutschen Kriegsflotte vollständig begreifen. Trotz dem hat erst kürzlich der Reichstag die verschiedensten Ab striche an den Forderungen im Marincetat gemacht, welche von der Regierung als nothwendig aufgestellt waren. Bereit« au» der Denkschrift vom 6. December 1862 und dem Operation« entwurf vom December 1862 spricht der Feldherr Moltke, dem es von vornherein um einen vernichtenden Schlag Verhältnisse sollten auch darin seine Entwürfe vereiteln. Zuerst wollte Moltke den Dänen durch eine Operation gegen ihre RückzugSlinien eine Katastrophe an den Danewerkru bereiten; sein Entwurf mißglückle. Alsdann lag cs in der Absicht, durch einen Urbcrgang auf Alsen, da« heißt durch einen strategischen Schlag die Dänen in der Düppelstellung lahm zu legen. Der Entwurf blieb Ent wurf wegen unzureichender Stärke der Marine. Man mußte Düppel frontal erstürmen, man konnte nur einen taktische» Erfolg erzielen. Dann sollte gegen die Dänen auf Alsen durch Uebcrgang auf Fünen ein vernichtender Schlag geführt werden; wieder scheiterte die Ausführung an der unterlegenen Flotte. Zuletzt war die Unterwerfung von Seeland durch Landung eine» ArmeecorpS von Stralsund aus inS Auge ge faßt; mangels einer Flotte blieb der Plan ebenfalls unaus geführt. Man war zu einem Kriege von IahreSdauer gezwungen, noch dazu ohne ein großes und würdiges Er- gebniß un Felde, zu einem tbeucren und verlustreichen Kriege, >a sogar mit großen Wagnissen, welchen man bei einer über legenen Flotte bereits in höchsten- 3 Monaten, »m Mitte März 1864, mit einem vernichtenden Schlage und mit Er sparniß von einem Drittel der Opfer an Menschen, sowie von an Kosten vollständig beendet habe» konnte. DaS ist die große Lehre dieses kleinen Krieges. Wenn man aber dieses wirkliche Facit damit vergleicht, waS bei tüchtigerer Flotte erreichbar gewesen wäre, gar nicht der politischen Ge» sabren zu gedenken, welche aus der langen Dauer des Kriege« Kälten entstehen können, so sollte man sagen, daß cs da« Billigste ist, denn darum dreht sich doch Alle« nach so bitterer, geld- und menschenkostender Lehre, endlich für eine Flotte zu sorgen, welche ihre Aufgabe erfüllen kann. * Einer Wiener Correspondenz der „Times" vom 28. Fe bruar entnehmen wir folgende Auslassungen über die Rede de« deutschen Kaiser- und deren Ri den Dreibund: „Trotz der von der österreichischen ofstciellen Welt, wie natürlich, in allen deutschen Angeleqenheilen beobachteten Zurückhaltung ist es nicht schwierig, dir Betroffenheit zu bemerken, welche die jüngst» Kundgebung Kaiser Wilhelm « hier hervorgerusen hat. Als Fürst BtSmcrck zurücktrot, lieh sich hier «in Anflug vou Brsricdtqui'g wnhrnehmen, die sich nun al« voreilig erwiesen hat. Ter Cj- kanzler hatte sich Anspruch auf Sympathie SstrrrcichtschcrieitS er- worben, da gerade er ursprünglich das üsterrelchisch-deulsche Einver nehmen tu» Werk gesetzt hatte. In der Folge gab sich eine lebhafte osficielle Begeisterung selbst Kaiser» kund. Die jungen Monarchen, Widerhall der neuesten kaiserlichen Rede erfüllt sind, verhalten di» amtlichen Organe der österreichische» Presse sich schweigsam... Tie joclalistische Krankheit hat offenbar sowohl in Deutschland wie ln Oesterreich seit Fürst Bismarck s Rücktritt Fortschritte ge- inacht, und das wohlgemeinte Heilmittel Kaiser Wilhelm's hat sich al» Fehlschlag erwiese», gerade wie Fürst Bismarck es vorhersagte. Einen Trost für den Eindruck der neuesten Koffernde sucht man in der Hoffnung, daß trotz alledem der Kaiser di» Dinge nicht zum Sleußersten treiben und kctneSwegS dem drohende» Ton gemäß handeln werde, den anzunehmen er sür angemejjen erachtet hat. Es ist ein charakteristisches Symptom, daß, trotz der MinislerkrisiS in Paris, man über die unmittelbare Zukunft Frankreichs wenig oder keine Besorgnis hegt, noch Angesicht» der inneren Loge Ruß lands von jener Seite irgend welche Gefahr fürchtet. Die Aus- merksamkeit wird hier zu Lande augenblicklich von dem Verlauf der Ereignisse in Deutschland völlig ln Anspruch genommen, Insofern I der Kaffer so stark dazu beiträgt, dieselben in hohein Grad« interessant > zu machen. ieldst bei den kleinste» Handlungen des deutschen kund. Die Regierungspress« vergötterte damals beinahe den Monarchen: doch jetzt, wo die europäischen Blätter von dem Innere Zwietracht in Deutschland kann dem „Prestige" des Dreibundes nicht förderlich sein. Wenn die dortige innere Lage sich derartig gestalten sollte, die Aufmerksamkeit der kaiserliche» Regierung ausschließlich aus sich zu ziehen, so wird sie außer Stande sein, ihren Einfluß im Ausland« so lebhaft zu be- idätigen, wie sie eS bisher zu Gunsten allgemeiner Beruhigung gelhan hat. Das Ansehen de» Dreibundes ist bisher gewohnt ge wesen, bet verschiedenen Gelegenheiten sich in durchaus unauffälliger Weise zu Gunsten de- Weltfriedens geltend zu machen und seit Fürst BiSmarck'S Rücktritt hat Deutschland sich der Ausgabe nicht entzogen, mit seinen Verbündeten in der diplomatische» Actton im Orient gemeinsame Sache zu machen. Jetzt indeß scheint es, als würde schon die Möglichkeit innerer Zwietracht in Deutsch land die deutsche Regierung in allen Fragen, die mit auswärtiger Politik zusammenhängen, nothwendiaer Weise schwächen niüsjen. Hieraus erklärt sich der so sehr ungünstige Eindruck, welchen die Kunde der letzten zu Berlin gehaltenen Rede sowohl hier wie in Italien hervorgerusen hat." * Die Rede des Kaiser- bei dem Festmakl de- brantendurgischen Provinzial-Landtages ist noch andauernd der Gegenstand von Erörterungen in der ausländischen Presse. Wir, so sagt die „Nat.-Zta", baben keine Neigung zur Wiedergabe derselben, auch so weit diese möglich wäre — waS allerdings nur zum kleinsten Tbcil der Fall ist Aber wir wünschen bringend, daß der Reichskanzler und die preußischen Minister sich durch ihr Prcßdureau eingehend über diese im AuSlanbe laut werdende» Urtkcile vollständig insormircn; sie werden dann ohne Zweifel die Bcrpstichluug empfinden, dem Kaiser darüber zu berichten. *Dic „B. Börs.-Ztg." berichtet: „Ein während der Krank heit de« Kaisers Friedrich vielgenannter deutscher Arzt, der gegenwärtig in Halle lebt, hat die Adresse der dortigen Professoren gegen da« Schulgesetz mit unterschrieben. Kürzlich weilte der Arzt in Berlin »nd wurde vom Kaiser em pfange». Zu diesem bat der Monarch fick, wie un« sofort nach der Audienz beglaubigt »nlgetdcilt wurde, in höchst anerken nenden Worten über den Inhalt der Eingabe der Hallenser Professoren ausgesprochen und versichert, daß sie seine Sympathie in so hohein Grade besitzen, daß er ihre Beweggründe so vollkommen zu würdigen wisse, daß er geneigt Ware, sie inSgcsammt auSzuzcichncn. Man kann sich denken, welche weitgehenden Folgerungen an diese Aeußerung in gelehrten Kreise» geknüpft werden." Es wird doch zunächst abzuwartcn sein, ob sich dir vorstehende Mittbeilnng bestätigt. * In einem Schreiben an eine katholische Bcrsammluiig in Gclscnkirchen über das Bolksschulgcsch bemerkt der Vorsitzende der EentrumSfractio» des Abgeordneten hauses, Herr von Hcereman: „da« Centrum Wirt fick nach Kräften bestrede», dem Gesetzentwurf, der ja trotz guter Principien »och recht vieles enthält, waS unseren Auf fassungen nicht entspricht, eine so gute Form zu geben, wie eS irgend zu erreichen ist, und dann wolle» wir hoffe», daß das Gesetz zu Stande kommt." Das Centn»» ist also mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht einmal zufrieden, sondern fordert noch weitere „Verbesserungen". Warum auch nicht bei der Blindheit, mit der die Conservativcn in die Iknechtschast unter dieser Partei rennen? * Der Trinkspruch, der bei den, Festmahle der national- liberalen Partei in Berlin von Abg. llr. Bürklin auf den Fürsten Bismarck ansgebracht wurde, lautete wie folgt: „Wir haben dem Kaiser einen Trinljpruch gewidmet, die Partei hat ihre» Führer und die Senioren hockilcben lasse», aber Einer fehlt noch, dem wir einen besonderen Trinlspruch um so weniger vvr- eathalten dürfen, als er der einzige überlebende Paladin Kaiser Wilhelm - ist, drssenl wtr stets bisher aus allen Festen der Partei gedacht haben und dessen wir heute an »userm Stistungsleste um so mehr gedenke« müssen, a>S die Mast seines Genies und seine fabelhafte Thatkrast ihn unter allen Großen der ver flossenen großen Zeit zum Allergrößten gemacht hat. Fürst Bismarck war in der Thal ein Führer unteres Volkes, wie wir iventge gehabt haben, er war kein Führer einer Partei, aber wir können u»S rühmen, daß er uns und unsere Partei ihm besonders nahe ge tänden hat, vor Allem im Dienste einer Idee, des nationalen Ge dankens. Fürst Bismarck hat die Würdigung der realen Verhält nisse alS politischen Mackstsactor dem druttchen Volke zum Bewußt- sei» gebracht, sie ist maßgebend gewesen sür die Entstehung und Entwickelung der Partei; die aus ihr aufgebaute Comvroinißpolilik ugte Eckstein auf Eckstein im Bau des Deutschen Reiches. Fürst Bismarck hat neben der unvergleichlichen Gestalt Kaffer Wilhelm s und »eben der Macht und Kraft des Rcichsgedankens schon allein durch den Zauber seiner Persönlichkeit in ganz Süddeutschland populair gewirkt im besten Sinne des Wortes und damit vor Allem dort die Grundlage zu dem guten Berhältniß zu Norddeutschland gelegt, das immer so bleiben möge. Denn auch die Stimmung der Bevölkerungen bilden eine» politischen Machlsactor, mit dem gerechnet werden muß. Fürst Bismarck feiert schon in Len nächste» Wochen seinen 77. Geburtstag in voller körperlicher Gesundheit und Frische. Möchten ihm »och viele glückliche Jahre beschicken sei», möge er noch lange das deutsche Vaterland wackle», blühen und gedeihen sehen I Dieser Trinlspruch auf des Deutschen Reiches ersten Bürger und ersten Kanzler wurde mit brausendem, wieder holtem Jubelruf ausgenommen und beantwortet. Mit ihm war der Hvbepunct des Festes erreicht. * Der „Kölnischen BolkSzeitung" zufolge ist gegen die „Kölnische Zeitung" die Untersuchung wegen Mafe st ätSbeleidigung, gethan durch den Artikel über die Rede des Kaisers bei dem Festmahle des brandenbnrgischen ProvinziallandlageS, eingeleitct worden. * Der bisherige deutsche Consul in Petersburg, Freiherr von La me za», welcher demnächst die russische Hauptstadt verlassen wirb, ist dem Vernehmen nach sür da» General- consnlat zu Antwerpen bestimmt, welche« seit 188» durch den Abgang teS I >i. Arendt offen ist und gegenwärtig vom Vice- consut Freiherrn von Spcßhardt verwaltet wirk. Damit scheint der Anfang gemacht zu werden mit der Besetzung der offenen BeruiSconfulatr, denn außer Antwerpen sind noch die zwei Generalconsnlatc zu Stockholm und Capstadt unbesetzt, dazu komme» noch die Consulate i» Buenos-AnrcS und Fiume, deren Inhaber eincSThcilSgeslorbcii, anderen TheilSab- berusrn sind. - Ala liberaler Candidat für das durch den Tod de« Abg. Kiepert (nat.-lib.) erledigte Landtagsmandat «in Wahlkreis Sainter-Birnbauin (3. Posen) ist der NillcrgutSbcsiycr Schnlz-Booßen, der früher schon dem Abgeordnctenhause als Mitglied der nativnalliberalcn Fraktion angchört bat, ausgestellt worben. * Dem preußischen Abgeordnetenhaus« ist rin Gesetz entwurf, betreffend den Anschluß der Kirckengenicinde Helgoland an die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein, zugcgaiigcn. * Die spanischen Blätter veröffentlichen alltäglich Be richte au« verschiedenen Städten über neue anarchistische Projecie. So wird au« Bilbao telegraphisch bcrichlct, daß eine „fremde Person" in der dortigen Haupttircke eine mächtige Wachskerze als Wechegeschrnk tarbrachte, die vor dem Altar der h. Iungsrau verbrannt werden sollte. Che Fenilletsn- Die vennhardlsbrüder. IS> Socialer Roman von A. Lütetsburg. »«e»etn>. (Fortsetzung.) „Sie sprach früher oft davon, in der letzten Zeit nicht mehr, weil sie die Hoffnung aufgcgebcn, Dich vrrföhnt zu sehen." „Ich zürne ihr nicht, aber — ich könnte ihr nicht in die Augen sehr». Sir weiß nicht, wa« aus mir geworden ist" „Und waS ist au« Dir geworden? Du bist heute dasselbe, WaS Du vor einem und vor zwei Jahren warst, vielleicht sogar besser daran. Das Glück bat Dich verwöhnt, und als eS Dir launenhaft den Rücken gekehrt, jagtest Du ihm nach, während eS in Deiner Macht war, r« zu halten. Doch — ich will nicht versuchen, Dick zu Hofmeistern, Han«, ich weiß an mir selber, wie oft der Mensch dem Straucheln auSgescyt ist, und wie oft ich in Gefahr war, zu fallen, um nie mehr aufzustcben. Wir Beide haben da- eZahren — wir Denn- bardtSbrllder. Komm', hier ist meine Hand — ich bin der Aeltere, Du hast Dich früher aus mich gestützt, warum willst Du r« beute nicht thun? Etwa nicht, weil ich in Deinen Augen ein Handwerker bin?' „Jakob!" E« war fast wie rin verzweiflung-voller Schrei, der mit diesem Namen von den Lippen de» Bruder« kam. Im nächsten Augenblick aber lagen sich Beide in den Armen, und ein leises „Gott sei gedankt!" kam von den Lippen de« älteren. Der Bann war gelöst, über die schmalen Wangen de« jungen Manne- verlten langsam zwei Tropfen. „Jakob, glaubst Du, daß r« noch besser mit mir werden kann?" fragte er beinahe zaghaft „Du fragst? Warum nicht? Weil Du Dich einmal auf abschüssiger Bahn bewegt? Sprich nicht mehr davon — da« Vergangene ist abgetban." „Du weißt nicht Alles." „Ich brauche nicht« zu wissen. Mein Verdienst reicht einst weilen für un« Beide, wir werden un- rinrichten. Armer Kerl! Wir sauer ist Dir da- Leben geworden!" Deine Hand fuhr durch da« blonde, wirre Haar des BruderS, der unter dieser zärtlichen Berührung einer harten ArbeitShand erschauerte. Sie gingen zusammen zum Mittagessen. Am Nackmittag mußte HaoS abermals allein bleiben. Jakob batte ihn ge beten, sich mit allem Nothwenbigen zu versehen, indem er ihm seine Börse zur Verfügung gestellt. Heiß war ihm noch ein mal die Rötbe der Scham in die Wangen gestiegen, aber der Bruder wußte ihn zu beruhigen. „Du sollst nicht- von mir geschenkt nehmen, sondern mir Alle« zurückerstatten. Verwende einstweilen da» Geld ruhig sür Dich — ich brauche eS nicht; ich würde Deine Hilft ebenso in Anspruch genommen haben, wenn ich ihrer bedürftig gewesen wäre." Und abermals war Hans Brenner allein, abermals um ihn tiefe Ruhe, in ihm ein Gefühl, so fremd und doch so be seligend, wir er eS nie gekannt, obgleich »och die Schamrötbc seine Wangen färbte. Wir ein wüster, banger Traum lagen die letzten Jahre hinter ihm, die letzten Monate, Wochen, Tage. War e< nur möglich? Er blickte auf die gefüllte Börse, dir vor ihm auf dem Tische lag. Noch zögerte er, sie an sich zu nehmen. Er sollte sich mit dem Notbwendigste» versehen. Wa« war denn da« Nothwendigste? Ihm fehlte Alles. Ja — schlimmer als da«; r« gab noch Manche« zu begleichen, Manche» zu regeln. Noch fehlte e« ihm an Muth und Kraft, die einleitenden Schritte auf einem anderen Wege zu thun. Er war wie rin unbeholfene« Kind und hatte das Verlangen, daß der Bruder bei ihm geblieben und ihm behilflich gewesen wäre. Urber diesen Bruder hatte er sich eine« Tage« weit erhoben — wie klein stand er jetzt demselben gegenüber! Wie verächtlich er schien er sich! Jakob Brenner hatte sich inzwischen in die Fabrik be geben, seit Jahre» nickst leichter und froher. WaS ihn am schwersten bedrückt, die Sorge um die Wege, welche der Bruder wandelte, und dir nothgedrungen zum Abgrund hätten führen müssen, war von ihm genommen, er durste sich dem Glauben hingeben, daß rin Wendepunct in dem Leben desselben eingctreten sei. Aber Jakob'- rastlos tbätiger Geist, den vorwiegend die ernsten Seiten de- Leben« beschäftigten, fand auch bald wieder Grund zu neuen, weniger erbaulichen Betrachtungen, welche bereit- die letzte Begegnung mit Helene Brenner angeregt. Voll Selbstzufriedenheit hatte er sich von ihr getrennt, me- mal- durfte eine Annäherung zwischen ihm und ihr statt- ssndrn. Sobald er ihrer nur mit einem wärmeren Gefühl gedacht, da- nur zu oft in ihm aufwallte, erhob sich auch der Gedanke an da- Schicksal seine- unglücklichen Vater- wie ein unheimliche- Gespenst vor feinem inneren Auge, und der Trotz besiegte schnell jede weichere Regung. Und dennoch! Wenn er de« Vater« gedachte, fo fand seit einiger Zeit immer eine Ideen Verbindung mit dem Bruder statt, und heute mehr als je. Wie schroff chatte Han« ihm vor nicht gar langer Zeit gegenübergestande», war er doch fest entschlossen gewesen, sich drmftlben nie wieder zu nähern. Nun dieser plötzliche, ganz unvorbereitet« Umschwung. Am Morgen noch trennte Jakob sich nicht ebne Besorgniß von dem ruhig Schlummernden, erfüllte ihn dock der Gedanke an die hochmütbig abweisende Art, welche der junge Maler ibm stet« bezeigt. Und wie fand er ihn am Mittag? Wie schmiegsame» Wach« unter dein Druck einer warmen Hand. War nicht auch der Vater ein gleicher Charakter gewesen? Wie oft batte dieser Gedanke im Lauft der Zeit Jakob sich aufgcdrängt, uni ihn zu quälen und zu beunruhigen! Wenn er wirklich schuldbeladen von der heimatbliche» Schwelle ge flohen war! Er kalte sich solcher Gedanken geschämt und sie immer wieder energisch von sich gewiesen, aber er konnte sich ihrer trotzdem nickt erwehren, und sic waren es, die ihn nicht selten irre an sich selbst werden ließen, und dann — dann ein heiße» Verlangen nach Glück in ihm weckten, ein Ver langen, dessen er sich schämen zu müsse» glaubte. Jakob täuschte sich nicht darüber, daß seine Conslne Helene Brenner sein ganze« Herz besaß, aber da« Bewußtsein, ihr immer rin Fremder bleiben zu müssen, hielt da- beiße, leiden schaftliche Gefühl in einem Bann, der demselben niemals sich zu äußern gestattete. Die kühlste Zurückhaltung in ihrer Gegenwart ließ ibn meisterhaft verbergen, wa« nicht selten in seinem Innern vorging. Sie durste nie ahnen, wa« ihn bewegte; selbst wenn sie nicht so weit Uber ihm gestanden hätte, so würden sie doch durch einen unauSsüllbaren Abgrund für immer von einander getrennt gewesen sein. Jakob verließ eine Stunde früher al- gewöhnlich dir Fabrik, um sich naH Hause zu begeben. Er wollte der Ein ladung de- Werkmeister- Grtinwald Folge geben und beabsich tigte, den Bruber zu veranlassen, ihn zu begleiten, in der Hoffnung, den wohlthuendea Einfluß, den beide Menschen auf Jedermann auSüben mußten, auch aus Han« wirken zu lassen. Er fand den Bruder nicht mehr anwesend, doch dachte er über dir Thatsache nicht weiter nach. Derselbe war gewiß gegangen, nothwendige Einkäufe zu machen, und noch nicht zurückarkebrt. So sah er sich gezwungen, allein zu gehen, da er nicht warten konnte, weil er Kordel Nachmann noch einen Besuch am heutigen Abend versprochen. Einen Augenblick dachte er daran, diesen Besuch um einen Tag aufriischiebrn, aber sie war sehr leidend, und ihr schadete led« Aufregung. Er konnte e« nicht über- Herz bringen, sie vergeblich warten zu lassen. E« war gut» daß er gegangen war. Kordel'« Zustand battesich, wie er lange vorauSgesehrn, plötzlich verschlimmert, am Mittag war ein Blutsturz «iogetreten. Damit war die letzte Hoffnung aus Genesung oder vielmehr längere Erkaltung ihre« Leben« geschwunden. Der Arzt hatte »br auf ihren bestimmt ausgesprochenen Wunsch, zu erfahren, wie lange ihr noch zu leben bestimmt sei, gesagt, daß er ihr nur noch Hoff nung auf wenige Tage machen könne. Diese Mitteilung schien sie nicht im Mindeste« zu beunruhigen» denn sie nahm die offene Erklärung des Arzte« niil lächelndem Munde ent gegen und dankte ibm sür dieselbe. Sie empfing Jakob mit heiterer Miene. Er batte geben wolle», obne sie z» sehen, aber er durste nickt bezweifeln, daß der Arzt sic mit keinem Berbot mehr beunruhigt. Ihr konnte auch eine Erregung keinen Schaden mehr bringen, da- Leben war dein Erlöickc» nahe. „Kordel — Du wirst gesund werden, zum Frühling, ein Arzt ist nicht allwissend," versuchte er zu trösten. „Bei mir kann er eS sein," versetzte sie mit leiser Stimme. „Ich fühle aber auch selbst, daß eS vorbei ist, Jakob — endlich vorbei!" Die letzten beiden Worte klangen wie eine Erleichterung. In ihren große», schimmernden Äugen sah er einen Ausdruck von Freude. „Du fürchtest den Tod nicht — Kordel — Du —" „Nein, ich fürcktc ihn nicht, obgleich ich in der letzten Zeit durch Dich daö Leben lieben gelernt bade. Es war ein sebr mübe- und dornenvolles, Jakob, und wer mag wissen, ob nicht eine- Tage« abermals Schmerz und bange Sorge ihre» Einzug bei mir gehalten Kälten. Ich kann aber nicht mehr ertragen, mir ist jede Widerstandsfähigkeit verloren, wenn ich jemals eine solche besaß." Sie batte »nt leiser, kaum vernehmlicher Stimme und in abgebrochene» Sätzen und Worten gesprochen. Er mußte sich tief zu ihr binabbeugcn, »in sie nur verstehen zu können, — ihr fieberheißer Athen» streifte seine Wange, und er fühlte sich von einem unnennbaren Schmerz durchflutbet. „Sich' nicht so finster", fuhr sie fort, und ihre Hand be rührte liebkosend seine Wange. Er schauerte unter der Be rührung zusammen. „Ich suhle mich jetzt ganz glücklich, ganz befriedigt, und Glück und Frieden danke ich Dir. Ohne Dick ? Wie hatte mir rin frommes Gottvertraurn im Kampf mit bösen Mächten bleiben sollen? Und doch war eS nur dieses, welches mir das Leben erträglich gemacht. Wie schön ist eü mir in der letzten Zeit erschienen! Ich würde aber gestorben sein, wenn c« wieder anders gekommen wäre. Und dieser Moment wäre gekommen, hätte kommen müssen. Niemals würde ich cS ertragen haben, Dich an der Seite einer anderen Frau glücklich zu sehen. Wie selbstsüchtig ist doch da« mensch liche Herz!" Er versuchte zu lächeln. „Ich werde niemals daran denken, mir einen Hau»stand zu gründen. Hier war doch meine Heimath — bei Dir, Kordel." -Gott segne Dick." Sie lag eine Weile ganz still mit geschlossenen Augen, ein Lächeln umspielte ihren Mund, Sonnenschein de« Glücke« thronte auf ihrer Stirn, und ihre Hand hielt mit leisem Druck die seine. Erst nach einer längeren Pause sagte sie wieder:
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