Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920305025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-05
- Monat1892-03
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Abmmementspreis I» der Hauptexpedition oder den im Stadt» deitrk und den Bororten errichteten Au», «atesteklen adqeholt: dterteljüdrtich^4.ü0, bei »weimoltger titgttcher Zustellung in« Hau« » ü.SO. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteinibrtich S—. Direct» tägliche Sreuzbandsendung in< Au-laad: monatlich ^l> 9.—. Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich>/,1 Uhr. dt« Ad«nd-*u»gab« Wochentag« b Uhr. Ue-stlion «nd Expedition: I«»anneS,affe 8. DI« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von sriih 8 bis Abends 1 Uhr. FiNaln»: vtt« «le«m » Kortim. tAlsreb Hahn), UaiversitätSstrabe 1, Luut« L-sch«. «atharinenstr. 14, purt. nnd «önigtplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ siir Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. 119. Sonnabend den 5. März 1892. JnsertionsPreiS Die 6gespaltene Petitzeile 20 Psg. ffieelamen unter dein Redaelionsstrich l4ge« spalten) 50^, vor den Faniilieniiachrichten (b gespalten) 40 virotzere Schritten laut unserem Prei». verzeichn^. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tuns. Sictra-Verlage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Aueaode, ohne Postbesördernng 00.—, mit Poslbrsörderung 10.—. Ännatimeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge n-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Inserate sind stets an die Erhrdttt«« zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig 8V. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 6. März, Vormittags nnr bis v Uhr sMncr. LxpvtMlon lies I-eiir/^er j nL<»I»intte^. Amtlicher Thett. Lekannlmachmig. Die am 1. Juli 1892 zu tilgenden Prioritqtsactien Oit. N der Oberschlesischen Msenbahn-Gesellschafl werden akn Diensta«, »rn S. April I8S2, Vormittags 11 Uhr iu unserm Sitzungszimmer, Orantenstraße 92/94, 1 Treppe, in Gegenwart zweier Notare öffentlich verloost. Berlin, den 2. März 1892. Königlich Prrutzischr Hauptverwaltung per Staatsschulden. Merleker. Vas Äufhören des Lartels in Sachsen. Da- „Vaterland", Organ des „LandeSvereinS sür die kon servative Partei Sachsens", enthielt in seiner Nummer vom b. Februar folgende „Bekanntmachung" des Vorstände»: „Von dem Vorstand des Confcrvalivcn LandeSvereinS sind nach der letzten Landtagswahl Schritte eingeleitct worden, welche bezweckten, eine Verständigung mit der nationalliberalen Partei im Königreich Sachsen bebufs Schlichtung etwaiger Differenzen bei künftigen Wahlen in den Reichstag und Landtag durch Einsetzung eines Schilds gerichts herbcizuführen. Diese Schritte haben den erstrebten Zweck nicht erreicht. Der Vorstand sieht sich deshalb genöthigt, daraus auf merksam zu machen, daß da» bei der ReickStagöwabl im Jahre 1881 abgeschlossene Cartel zwischen der konservativen und nationallibcralen Partei im Königreiche Sachsen zur Zeit nicht mehr besteht, auch eine ankere Abmachung zwischen beiden Parteien an dessen Stelle nicht getreten ist." Die hier gebrauchte Wendung: „die vom Vorstande de» Csnservativcn LandeSvereinS zur Verständigung mit der nationallibcralen Partei behufs Schlichtung etwaiger Differenzen bei künftigen Wahlen eingeleitele» Schritte hätten den er strebten Zweck nickt erreicht", könnte leicht auf uns und unsere Partei den Schein werfen, als babc cs unserer seits an dem nölhigen Entgegenkommen geseblt. Um einen solchen Vorwurf von uns abzuwendc», erschien uns die folgende öffentliche Erklärung geboten. Dieselbe ist verzögert worden theilS durch die Notywcndigkcit einer Benebmung darüber sowohl mit der nationallibcralen Fraction in der Zweiten Kammer als mit unseren Abgeordneten im Reichs tage, theilS durch eine überraschende neuere Auslassung von conservativrr Seite. Allerdings sind von dem Vorstande des Conservativen LandeSvereinS sür Sachsen Schritte geschehen, um ein „ge meiniames Comits" beliusS besserer Ausführung des CartelS, bez. ein „Schiedsgericht zur Schlichtung von Streitigkeiten bei den Wahlen" ins Lebe» zu rufen. Allein, so sehr der Grundgetanle dieser Vorschläge mit dem übcreinstimnue, waS wir selbst seit l881 erstrebt batte», so gaben doch der nähere Inhalt nnd die Art, wie die Vorschläge an uns gebracht wurden, begründeten Anlaß zu mancherlei Bedenken Zu nächst war die für ein solches Vcrhältniß unerläßliche Vor bedingung der Gleichheit (in der Zusammensetzung des ComitsS) ansänglich nicht inne gehalten, sie wurde vielmehr erst spater auf Andringen unserer Landtags Fraction ;u- gestanden. Die zum zweiten Mal an uns gebrachte Anregung erfolgte sodann gerade in dem Augenblick, wo die conscrvative Partei in deni führende» Staate Preuße» gegenüber unseren dortigen Parteigenossen die allerschroffstc Stellung ein genommen hatte, und wo sowohl im preußischen Landtage als in den leitenden Preßorganen jener Partei, und zwar unter voller Zustimmung tonangebender conservativer Blätter in unseren» sächsischen Vaterlande, alle Liberalen ohne Aus nahme, also auch wir, als „Nichtchristen", „Widerchristen", „Atheisten" u. s. w. verketzert wurden. ES ist wohl selbst verständlich, daß dieser Augenblick uns zu einer sosortizen eiwgiltigen Beschlußfassung über die Sache nicht geeignet erschien. Endlich aber ward die Verhandlung über >ene Vorschläge dadurch erschwert, daß dieselben nicht an uns, den Vorstand, sondern tkcils an die nationalliberale Fraction im Landtage, theils an unsere Abgeordneten im Reichstage — mit völliger Uebergehnng des Vorstandes — gelangt und erst von diese» uns mitgctbeilt worden waren. Diesen Umstand hat »un ganz neuerdings das ossicielle Blatt tcS conscrvativcn Landesvercms, das „Vaterland", so zu rechtfertigen gesucht, daß cS sagte, dieser Weg sei gewählt worden, um nicht gegen das sächsische VercinSgesetz zu ver stoßen, und die Herren von der nationallibcralen Kainmer- fraction „hätten cs übernommen, ihren VereinS- vorstand davon zu verständigen". Dies Letztere nun bestreite», von »ns deshalb ausdrücklich befragt, die Mitglieder der Fraction iu der Kammer. Ist somit hier ein, allerdings schwer begreifliches, Miß- verständniß im Spiele, so hat, wie wir koren, ein solches auch nach der anderen Leite bin ftattgesnnden. Man bat coincrvativerseits nicht allein unsere letzte Erklärung als eine „Ablehnung" ausgesaßt, wäbrend sic koch nur eine Ver tagung der envgiltigcn Beschlußfassung war und sein sollte, sondern man hat auch darin ein Anzeichen zu finden eglanbt, „daß wir uns den Weg nach links offen alten wollten". Insofern unter diesem „Links" nur die alte sächsische Fortschrittspartei gemeint sein sollte, bedars cs zur Annäherung an diese keine» „OffenhaltenS des Weges", den,» dieselbe war schon in das Cartel unter vollkommener Beistinimung der Conscrvativcn mit cinbezogen, und sie wird — wir glauben dies sicher zu wissen — auch beim Ausbören des Carle!» zu »ins, wie wir zu ihr, ganz in demselben Berliältniß verbleibe». WaS dagegen unsere Stellung zu den weiter links stehenden Parteien anlangt, so ist uns diese ein sür allemal durch tz. 2 unseres Statuts klar vorgezeichnet, denn dieser lautet: „Der nationalliberale Verein für das Königreich Sachsen lebt völlig unabhängig nach rechts nnd links da; doch wirk er bei Reichötaaswahlen in solchen Fällen, wo das Interesse dcS Reichs oder der bestehenden Gefell schaftSordnnng es erfordert, mit anderen Par teien Fühlung zu gewinnen suchen." . Wo immer also ein Soeialdcmokrat oder sooft ein Ean- cidat in Frage kommt, dessen grundsätzliche Denk oder Hand lnngswcise mit den obersten Interessen des Reick»» mckit :>» Einklänge siebt, werden wir »ach wie vor mit Allem, was zu den „staatöer haltenden" Parteien gehört, Fühlung suchen und »verteil Icke» »»tcrstützcn, der einem solche» Candidaten obzusiegen Aussicht hat, gleichviel, ob er spccicll zu unserer Partei gehöre, oder nicht, Ilcbcrhaupt werden wir, wie sich von selbst versteht, den Standpunct, den wir von jeher eingenommen, auch ferner behaupten, den Etand- pnnct einer gemäßigt-liberalen, vor Allein aber nationale» Partei; wir werden auch ferner allezeit das Interesse des Ganze», des engeren und des weitere» Vale» lande», über das Interesse der Partei stellen, und werden ans diese Weise unscren Pflichten gegen das Allgemeine, ebenso wie gegen unS selbst, wantelloö getreu bleiben. Leipzig, den 26. Februar 1892. Der Vorstand des nationalliberalen Vereins für das Königreich Sachsen. I)r. Gensel, Vors. Leipzig 5. März. * Beim letzten Feste im königlichen Schlosse in Berlin soll die Kaiserin Veianlcissiing genommen babc», mit dem Bürgermeister Zelle über ihre Bestrebungen zu sprechen, welche sich aus die Krankenpflege in bedürftigen Familien erstrecke» und die eine größere Ausdehnung und Wirksamkeit als bisher bezwecken. * In der am 8. d. M. unter dem Vorsitz des Vice- Präsidciilci, des StaatsininistcrinniS, Slaatssecretairs des Innern 1>i. von B»etlicher abgehaltcncn Plenarsitzung des Bundes rat Hs wurden einige vom Reichstag über wiesene Petitionen, ferner folgende neu cingcgaiigene Vor lagen den zuständigen Ausschüssen überwiefen: eine Vor lage, betreffend ausländische PrüfnngSzeiche» von Hand- sciicrtvaffc». die Entwürfe von Bestimmungen über die Beschäftigung jngendlichec Arbeiter rc. in Stein kohlenbergwerken, sowie in Zuckerfabriken und Raffi nerie», endlich die Allgemeine Rechnung über den Ncichsbaushalt für 1888 89. Den Anträgen der Ans schüssc entsprechend, wurden die Vorschriften über die Be schäfligniig von Arbeiterinnen nnd jugendlichen Arbeiter» in Drahtziehereien mit Wasserbetricb sowie i» Glashütten, ferner die Aciideriiiigcu der Aussübruiigsbcstimmuiigcii zum «besetz über die Statistik des Waarciivcrkchrs init den» Auslände, angenommen. Tic AnSschußanträgc, betreffend die schließ lich,: Festsetzung der Eiiinabmen an Zöllen und geincinschast- lichcn Verbrauchssteuern, sowie der in Anrechnuna zu bringenden Verwaltungsausgaben für daS Ctalsjahr >888/8'.» wurden zum Beschluß erhoben. lieber die Erledigung einer Anzahl von Eingaben aus dem Gebiete des Zoll und StenerwcscnS, sowie über die Erweiterung der Absertigungsbesugnisse einiger Zoll und Stcuerslcllc» wurde Beschluß gefaßt. Die Versammlung er klärte sich ferner damil einverstantcu, daß dem gegenwärtigen deutschen Eisenbahn-Gütertarifschcma ein Spccialtaris sür bestimmte Stückgüter cingefügt werde, und genehmigte ge wisse Abänderungen der Bestimmungen über die Beförderung von Knochen auf den Eisenbabnen. Schließlich wnrde dem Uchcrcinkom'nen mit de» Vereinigten Staaten von Amerika, betreffend den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte, die Zustimmung ertheilt. ' Im Senioreiiconvent hat der Präsident von Levetzow fesigestclll, daß der Reichstag nur in 13 von den 66 Sitzungen des lausenden Sessionsabschnitics wirklich de- sck, lußsäbig war. lieber die Rcichölagssitzung vom l. März, welche wegen Beschlußunsähigkeit abgebrochen werden mußte, liegt jetzt der stcnograpbische Bericht mit dem Namensaufruf vor »nd cs laffen fick» daraus die anwesenden nnd abwesenden Mitglieder ersehen. Es waren ba,u.a» l88 Mitglieder an wesend. Krank waren 6 (2 Centrum, 3 Conscrvative, l Nationalliberaler). Beurlaubt waren: 3 t (6 Centrum, .» Couservative, 2 Reichvpartei, 3 Nativnaltiberale, ll Frei sinnige, 3 Volkspartei). Entschuldigt waren 2 (l Conser- variver und Fürst Bismarck). Ohne Entschuldigung fehlten: l«>3, nämlich .'>'.» Ccntrumsmitgliedcr, >6Couservative, 5, Reichs- parlci, 12 Nationalliberalc, l5 Freisinnige, 5 Volkspartei, 2l Socialkcmokraten, l Antisemiten, ll Polen, 5 „Wilde", I» Elsaß-Lotkriiigcr. Vom Centrum fehlte also über die Hälfte ohne Entschuldigung, von den Socialdemokraten gar fast besser waren die Nationalliberalen, noch besser die Freisinnigen und Conscrvativcn am Platze. Die VolkS- parlci fehlte zur Hälfte, die Polen fast alle, die Elsaß-Loth ringer iiiSgeiamnil. Die Schuld an der uiiausacscyten Beschlußunfähigkeit muß also in erster Linie der Lässigkeit der Ceiitruiusmitgliedcr beigelrgt werden, die doch die Führung und Herrschaft im Reichstag beanspruchen. * Die Rede des Kaisers gegen die Nörgler hat im Auslaute viel Aussehen erregt, aber sie ist fast durchweg nicht günstig besprochen worden. Nicht einmal die Acußc- riingen der englischen, geschweige der tranz»i„ck,en Presfe laffen sich wiedcrgeben. Auch die leitende» Blätter Rußlands suchen die Rede ausziinützen, »im die Lage DcntschlandS in einem trüben nnd dedciillichen Lichte darzustellen. Der „Grashdaniii" spricht von einer „in Deutschland sich an- hahnende» allgemeinen Eruption, die von Tag z» Tag immev wahrscheinlicher und drohender sich ausnimmt." Auch die „Nowo'li" behaupten, daß sich Deutschland am Vorabend ernster Ereignisse befinde. Der neue Cnrs babc Deutschland i» eine Enge gebracht, wo mau auch unler einem erfahreneren Steuermann Scliiffbruch erleiden könnte. Tie Absicht, von der diese Ergüsse der deulschfcindlichcn russische» Presse dictirt sink, ist zu durchsichtig, als daß sic in Deutfchlaud verstimmen könnte. Immerhin aber zeige» derartige AnSlassungen, mit welcher Anfmerksaiiikeit die auswärtige Presse danach späht, wo sich in Teutsihland eine Unvollkommenheit zeigt. * Die »ativnalliberale „Berliner Börsen-Zeitnng" führt aus, daß die Thcilnabmlosigkeit der ReichstagS- abgcordnctcn an den Verhandlungen des Reichstage« einen lieferen Grund habe. DaS Blatt schreibt: „Ein großer Thcil der Abgeordneten, es muß einmal aus gesprochen werde», htcibt dein Reichstage fern, weil di« Richtung der Politik, welche mau jetzt zu verfolgen beliebt, nicht nach ihrem t8esch,ncick ist und sic cs vorziehc», durch Fernbleiben ihre Meinung darzuthu», als der herrschenden Richtung energisch Opposition zu mache» Es ist da« sicherlich politisch nicht richtig, aber es ist I menschlich erklärlich. Denn eine groß» Reih» dieser Abgeordneten I wußte sich bislang eins mit Le» politische» Zielen der Regierung. Feuilleton. Die Dennhar-tsbrü-er. 18s Socialer Roman von A. Lütetsburg. «!»«»>»« verböte». (Fortsetzung.) Er ging einige Male in dem Zimmer aus und nieder und warf dann einen prüfenden Blick in den Spiegel auf sein Gesicht. Es war noch immer bleich, aber doch nickt mehr verstört. Nun erst klingelte er. „Führen Sie den Mann Herrin, Felis — ich will ihn sprechen." Die Worte waren nur mit Anstrengung über seine Lippen gekommen, und als der Diener wieder gegangen war, füdlte er abermals eine ohnmächtige Schwäche, die ihn zu über wältigen drohte. Der Diener führte einen Mann herein. Fest richteten sich die Augen des GeheimrathS auf den Eintretenden, und wie Bergeslast siel es ihm vom Herzen. Er batte sich eines Tages sehr schlimme Vorstellungen von einer Wiederbegegnung mit dem Bruder gemacht, aber so tief hatte dieser nie sinken kennen, so schaute er ihn niemals in den Stunden, wo die Phantasie ein unheimliches Bild ihm vorgcgaukelt. Er richtete sich höher aus. „Sie haben mich zu sprechen begehrt und sich den Zutritt zu mir erzwungen, indem Sic mich an eine Stunde erinnert, die viel llnbeil Uber eine Anzahl unschuldiger Menschen ge bracht. Mit welchem Recht thaten Sie cS?" Der Bettler hob den gesenkten Kopf. Unter zwei buschigen Brauen bervor blitzten dem Geheimratb zwei Augen ent gegen. Er zuckte zusammen und sein Gesicht wurde wieder bleicher. „Es scheint, als ob ich mich sehr verändert hätte," sagte eine heisere, spottende Stimme. „Glaub'S wohl. Ich ver brachte meine Tage nickt in einer solchen Umgebung, sondern bade mich, dem ewigen Juten gleich, rastlo« von einem Ort zum anderen treiben lassen müssen Du kennst mich nicht?" Der Gebeimralh taumelte zurück wie vor einem Gespenst, ein unartikulirter Laut kan, von seinen Lippen. Mit weit ausgerissrnen. au« den Ziöhlen quellenden Augen starrte er die Erscheinung de« Bettlers an. „Gustav — Du dists? So — so — kommst Du zurück? Barmherziger Gott ff' Mit einem Schrei sank er in den neben ihm stehenden Sessel. Aber auch der Bettler schien unfähig, sich länger »uf den Ftzt-en zu erhalten Nur mühs«m hatte er sich nach langer Krankheit hierher geschleppt, und drei Tage und Nächte lang trotzte er der Unbill der Witterung, um ci>w Begegnung mit dem reichen Fabrikherrn zu erzwingen. Seine Kraft war gebrochen, nur ein fester Wille hatte vis zu diesem Augenblick der pbysischen Schwäche Widerstand zu leisten vermocht. Jetzt aber brach er bewußtlos zusammen. Das Geräusch batte Karl Brenner aufmerksam gemacht, er eilte binzu. Kein erwünschter Zweifel, daß ein Anderer ihn zu täuschen versucht, konnte ihn inedr beruhigen. Der eine Blick wildesten Hasses, der unter buschigen Brauen der- vorgeblitzt war. hatte ihm genug gesagt. Was war aus dem unglückseligen Bruder geworden? Wie hatte derselbe so tief sinken können? Er schauerte leise zusammen, es war, als ob die Berüh rung ihn frösteln mache. Aber dann beugte er sich abermal- herab, fest schlang sein Arm sich um die zerlumpte Gestalt nnd bod sic mit äußerster Anstrengung empor, um sie auf da« Sopba zu tragen. Die Ruhe und Besonnenbeit des Fabrikkerrn, die ihn in kritischen Augenblicken seines Lebens nie verlassen, war damit voll zurückgekehrt. Er öffnete den Rock des Bewußtlosen^ und ging dann in das Schlafzimmer, um Wasser zu holen Als er jedoch aus demselben zurückkchrtc, hatte dicfcr sich bereits wieter erhoben »nb stand ihm mit einem finsteren, ent schlossenen Ansdruck in dem schmutzigen und verwilderten Gesichte gegenüber. „Sorge Dich nicht um mich, sondern sorge für Dich selber Mich bethörst Tu nickt, wie es Dir gelungen ist, die ganze Weit zu täuschen. Ich kenne Dich, ich sehe bis aus den. Grund Deiner Seele, die nicht« als Hochmuth und Egoismus kennt. WaS ist aus meinem Weibe, meinen Kindern ge worden? O, ich weiß es. Mein Weib ist vor Gram und Kummer gestorben, und meine Kinder — „Dcnnbardts- briider", Zuchthäusler! Fluch über Dich! Dreimal »Fluch!" Karl Brenner '»ich unwillkürlich vor der unheimlichen Ge stalt zurück, rin wilde- Hohngelächter tönte an sein Ohr. „Feigling!" kam eS schneidend von seinen Lippen. „Sag', WaS hast Du mir zu entgegnen?" „Ich werte Dir nicht Rede sieben, wenn Du sortfährst, in diesem Ton zu sprechen", entgegnete -jetzt der Gebeimralh mZ einer Rübe, di« ibre beabsichtigte Wirkung nicht verfehlte. „So kehrst Du zurück? Nicht eine Spur von Reue sür all' daS Elend, da« Du über mich gebracht?" „LH, dieses ElendI Ich glaube, e« hat sich ertragen lasten", kam c« spotleur von den Lippen de« Bettler«, indem er einen spöttischen Blick auf die glänzende Umgebung warf „Gieb mir Antwort auf meine Frage nach meinen Kindern." „Sie würden über eine Begegnung mit Dir wenig Freude bezeigen, wenn Du ihnen so gegenübertreten wolltest." Die Gestalt Lcö Bettler» richtete sich höher auf, in seine» Äugen prägte sich die gespannteste Erwartuna aus. „Du weißt, wo sic sind?" kam eS unsicher über seine Lippen. „Ja — ich weiß cS." „Es ist ihnen nicht ergangen — wie — wie mir?" „Nein, Gustav, Deine Söhne sind Männer, auf die jeder Vater stolz sei» kann." „Oh — oh, Karl — hilf mir! Sag' nichts — sag' nichts —" Mit einem gurgelnden Laut brach er abermals zusammen. Der Gchcimralh stand eine» Augenblick unschlüssig. Ihm war der Gedanke jzckommen, den Diener zu Hilfe zu rufen, aber er hatte ihn sogleich verworfen, rS mußte ei» anderer Ausweg gesunden und jedes Aussehen vermieden werden. So hob er den Unglücklichen zum zweiten Male auf, und ihm war'S, als ob »un Kraft feine Adern durchströme. Er legte ihn nicyl auf das Sopba, sondern trug ihn in das angrenzende Schlafgemach, wo er ihn auf sein Bell »iederlegte. Alle Bemühungen aber, den Bewußtlosen wieder zum Leben zu erwecken, erwiesen sich al» vergeblich. Herr Brenner überlegte, was zu thun sein würde, und hatte alsbald einen vollständigen Plan entworfen. Zunächst mußte er den Diener auf kurze Zeit vom Hause entfernen. Er ging, demselben einige Aufträge zu ertbeilcn. Der Diener sah seinen Herrn zwar mit einem Ausdruck von Verwunde rung an, aber dieser war nicht gesonnen, irgend eine Rücksicht daraus zu nehmen. Etwaige Vermutbun^en und Comdi- naiioneu desselben mußten ihm glcichgiltig sein. Nachdem er den Diener entfernt, kehrte er in sein Zimmer zurück, verriegelte die Thür und begab sich in das Schlaf- gemach, um hier energische Wiederbelebungsversuche mit dem noch immer Ohnmächtige» anzustellen. E« gelang ihm cirdlich nach großen Anstrcgungen, er atkmelc auf, den» er glaubte, den Schlüssel zu dem Herzen dieses Manne« gesunden z» .haben „Gustav, um Deiner Kinder willen, sei jetzt ruhig, und laß un« überlegen, waS zu Ibun ist. Nicht Egoismus läßt mich so sprechen, sondern die Sorge um Dich und Deine Söhne. Haben sie eine Atmung von Deinem Kommen?" „Niemand weiß von mir." „Du bist krank, Gustav, Du kannst nicht in diesem Zustande fortzchen. Wenn D» hier bleibst, will ich Dir Deine Kinder zuführrn." „Du sagst, sie sind geachtete Menschen, dann — dann — laß mich gehen. Ich habe hier nichts mehr zu tbun; sie werden nie von mir hören. Auch Du nicht mehr, Karl — Du sähest mich zum letzten Mal." Er batte den Versuch gemacht, sich auszurichlen, war aber wieder zurückzesunken. „Gustav, werde ruhig. O, mein Gott, cs kann noch Alles gut werbe». Jahrelang habe ich Deine Rückkehr ersehnt, damit Tu Zcugiiiß für mich ablegr» konntest, daß ich nicht ein Elender war, der de» schuldlosen Bruder mit seinem Haß verfolgt." „WaS konnte Dir an meinem Zeiigniß liegen? Wer hätte Deine» Worte» nicht Glauben geschenkt?" „Meine Feinde nicht, auch wenn ich gesprochen hätte. Aber ich habe nicht gesprochen, und so mußte der schwarze Verdacht aus mir ruhe» bleibe», Deine Kinder in »iir den Zerstörer ihres Glückes sehen. Gustav, wir haben beide Kinder, um ihretwillen laß un« Zusammenwirken, damit ihre Secleiiruhc nicht gestört werde Ich will Dir von Deinen Söhnen erzähle», wie cS ihnen ergangen ist in der Welt, wie sie aus eigener Kraft z» tüchtigen Menschen geworden sind. Du bist ihr Vater. Laß sic durch Dich nicht den bittersten Schmerz ihres Lebens erfahren. Sie lieben Dich, sic glaube» an Dich, zeige Dich Ihnen nicht in dieser Geftalt." Nock- lauge, lauge Zeit redete Herr Brenner auf den wie leblos Daliegendcn ein Nur ein gelegentliches, schmerzliches Zucken der Mundwinkel, ein leises Zittern der Wimpern ver- rictb, daß er nicht vergebens sprach. Endlich öffnete er die Auge» und ungewiß blickte er den Sprechenden an. „Was soll ich tbun?" Die Worte waren kaum vernehmlich über seine Lippen gekommen. „Du bist krank, Gustav, ich möchte zu einem Arzte schicken." „Nein — nein — ich will fort, fort >4 Mir bleibt kein Ausweg." Er batte sich jetzt wirklich erhoben »nd machte eine weitere Bewegung, das Lager z» verlassen. Mit fester Hand drückte ibn Herr Brenner in die Kiffen zurück „Ick lasse Dich nicht in diesem Zustande geben, unter keiner Bedingung. Du bist bilfs und pflegebedürftig, beide« soll Dir hier im Hause zu Theil werden. Man soll Dir ein Bad bereiten, es wird Dir wokl tbun, dann magst Du ruhen, während ich sür Deine Kleidung Sorge trage. Widersprich nicht mehr, Gustav. Ich will annehmen, eS wird Dir schwer, mich sür Dich sorgen zu laffen, dann denke, es sei ein Opfer, daS Du dem Wonlcrgeben Deiner Kinder bringst." Mitternacht war vorüber, der Geheimratb Brenner batte sich noch nicht rnr Ruhe beheben Auf seinem Lager streckte ein todlmüker Wanderer seine Glieder au- — mit welche» Empsinkungen! Seit mehr als zwanzig Iakren batte er ruhelos die Welt» fremde Erdlheile durchstreift, und kaum eine Nacht batte er vorher gewußt, wo er die folgende weilen werde. Alles war gescheitert — Alles mißglückt, um Tagelobn batte er die lange Zeit ge arbeitet. rastlo«, unermüdlich, in der ungewissen Hoffnung» eines
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite