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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920309025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892030902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892030902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-09
- Monat1892-03
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Abend-Ausgabe. JnsertionSprei- Die 6 gespaltene Petttzeile 20 Pfg. Rectamen unter dem Redactiorsslrich (4ge- tvatten) 50^. vor den Familteanachrichlei« <t. gespalten) 40-E. Otroflere Tckniten laut unserem Preis« verznch»ih. Tabellarischer und Zisiernjatz nach höherem Tanj. Srtra-Veilaqrn (gesalzt), nar mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesorderung 70.—. Ännahmkschlak für 3nser«1e: Adead-AuSgabe: Bormittag» 10 llhr. Morge n»Au«gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »tu» halb« Stund« früher. Inserate sind stet» an dt« Grtzedttt«» zu richt«». Druck und Berlag von L. Polz in Letvzig 128. Mittwoch den 9. Mär; 1892. 86. Jahrgang LeivM, 9. März * In drn „Hamb. Nachr." wird bestätigt, daß Fürst Iismarck zwar bei guter Gesundheit sei, sich aber doch de» politischen Geschäften lern halten werde. Der Fürst habe außerdem auch politische Bedenken, bei drr augenblicklichen Lage in Berlin zu erscheinen. * Gegenüber der Meldung einiger Blätter, in FricdrichS- rah herrsche über die demnächst ini Buchhandel erscheinende» uxvrrbrannten W elfen fondSq ui Nun gen große Auf« rrgung, erklären die .Hamburger Nachrichten", davon sei keine Rede; würde Fürst Bismarck die Acten de» Welsen- sond» veröffentlichen, so würde dies vielen Leuten, namentlich seine» jetzigen Angreifern, wahrscheinlich sehr unbequem sein Wir möchten hinzusügen, so sagt die „Allg. Ztg ", daß nach der Kcnntniß, welche in Berliner politischen Kreisen über jene- OuittungSversahren besteht, eigentlich auf den Welfen- sond» lautende Quittungen überhaupt nie existirt haben, so daß Personen, welche aus diesem Fonds Geld empfingen, nur in den seltensten Fällen über den Ursprung unterrichtet ge wesen sein sollen. Fürst BiSmarck dürfte der Letzte sein, der Grund hätte, sich über irgend welche Publikation dieser Art ausjureaen. * In drn nächsten Tagen wird die Dombaufrage in drr Budgetcommission des preußischen Abgeordnetenhauses zur Verhandlung kommen Wie wir hören, sind in allen zrößeren Fractionen die Ansichten hierüber noch getbcilt und die Entscheidung läßt sich noch nicht übersehen. Nur da» Centrum soll als unbedingte Regierungspartei zu unbesehener Bewilligung entschlossen sein. * Bei dem Jubiläum der nationalliberalen Partei bekämpfte Herr von Bennigsen die Ansichten des KeichSkanzlerS von der Zukunft dieser Partei und besonder» dessen Ausspruch, daß in Deutschland alle Parteien national seien. Jetzt veröffentlicht der „Hannoversche Courier", dasselbe Blatt, welches von dem Grafen Eaprivl öffentlich entschieden befehdet wurde, folgende Danksagung des Oberpräsidenten ron Hannover: In Anlaß drS LSjährtgen Jubiläums der nationalliberalen Partei habe ich ein« so große Anzahl von Telegrammen »ud Zu schriften erhalten, daß «S mir nicht möglich gewesen ist, dieselben einzeln zu beantworten. Ich gestatte mir daher, hiermit meinem Denke mr di« mir durch Versammlungen und durch Einzelne aus» «sprochenea, mir sehr wohlthuenden Beweise von Wohlwollen und Anerkennung öffentlich Ausdruck zu geben. Hannover, am 7. März 1892. R. v. Bennigsen. * Ein Artikel des Abgeordneten Richter in verschiedenen Blättern girbt einen Ueberbl'ck über den bisherigen Inhalt der Berathungen in der BolkSschulcommission. Es wird darauf hinaewiesen, daß in vierwöchentlicher Bcralhung, während deren fast täglich fünf- und sechsstündige Debatten slaltsanden und die Plenarsitzungen der Kammer auf» Aeußerste beschränkt wurden, erst 50 Paragraphen von den fast 200 der Borlage in erster Lesung erledigt wurden, während »och eine Hinze Anzahl der wichtigsten Fragen ausstchen und ja auch über die bereit» erledigten in der zweiten Lesung der Commission sich neue Schwierigkeiten erheben werden, «selbst wenn man gewisse Abschnitte über Bord werfen würde, müßten die Berathungen eine so lange Zeit in Anspruch nehmen, daß da» Gesetz kaum vor Pfingsten in« Plenum gelangen könnte. Tort aber würden sich die Berathuogen noch wert schwieriger ge stalten, al< in drr Eommission, weil die Eouservativrn im Plenum lange nicht so geschlossen seien, wie ihre Vertreter in der Eoniinission. Selbst für den Fall also, daß im Abgcordnelcnbause noch i» dieser Session die Beratdung zum Abschluß kommt, wird eine Berschiebung der Entscheidung bi» zur nächste» Session unvermeidlich sein, da die Dauer der Beratbnngc» im Herrenbausc und das Schicksal, das der Vorlage bork bereitet wirb, noch ganz un gewiß ist. — Die interessante Miuheilung, daß die Evnser- valivcn in ihren Ansichten über da» Geicy auücinandergchcn, wird übrigens auch noch von anderer Seite au» Berlin be stätigt, mit dem Bemerken, daß in der Thal Herr v Rauch Haupt eine andere Stellung einncbmc, wie die Herren v. Buch und Haniinerstei», unv daß dieser Abgeordnete einen großen Anhang habe. * In der „Ereseldcr Zeitung" lesen wir: WaS die Blätter über die Majestät»belcidigung»processe schreiben, da» aiebt auch nicht annähernd eine Vorstellung davon, welche llrtbeilc in politische» Privatgespräche» gefällt werden. Die Herren Staatsanwälte, die in Berlin, in Köln und Frank furt Anklagen wegen vermcinllicher MajeslälSbeleitigung er hoben haben, sollten nur einmal hören, wa» sehr gemäßigte, ausgesprochen conservative Männer über ihren Eifer sagen, und sic würden sich alsdann fragen müssen, ob sie dem Staat»wvbl einen Dienst erwiese» habe». Bis weil in die Bcamrenwclt hinein erregt cs Mißfalle», daß diese Proccsse an gestrengt worden sind. Tie Kreise, die wir dabei im Auge haben, sind von vornherein gegen den Argwohn geschützt, als läge ihnen die größtmögliche Wahrung von Würde und Macht der Krone nicht ani Herzen. Nicht darum handelt c» sich, ob schmäh liche Herabsetzungen tcö Monarchen geahndet werde» solle», wir e» sich gebührt. Stände die Frage nur so, dann konnte die Antwort kann, ander» als bejahend lauten. Geifernde Schmähungen als »ichiSnupiger Selbstzweck gehöre» in der Tbat vor de» Strafrichter, und eS ist nicht» dagegen zu sage», daß das Strafgesetzbuch eine feste Schranke errichtet bat, vor der die mit Schmutz um sich werfende Verleumdung Halt zu machen genöthigt ist. Aber die Frage steht ja ganz ander». Für die Vertbeidigung drS .politische» Fehlers", als welchen die sreiconsewative .Post" die Anllagc-Erhebung gegen die Kölnische Zeitung bezeichne»«:, hat sich bis heute keine einzige Partei, kein einziges Blatt, keine einzige im «öffentlichen Leben stedcnte Persönlichkeit bereit ge* fuade«. In politischen Kreisen wird versichert, daß die Einleitung irner Procefse ausschließlich da» Ergcbniß der eigenen, unbeeinflußten Ansicht der betreffenden Staats anwälte sei. Wir sind geneigt. dieser Versicherung zu glauben, einmal au- dem inneren Grunde, daß solche „poli tischen Fehler" zumeist von den untern Organen begangen zu werden pflegen, sodann aber aus einem äußern, aber triftigen Grunde. Ebenso gut nämlich wie die Blätter, gegen die Anklage erhoben wurde, hätten auch ankere Blätter, bereu Kritik nicht weniger scharf war, angeklagt werden können. Daß dies nicht geschehe» ist, beweist nn», daß in den be treffenden Städten, die namhaft zu machen wir un» hüten werden, Staatsanwälte sind, deren Blick für die Notbivendig- kciten des politischen Lebens doch etwa« mehr geschärft ist Mehrfach herrscht deshalb die Mcinuiig, baß ein Zurücknehmcn »och cintreten könnte. Wenn ein Staatsanwalt gegenüber einem ernsten, von polilischcni Mulde zeugenden, hohe Be strebungen wabrnebmende» Prcßartikel, dem eS nur aus die I Sache und auf nichts Anderes ankommt, vor der Wahl steht, ob er einschrcite» soll oder nickt, dann müßte ihm gerate die Rücksicht ans die Gesaminthcit die Entscheidung nabe legen, lieber nickt einzuschrcilc». * Ans Weimar wird uns vom 8. März geschrieben: Die StaatSregieruiig fordert vom Landtage die Bewilligung einer — zur einen Halste aus den Nebcrschüssen vergangener ElalSpcriobcn, zur andere» Hälfte auS den. Kammerstaninl- Vcrmögen zu entnehmenden — Summe von 65 750 ^ zu einem Erwci terungüba» des hiesigen großherzoglicben Hoftbeater» bebus» Vergrößerung der Aufbewahrung»- und VetriebSräume, sowie Erhöhung der Feuersicher ben. Die in Aussicht genommenen baulichen Arbeiten er weise» fick' allerdings als sehr dringend »olbwentig, da der jetzige Zustand im Falle eines Brande» keineswegs die Ge währ biclet, baß Lebe» und Gesundheit der bei dem Hoslbeatcr beschäftigten Personen, sowie dcö die Vorstellungen besuchende» Publicum» gesichert sind. Da» Ministerialbccret stand bereit» zur erste» Lesung, und c» ist kaum daran zu zweiscln, daß das Hau» die Bewilligung schließlich anösprecbcn wird, wen» auch die Abgeordneten Kolbe und Mangncr sich des Wider- spruch» schuldig machten, daß sie einerseits di: Notbwcndigkeit de» Umbaues anerkannten, andererseits abe die Erledigung der Angelegenheit kinausgcschobeii wissen wollten. — Der Landtag wird seine diesmalige Diät jedenfalls am 0 April d. I. beschließen, wobei die angestrengteste Tbatigkeil zur Erledigung de» Arbeitspensum» vorausgesetzt wird. — In den wichtigsten Ausschuß, den Finanzausschuß, wurde au Stelle de» zurück- aetreteiicu Abgeordneten und Präsidenten Müller (Berga) der Abgeordnete Matthcö (Eisenach) gewählt. * Ter Finanzausschuß der bayerischen Kammer be riech in seiner gestrigen Sitzung das Eapilel „Directc Steuern" und ging über die Petition, betreffend die Herab setzung der Niietksteuer, zur Tagesordnung über. Der Finanzniinistcr erklärte, er halte an dein bisherigen Satze von 3.85 Proe. fest, eine Abänderung dieses ProccntsatzeS würde eine Revision der gcsaninitcn Staatsstcncrn invol- viren; eine derartige Revision sei noch nicht spruchreif, wie wobl einige Härten aus dem Lande nicht geleugnet werden könnten. Die im Ausschuß besprochene Einführung einer progressiven Einkommensteuer sinket nicht nngetbeilten Beifall, deren Durchführung werde sehr schwer sein. Der Ausschuß bewillig.« hieraus die Gewerbesteuer in Höbe von « 508 «00 ferner die Capitalrentensteuer im Betrage von 4 170 000 und sodann dir übrigen StaatSsteuern im Gesannntbetragc von 29 70l 000 * Einem gestern uni sechs llbr Abends auSgegebencn Bulletin zufolge bat sich das Befinden des Großherzogs von Hc>sen im Lause de» Tages nickt verschlimmert. Trotz des hochgradig erschwerten Schluckens ist eS gelungen, dem Patienten etwa» flüssige Nahrung ciiizuslößcn. * Der Scklagansall traf den Großberzvg von Hessen ani Freilag Nachmittag gegen 3 Ubr. Drr Großkerzog stand vom Esse» aus und tagte, c» sei ibm sehr unwohb Dabei siel er dein Flügeladjntanten auch schon in die Arme. Man mußte ihn ins Bibliotbekzimmer betten; in sein Schlafzimmer konnte inan ib» schon nicht mehr bringen. Die rechte Seite war gelähmt; nur mit schwerer Zunge konnte er noch lallen Sofort wurde nach Nizza telegrapbirt, wo sich der Crbgrvß- berzog zur Zeit besinkel. Die nächste Depesche ging an den Prinzen Heinrich von Preußen. Erst am Abend wurden die übrigen Familienmitglieder benachrichtigt. Seither ist eS immer schlechter gegangen. Die Nackt von Sonnabend aus Sonntag war zwar ruhig, wie auch die von Freitag aus Sonnabend, aber die KrankbeitSerschcinungen bieten leider da» Bild zunebmenden Verfalls. Die Lähmung ist fortgeschritten, auch das Unvermögen, zu sprechen: nur die Augen de» Leidenden reden noch eine traurige, verzweifelte Sprache. Man siebt aus den Blicken deut lich, daß er die Personen erkennt, die um ihn sind. Die Umgebung »st tief erschüttert, aber auch in weiteren Kreisen, selb» bei Solche», die niemals ein Wort mit dem Fürsten gesprochen, macht sick große jund aufrichtige Tbeilnahnie geltend. Ohne Gefahr, einer Phrascnmacherei beschuldigt zu werten, kann man nämlich sagen: Der Großhrrrog war ein bcrzcnSguler M'cnsch! Weich von Gemülb, wohlwollend, iiienials unglücklicher, als wenn er —einem Andern ein hartes Wort sajscn mußte. Unausgesetzte Nachfrage im Palais, darunter «vragcn von ganz einfachen Leuten, die nie mit dem Hose etwas zu tbun batten, zeige», wie populär der arme Großherzog war. Ganz Darmstadt nimmt lebhaften Anthril an feinem Ergeben. * Die neueste Meldung an» Darmstadt von heute lautet: Nack dem beule früh ansgcgcbcncn Bulletin ist daS Befinden des GeoßherzogS unverändert. * Der clfässischc LandeSauSschuß nahm i» zweiter Lesung den Gesetzentwurf, betreffend die Reform der Grund- und Gebäudcflencr, mit großer Mehrheit an. * Im nieder-österreichischen Landtage erklärte der Statthaller Graf Kielmannsegg, durch Aufschub der par lamentarischen Erledigung der Gesetzentwürfe für die Wiener Verkehrsa»lagen sei keine Verzögerung iin Beginn de«' Bane» cingelrclen. Die Vorarbeiten seien im volle» Zuge, die Fertigstellung deS GesainnttcntwursS der Stadtbahn sei Ente dieses Monats zu erwarte». Die Arbeitslosigkeit in W>cn, wie sie in diesem Jahre durch den Milden »Nd schnee losen Winter mit verschuldet wurde, sei i» den kommenden Jahre» durch die Vertheilung der Wiener BcrkehrSarbrilen aus mehrere Baupcriodcn nnmöglich. » * Aus Aiiisterdau, wird dem .Schwäb. Merkur" ge schrieben: ES ist für den hier lebenden Deutschen ein äußerst »iederdrückeutcS Gesühl, wenn er die jetzige Haltung der niederländischen Presse, soweit sie sich auf die Bcurtbcilung der neuesten Erscheinungen im Deutschen Reich bezieht, mit dein Tone vergleicht, den sie während der Julitage vorigen JahreS, als das kaiserliche Paar in Amsterdam weilte, an geschlagen bat. Wahrhaft beschämend ist eS für nu«. daß nur die ullraniontanc Presse, die aus einen Augenblick ihre Abneigung gegen ein tentscheS Kaiserthum, dessen Träger ein Proteftanl ist, vergesse» zu habe» scheint, mit den neuesten Zuständen in Preuße» höchlich zufrieden ist. während die liberale und unabhängige Presse für uns kaum noch das Alniosen des Mitleid» übrig bat. In protestantische» und Deutschland sekr wollwolleiid gesinnten Kreisen macht man auch au» der Besorgnis; für die Zukunft kein Hehl. * Der König von Italien bat dem StaatSsecrelair de» Auswärtigen, Freiherr» Marsch all v. Bi der stein, dcu Grvßcordou de« heiligen Mauritius- »nd LazarnS-OrdrnS verliehen. * AuS Nom wird von« 8. Mär; gemeldet: Nach Beginn der hentigen Sitzung wurde von der Galerie eine Papier- I rolle in den Sitzungssaal der Dcpulirtcnkammer geworfen. Feuilleton. Schloß Ertenhof. A Roman von v. Bach. »rrt-Ir». (Fortsetzung.) Unterdessen hatte Gras Heldberg das abgeänderteTestament unterschrieben; eS war beglaubigt durch drn Justizrard Reuter, während der Arzt vr. Brenner und der Eaplan Bertram all Zeugen fungirten. Al« der Geistliche seinen Namen unter ta« Testament setzte, tauschte er «inen ängstlichen sorgenvollen Blick mit dem Arzte, indem er leise sagte: „Hoffen wir, daß diese« Dokument noch lange nicht zur Geltung kommt, Herr Graf, Sir sind uns und Ihrem Enkelkinbe unentbehrlich." Als Baron Sternau daS Schloß wieder betreten hatte, kam ihm seine Gemahlin entgegen; sie war sehr bleich, aber die gewöhnlich so kalten Augen glühten in fieberhafter Er regung, und, ihrem Gatten die eiskalte Hand reichend, flüsterte sie: „Es ist geschehen, Arthur! Hertba'S Geschick ist in unsere Hände gegeben, sobald Bruno da« Zeitliche gesegnet bat Hüten wir un«", fuhr sie noch leiser sott, „sein Ver trauen zu un« zu erschüttern; sei klug, Arthur, «in einziger Federstrich hat un« viel gegeben, eia einziger Federstrich kann auch Alle« wieder vernichten." III. Im Erlenbofer Pfarrhaus« war Eaplan Bertram mit Hertha v. Bornstedt zum Besuche beim Pfarrer Riedel »ia- ekehrt, der seinen AmtSbruder zu einer Besprechung eingeladen alle. Da« Kind erging sich in dem prächtigen Blumen garten, dem Stolze de« geistlichen Herrn, während dieser mit Caplan Bertram in dem Studirzimmrr saß, in ernste« Gespräch verliest. Da» hohe, weitläufige Gemach war einfach und schmucklos eingerichtet. Ein breiter Schreibtisch, über dem ein Bild der beiiigen Jungfrau hing, ein hoher Lederstuhl davor, ein schmales, braunes Ledersopha, vor dem ein Tisch stand, der mit Heften und Skripturen bedeckt war, zwei Bücherregale und rin zierliche«, au« Elfenbein geschnitzte« Erucifix. da« über dem Sopba ding, bildeten die sehr bescheiden« Aus stattung, aber die Au-sicht, welch« da« Zimmer mit seinen drei Fenstern bot, entschädigte reichlich für drn Mangel an jedem Luxus. Ju malerischer Ruhe dehnte sich daS Dörfchen mit seinen weißgetünchtrn nieder» Häusern und Vorgärten vor dem hochgelegenen Pfarrhause au«. In blauen Nebel gehüllt lagen die Bergrirsen da, die ihre waldgekrönten Häupter grüßend erhoben; rin klarer Bach, der seinen Lauf durch drn an da« Dorf glänzenden Wald nahm, schlängelte sich durch die breite Torsstraße, die jetzt einsam und öde im Sonnenschein dalag Hinter dem Hause befand sich der Garten, der durch die Blumenzucht, welche der Pfarrer trieb, berühmt war, denn weit »nd breit fand man nickt so herrlich duftende Rosen, so prächtige Camelien und Azaleen, wie im Pfarrgarten, indem fetzt die kleine Hertba mit der Mutter de« Geistlichen, die ihm die Wirtbschast führte, lebhaft plaudernd, aus und ab ging. Pfarrer Nickel war ein Mann von kaum vierzig Jahren, dessen hohe, schöne Gestalt in dem eng anschließenden, bis an den Hals zugeknöpften Prieslerrock, der nur den weißen Krage» frei ließ, etwa« Jmponirende« hatte. Er überragte den Eaplan um Kopfeslänge, und die mächtigen, braunen Auge», die unter einer blendend weißen, breiten Stirn intelligent hervorlruchtete», schienen nicht recht zu dem resignirten Ausdruck des bleiche», schön geformte» Gesichte» zu passen, das in der Rübe fast apathisch erschien, sich aber während deS Sprechens wunderbar belebte Bei der Erzählung Bertram « spielte ei» rigentkümlichcS Lächeln um den bartlosen Mund des Pfarrer«, als der Eaplan seufzend schloß: .Mein Mißtrauen gegen drn Herrn Baron ist gewiß ein völlig unniotivirtes, und ick, mache mir Vor würfe darüber; denn unser Herr Gras ist ja in weltlichen Dingen erfahrener al« ich und wird doch wohl seine nächsten Anverwandten zu brurtbrilen vermögen." Riedel erhob sich hastig von seinem Platze unv die kräftige, dabei schön geformte Hand aus den Arm deS EaplanS legend, meinte er finster: .Gras Heldberg bat, wie mir scheint, hierbei mehr einer persönlichen Abneigung Rechnung getragen, anstatt der Stimme der Klugheit und de- Herzens Gehör zu schenken. Ueber Baron Sternau erlaube ich mir kein Uribeil, eben so wenig über dessen Gemahlin — sie sind mir Beide unsym pathisch, und e- würde daher kein unparteiische« sein —, aber ganz abgesehen von der Gefahr, die für Hertba « Zukunft in drn Bestimmungen dclGrafcn liegt, schließen sicauch ein Unrecht ein gegen den Vater de« Kinde«, welcher der natürliche Vormund Hertha « ist und dem man durchdie Umgehung seiner Person sein göttliche« und irdisches Recht raubt. Mag auch Baron Bornstedt gefehlt haben, so darf man nicht vergessen, daß er sein Weib geliebt, beiß, überschwänglich, wie sie bis zum letzten Atbemzuge an ihm gehangen; trotz aller Irrungen und Wirr nisse darf man nicht vergessen, daß Hertba ihm gehört, wie Engenie da« Kind al« einen Tbeil seine« .Ich«" in glühender Zärtlichkeit umfangen hat. Ich bestreite Graf Heldberg da« Recht, dem Vater sein Kind zu entziehen, wie ich ibi» da« Reckt bestritten babe, dir Ebe, die den priestcrlichen Segen empfangen, durch sein Machtwort zu trennen, da er sie nicht zu lösen vermochte." Der Eaplan blickte befremdet in da« lief erregte Antlitz de« Pfarrer«. So hatte er ihn nur einmal gesehen an dem Tage, wo er den Segen über Eugenik und ihren Verlobten gesprochen, wo er seine Hand auf da« Haupt der blühend fchöiic», anmutbigeii Braut gelegt. .Ick stimme Ihnen bei", begann Bertram nach einer Pause von Neuem, .d,c Bande deS Blutes sind nicht z» lockern, und wer da glaubt, sie zerschneide» zu können, wird früb oder spät die Unmöglichkeit einsehen lernen, aber dennoch ist Graf Hcleberg tbeilweffe in seinem Rechte, denn Baron Bornstedt ist de», Ruse seiner sterbenden Gattin nicht gefolgt; sein Trotz, sein beleidigte« Ehrgefühl war größer, als seine Liebe, und ein Man», der DaS vermag —" Der Pfarrer blickte etwas spöttisch in daS Antlitz de« Eaplan»: „Auch Cie glauben an daS Märchen?" unterbrach er ikn .Nein, mein Freund, er ist nicht fern geblieben ; seine heiße Sehnsucht »ach Versöhnung mit Graf Heldberg, nach einem letzten Wiedersehen mit seiner Gemahlin hat ihn zur rechten Zeit hierher geführt. Hier a» dieser Stelle bat Alfred v. Bornstedt, vor Schmer; fast vergehend, geruht nach einem fünfstündigen Ritt, weil er. scheinbar zu spät, in Wirklichkeit für die Wünsche und Ad- sichten gewisser Leute zu früh gekommen war. .Erst eine Stunde später ist Engenie beiiilgegaiigcn", setzte er mit tiefem Schmer; hinzu, .heinigegangen, mit der unbefriedigten Sehn sucht, mit dem schmerzliche» Bewußts.c», ohne Abschied von Dem scheiden zu müsse», den sie am meisten auf Erden ge liebt. Baron Sternau Kat eS zu verhindern gewußt, Baron Sternau, in dessen Interesse eS lag, Bornstedt fern zu halten." Bertram schnellte von seinem Platze auf: „Unmöglich!" rief er außer sich „Nein, daS wäre infam, teuflisch! Sie irren sich in der Stunde, Herr Pfarrer! Sternau wußte, welche Hoffnungen Baronin Bornstedt auf ein Wiedersehen mit ihrem Gatten setzte; er wußte, daß der Gras versödulich gestimmt war, daß er der Sterbenden keine Bitte versagt hätte; nur weil Bornstedt dem letzten Rufe seiner Gemahlin kein Gehör geschenkt, hat er jene für Bornstedt so verhäng- nißvollen Bestimmungen getroffen." „Ist Ihnen auch jetzt noch da» „Warum?"' nicht klar, alter Freund?" fragte der Pfarrer heftig. „Aber noch ist nicht Alle« verloren", fuhr er ruhiger sott, „ein Testament lann widerrufen werden, unv wie ich den Grafen Heldberg kenne, wird er eS tbun, sobald er erfährt, daß inan ihn und sein sterbende« Kind absichtlich getäuscht hat. Darum, Eaplan, babe ich Sie heute um Ihren Besuch gebeten. Der Graf muß e« erfahren, daß man «in falsche« Spiel mit ihm getrieben, aus dem Munde seine« Schwiegersohnes hören, was geschehen. Ich will und werde für die Rechte Bornstedt- eintreten! Sternau aber darf nicht abnen, daß wir sein Spiel durchschauen. Suchen Sie e« möglich zu machen, daß Gras Heldberg eine Unterredung mit seinem Schwiegersöhne hat, ohne daß dir Sternau'S etwas davon erfahren; die Baronin ist noch schlauer, al« ihr Mann, und der eigenen Schwester zn »iißtraurn, wäre gegen den Stolz und die Ebre eines Heldberg. Baron von Bornstedt ist in der Näkc, ein Wort des Grafe» genügt, um ihn berbeizuruseii; ein scheinbar zufälliges Zusammentreffen der beiden Herren, eine offene Aussprache könnte viel Unheil verhindern." „Oder »e»eS berbeisübrcn!" wendete der Eaplan unruhig ein. „Vergessen Sie nicht, wie fest der Haß zwischen den bciven Männern gewurzelt ist. Lassen Sic mich zuerst dem Herrn Grafen die Botfchast bringen; er kennt meine und ihre Wahrheitsliebe und wird mir und Ihnen, Herr Pfarrer, glauben." Riedel dachte nach, ehe er antwortete „Gut, versuchen wir e« erst aus Liese Weise. Sprechen Sic mit dem Grafen, wenn er uns glaubt, dann wollen wir weiter für den unglück lichen Man» Sorge tragen." „So lasten Sie mich jetzt gehen, jede vorübereileude Minute kann Unheil gebären." Er hatte kastig seinen Hut und den GebirgSstock ergriffen, »m daS Zimmer zu verlassen, allein in derselben Minute stürmte Hertha herein. Ihre runden Wangen glühten; die blonden lange» Locken hingen ei» wenig wirr ui» da« süße Kiiideigkstcht; die blaue» weitgeöffneten Augen glänzten freudig unter den langen seidenweichen Wimpern hervor. Ein Aus druck de- Glückes, welcher der schwarzen Trauerkleidung de« Kindes zu widersprechen schien, belebte ihre feinen, reinen Züge, und, aus Riedel zuslürzend, warf sie sich in seine ge öffneten Arme, indem sie lachend und weinend zugleich rief: „Ich habe Papa gesehen, meinen lieben, guten Papa! Er hat mich in seine Arme genommen und geküßt. O, letzt wird Alles, Alles gut, auch Mama muß wicdcrkommrn, sie darf nickt todt sein, ick will eS nicht, sie soll leben. L>, wie glücklich bin ich, daß ich meinen lieben Papa wieder habe" Die beiden Herren kaben einander ziemlich rathlo« an; in ihrer stürmischen Freute konnte Hertha leicht, auch Sternau'S gegenüber, die Nabe de- Vater« verrathen, und dann war Alles verloren. Ter Pfarrer tauschte eine» raschen Blick mit Bertram, dann zog er da» leidenschaftlich erregte Kind »och näher an sich heran und, ihm die blonde» Locken au- drr Stirn streichend, sagte er weich: „Kannst Du schweigen, Kind? Wenn Tu Deinen Papa nicht wieder verlieren willst, dann, Hertba, darfst Du Nicmanden! sage», daß Du ihn gefuneen." Sie sah einen Augenblick verwundert zu ,bm auf; die großen Kinkcraugen hingen ängstlich an dem ernsten Antlitz de« Pfarrer«, drr sonst immer für sic ei» heitere« Lächeln bereit batte, dann aber nickte sie ihm vrrstäovuißvall zu, indem sie eifrig sagte: „O, ich kann schweige», »h«r
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