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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1891
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911023011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891102301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891102301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-10
- Tag1891-10-23
- Monat1891-10
- Jahr1891
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Abormementspreis t, der Hauptexpedition oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.Nl 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertel,ahrlich 6.—. Dtrecte tägliche Kreuzbandjenduog iuS AnSIand: monatlich 9.—. Die Morgen-Busgabe erscheint täglich V,7 Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Led«rtion und Lrpedilioa: J-Hannrsgasse 8. Die Expedition ist ununterbrochen ge« Sffuet vor» früh 8 bis AbeudS 7 Uhr. Filialen: vtt« Llew«'s Sertim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 1, Louis Liffche. Lickhaetueustr. 14, pari, und köalgSplatz 7. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Haudcls- und Geschäftsverkehr. Freitag den 23. October 1891. Morgen-Ausgab«: die 6 gespaltene Petkl- »eile 30/H, Reklamen unter dem RedactionS« ftrich (4 gespalten) üO^j, vor den Famclieu» uachrichten (6 gespalten) 40^. Abead-AuSgabe: die «gespaltene Petitzeil» «OH Reklamen unter dem RedactionssMch <4gewalte») 1 FamilieunOchrichtea m»d Anzeigen verlorener Olegenstände (6gespalten) 20 Größere Schriften laut unserem Preis- derzeichaiß. Tabellarischer uud Zifferajatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PoftdefSrderuna LU.—, mit Postbesörderung 70.—. Avaahmeschluß für Juserate: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Rachmiltag« 4 Uhr. Soun- uud Festtag- früh 9 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestelle» je eiua halb« Stund« früher. Inserate stud stets an di« Ex>rdttt»a zu richte». 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Universitäts-Bibliothek. Ta der Raum, in welchem die EinweihungSfeier am 24. October stattfindcn soll, leider ein ziemlich beschränkter ist, kann der Eintritt in das Gebäude nur gegen Vorzeigung der Einladungs karte stattftnden. Leipzig, den 22. October 1891. vr. Lrelrl. Bekanntmachung. Wiederholt sind durch uiivorfichttgcö Gcblihren mit Petroleum und Spiritus, insbesondere dadurch, daß diese Flüssigkeiten aus noch glimmende Holz- und Kohlentheile oder in das Feuer gegossen worden sind, schwere, zum Theil tödtiiche Berletzungen von Perioneu verursacht worden. Wir sehen uns deshalb veranlaßt, eindringlichst vor jedem unvorsichtigen Gebühren mit Spiritus und Petroleum, insbesondere aber vor der Unsitte zu waruea, breanbare Flüssigkeiten direct in da» Feuer zu gießen. Ein vor einiger Zeit durch eine ÄaSex-losion eingetretener Unglücksfall, welcher den Tod eines Mensche» herbeigeführt hat, giebt uns ferner zu folgender ernsten Mahnung Anlaß. Wenn in einem Raume Gasgeruch wahrnehmbar und ein Desect der Gas leitung zu vermuthen ist, so schließe man sofort die Brennerhähne, drehe den Hanpthahn der Gasleitung ab, lüste den gasersüllten Raum und schicke eiligst zur Gasanstalt oder zu einem Gasschlosser. Mau hüte sich aber unter allen Umständen, mit Licht in den betreffenden Raum einzutrcte», oder gar die Stelle, an der man ein Ausströmen von Gas vcrmuthet, „abzuleuchten". An Eitern und Dienstherrschaften ergeht das Ersuchen, ihre Kinder oder sonstigen Pflegebefohlenen and ihre Dienstleut« Bor stehendem entsprechend zu verwarne». Leipzig, dea 19. October 1891. Der Math der Stadt Lei-rig. VIII- 2249. vr. G eorgi. Dietrich. In Gemäßheit des tz. 1 der Borschrtften für die Ausführung von Anlagen zur Benutzung der Stadtwasserkunst vom 6. Februar 1888 mache» wir hierdurch bekannt, daß der Klempner Herr Bernhard Schnorr, L.-Kleinzschocher, Plagwitzer Straße 25, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei uus sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Borrichtungeu oachgewieseu hat. Leipzig, deo 21. Oktober 1891. Der Rath der Stadt Leipzig. X. 7225. I)r. G e orgi. Wolfram. Erstatteter Anzeige zusvlge ist daS vom Etadtrathe zu LeiSnig sür Anna Sclma Schulze, geboren den 80. Januar l87l zu Leisnig, ausgestellte Ticnnbuch abhanden gekommen, was behufs Verhütung von Mißbrauch und mit der Bille, das Buch im Auf- ffndungssalle anher abzugeben, hiermit bekannt gemacht wird. Leipzig, am 20. October 1891. Das Polizeiamt der Stadt Leipzig. IV. 5851. Bretschneider. Adr. Bekanntmachung. In der Bauunternehmer Franz Mahlrr'schen Eoncnrüsachc von hier ist der Rechtsanwalt Junge hier definitiv als Berwalter gewählt. Weißeafel», Heu 17. October 1891. Königliches Amtsgericht, Abtheilung I. Das Ergebniß -es Erfurter Parteitages. Wer von dem vorgestern geschloffenen Parteitage der Socialdemokraten in Erfurt Aufklärung über die Ziele der Partei erwartet hat, ist gründlich enttäuscht worden. Der eigentliche Inhalt der Verhandlungen waren Personenfragcn, cs sollte festgcstellt werden, ob die Reichstagsfraction auch ferner das Heft in Händen behalten oder zu Gunsten der durch Werner und Wildberger vertretenen Richtung abdanken sollte. Die Jungen waren nur ein kleiner Bruchtheil der Versammlung und zogen eS deshalb vor, den Beschluß, welcher sie als nicht zur Partei gehörig erklärt, nicht abzuwartcn, sondern die Versammlung vorher zu verlassen. Der Beschluß folgte nach. Außerdem ist aber die Person des Herrn v. Vollmar auf dem Parteitage in einer Weise zur Geltung gelangt, welche dem Ansehen der Bebel, Auer, Singer und Genossen wesentlichen Abbruch tbut. Vollmar erklärte: Wenn ihr mir nicht meine persönliche Auffassung Uber den Weg freistellt, auf welchem die Fiele der Partei am besten und leichtesten erreicht werden können, dann werde ich mich an späteren Versammlungen nicht mehr betheiligen. Die Versammlung entschied zu Gunsten Vollmar's, denn die Resolution Oerlel, welche die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen Vollmar und dem Parteitage aussprach, wurde zurückgezogen und Vollmar dadurch als vollberechtigter Genosse anerkannt. Durch die verschiedene Behandlung der Werner. Wild berger und Genossen einerseits und des Herrn v. Vollmar andererseits hat aber der Parteitag eine Inkonsequenz be gangen, deren Folgen noch nicht vorauSzusehen sind. Wir baden es also jetzt innerhalb der Socialbemokratie mit drei Richtungen zu thun: Mit der Richtung Bebel, Singer, Auer, mit der Richtung Werner, Wildberger und mit der Richtung Vollmar. Alle drei Richtungen streben dem gleichen Ziele zu, der Befreiung des Proletariats von der Herrschaft des Capital-, aber daS Ziel ist durch den Streit über die Taktik in nebelhafte Ferne gerückt. DaS revidirte Programm ist so ganz nebenbei en dloc angenommen worden. Bcmerkenswerth erscheint allein die Aendcrung, welche die Gleichstellung der beiden Geschlechter in privatrechtlicher Beziehung betrifft, im klebrigen ist da« Programm dasselbe, welches aus dem Eongreß in Halle zu so erregten Verhandlungen Anlaß gab Auf das Programm kommt eS vorläufig nicht an, weil noch keine Aussicht besteht, eS zur Ausführung zu bringen, und bis dalnn wird e- noch diele Acndcrungen erfabren. Es ist ja bekannt, daß die früher al« maßgebend ausgestellten Grundsätze ihre Geltung schon in Halle verloren hatten, daS eherne Lohn- gesctz und die Errichtung von Productivgenossenschasten wurden von Liebknecht al» überwundener Slandpunct erklärt. AIS Hauptsache wurde die Leugnung jeder irdischen und himm lischen Autorität hingestellt, also ein Zustand, welcher dem von der Reichstagsfraction und der Parteileitung der Social» demolratie verfochtenen diametral gegrnübrrsteht. Ja Erfurt hat sich der Streit darum gedreht, welch« Aatvritiil inner halb der socialdemokratischeu Partei anerkannt werden solle, ob Bebel und Eonsorte», ob Werner, Wildberger und Eon sorten oder Vollmar, und bis dieser Streit ausgelragen ist, kommt eS natürlich auf das Programm nicht an, daS kann lauten wie es will, wenn nur das Proletariat als die Macht der Zukunft anerkannt wird. Auf die Zuschauer macken diese Vorgänge einen recht traurigen Eindruck, und man kann nicht umhin, die Massen zu bedauern, welche solcken Fübrern folgen. Der Eongreß in Halle nahm eine» großen Anlauf, und nach einem Jahre ist die Partei dahin gekommen, daß die Parteistreitigkeiten, welche in Halle nur ganz in ihren Anfängen bemerkbar waren, den eigentlichen Inhalt der Verhandlungen des Parteitages in Erfurt bildeten. Die Thalsache, welche sich daraus ergiebt, ist daS Wachsthum und dir Erstarkung der Opposition, und diese wird unzweifelhaft weitere Fort schritte machen. Vollmar ist sich der Eigenschaften der großen Massen, mit welchen die Führer der Social demokratie zu thun haben, Wohl bewußt, er weiß, daß sie heute diesem, morgen jenem Redner zujauchzen, gleich viel ob beide dasselbe oder Entgegengejetztes vorgebracht haben. In Berlin ist auch wieder Bruno Wille aus- gctaucht, der lange Zeit geschwiegen batte. In der Ver sammlung vom 20. Oktober hat er sich für Vollmar erklärt. Er sagte unter Anderem: „Die Rede Vollmar's hat ein großes Verdienst, sic hat gezeigt, wie der rechte Flügel der Socialdemokralie auSsieht, und dadurch die Stellung deS linken Flügels um so deutlicher hcrvortrelen lassen. Vollmar hat von seinem Standpuucte aus konsequent gesprochen, wir auf dem linke» Flügel glauben eS auch zu sein, wa- dazwischen liegt, ist Eompromiß." Tie „Jungen" und Vollmar begegnen sich in dem Grund sätze, daß volle MeinungS- und Redefreiheit innerhalb der Partei herrschen müsse, die Ausschließung von Genossen wegen Meinungsverschiedenheiten über Taktik wird vou beiden Seiten verworfen. Hier liegt ein Ergebniß vor, über dessen Tragweite sich die Bebel und Genossen getäuscht haben. Die aus der Partei ausgeschlossenen Jungen haben bereits durch Bruno Wille ihre geistige Gemeinschaft mit dem von der Partei an erkannten Genossen Vvllmar verkündet und damit ein Mittel gewonnen, um ihrer Opposition Nachdruck zu geben und Geltung zu verschaffen. Dieselben Leute, welche jede irdische und himmlische Autorität leugnen, wollen ihren Partei genossen gegenüber einen Terrorismus bcthätigen, welcher sic vor die Alternative der Unterwerfung unter den Willen der Führer oder die Vernichtung als Parteimitglieder stellt. Natürlich lassen sich weit gesteckte Ziele nur durch Einig keit Derer, welche sie anstreben, und durch die Unterwerfung unter die Führer erreichen, aber eine Partei, welche die Ver achtung jeder Autorität auf ihre Fahne schreibt, kann sich nicht wundern, wenn sie die DiSciplin im eigenen Lager nicht aufrecht erhalten kann. Räudige Schafe giebt eS in viele» Heerdcn, und diese müssen natürlich auSgesondert werden, damit sie die gesunden nicht anstecken, aber mit solchen Elementen hatte die Socialdemokratie nur ganz vereinzelt zu kämpfen. Most und Geiser mußten ausgeschlossen werden und haben sich auch gegen den Ausschluß nicht gewehrt, wenn auch auf dem Erfurter Parteitag cm vergeblicher Versuck zur Nehabilitirung Geiser's gemacht worden ist Aber schon die bedeutende Minorität, welche sich für die Wiederherstellung Gciser'S gefunden hat, zeigt, baß die Einrichtung des Scherbengericht- in der socialdeuiokratischen Partei auf Wider stand stößt. Wir glauben nicht, daß die Partei sich in Folge der Streitigkeiten zwischen Jungen und Alten auflösen wird, aber wir unterschätzen die Bedeutung dieses Streites auch nicht. Die Jungen sind dazu berufen, eine Läuterung der Partei in dem Sinne herbeizuführen, daß sich die auf persön liche Borthelle erpichten Genossen von Denjenigen sondern, welchen die Sache allein am Herzen liegt. Es giebt gewiß eine große Anzahl überzeugter Socialdcmokratcii, aber diese befinden sich Nicht im Genuß der materiellen Vortheile, welche den Stelleninhabern gewährt werden. Die Organisation der Partei kostet Geld, viel Geld und das muß durch die Bei träge der Genossen aufgebracht werden. Die Jungen haben gerade gegen diesen wunden Punct im ParteiorzaniSuiuS ihre Angriffe gerichtet, und dieselben haben zur Folge gehabt, daß Klarheit über die bedeutenden Kosten verbreitet worben ist, welche die Organisation verursacht. Mißbräuche kommen überall vor, aber eine Partei, welche den Kampf der Besitz losen gegen das Capital vertritt, muß in dieser Beziebung makellos bastehen. * Leipzig, 23. October. * Der Kaiser verlieh dem russischen Generaldirector der Posten und Telegraphen Bcsack in Petersburg den rothen Ablerorden I. Elaffc und dem Vorsteher der Telegraphen- comptoirS in Wirballen den rothen Adlerorden III. Classe. * Die württembergische Ständcversammlung wurde heute Mittag 1'/, Uhr vom König mit einer Thronrede eröffnet, in welcher der unter der Regierung des verstorbenen Königs Karl wieder gewonnen Einigung Deutschland freudig gedacht wird. Tie Thronrede stellt eine neuerliche,Vorlage betreffend eine Revision verLandcSverfassung. die Förderuim der wirthschaftlichen Gesetzgebung und dir sachgemäße Weiterentwickelung der Steuern in Aussicht. * Am 8. November findet in Graudenz der Parteitag der uatioaalliberalrn Partei WestpreußeoS statt, an welchem mehrere Reichstag«- und Laudlagsabgeordnele, sowie der Vorsitzende des CentralwahlcomitLS der Partei, Regierungsrath Simon-Berlin, theilnehmcn. Nix zu Handel»? Der schöne Ruf der polnischen Juden erschallt, seitdem die Gewerbeordnung den Kauf oder Ver kauf von alten Kleidungsstücken im Umherziehcn verboten bat, nicht mehr in unserer Stadt. An Stelle der alten Kleider ist eine andere Industrie getreten. Weniger offen, aber doch öffentlick, wird sic gepflegt: der Handel mit Götzenbildern. Götzenbilder? Götzendienerei? Gewiß, denn so bezeichnet jeder gute und überzeugungStreue Socialdemokrat die Achtung, welche der gewöhnliche Sterbliche berühmten Zeitgenossen damit erweist, daß er sich ihr Bild anschasft. Wohlverstanden, wenn cs ein politischer Gegner ist. Stellt aber das Bild einen „Führer" oder Parteigenossen dar, da ist die Sacke natürlich ganz anders. „Man kann doch nicht inö Ausland reisen, wenn man Engels, GucSde oder Lasarge sehen will", sagte Bebel auf dem socialistischen Parteitage und gab damit zu verstehen, daß er im Grunde genommen eigent lich nichts gegen den BildercultnS habe, den Schmidt uud Genossen verhindern wollen. Letztere waren nämlich so naiv, einen Antrag einzubringcn, daß der Parteitag sich ausspreche gegen die Herstellung und Verbreitung von Bildnissen lebender Parteigenossen durch Genossen, daß man dieselben durch alle gorische Darstellungen der Bestrebungen deS Proletariats (!) ersetze. Emmel (Frankfurt) begründete den Antrag, von lebhaftem Beifall oft unterbrochen; dieser Verschleiß der Bilder, wie er eingerisscn, sei unsocialdemokratisch. Cönen bezcichnete cs als unerhört, daß die Anhänger einer Partei, welche grundsätzlich den PersonencultuS nicht wolle, sich diesen Dingen gegenüber derart benähmen. Nicht nur um ein zelne Bilder rc. handle eS sich, auf Stöcken, Schirmen, Hüten, Streichholzschachteln u. s. f. führten die Genossen die Götter bei sich. Der Antrag ist aus rein manchcsterlichcn Gründen ab gefallen. Man warf nämlich ein, daß doch die Leute, welche diese Schirme, Stöcke, Streichholzbüchlen, ShlipSnadcln, Manschetlcn- knöpfe verkaufen, auch leben wollen und daß diese Industrie ihren Mann nähre. „Dieser PersonencultuS sei einfach ein Zeichen der Hochachtung. Man solle vielmehr bedauern, wenn ein Arbeiter die Bilder noch nicht habe, denn es sei gut, daß er sich daran für die Vorkämpfer begeistere." Nun, in den kleinen ArbeitcrkneiHcn unserer Stadt kann man oft genug die Begeisterung an diesen Nippsachen bewundern, wenn der 16jährige Laufbursche eine Brache mit Bcbel'S Bildnis; kauft, womit er seine Liebe schmückt und „sie" ihrem 18jährigen „Bräutigam" eine Shlipsnadcl mit Liebknecht'- reizendem Profil überreicht. Denn in der Tbat, diese Partei industrie läßt sich nicht wegbeschlicßcn, sie ist ein Anhängsel, daS vorläufig noch als Agitation dient, daS aber, und daS ist die Hauptsache, seinen Mann nährt. Der Verläufer hat cs besser als unsere alten polnischen Juden; die wurden in Acht und Bann gethan, hier thut aber der Verkäufer die in Acht und Bann, die nichts kaufen; und welcher Partei genosse dürfte sich jemals erlauben, nicht zu kaufen! Die Parteileitung weiß sehr genau, welchen Werth diese famose Industrie für sie bat und wieviel ihr die Local- agilalorcn nützen, die sich mit der Industrie beschäftigen und in leichter Weise ein hübsches Einkommen erwerben. Daß schließlich diese Götzenbilder auch in „Bourgeois-Fabriken" hergcstellt werden, schadet nicht«. Fabrikation ist Fabrikation; ob beispielsweise eine Fabrik in Leutzsch Lasalle oder Moltke als Wanddccoration gießt, oder ein Graveur auf Biergläser- dcckel Bismarck oder Bebel gravirt, das ist schließlich dem „Geschäft" gleichgiltig. Mit dem SocialiSmu» macht man auch eia Geschäft, nix zu handeln? * * » * DaS österreichische Abgeordnetenhaus begann die Budgelberatbung. Für die General-Debatte sind nur vier jungczcchische Redner gegen das Budget vorgcmerkt. * Bei der im ungarischen Abgeordnetenhause fortgesetzten Debatte Uber daS fünfmonatige Budaetprovi- sorium entspann sich eine heftige persönliche Ausein andersetzung zwischen HoranSzcy (gemäßigte Opposition) und dem Äustizministcr Bi lacky. Hierauf wurde die Vor lage in der Spccialbcrathnng angenommen. Morgen findet die dritte Lesung statt. * Aus Neichenberg i. B., 21. d., meldet unser Corre- spondent: Auf dem Bahnhöfe in Alt-Paka wurde in den letzten Tagen ein Mann angebaltcn, welcher vorgab, von dem Bombcnallcntate bei Nosentbal mehr zu wissen als andere und sich hierbei in MajcstätSbeleidigungen erging. Er wurde verhaftet und vorläufig dem Bezirksgerichte in Neu-Paka und beute dem hiesigen Kreisgerichle eingeliesert. Er giebt an, Johann Zinke zu heißen, in der letzten Zeit in Reichenberg gearbeitet zu haben, und machte bc- züglick seiner Zuständigkeit verschiedene Angaben, welcke der Bermutbung Raum geben, daß der Name Zinke ein singirter ist. Ausfallender Weise war Zinke gerade zur Zeit der Verübung des Bombenattentates bei Rosentyal (l. October l8Sl) in BerwahrungShaft beim Bezirksgericht in Hochstadt, kann also unmöglich direct bei dem Attentate betbeiligt gewesen sein. Die nähere Untersuchung wird wohl aufklären, ob hierdurch endlich eine Spur der Urheber diese» Attentates gefunden worden ist oder nicht. * Der neugewäblte Rector der Universität Wien, der bekannte Romanist Prof. Exner, hielt bei seiner vorgestrigen Inauguration eine politisch bedeutsame Rede über die politijche Bildung. Der Patriotismus, führte der Redner aus, sei an der Hochschule nicht lehrbar, nur der Boden dafür könne durch die politische Bildung bereitet werden. Unser naturwissenschaftliches Jahrhundert kennzeichne sich durch ein Zurückbleiben der politischen Bildung. Praktisch rcsultire daraus das Fehlen deS Blickes sür daS politisch Mögliche in weiten Kreisen der sogenannten Gebildeten und deS Mittelstandes. * Dem „Reuterschen Bureau" wird von kompetentester Seite mitgetheilt, daß die Meldungen von der bevorstehenden Verlobung de« Prinzen Ferdinand von Rumänien mit einer Tochter deS Herzogs von Edinburg durchaus un begründet seien * Der „Rat. Ztg." wird an« Brüssel über dir Unter redung, welche ein Mitarbeiter de- „GauloiS" in Ostende mit dem König Leopold von Belgien gehabt haben will, geschrieben: »Diese Unterredung ist nach Inhalt wie Form gleich phantastisch; König Leopold hat in Ostende keinen Vertreter der französischen Presse gesehen. Dagegen ist es wahr, daß er den auf Anregung der Frau Adam zu den Feierlichkeiten in Marseille eingeladenen Bürgermeister Buls von Brüssel gebeten hat, die Fabel vom Bestehen eines geheimen deutsch-belgischen Vertrags zu dementiren. Auch belgischerscilS hielt man längere Zeit ein Dementi der albernen Behauptung für überflüssig und b:gnügte sich „zu Nutzen der Pariser Presse" mit einer bezüglichen Erklärung der Regierung in der Kammer. Aber damit war die Ente noch nicht erlegt; jetzt verlangte die französische Presse ein Dementi aus dem Munde des Königs selbst, und bei den letzten französischen Manövern wurden die denselben beiwohnenden belgischen Offi- ciere von ibren französischen Kameraden offenbar unter dem Einflüsse der von der „Nouvelle Revue" erfundenen Fabel mit auffallender Kälte behandelt. Dieser Umstand hat dann den König Leopold veranlaßt, den Bürgermeister Buls mit der bekannten Erklärung zu beauftragen. Trotzdem sind noch nicht alle Franzosen überzeugt, jo daß man fast glauben könnte, sie hätte» Gründe, sich nicht überzeugen zu lassen." Ein Satz in der Marseiller Rede deS Bürgermeisters Buls hat übrigens die vlämische Presse sehr verstimmt; der nämlich: „Gewaltsam einverleibtc Länder sind stets eine Kugel am Fuße der Nation gewesen." DaS .Brug'sche Beiaarb" (Glockenspiel) erklärt: Buls, aus vlämischem Lande, müsse wissen, das; ein Theil desselben von Frankreich gewaltsam einvcrleibt worden ist und noch stets zu Frankreich gehört, ohne gerade eine Kugel am Fuße der »Ration zu sein; er habe auch den Franzose» sicherlich wegen Flanderns keinen Borwurs zu machen bezweckt. Ebensowenig lünne er die unter moralischem Truck bewirkte Einverleibung von Nizza und Savoyen gemeint haben. „Also konnte nur Elsaß» Lothringen gemeint sein, die wiedergcwonnenen deutschen Lande, die nunmehr von den Franzosen gegen alles Recht als ihr Eigenihum beansprucht werden n»d die Zielscheibe ihrer rasend tollen Revanchepolitik geworden sind. Hat Buls es nicht so ge meint, dann haben die Franzosen es für ihn so ausgesaßt, wie ihre donnernden Beisallsbezeuaungen bewiesen haben. Solche Worte bedauern wir, und wenn Deutschland, das hier an einer empfind lichen Stelle verletzt wurde durch den Sprecher eines LolkeS, daS Deutschland so großen Dank schuldet, sich diesmal nicht ungehalten zeigt, dann nehmen wir es hin al« einen abermaligen Beweis von Großmuth, der unser Brrtraueu auf da- deutsche Bolk uur noch mehr verstärken muß." Da« Brügger Blatt gehört der liberalen Richtung an. * Auch die Pariser Presse beschäftigt sich eingehend mit den Vorgängen in Erfurt, und wie der „Tcmps" giebt auch der „Paris" klar zu versieben, daß er für die deutsche Socialdemokratie eine Vorliebe besitzt, aber freilich nur so lange, als diese dem französischen Revanckegedankcn förderlich ist oder förderlich sein könnte. Die Schlußworte des be treffenden Artikels lauten: „Die deutschen Socialisten haben natürlich daS Recht, in ihrer Weise Patrioten zu sein. Es hieße zu viel verlangen und sich in befremdender Weise täuschen, wenn man von ihnen eine Stellungnahme forderte, welche ihren Zwecken nicht entspricht. Aber wenn die Herren Bebel und Liebknecht dieselbe Sprache führen, wie Herr v. Vollmar, und dieselbe in gewisser Weise bestätigen sollten, so würden selbst die, welche sich ihrer hochherzigen Haltung im Jahre 187t noch erinnern, sie nickt mehr zu den treuen Freunden Frankreichs zählen können." * Die gerichtliche Verfolgung deS Erzbischofs von Air wird nur von den radicalen Blättern ohne Ausnahme rückhaltlos gut geheißen, während die gemäßigt republikanischen Blätter theilwcise die Ansicht äußern, daß ein rein administratives oder diSciplinarischeö Einschreiten gegen den Erzbischof vorzuziehen gewesen wäre. DaS „Journal des DebatS" nennt die Maßnahme die That einer schlechten Politik. Noch schärfer sprechen die conservativeu Blätter ihre Mißbilligung über das Vorgehen aus. * Wie aus Rom gemeldet wird, beabsichtigt die italienische Negierung, die Unterhandlungen mit Frankreich, betreffend die Abgrenzung der beiderseitigen Einflußsphären in Afrika, wieder auszunchmen. Die betreffende» Schritte sollen ein- geleitct werden, sobald General Gandolfi seine gegenwärtige Mission beendet haben wird. * In einer gestern in Cork an das Volk gehaltenen An sprache erklärte der irische Deputirte John Rcdmoud, er spräche als der gewählte Führer der irischen parlamentarischen Partei. * Aus Stockholm wird geschrieben: Der große nor wegische Dichter Björnstjerne-Björnson ist auch eifriger Politiker uud gehört dem äußersten Flügel der radicalen Partei an. Dann und wann überrascht er seine Zeitgenossen durch mehr als sonderbare politische Kundgebrngen. So hat er dieser Tage der Meinung Ausdruck verlieben, daß Nor wegen Alles daran setzen sollte, um die russische Freundschaft zu gewinnen, uud daß, wenn Rußland eines Tages den Wunsch äußern würde, in den Besitz eines eisfreien Hafens an der Westküste Norwegens zu gelangen, Norwegen keine Ursache haben würde, diesen Wunsck abschlägig zu bescheiden. Björnstjerne-Björnson ist ganz ent schieden unt den bestehenden politischen Verhältnissen nicht vertraut, sonst hätte er wissen müssen, daß ein im Jahre >855, mit Großbritannien abgeschlossener Vertrag noch immer besteht und daß in demselben folgender Passus vorkomml: Se. Majestät der König vou Schweden uud Norwegen verpflichtet sich, keinen Tbeil der vereinigten Reiche an Rußland abzulretcn, sowie auck keinen Austausch von Landtbcilcn Schwedens und Norwegens mit russischen Landtbeilen statlfindeu zu lassen. Auch darf Se. Majestät der König von Schweden und Norwegen dem russiscken Reiche kein OccupationSrecht und keine anderen Rechte, gleichgiltig von welcher Art, auf dem Territorium oder au den Küsten Schweden- und Norwegen- zugestrhen; vielmehr verpflichtet Seine Majestät sich dazu, jede Forderung, welche von Seiten Rußland» gestellt werden müßte, um sich solche Rechte zu erwerben, entschieden abzulehnen." — Björnstjerne- Björnson'S Auslassungen babea in Norwegen einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen, und wenn eS jetzt, wie eS scheint, bei den noch auSstehenden Wahlen zum norwegischen Reichstage den Eonservativen und den Gemäßigten gelingen sollte, der radicalen Partei den Wahlsieg zu entreißen, halte dieselbe die« vor Allem Björnstjerue-Bjornson zu verdanken. * Nach einer a»S Warschau zugehenden Meldung hat der General-Gouverneur Hehns« Erleichterung der Lu«»
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