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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920317028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892031702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892031702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-17
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I» der Haiiptervedttioa oder den i» 8tad^ bezirk und den Vororten errichteten A,S- ^ab,stellen abgeholt: vierteljährlich^4.öO. ei zweimaliger täglicher Zustellung in« t>au« » 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,Lhrltch S.—. Direct« tägliche Kreuzbandsendung in« Autlaad: monatlich . ?! Die Rorgen-AuSgabc erscheint täglich'/,7 Uhr, di« Lbeud-Ausgab« Wochentag« b Uhr. Lr-ar1io> unß Lrve-itioa: A, Hanne«,affr 8. Dieikrvedttion ist Wochentag» ununterbroche» geöffnet von früh 8 bi» Adend« 7 Uhr. Filiale»: Ott« ««»»'« Tartt«. Mlfr«h Hah». UniverfitäUftrah« 1« «oni» Lösche. fkathartnenstr. 14, part. and »»niglplatz 7. Abend-Ausgabe. HMtr.CagMaü Anzeiger. Organ fSr Politik, Localgeschichte, Kandels- «nd Geschäftsverkehr. Insertionspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem ffiedactionsstrich ,4,»» spalten) 50-E. vor de» Fnmiiienuachnchten (d gespalten) 40^. Gröbere Echrisien taut unserem Preis- verzeichniß. 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Es ist ein hochentwickelter industrieller Wahlkreis mit starker soeialdemokratischer Wählerschaft, der schon mancherlei Vertretungen gehabt hat. Bon l8?t—7? und von 1881—84 war er nationalkiberal, von 1877—78 und 1884—87 socialdcmokratisch, von 1878—1881 sreiconservativ, seit 1887 konservativ vertretea. Bei den Wahlen von 1890 wurden abgegeben im ersten Mahlgang 23 287 giltigc Glimmen, davon 10 870 drutschconservativr, 1103 deutschsreisinnige und ll 301 socialdemokratische. In der Stichwahl siegte der con servalive Candidat mit 12407 über den socialdemokratischcn mit I I 788 Stimmen. Bei der letzten Wahl standen sich gegenüber ein nationalliberalrr Candidat, Fabrikbesitzer Kramer, für den auch die Conservativcn eintraten, ein Socialdemokrat Hoff mann und ein Antisemit vr. Förster. Den Nationalliberalen war die Wahlagitation dadurch erschwert, daß ihr Candidat durch einen Beinbruch verhindert war, selbst für die Betrei bung seiner Wahl einzutreten, und sich lediglich aus fremde Unterstützung verlassen mußte, die ihm denn auch reichlich zu Theil wurde. Die Socialdemokraten sowohl als die Anti semiten hatten eine unglaublich rührige und gehässige Agi- lakion betrieben. Den Socialdemokraten kam überdies der Rückgang der dortigen Industrie, der zahlreiche ArbeitSein- schränkungeu zur Folge hatte, bei ihrer Agitation zu statten. Das genaue ziffernmäßige Ergrbuiß der Wahl liegt noch nicht vor, doch ist nicht mehr daran zu zweifeln, daß der social- demokratische Candidat im ersten Wahlgang ge siegt hat, wenngleich sich die Stimmenzahl in diesem stet« sehr unsicheren Wahlkreis gegen dir vorige Wahl nicht sehr erbeblich verschoben hat. Wenn man den Gründen nachgeht, welche dieses unerfreu liche Wahlresultat herbeigesührt haben, so hat, außer den schon oben angegebenen Tbatsachen, die sogenannte deutsch- sociale oder antisemitische Partei die Hauptschuld daran, daß der 22. Wahlkreis an dl« Socialdcmokraten verloren gegangen ist. Wenn in irgend einem Wahlkreis die Ordnungsparteien mit gebieterischer Notwendigkeit darauf angewiesen sind, gegenüber der socialdrmokratischrn Umsturzpartei einig und geschlossen vorzugehen, so liegt diese unbedingte Noth- weudigkeit >m 22. sächsischen Reichstagswahlkreis vor, wo sämmtlichr seit zwei Jahrzehnten stattgesundcne Wahlen gezeigt hoben, doch die beiden gegnerischen Parteien sich die Waage Hallen und der Sieg auf der einen oder der anderen Seite stets nur niit einige» H»»dertcn von Stimmen herbei- geführt wird. Für Jeden, der klar sehe» wollte, war e- völlig außer Zweifel, daß die Dinge auch jetzt ganz genau so lagen und daß jede Uneinigkeit unter den antisocialistischen Parteien Wasser auf die Mühle deS Gegners bringen mußte. Dieser so einfachen Erkenntniß trugen, waS wir ausdrücklich niit Dank anerkennen wollen, die Coiiscrvativc» im 22. Wahl kreis in der loyalsten Weise Rechnung, indem sie ohne Zögern der nationalliberalen Candidatur zuslimmleil und mit allen Kräften für dieselbe eintraten. Ander« dachte und handelte die deutschsociale oder die antisemitische Partei. Trotzdem diese Partei immer die Worte „Kaiser und Reich* * im Mmide führt und sich gern mit einem patriotischen Mantel zu bedecke» pflegt, vermochte sie daS kleine Opfer der Entsagung auf eine auSsichlSlose Zäklcandi- datur nicht zu bringen, im Gegentheil, niit einem Phrasen- geklingcl ohne gleichen und einem Eifer, der einer besseren Sache würdig gewesen wäre, wurde ein eigener antisemitischer Candidat ausgestellt und damit die Brandjackel der Zwietracht in die Reihen der OrdiiittigSparteien geschleudert. Trotzdem daß für diese Candidatur init salialischciu Ungestüm agilirt worden und wochenlang ci» halbes Dutzend antisemitischer Wandcrredner, an ihrer Spitze Hvsprcdiger a. D. Stöcker und Herr Lieberman» von Sonnenberg, in dem 22. Wahl kreis umhcrgezogen ist, ui» mit allen Mitteln einer unver frorenen Beredlsamkeit die Gemüther aufzustachcln, so ist der Erfolg ein wahrhaft kläglicher gewesen! Der anti semitische Candidat hat es aus etwa zehn Procent aller abgegebenen Stimme» gebracht. Wenn man mit diesem minimalen Erfolg die Sprache vergleicht, welche die antisemitische Presse vor der Wahl geführt hat, so kann inan wohl sagen, daß niemals Hochmuth so derb zum Fallen gekommen ist, wie cS sich hier ereignet hat. Da wurden die conservative und die natioiiallibcralc Partei zu den Todten geworfen, in der geringschätzigste» Weise von ihnen gesprochen, dagegen die dculschsvciale Partei als die einzige bahnbrechende Partei der Zukunst bezeichnet. Und nun ein solches Wahlrcsultat zum Beweis, was hinter diesen Großsprechereien in Wirklichkeit steckt! Indessen trotz LcS winzigen Erfolge« der antisemitischen Candidatur hat derselbe doch hingereicht, um den Sieg der Socialdcmokratie herbeizufübreii. Die Antisemite» gebe» sich immer dem Dahn hi», daß sie der Socialdeu.okratir An hänger abspenstig machen könnten. Man braucht nur das Wahlergcbniß >m 22. Kreis einigermaßen näher zu betrachte», um zu erkenne», daß diese Hoffnung eine vollständig falsche ist. Dir antisemitische Candidatur hat dem socialdeinokra- tischen Caudidaten auch nicht eine Stimme abwendig ge macht, wohl aber hat sie um einige Tausend Stimmen das Ergebniß sür die OrdnungSpartelen geschädigt und das hat genügt, »m der Svcialdenivkratie zum Sieg zu vcr Helsen. Durch den gehässigen Ton, den die Antisemiten in die Wahlbewegung trugen, haben aber auch Biele von den Ordnungsparteien, die sonst gewählt haben würden, die Lust verloren, zu wählen, den» es ist bekanntlich nicht Jedermanns Sache, sich init Schmutz bewerfen zu lassen. DaS ist ein Hauptvorwurf, den wir de» Antisemiten mache», daß sie in ihrer Art, zu agitiren, das Muster der Social- demokraten nachahmen und dadurch Manchen die Neigung, sich am öffentlichen Leben zu brtheiligcn, verleiden. Wir wollen nicht in Einzelheiten eiiigehen, aber die Art und Weise, wie dieses Mal von anliseiiiitischer Seile im 22 WablkreiS azitirt worden ist, hat vielfach noch die Präzis der Social demokralcil üdertrosseii. Wir sind überzeugt, unsere politischen Gesinnungsgenosse» im WablkreiS Rcichenbacl, Auerbach werde» sich Lurch Le» jetzigen Mißerfolg nicht cntmuthige» lasse», sür die von ihnen vertretene gute Sache weiter mit allen Kräften tbätig zu sein. I» drei Jahre» ist wieder Wahl und es gilt, bis dahin da« Eise» so zu schmieden, daß es den günstigen Erfolg ver bürgt. Nur durch audauerudc, stete, pflichttreue Arbeit ge langt ma» auf dem politischen Felde zu erfreulichen Ergcb nisseu, und wenn raS die Wähler der Ordnungsparteic» im 22. Wahlkreis beherzige», daun können sie sicher sein, daß die diesmalige Niederlage sict, im Jahre 1885 in eine» glor reichen Erfolg verwandeln wird. Leipzig, 17. März. * Unter Vorsitz des Kaisers fand heute Mittag im Schlosse eine Sitzung deS KronratheS statt. * Wenn e« ausgefallen ist. daß bei den parlamentarischen Verhandlungen in Preußen die Finanzverwaltung allen auf Mehrausgabe» abzielendcu Anträge» oder Anregungen mit größter Entschiedenheit ciitgcgeutrat, so liegt der Grund einfach darin, daß der Höhepuuct der rückläufigen Bewegung in Bezug auf die Finanzen »och teineSwcgS erreicht ist. Ob die Schätzung, das, der nächste Etaisvoraiischlag einen Fehlbetrag an 100 Millionen Mark ausweisen werde, richtig ist, entzieht sich der Beurtbeilung Soviel aber ist sicher, daß nicht nur das finanzielle Vcrhäliniß Preußen« zmn Reich sich demnächst verschlechtern, sondern auch der Ertrag der wichtigsten Einnahmequellen, vor Allem der Eisenbahnen, noch weiter zurückgeheu wird. Demgegenüber kommt der voraussichtlich die Erwartungen übersteigende Mehrertrag der Einkoiiiincn- steucr infolge deS verbesserten VeranlaguiigSsustem« insofern nicht in Betracht, als dieser Mehrertrag in der Hauptsache nicht sür die Deckung von StaatSausgabe» verfügbar, son dern für die Durchführung der Steuerreform rcscrvirt ist Hiervon wird, sofern man die sinanziellc» Voraussetzungen einer grundlegende» Reform des CominunalsteuerwesenS und der Abgrenzung der Staat-- und Communalbesteueruug nicht vernichten will, nicht abgegange» werden können, nach dem schon 8 Millionen Mark sür Zwecke de« Volksschul- gesetze« aus de» rescrvirtc» Mehrerträgen haben flüssig gemacht werde» müssen und die Ueberweisunge» auS der jo» Huene, auf welche zur Durchführung der Äcucrrcfvrm mit »urück- gcgriffcn werden muß, infolge der Handelsverträge erheblich geschmälert sind. Es erhellt hiernach zur Evidenz die Notb- Wendigkeit, bezüglich der StaatSauSgaben sich die äußerste Be schränkung auszuerlcgcn und von Mehrausgaben nur daö unbedingt Nothwendigc zuzulassen, zugleich aber die Ciu- uahmen sorgsam und pfleglich zu behandeln. In diesem Be streben sollte die Volksvertretung, so weit sie dies thun kann, die Finanzverwaltung unterstützen; leider aber ist manchmal da« Gegentheil scstzuftellcn. * Die „Nationallibcrale Correspondenz" schreibt: Bei unserer gestrigen vorläufige» Besprechung deS Gesetzentwurfs, betreffend die Aushebung der Beschlagnahme de« Ver mögens König Georg S, haben wir hervorgchobcn, daß die Regelung dieser Frage wohl wenig sachliche» Wider spruch finden wird. Die Form dieses Gesetzes aber, nach welchem nicht die nach dem Gesetz vom 15. Februar 1868 uothwendige endgiltige gesetzliche Regelung stattfinden, son der» der Landtag zu Gunsten einer endgiltige» Regelung durch königliche Verordnung aus eine solche abschließende ge setzliche Regelung verzichte» soll, wird erhebliche» Bedenken unterliege». Es dürste richtiger sein, daß nur eine vorläufige Zustimmung crtheilt wird, nunmehr der Wiederaushrbung der Beschlagnahme näher zu treten, die endgiltige gesetzliche Regelung nach Erledigung aller Vorfragen aber Vorbehalten bleibt. * Ter Vertrag zwischen Preußen und Bremen betreffs Abtretung eines kleinen preußischen GebietStheileS an Bremen zur Erweiterung deS KaiscrhasrnS in Bremer haven ist gestern in Berlin unterzeichnet worden. * Das preußlscbe Abgeordnetenhaus erledigte in der gestrige» Abendfitzung die Dom da »frage. Der Abgeordnete Richter sprach sich dabei in längerer Rede gegen die Be willigung der Mittel zum Dombau au- Nachdem sich bieraus der Abgeordnete Hobrccht Namens eines TheileS der Nationalliberalen, desgleichen die Redner der übrigen Parteien sür die Vorschläge der Vudgetcommisfwn ausgesprochen, wurden diese gegen die Stimmen der Freisinnigen, etwa der Hälstr der Nationalliberalen und fünf Freiconservativen an genommen. * Die in cinzelneii Zeitungen ausgesprochenen Be- sürchtungen. der Regierungswechsel in Hessen-Darmstadt könne den Zurücktrit« des StaatSministerS Finger zur Folge haben, entbehren zuverlässiger Ermittelung der „K. Z." zufolge jeder Begründung. * Die nationalliberale Partei i» Mannheim bat einen Versuch gemacht, die jungen Leute für die Partei zu interessiren. Sie bat einen Verein jugendlicher Mitglieder gebildet, dem junge Leute von 18 bis 24 Jahren angehören und auS dessen Reihen der Partei neue Anhänger uttvachscn sollen. Der Verein bat die Ausgabe, die jungen Leute in die Tagespolitik einzuweihcn und sie mit den ver schiedene» politischen Fragen vertraut zu machen. Zur Er reichung dieses Zieles sollen Vorträge und Vorlesungen über die neuere und neueste deutsche Geschichte uud dir deutsche Literatur gehalten werden; ferner will man die jungen Leute zu grüble» Rednern beranbilte» und zu diesem Zweck im Anschluß an die Vorträge DiScussiouen veranstalten. Wenn naturgemäß der Verein stet« auf die ernste» Fragen sein Hauptaugenmerk richten wird, so soll doch auch die Gesellig keit und Unterhaltung gepflegt werden. Der Verein hielt kürzlich seine erste Versaiuiiilniig ab, in der Realgymnasiums- dirrclor Schniezcr einen interessanten Vortrag über die Ent- wickelungSgcschick'te der nativnallibcralcn Partei hielt. Der Verein zählt bereits eine stattliche Milglicderzahl. « » «> * Die Verlegenheit der ungarischen Opposition, soweit diese der Fübrung des Grafen Apponyi folgt, sucht sich jetzt nach der einzigen ihr »och offen stehenden Richtung Luft zu machen, nämlich in dem Hetzen gegen den Ausgleich zwischen Oesterreich und Ungarn, um damit die Grundlagen, aus welchen das Cabinct Szapary fußt, zu unterwühlen. Es ist dies daö einzige Gebiet, wo der demagogischen Phrase noch einiger Spielraum gelassen ist. Denn in Sachen der Finanzen und der VcrwallunaSpolitik ist nach den Erklärungen der Thronrede sür die Opposition nicht« mehr zu machen. In Feurlletsn. Schlsß Erlenhsf. 81 Roman von O. Bach. «t-»»ru« ver»»te» (Fortsetzung.) Verstimmt begaau sie ohne Live ihre« Kammermädchens ihre Toilette und schön, wie der lacyende Sommermorgen, der sich über die blühende, duftende Erd« herabgesenkt hatte, stand sie bald daraus in dem thaufrischen Garten neben Hertha und Else Förster, die bei ihrer Annäherung einen raschen Blick wechselten und da« leise Gespräch mitten im Satze ab brachen. Nora hatte e« bemerkt; die zart geschwungenen Brauen zogen sich leicht zusammen, aber der Mund lächelte süß, und Else ihre Hand entgeaenstreckend, meinte sie herrlich, ebne sich an das Erstaunen Hertha'S zu kehren: „Nachbarn muffen gute Freunde sein, nicht wahr, Fräulein Förster? Nehmt mich nur al- Dritte in Euren Kreundschastsbund aus; ich fühle mich sonst einsam und verlassen und sauge Grillen, die man meinen Jahren noch nicht verzeiht. Wrr ich höre, haben Sie sich verlobt, Fräulein. Ich gratulire Ihnen herrlich und hoff« anch den Herrn Bräutigam bald kennen zu lernen." Else war vor Verwunderung über die Freundlichkeit Nora'S, die sich bisher so reservirt gehalten, ganz roth ge worden. Etwa- verlegen, legte sie ihre weche Hand in di« Nora'S, und zu Hertha rmvorblickend, die befremdet den Werken der Cousine gelauscht» ««inte fir zuvorkommend: .Meine Eltern so wie ich werden eS sich zur Ehre rechnen, Eie, Baronesse, bei na« begrüßen zu können. Für Ihren Glückwunsch danke ich Ihnen sehr, o, mein Verlobter wird Ihnen gewiß -fallen. Nicht wahr, Hertha, Otto ist ein biibscher, lieber Mensch." .Und, wir man sagt, ei» intelligenter Ossicirr", warf Nora höflich ein. -Ich werde mich freuen, die persönlich« Bekanntschaft Ihre- Verlobten machen zu können." ,O. da« kann bald geschehen", meinte Else fröhlich, denn die amnuthige Freundlichkeit hatte bald da« Herz de« jungen, barmlosen Mädchen« gewonnen. .Schenken Sir un« heute Abend mit Hertha di« Ehre Ihre« Besuche«, wir feiern dir Verlobung, die nur im engsten Familienkreise stattgrfunden bat, heute Abend nach. Nicht wahr, Hertha, wir dürfen aus Tick und auch auf Sie, Baronesse, rechnen." Hertha war eine stillschweigende Zuyörerin de« Gespräche« gewesen; in ihrem lebhaften Mirnenspiel gab sich die Ver wunderung kund, dir ihr di« plötzlich« Veränderung der Gesinnung Nora'S «»flößte. Eine peinliche Empsindung bemächtigtc sich des junge» Mädchen-; cS schnürte ihm die Brust zusammen, denn die Intentionen Nora'S waren Hertha unbegreiflich; allein sie hatte kein Recht, an der Aufrichtigkeit der Cousine zu zwei feln, wenn sie auch nur die tödtliche Langeweile, die in der Sternau'schen Villa herrschte, als das einzig leitende Motiv betrachtete. Nora hatte als nächste Nachbarin der Villa Förster, in der Hertha wie ein Kind deS HauseS verkehrte, Gelegenheit esunden, den lebhaften und amüsanten Verkehr, der dort errschte, zu beobachten, der jetzt, nachdem sich Else niit Otto Baumann öffentlich verlobt halte, »och viel reger war als sonst, und eö war bei einem temperamentvolle» junge» Mädchen, wie Nora, natürlich, daß sie jetzt in der saiso» morto ihre adeligen Vorurtheile ein paar amüsanten Stunden opferte. Hertha kannte Nora genug, um ihr keine echt freund schaftlichen Gesinnungen für ihre Freundin zuzutraucn, aber leider kannte sie die Cousine wieder zu wenig, um ihre Ab sichten und Plane durchschauen zu können. Nora Halle die leist Mißstimmung, die sich in den beweg lichen Zügen Hertha'S abspiegelte, erkannt: ihre Augen blitzten über Hertha hin, aber eS lag etwa« Weiches, DcmüthigeS in dem Tone, als sie, sich an die Cousine wendend, meinte: „Sollte e» Dir, liebe Hertba, aus irgend einem Grunde nicht angenehm sein, wenn ich die freundliche Einladung von Fräulein Förster annehme? Du zeigst Dich so gleichgiltig dabei, daß ich befürchte —" Hertba lächelte etwa« gezwungen. Nora hatte ganz richtig erkannt, was durch ihre Seele wie eine böse Ahnung zitterte; sie kam sich sebr unfreundlich, sehr ungerecht vor. und darum meinte sic herzlich: „Es kann mich doch nur freuen, wenn auch Du, liebe Nora, die Menschen schätzen und lieben lernst, die mir werth und tbeuer sind. Du hast bi-ber so wenig Anregung gehabt, daß ich eS oft bedauert habe, Dich nicht inmitten de« frohen Kreises zu sehen, der sich bei Elsr'S Elter» zusaminenfindet. „Also, Else, heute Abend kommen wir Beide zu Euch." DaS Rollen einer Equipage, dir vor der Förster'scheu Billa hielt, ließ Else aushorchcn. Sic reichte Nora und Hertba die Hand; mit einem fröhlichen: „Aus Wiedersehen beule Abend bei un«, — ich muß jetzt hinüber, wir bekommen Besuch" eilte sie die Allee hinauf; ihr klare« Lachen tönte zurück; ihr scklanker, elastischer Körper zwängte sich durch die kleine Oefsnung der Hecke, während die beiden andern jungen Damen plaudernd den schattigen Laubgang aus und ab lparierten. „Meine Annäherung an Fräulein Förster hat Dich ein wenig überrascht", begann Nora nach einer kleinen Pause, „aber wen» Du die Verhältnisse iu unserem Hause berück sichtigst, wirst Du e« begreiflich finde», doß ich Anknüpfung«- punctc an die Gesellschaft suche, wo ich sic finde. — Wenn ich Dich nicht hätte, Hertha, wäre ich gleich wieder aus dem Hause gelaufen, denn auch Rudolf ist nicht mehr der Alte", sie blickte schelmisch in Hertha'S Gesicht, „ich fürchte, daß er ein wenig zu tief in zwei schöne blaue Augen gesehen Hat »nd gründlich verliebt ist. Wie gefällt Dir eigentlich Rudolf?" „Äufrichtia gestanden, bis jetzt weder gut, »och schleckt," lautete die sehr ruhiß gegebene Antwort. „Ich glauve", lachte sie hell a»f, „mir fehlt jede« Berständniß für junge Männer. Else findet Deinen Bnider sehr hübsch; ich bade ihn mir noch gar nicht genau angesehen. Die Antipathie, die zwischen uns herrschte, als ich noch ein Kind war, wirkt vielleicht noch »ach, und darum stehen wir einander fern und fremd, obgleich wir Verwandte sind." Nora erwiderte aus Hertha'S Worte nicht«; aber ein recht verdrießlicher Ausdruck lag in ihrem Gesichte, als sie, da« Kleid zusammenraffcnd, über den feuchten Rasen der Billa zuschritt, während Hertha noch rasch ein paar Blumen zum Strauß pflückte. „Also beute Abend drüben bei Försters", meinte Hertha fröhlich. „Aber wa« wird Dein Papa zu Deinem Rencgateii- thum sagen?" Nora zuckte die Achseln: „Er wird eS empörend von mir finden, aber trotzdem wage ich «S, denn Langeweile ist daS tödtlechste G'sl." Al« Nora sich über den Eorridor in ihre Zimmer be geben wollte, traf sie mit ihrer Mutter zusammen; dieselbe kam a»A> der Kirche, da« verrieth daS Gesangbuch, daS sic in der Hand hielt. Ein sonderbares Feuer leuchtete auö ihren Augen, als sie, Nora'S elegante Toilette betrachtend, sagte: „Du thätrst bester, zu bete» und zu fasten, anstatt Dich zu putzen. Da- Unglück schwebt über unseren Häupter»; ich köre den Flügelschlag der Seele, die unvorbereitet von hinnen scheide» niuh<e Der Tobte ist noch »»gerächt; er finket keine Ruhe in den Gefilden der Seligen, weit sein Mörder noch nicht gefunden ist." Dem jungen Mädchen war ganz unheimlich bei den Worten der Mutter geworden. Wahnsinn leuchtete au« den weit geöffnete» blauen Augcii: Wahnsinn schic» auö den leisen, nur halb gemurmelten Worten hervorzugeher. Die hagere, in schwarze Gewänder gehüllte Gestalt erschien in dem Halb dunkel, da« aus dem Borsaal herrschte, wie ein dem Grabe entstiegener Geist, »nd die Aehnlichkeit Arabella « mit Gras Heldbcrg, die früher dem jungen Mädchen entgangen war, siel ihm jetzt erschreckend aus. Ei» blitzartiger Gedanke zuckte in Nora'S Kopf auf; ihre Hand aus den bebende» Arm der Mutter legend, meint« sic leise: „Und wenn Du ihn gesunden, Mutter, würdest Du iyn jene« Verbrechen- zeihen? Soll ich ihn Dir nennen? Die Baronin machte sich hastig von Nora fr«; ein entsetzter Blick traf ihre Tochter; ein Schauer hing über den lmgeren Leib; wie beschwörend legte sie die Hmgcr aus die Lippen, indem sie leise, wie ein Hauch, flüsierte: „Schweig!" Dann aber schien sie wie aus einem dosen Traume zu erwachen; die verzerrten Züge glätteten sich; Nora die Hand reichend, sagte sie: „Ich bin krank, Nora: meine Nerven sind zer rüttet, o, und oft quäle» mich Träume, wilde, furchtbare Träume, die ich sür Wirklichkeit halte. Im Gebete allein findet man Trost; bete, Nora, bete für Deine Mutter —" „Und für den — Vater", fiel das Mädchen mit seltsamer Betonung ein. „Auch sür den Vater", wiederholte die Baronin tonlos, indem sic langsam die Schwelle ihres Zimmers überschritt. X Frau DuprctiS hatte eine eigene zierlich eingerichtete Wohnung in der Nähe der Linden gemielhet. Fräulein Schirmer halte die Ausstattung der drei an einander hängen den Zimmer besorgt, allein recht behaglich fühlten sich die beide» Dame» nicht in oem eigenen Heim. Fclicic DuprctiS war in den letzten Wochen stiller ge worden, als zur Zeit unserer ersten Bekanntschaft; die Augen zeigte» oft Spure» heißer Thräncn; daS übermüthigc, frische Lächeln war von de» Lippen verschwunden, und Paula Schirmer blickte oft recht befolgt in daö Antlitz ihrer gütigen Herrin, weil cS ibr sorgenvoll, unbcsriedigt erschien. Die Gesellschafterin hatte bisher nur fchr flüchtig die Be kanntschaft des Gemahls FelicicnS gemacht; theilS ließ cS ihr Zartgefühl nicht zu, da« kurze Beisammensein deS jungen Paares zu störe», «Heils fühlte daS Fräulein eine tiefe Ab neigung gegen de» Namen, de» der junge Mann trug, wie sic für ihn selbst keine Sympathie empfand. DaS Gehcimiiißvolle der Ehe störte sic; die schiefe Stellung der jungen Frau der Wett gegenüber lhat ihr weh, denn so sehr Felicic bemüht war, ihre» stillen Kummer vor den Auge» der treu ergebene» Gesellschafterin zu verberge», las Paula in den veränderten Zügen ihrer Dame, daß nicht Alle- war» wie eS sein sollte. In der allerersten Zeit war Felicie in dem Besitze de- aeliebte» Mannes zu glücklich, um ihre mißliche Vage in Betracht zu ziehen, allein leider dauert ja irdisches Gluck bei den meiste» Sterbliche» nur kurze Zeit und so legten sich auch auf Felicien'S heitere Seele düstere Schalten. DaS Gespenst deS Mißtrauens gegen den Mann, drn sie am meiste» auf der Welt geliebt, wachte urplötzlich in ifir auf und ließ sie vor der Zukunft, die ibr »och vor wenig Wochen wie in Morgcnroth getaucht erschien, zurückschrecken Kclice fühlte sich beengt durch daS unklare Verhältniß zu ihrem Gatten und zur Welt Sic empfand eS drückend, daß man in gewissen Kreisen aufmerksam auf sie geworden, daß sie dir Neugierde und da- Interesse der Berliner Lrv«w«U
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