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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1891
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1891-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18911126027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1891112602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1891112602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-11
- Tag1891-11-26
- Monat1891-11
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lUhonnemknIAHrelD l» der Hauptexpeditiva oder de» ün Gtadt- bezirk und dm vorotten errichteten Au». gabestellen abgeholl: v>erteijähr>ich^l4.S0. hei zweimaliger täglicher Zustellung in» Abend-Äusgave. Hau» .>» 5.S0. Diircli die Post bezogen sur Deutschland »nd Lesieireich: vieriel,ahrlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandiendung ins Ausland: monatlich 9.—. TieMorgev-Ausgabe erscheint täglich '/-7 Uhr, die Adend-Au-gabc Wochentag« b Uhr. Nedarlion und Eroedition: Johaniirsgaffe 8. Die Expedition ist ununterbrochen g«. öffnet von früh 8 bi« AbeadS 7 Uhr. Filiale«: Ltt« »lemm's e«rtim. («lsre» dich«). UniversitätSstrahe I, Louis Loschr. Aalharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. UchMtr. Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. J«sertto«SPret- NN argen »Ausgabe: die 6 gespalten« ze,l« M^Reclamen unter dem Aedaetiont- ttrich (»gespalten) 50 sj, vor de» Familien. Nachrichten <6gespalten) 40-T. Abeud-AuSgabe: die tigespaltene PettMetlo 40^,, Reklamen unter dem Redo.iwusstrich l4 gespalten) l.«t. Foiiiilieniiachrichlea und Buzeigku verloreuer istcgeiiliaüde Ogespattrn) SO eL Größere Schritte» laut uiiseiem Preis, verzcichniß. DabeUarischer und Zifferujatz nach höherem Tons. »rtr«-Beilagen (gesalzt), »ur mit der Mor^.Ausgabe. ohne Postbesörderuug 00.—. mrt Poslbejorderuug 70.—. ^nnahmrlchlub für Inserate: Abend-AnSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 0 Uhr. Ve: de» Filialen und Annatimeftellen je ein» Kalbe Stunde früher. Inserate find stets an die Exprdtlt»« zu richten. Donnerstag den 26. November 1891. 85. Jahrgang. Der Reichstag und die Haiidwerkerfrage. * Tie Verhandlung des Reichstags über die Handwerker frage hat mit einer großen, »ur inüksain verbülltcn Ent täuschung der zünsllcrischcn Heißsporne, wie sie sich namentlich in der EentrumSpartei vorsiiidc», geendigt. Die Regierung ist im Wesentlichen nicht über die auch früher in diesen Fragen cingehaltenc Linie bi»a»sgcgange»; sic bat namentlich mit aller wünschenSwerthcn Deutlichkeit erklärt, daß die Grundforderungen in dem zünsllcrischcn Programm, die .Zwangsinnung und der Befähigungsnachweis, keine Aussicht auf Erfüllung haben; sie ist damit ohne Zweifel liberaler gesinnt als die klerikal conscrvative Mehrheit de» Reichstags, welche für jene Folterungen verbanden ist. Wenn aber die Regierung Extravaganzen und Uebcrspanntheiten entschieden zurückwicS, so hat sie dabei doch eine Reihe gesetz geberischer und administrativer Maßregeln in Aussicht gestellt, welche berechtigten Wünschen unk wohlverstandenen Inter essen des Handwerks ciitgcgcnkoinmen, und in diesem Streben wird sie die Zustimmung Aller finde», denen die Erhaltung eiues kräftigen und leistungsfähigen Handwerkerstandes am Herzen liegt. Die positiven Maßnahmen, welche von der Regierung vor bereitet werden, bestehen in der Organisation einer Vertretung des Handwerkerstandes (Handwcrkerkammcrn), in der Regelung des SubmissionSwcsenS, der Gcsängnißarbcit, der Eonsum- vcreine nach berechtigten Wünschen dcS Handwerks, in der Ausdehnung der Unfallversicherung aus dasselbe, in Besserung der Verhältnisse des LebrliiigswcscnS, Verleihung von EorporationSrechlcn an die InnungS Ausschüsse, Bestim mungen über die Abzahlungsgeschäfte und das Hausirgewcrbe. In diesen Beziehungen wird man die Vorschläge der Regie rung im Einzelnen abwarten müssen; es liegt keinerlei Grund vor, diesen Maßnahmen von vornherein Mißtrauen oder Abneigung cntgcgenzubringen. DaS möglichste Ent gegenkommen gegenüber allen vernünftigen und linier den heutigen wirthschaftlichen Verhältnissen durchführbaren Forderungen im Interesse der Erhaltung und Kräftigung dc» Handwerkerstandes hat also die Regierung zugcsagt nnd sic wird dabei auch die Unterstützung solcher .Männer finden, welche von den reaclionaircn Reccpten *des Innung-Zwangs und des Befähigungsnachweises kein Heil und keinen Nutzen zu erwarten vermögen. Es bleibt dein Handwerkerstand auch nach dem Anwachfen des Groß- und Fabrikbetriebeö noch ein weites Feld erfolgreicher Wirksamkeit, und in diesen, ihn zu schützen und zu erbalten, ist eines der wichtigsten wirthschaftlichen und socialen Anliegen. Aber über die Grenzen Dessen, was gegenüber den Karlen Thatsachcn eines so gründlich umgestaltclen WirtbschaftSbctriebcS die Gesetzgebung leisten kann, über DaS, was praktisch durchführbar und ihm selbst wirklich nützlich ist, muß sich der Handwerker stand klar werden. Er bat sich bisher »ur zn oft von Zauber worten nnd hoblen Versprechungen blenden lassen, als ob alle seine Schäden und Leiden sofort durch einen Act der Gesetz gebung beseitigt werden könnten. Würde wirklich einmal der Versuch gemacht, den Innungs zwang und den Befähigungsnachweis einzusührcn, wir sind überzeugt, in kürzester Zeit würde das Handwerk selbst am lautesten nach Wicderabschassung dieser in die heutigen Ver hältnisse nicht mehr passenden nnd jedes E,„Porstrebe» lähmenden Einrichtungen rufen. Verständige, praktische, von Ucbcrspannlhrilcn sich scrnbaltende Bestrebungen zur Hebung tcS Handwerks konnten durch das Ergcbnitz der gestrigen Verhandlung keine Enttäuschung erlitten haben, sondern nur Aufmunterung und Förderung daraus schöpfen. Leipzig, 26. November. * Die erste Lesung des Etat- im Reichstag soll morgen Freitag beginnen. Die zweite Beratbung der Krantciicassen- »ovclle wird zu diesen, Zweck voraussichtlich unterbrochen werden müsse». * DerReickSkanzler von Caprivi hat aus den .1. December Einladungen zu einem parlamentarischen Diner erlassen. '' Im „RcichSanzeiger" werden die jetzt beendigten amtlichen Erhebungen über die diesjährige Ernte von Roggen nnd Weizen veröffentlicht. Es betrug danach die Rcggen- critte an Tonnen (lOUO ßß) im gesammlcn Reich 0 902 869 gegen 6 998 228 im vorigen Jahr »ach vorläufiger und 5 807 990 nach endgültiger Ermittelung nnd 5 804 29.', im Durchschnitt des Jahrzehnts 1881,90. Der Ertrag an Weizen betrug T89I 9 947 71 t t gegen 9 5l8 489 bezw. 9 298 011 im tabre 1890 und 2 937 970 im Durchschnitte des IahrzeknIS. DaS ist doch keine besonders schlechte Ernte. Die „Rordd. Allg. Ztg." folgert aus den gestrigen Erntcangaben dcS „ReichsanzcigcrS", ein effektiver Äkangcl an Brobgetreide bedrohe »iiS nicht, wir seien nur genöthigt, den Verbrauch des RoggenS einzuschränkcn und den des Weizens zu erweitern. * Aus der Einrichtung von Privatunternebmungen zur Bestellung von Stadtbriese» können, wie wieder holt bervoraehoben worden ist, dem Publicum unter Umständen erhebliche Nachtbeilc erwachsen. Ein schlagendes Beispiel hierfür liefert nach der „Nordd. Allg. Zig." wiederum die unlängst ciiigegangenc Privat-Briesbestcllanstalt in einer größeren Handels- und Fabrikstadt Thüringens Tic An stall bat daselbst nur kurze Zeit bestanden, weil der Unter ncbmcr bei den niedrigen Tarifsätzen seine Rechnung nickt finden konnte. Die Briefkasten der Anstalt sind in der letzten Zeit übe, Iiaupt nickt mcbr geleert worden; die Polizei hat die Kalten sammt Inhalt schließlich beschlagnahmt, und d,e in großer Zabl Vorgefundenen Briefe, so weit als tbunlick, den Absendern zuriickgegedcn Der Unternehmer ist mit Hinterlaffiing von Schulden fluchtig geworden; er bat weder die Mielbe für seine Geschäftsräume, »och die Löbne an seine Angestellten bezahlt, und wird strasaerichtlich verfolgt, weil er die von seinen Bote» ihm bestellten Cautionen im Gesammtbctrage von 1500 ^ unterschlagen haben soll. Außerdem sind auch die in den Händen des Publicum- und der Martcnverkäuser verbliebenen Wcrlhzeicken der Bestellanstalt nicht zur Ein lösung zu bringen. * Die Münchner „Allgemeine Zeitung fügt dem auch von nnS wiedergegebcnen Artikel der „Eckles. Htg." über Anbahnung eines freundlicheren Verhältnisses zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck folgende Bemer kungen hinzu: Es ist der Wunsch wohl aller Patrioten in Deutschland, daß die in Millionen Herzen lebende, von der „Schlei. Ztg." so unumwunden ausgesprochene Hoffnung sich, nnd zwar bald, erfüllen möge. Wer mit erlebt bat. daß Herr Windtborsl, der bis a» fein Ende der überzeugte Gegner der durch die Ereignisse von 1800 und 1870 ge schaffene» Ordnung in Deutschland geblieben ist, bei seinem Tode fast init de» Ehre» eines Nalionalhklden umgeben worden, der wird sich schwer mit dem Gedanken aussöhnev, daß unser Kaiser die Hand, welche das Reich ausgerichtet und zn zwanzig Jahren so weiterfest ausgebaut hat, nicht wieder ergreifen sollte. Jedenfalls wurde Derjenige, welcher dem Kaiser einen Rach im Sinne der Aussöhnung erthcilte und die geeignete Form für die Ausführung fände, sich ein großes und dankcnswerthes Ver dienst um Deutschland erwerben. Für den Feidinarschall Moitktz ward« bei seinem Abschiede aus dem activen Dienste die Fon» Pfunden, ihn dennoch dem letzteren zu erhalte», sowie sein verbleiben in Berlin und in Fühlung mit den wichtigsten An gelegenheiten seine-Z Ressorts und des Landes zu ermögliche». Bei de», Fürsten Bismarck ist dieser Versuch nicht geinacht worden. Der erste Beamte des Reiches mußte binnen zwölf Tage» seine Wohnung ausgebeil und damit war sür ihm die Möglichkeit des Verbleibens in Berlin ausgeschlossen. Man sagt uns nun: eine Aussöhnung widerstreite der Würde der Krone. Wir — und wohl die Mehrzahl der Deutschen — sind der gegenlheiligen Ansicht. Ein Zug zur Größe kan» nie der Würde einer Krone zuwiderlausen, am allerwenigsten der Krone der Hohenzovern, die ohne den Fürsten Bismarck doch schwerlich auf der Höhe stehen würde, aus weicher sie heute noch steht. Was Kaiser Wilhelm I. so oft in rührender Weise ausgesprochen: seinen und seines Hauses unaus- löschlicheiiDaiik, wird der Enkei um politischer Meinungsverschiedenheiten willen nicht verleugnen. Man hat »ns glaubhaft versichert, der Kaiser habe dem Fürsten Bismarck zu seinem letzten Geburtstage einen Glückwunsch senden wolle», dieser Act, der von der ganzen Nation hoch ausgenommen worden wäre, sei jedoch aus einen Rath unterbiiebe», weichem Se. Majestät folgen zn müssen geglaubt habe. Ein solcher Rathschlag wäre aus das Tiefste zu bedauern, weil er sich i»i Widerspruch zu dein Denken und Empfinden der Nation und somit zu dem Interesse der Krone befände. Wir glauben im Gegen« theil, daß es die Ausgabe der höchste» veraniwortiichen Rathgeber der Krone sein sollte, dem Kaiser eine» solchen Schritt auf jede Weise zu erleichtern und dem Enkel Kaiser Wilheim'S I. damit den Glanz einer wahrhaften Popularität zu verleihe». * Der „Hamburger Correspondent" erhält folgend unverkennbar ofsiciösc Notiz: Der Besuch des Herrn von GierS gestaltet sich, wie voraus, zusehen war. zu einem Ereianib, dem jede poillljche Bedeutung s-g sofern abgssprochen werden darf; «IS verleide sicherlich nicht zn irgeno einer Aenberung der Beziehungen Deutschlands zu Rußland führen wird. — Der Gedanke, sei» Kommen bezwecke auch, die Börse» einiger maßen über den Wcrlh der russischen Papiere zn beruhigen, darf bei dein hohen Ansehen, dessen Herr vvn Giers sich verdienter Maßen erfreut, zurückgewieseu werden. Der Leiter der russiichcn Politik würde sich sicherlich nicht dazu hergedc», einem Börse»-Coup Vorschub zu leisten — nnd es erscheint kaum glaublich, daß Jemand gewagt hätte, ihm Derartiges zuzumiiihen Tie russischen Papiere werde» nach wie vor von Gier's Komme» von der öffentlichen Meinung in Deutschland nach ihreni inneren Werthe beurtbeilt werden, und daß dieser heute nicht sehr hoch geschätzt wird, davon legen die fallenden Eourse nicht »ur in Deutschland, sondern namentlich auch in Frank, reich beredtes Zeugin» ab. * Die Nachrichten aus dem Innern von Ostasrika widersprechen sich noch immer; »ach der einen Meldung solle» die Wahebes auf dem Kriegsfüße sein und abwartend am südlichen User des Ruaha sieben Nach anderen Milthcitungen soll der Oberhänplling der Wabebe Friedensboten nach der Küste unterwegs baden, welche erklären sollen, daß der lieber sall der Expedition ZelcwSki von 5 Unlerhäuptlingeu ohne seine Wissen ausgesührt worden sei. * DaS bayerische Abgeordnetenhaus nahm nach lebhafter Debatte über die Novelle zum HcimatbS- und Vcr ebelickungSgesetze den präjndicircndcn Artikel in Absatz I an, wonach eine geschlossene Ehe auch ohne ein Erlaubnißzeugniß der HeimathSgemeinde vor dem Gesetze giltig sein soll, ebenso Artikel l, demzufolge voreheliche Kinder b« der Hciratk der Mutter die Heimalb der Mutter behalten sollten und Artikel 9 in der Fassung des Ausschusses, nachdem der Minister des Innern Freiherr von Feilitzsch die Bedenken des Adgeord neten Fischer gegen die rückwirkende Kraft dcS Gesetzes de kämpft hatte. Die Annahnie erfolgte mit 77 gegen 03 Stimmen. * Ter EcntralauSschuß der deutschen InnungS- verbände trat zusammen und beschloß nach kurzer Debatte, an competentcr Stelle Protest dagegen z» erheben, daß die Vertreter des Handwerks auf der Hantwerkerconserenz die Einführung des Befähigungsnachweises sür undurchsükrbar erklärt hätten. -» * «- * Der Bericht des BudgetanSschnsscS der österreichischen Reichsraths-Delegatioii giebt der Hoffnung Ausdruck, daß die Gesakr eines von Niemandem gewünschten Krieges dauernd beseitigt sei. Dem Wunsche des Kaiser- ans Be cndigung^ der Sorge» und Lasten des bedrohten Friedens schließe fick der Ausschuß im vollsten Maße an Der Bc richt gedenkt scrncr in znsiimmenden Worten der Erneuerung des Dreibundes, der Annäberung anderer ccnservativcr Mächte, sowie der zweifellos klaren Erklärungen de» Grasen Kalnoty über die von jeder eigennützigen Neben absicht freie Orientpvlitik Ocsterrcick-UngarnS. Der Bericht bezeichnet die gegenwärtige Situation als eine relativ be friedigende und betont die Notkwcndigkeit, die Wehrkraft der Monarchie zu stärken. Die Politik de« Grasen Kalnoky sei die richtige. Zum Schluß wird da- volle Vertrauen dcS Ausschusses zu der weiteren Amtsführung des Grasen Kalnokv au-gedriickt und dem Minister sür seine Verdienste im abgelausencn Dccrnnium der Dank dcS Ausschusses au» gesprochen, sowie die Annahme des Budget» des Auswärtigen empfohlen. * Wie aus Wien berichtet wird, bat in den Kreisen der Linken dcS Abgeordnctenbause« die Tbatsache, daß Herr v. Plcner mit seinem Anträge aus Herabsetzung der ErwcrbS- stener für die untersten Kategorien von dem Polenclub im Sticke gelassen worden» einen deprimirende» Eindruck gemacht, weil u»n kein Zweifel mehr darüber walten kann, daß auf rin Zusammengehen der Polen mit der Linken, welche erstere sich in der erwähnten Frage den Eonservativen angeschloffen haben, nickt zu rechnen sei. Ob der Anschluß der Iungczcckcn in dieser An grlegenheit an t»e Linke letzterer sehr willkommen ist, muß gleichfalls als fraglich bezeichnet werden. Jedenfalls sind die Parlcicnfragen wieder i» ein kritisches Stadium getreten, und Kat die erwartete Bildung einer neuen Majorität, deren öanptfactoren nach dem Strebe» der Linken diese und die j)olen hätten bilden solle», augenblicklich ibre Aclualität verloren und kommen daher auch die erwarteten Rück Wirkungen auf die Neiibittung des EabinctS, die vielfach atS bevorstehend bezeichnet worden, vorerst nicht in Betracht. * AuS Wien wird der „Allgemeinen Zeitung" geschrieben: Die gestrige Ni ed er tage de« Ministeriums ist zwar seit 1880 die erste, die es erlitt, doch wird sie keine »n mittelbare Folge »ach sich zicbe», da Gras Taasse die Ablehnung des Plcner'schen Antrages im Herrcnhause durch setzen wird. Daher sind alle Gerückte über eine Ministcr- krisis verfrüht. DaS Ministerium süblt übrigens die Un sicherheit der parlamentarischen Lage und will deshalb da« Gesetz über die Donau-DaiiipsschiffsahrtSgesellschast j„ diesem Iabrc nicht mehr vor das Plenum dcS Hauses bringen. * Der König, die Königin von Italien und der Kronprinz hielte», von langanhallenten Hurrahrufc» der Seeleute lebbasl begrüßt, über das in Palermo vor Anker liegende italienische Geschwader Revue ab und wobntcu daraus einem Seenianövcr bei. Alsdann reiste die königliche Familie in der Richtung nach Neapel ab. Die zahlreich ver sammelte Bevölkerung bereitete den Majestäten überall be geisterte Kundgebungen. * AuS Rom, 25. November, wird gemeldet: Die Kammer bat beute ihre Arbeiten wieder ausgenommen. Die Dcpulirte» waren nicht zahlreich erschienen. Von der Regierung sind bereit- niedrere Gesetzentwürfe cingeaange». DaS Finanzexposv ist sür de» nächsten DicnSIag in Aussicht genommen. Ter Finanzministcr legte einen Gesetzentwurf vor, betreffend gewisse finanzielle Maßnahmen, sowie das königliche Teeret, betreffend die Erhöhung gewisser fiscalilchcr Gebühren. Diese Vorlagen, bezüglich deren die Regierung die EabinctSfragc stellt, wurden mit großer Mehrheit an die Budgelroinmission verwiesen. Ai» Schlüsse der Sitzung tbeilte der Präsident mit, daß 7 Anfragen und 59 Interpellationen angemcldct seien, darunter solche Wegen der Pilgcrsahrtcn und der Kirchensragc, scrncr eine Intcr- vcllation ImbrianiS, betreffend die Beziehungen Italiens zum AuSlande und die wirthschaftlichen Verhältnisse Italiens. Eine weitere Interpellation betrifft ein angeblich von Oester reich gegen Vcrgnügu»gSdai»pfer erlassene» Verbot, in de l österreichischen Häfen des Gardasee» zu landen. — Der Senat bat heute ebenfalls seine Beratbimgen wieder auf- geiioniiiien. Der Präsident tbeilte mit, daß der Graf von Turin Mitglied des Senats geworden sei. (Beifall.) * Der Pariser Appctlhof bat, wie bereits gemeldet, den Erzbischof von Aix, Gouthe-Soulard, dessen Vergehen gegenüber der Staatsgewalt an dieser Stelle ei» gehend erörtert worden ist, zu 9<»oo Francs Geldbuße verurtheilt. Während tue hauptsächliche Schuld des fran zösischen Kirchensürsten darin bestand, daß er in seinem an den CultuSniinistcr FalliöreS gerichteten Schreiben de» Ver tretcr der Regierung anfS schärfste aiigriff, versuchte der Bcrtbcidigcr gestern eine Diversion. Er suckle nämlich die Sacke so darzustellcn, als ob der An geklagte sich lediglich durch patriotische Erwägunge» leiten ließ, weil er zugleich mit seinen llebergriffen gegenüber der Staatsgewalt au« Anlaß der Vorgänge bei dem letzten französische» Pilgcrzuge eine für Italien so feindselige Sprache geführt batte, daß leicht diptoinaliscke Schwierigkeiten bäkle» entstehen können, falls gegen de» Erzbischos nicht cingeschritten worden wäre. Mit Recht wie» der sranzösischc Staat» aiiwal« gestern daraus hin, daß der Episkopat zu keiner Zeit in Frantreich mit größeremEntgegenkommcn behandelt worden, die Religion zu keiner Zeit unabhängiger gewesen sei Die Republikaner werden sich andererseits nickt verkeblcn können, daß die vom Eardinal Lavigerie unter den Auspicie» de» Papstes Leo Xtll. eingeleitete republikanische Bewegung bisher kciiic- wcgS allzu uiiisaffende Propaganda gemacht bat. Vielmehr bc weisen die Vorgänge, die sich bei der Fahrt tcS Erzbischofs von Aix nach Paris, inSbcsoiibere ans dem Baknkose i» L»on abspicllen, woselbst zahlreiche Anhänger de» Elernü ans den, Bahnsteige »iederknieten, uni sich von dem angeklagten Kirchen sürsteii segnen zu lassen, daß dieilllramontanen in Frank» eich ibre Sache keineswegs verwren geben. Auch in Paris ereigneten sich gestern vor dem Instizpalaste luniultuarische Scene» ; der Wagen des ErzbisckosS wurde von Tausenden »mringt, die sür oder wider ihn dkinonstrirte». Der beute eingctroffcne „Matin" erinnert daran, wie bei der Verhandlung gegen den Herzog von Orleans, als dieser trotz dem VerbanniingSrccrcle »ach Frankreich zurückkcbrte, insbesondere die monarchistisch gesinnte» jungen Advocaten im Pariser Gerichtssaale dem Angeklagten eine Ovation bereiteten, so daß ähnliche Kundgebungen diesmal von Anfang an nicht ausgeschlossen gewesen wäre». Die repnblikanische Regierung i» Frankreich wird jedenfalls gut daran Ibiin, allen diesen Symptomen größere Aiismcrk samkeit zuzuwendc». * Ucker die Anwesenheit tcS Herrn v. GierS in Pari» wird von dort geschrieben: „ES bebars keines besonderen Hinweises, daß der russische Reichs kanzlrr vielsältige Gelegenheit gehabt, sich init den inaßgebeudei, Persönlichkeiten zu iiiiterhattkii. Daß die Politik ei» Haupt- gegenstand der Besprechungen gewesen, ist selbstverständlich Was aber eigentlich verhandelt und beschlossen worden, darüber ist vor. lausig noch nichts vertautbart. So viel aber fleht fest, dasi i» allgemeine» Linien die von beiden Staaten in den einzelne» Fragen zu beobachtende Haltung erörtert und sestgeslellt wurde. Mn» bat sich verständigt sür de» Fall gemeinsamen Vorgehen-, wie tür die allgemeine Haltung. Ein Vertrag ist nicht geichtossr» worden, da kein Grund dazu vorliegt, keine der beiden Machte dazu positive Vorschläge gemacht bat Keine beabsichtigt eine gröbere Aktion nach außen i» nächster Zeit, deshalb batte auch leine Anlaß zu solchem Vorschlag. Beioe Mächte aber sind einmiithig in der gegen jeitigen Unterstützung der beiderseitigen Interessen, welche nicht mit einander collidiren. In dieser Beziehung ist die An wesenheit des russischen Reichskanzlers sehr er sprießlich gewesen. Dieselbe ist ohnedies ein Beweis sür die guten Beziehungen beider Länder zu einander. Herr v. GierS Hot kenn auch mehnach seine große Befriedigung über seinen hiesigen Aufenthalt ausaedriickt: die >etzige periöniich« Annäherung werde die bi-herigen Beziehungen befestigen und erweitern, künstige Ver handlungen - und Abmachungen erleichtern. Eine namdasie Aenderuug der europäischen Lage wird dieser Besuch vorder- Hand nicht zur Folge baden. Möglich ist, daß sich die Politik Rußlands Ivie Frankreichs au) einige» Punkten mehr als bisher acccntuirt: beide Mächte >>nd gewillt, keinen An laß unbenutzt zu lassen, der zur Forderung ihrer Interessen diene» lviinle. Aber sie sind auch ebenso fest entschlossen, in ibrer bisherige» friedlichen Politik zu beharre», sich nur durch e»l- sprechende Gesichtspunkte teilen zu taffen. Sind die andern Mächte von drnselden Motiven geleilet, beweisen dieselben ibre friedlichen Absichten in gewissen Falle» auch Lurch Entgegenkommen, dann wird in absehbarer Zeit die Politik Frankreichs »nd Rußlands sich in den obendezeichnelcil Bahnen halten, die Ruhe Europas ge sichert sein." * Lord SaliSbur» hat am DienStag vor einer kon servative» Wäblerversanimliiiia in Birmingham eine in mehrerer Hinsicht iiitercssanle Darlegung der leitende» GcsichtS- piinctc gegeben, nach denen seine Regierung die Staats- geschäste sortzusühren gesonnen ist. Darunter spielt anck das agrarische Moment eine bemerkenSwcrtbc Rolle. Die Rotb- wciidigkcit einer Bcrnlekruiig der Zahl der kleine» ländlichen Besitzer selbst ans Kosten des Staates wurde von dem leiten den Minister diesmal mit einer Ununiivundenbeit betont, wie sie biöber nickt eben zu den t^epslogenbeiten britischer Politiker Hcbörte. Angesichts des raschen UmsichgreiscnS social- revolutionärer Bestrebungen jenseits des EanatS musi in der Thal die Stärkung des eouservalivstcn Bevölteruilgselementeü aller Zeile», Völker lind Staatsversassungen, dcS freien tank licke» KicinbesitzerslandeS, als das »aiürlichste und er folgvcrsprcchcndstc Gegengewicht erscheine». Allein c» jiegt ans der Hand, daß die Verwirklichung eines sotckc» Planes weder leicht noch schnell vor sich geben kan», sondern eine tief angelegte und weit anSschauendc gcsetz gebcrische Action »othwendlg macht. Es genügt nickt, eine Masse neuer bäuerlicher Existenzen zu schassen, sondcru vor allen Dingen ihnen auch die Bedingungen ivirlbschasllicheii Ge dciheiiö zu gewährleisten. Ob solche unter den, jetzigen national ökonomilchen Systeme in der Pflanzstätte dcS ManchcsterlhnmS, in der Hcimalb und Hochburg des Freihandels Vorbauten sind, darf billig bezweifelt werden. Nock ganz kürzlich geschah an dieser Stelle des kolossale» Rückgangs der laut licken Griindstückswerlbc in England Erwähnung Derselbe bängt ans- Engste zusammen niit der Privilcgirung der sreindländischen Ackerbanerzeugnissc aus Koste» nnd ziini Schade», ja Ruin der cmbclinischeii Laudwirthschast Ter zollfreie Maffcniniport fremdcn Brotgetreides und Viehes treibt Iabr aus Zabr ein Tanscnrc und Abertausende englischer Kteiiibauer-n von ihrer Scholle und wirst sic entweder dem großstädtische» Proletariat in die Arme oder lrcibt sie übcrS Meer, behufs Gründung einer neue», auskömmlichen Existenz »nd Vergrößerung de- UebergewicktS der Auslandsco»c»rrcii;. Diese» « iroul»^ vitiu^ zu durchbrecht», der aus die Dauer die Grundlage» jeder couservaiive» Politik vernichte» muß, wäre die ,'k»>iiitn> >äi»' <>un uuu der Verwirllichiing der von Lord Salisbury aiigedeiilelcu taiidwirlbschaslliben Reform Maßregel. ES erschein! aber ciiiigcrmaßc» naglich, ob die Entwickelung der Ereignisse dem leitenden englischen Staats mann Zeit und Spielraum zur Durchführung seiner Zu- kunstspläne vergönne» wird * Der Premier Lord SaliSburn hielt am Mittwoch bei einem Festmahle im Sladlhausc zu Birmiiigbam eine Rede, in welcher er aus die Schwicrigtcitcn hinwicS, »lii denen das Ministerium z» länivse» bade, und namentlich Hervorbob, daß die Zolltarife nach alle» Seilen bi» sich ver mekrien und daß die immer inebr wachsende schutzzölliicrischc Richtung de» englische» Hantel bckrokc. Die Arbeiterfrage aiilaugend, so gab Lord Salisbun, die Zusage, daß die Regierung jede Maßregel prüfen werde, welche die Be schäftigung der städtischen wie der ländlichen Arbeiter zu ver mehre» geeignet wäre. * Gladslone'S Gesundheitszustand giebt zu ernsten Besorgnissen Veranlassung. Sein Leide» besteht in der Z» »ahme der Altersschwäche. Man siebt seinem Rücktritt vom öffentliche» Lebe» bald entgegen * Nach einer Meldung ans Madrid ist die Ueberzeugung eine allgemeine, daß die Nenbiltiing dcö EabinetS nicht nur die auswärtige Politik Spaniens selbstverständlich in keiner Weise langiren werte, wofür die Tbatsache, daß EanovaS tcl Easiillo a» der Spitze der Geschäfte bleib«, ausreichende t'-cwäbr bietet, sondern auch die Principicn der innere» Politik keine Veränderung erfahren werden; wohl aber bcfft ma». daß die Neubildung dcS EabinetS der Eon solidirung der finanziellen Lage zn statten kommen werde. * Das riiniänischc Ministerium isti in Begriffe einen schlechte» Tausch in der Person deS Ministers des A»S wärtigcn vorziincbmc». Der bisherige Rcssorlck»es Esarcn bat seine Entlassung cingercicht »nt nun soll der Franzoscnsrcunv Blarciiibkig dieses Pirtesciiillc übernehmen. ES geht der „Voss. Ztg." nämlich folgende Drablinelkung zu: Vutaresl, L5. November Juslizminisler Btaremberg in bereils mit dein Eiiiwiirs der Thronrede beonsiragt, da er demnächst die äußeren Angelegenheiten übernehme» so». Wie sich unter einem solchen Minister des Auswärtigen die riiniäiiische Politik in dem Rahmen des Dreibundes be wegen soll, ist gar nickt zn erklären. Oder sollte Blarem- berg, nachdem er die höchste Stufe seines EkrgcizcS er klommen bat, anck» seine Vergangcubeit abgeschworcn und sein dreibiintsrciiudlichcs Herz entdeckt baden? Für den ver iiünstigeii Mciilchcnvel stand erscheint die Eristciiz eines Ministeriums, ivie cs gegenwärtig in Bnlarcst zusammen gesetzt ist. ganz uiiinoglick, und König Earol kann auf die Dauer keinen Minister baden, der stet- offen seiner anti- dmiastischcn Gesinnung Ausdruck gab, der einst von dem „Sbnleck aus rem runiänisck>cn Throne" sprach. * Wie ans 9jalta gemelkc! wird, tiiipsiilg der russische Kaiser die türkische außerorkeiilliche'.Gesandtschaft, bcslebcnd a»s dem Marschall Fnat Pascha und Kiazini Bey, in AbschiedSandienz; die Gesandtschaft ist Dienstag Abend wieder abgrreist. Der berühmte Dichter »nd Schrislsleller Gras Leo Tolstoi txtt vor einige» Tagen >m Moskauer Blatt „RuSkija Wjckoiiiosti" unter dein Titel „Eine schreckliche Frage" über die HungerSnoth in Rußland einen Artikel veröffentlicht, aus welchem die Panik, welche selbst schon die hochsiedende russische Gesellschaft ergriffen bat. in charakteristischer Weise spricht In dem Artilcl ist u. A. Folgendes gesagt: Tic Mißernte Hai das fruchtbarste Drittel Ruß lands ergriffen, welche» die übrigen zwei Drittel
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