Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920401020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892040102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892040102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-01
- Monat1892-04
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2250 za allen Zeilen eine „Unverschämtheit" erblickt. Im Gegen- lheil! Als die süddeutschen »othvltkea in der Zeit de« preu ßisch,» „Culturkanivses" , der die Süddeutschen doch nicht mehr „anging", als der Zedlitz'i'chc Entwurf, ihren dcdrangten preußischen Glauden-genossen lrüstig deisprangen, da ist diese llnterslüvung vom preußischen Eentruni, zu dessen Führern Herr v. Schoriemer gehörte, uicht elwa zurückgewiesen, sondern sreudigsl acceplirt worden, und unsere» Wissen« haben auch die Gegner des Eentrum« diese Hilfe, leistung al« etwa« ganz Selbsiverslandiiche« betrachtet, jedenfalls hat die« die süddeuljche Temokratie gethau. Rach alledem hätten leine», weg« blo« die Rücksichten aus den guten Ton den Freiherrn v, Schorlemer-Alst von einer Kritik, wie er sce in Essen geübt haben soll, adhalten müssen. Man darf übrigen« einigerinaßen neugierig sein, was die ultramonlane süddeutsche Presse zu der Schar- lemer'schen «eußerung sagen wird, die sich durch ihr sanatisches Eintreten für den Zedlih'schen Entwurs ohne Zweifel der gleichen „einfachen Unverschämtheit" schuldig gemacht hat, wie die Liberalen." Uebpr diese Zurechtweisung des Organ» der süddeutschen Demokratie wird sich indeß La» Centrum um so leichter trösten, je zufriedener die vatikanischen Kreise mit der neuerwachleo Oppositionellst de» Frhrn. v. Schorlcmer-Alst und seiner Gesinnungsgenossen sind. Man telegraphirt nämlich dem „Berl. Tagebl" aus Rom: „Tie Lösung der preußischen Minislerkrisi« hat den Batican, der für Eaprivi lebhaste Sympathien hegt, natürlich nicht befriedigt; dagegen ist man mit der Rückkehr des Centrums in« Lager der Opposition schon deshalb völlig einverstanden, weil der Batican seit Jahren seine entschiedene Abneigung gegen den Dreibund nur schwer zu verhehlen vermochte. Die nächste Folge der jüngsten Berliner Ereignisse dürfte demnach die Bccenluirung der längst bestehenden und nur mühsam verdeckten Erkaltung der Be- Ziehungen zwischen dem Batican und Deutschland sein. Ueber die künftige Haltung des Eentrums denken also, wie mein Gewähr«, mann ausdrücklich wiederholt, die maßgebenden vaticanischen »reise ebenso wie die vatikanische Presse, die in der Rückkehr de« Eentrums zur Opposition eine Stärkung der katholischen Sache erblickt. In demselben Sinne äußert sich übrigen« heute auch ein Leitartikel der jesuitischen „Vor« «lollu Vsritn," der darin gipfelt, die Rückkehr des Eenirum« zu den Traditionen Windthorst's sei ein Beweis dasür, daß da« Centrum einen Fehler beging, al« e« sich eine Zeit lang von jenen Traditionen trennte." Die Stimmung im Batican kann übrigens leicht Um schlagen, wenn der neue preußische CultuSministrr aus dem Berwaltungswege den klerikalen Wünschen »ach Möglichkeit Rechnung trägt. Und was man von Herrn I)r. Bosse er fährt, klingt nicht so, als ob der Nachfolger des Grafen Zedlitz abgeneigt wäre, da« Centrum durch freundliche« Entgegenkommen zu „versöhnen". * Die neueste That der Ultramontanen ist die Indieacht- erklärung von Brehm'S Thierleben. Die „Germania" denuncirr das Buch in folgender Weise: „Neulich berichtete ein Blatt, daß die nur von katholischen Lehrern benutzte Kreis Lehrerbibliothek zu Adenau Brehm'S „Thierleben" ent halte, ein Werk, das bekanntlich in durchaus ungläubigem Geiste versaßt ist. Wie wir aus sicherer Quelle erfahren, befindet sich dieses Buch auch in der den Seminaristen zugäng lichen Bibliothek de« katholischen Lehrerseminars zu Münstcr- maiseld. DaS wundert uns um so mehr, als der dortige Senrinardirector ein durchaus tüchtiger und korrekter Mann ist. Nachträglich wird uns noch mitgethcilt, daß da« genannte Werk auch w der Bibliothek des katholischen Lehrerseminars zu Boppard vorhanden ist. Offenbar kennt man den religionS- fcindliche» Standpunkt des Verfasser« nicht." * Gelegentlich de« großen BergarbeiterauSstandeS wurde von den Arbeitern auch über die mangelhafte Lohn zahlung bez. die Zurückhaltung und verspätete Aufrechnung de« Lobne« geklagt Diesen Klagen gerecht zu werde», hat bei der Beralhung de« neuen preußischen Berggesetze« Abg. Hitze in der Commission einen neuen Paragraphen beantragt, welcher lautet: „Die Berechnung und Auszahlung der Löhne muß mindestens monatlick erfolgen und mindesten« aller 14 Tage eine Abschlagszahlung slattfinden". Der Para graph wurde in der Commission angenommen. * Aus Aachen wird der „Köln. Ztg." gemeldet: „Infolge einer Denuocintion ist gegen die Verwaltung de« ZeitungS- museum« eine Untersuchung wegen Majestätsbeleidi gung eingelcitet worden, die durch Auflegen einer amerika nischen Zeitung im Lesesaale begangen worden sein soll." Man liatte nach der bekannten Bersügung des preußischen Iustizmimster« vermuthcn sollen, daß solche nur schädlich wirkende Maßregeln unterblieben wären; doch stammt der erste Schritt in dieser Sache vielleicht noch au« der Zeit, al« die Verfügung des IustizininisterS noch nicht an alle ihre Bestimmungsorte hingclangt war. Jeden falls Hai die Aachener Staatsanwaltschaft, wenn keinem andern, so doch dem Grasen Hobenthal ein Bergnügen be reitet, der dieser Tage im Herrenbause seinem Grolle gegen die Zeitungen wieder einmal Lust gemacht hat und nun doppelt erfreut sein wird, wenn nicht blo« eine Zeitung, sondern gleich ein ganze« ZeitungSmuseum in die Hand de« StaatSanwalt« fällt. * Der Stadt Liegnitz wurde da« Recht verliehen, einen Vertreter in da« Herrenhau« zu entsenden. Bisher donnert« der Major jetzt mit voller Commandostimmr und zur Bekräftigung außerdem auf den Tisch schlagend, daß die Gläser klirrten. Natürlich hält da« Niemand an« und wer nicht kidend ist, muß e« ja bei dieser Hungerkur werden. Äch darf nicht — e« bekommt mir nicht, flüsterte Bürglin, ergebungSvoll da« Haupt senkend. Aber wie und worin äußert sich dies Nichtbekommen? forscktc Claudius lustig mit erheuchelter Tbcilnahme, während der Ministerialrath, beide Obren zukaltend, rief: Um GotteS- willen, er soll »n« doch nickt znni tausend und elften Mal all seine Beschwerden aufzählen! Heule kann ich« wirklich nicht ertragen — auch wissen Sie ja, lieber Bürglin, daß ich in besonders bedrohlickcn Fällen noch immer ein Radikal mittel für Sic hatte. Greisen wir auch beute zu demselben — Kellner, die Speisekarte! So, da haben Sie — Sie armes, krankes, verhungertes Hubn, und nun wählen Sie und essen — aber dauerhaft. Wir werden Sir für die näckstcn zwei Stunden al« nicht vorhanden betrachten. Der Commerzienratb murmelte etwas von unangebrachtem Spott und Scherz, schob anfangs die Speiscnkarte verächtlich bei Seite, nahm sie dann doch, wie spielend, in die Hand und hatte sich endlich ganz und gar in dieselbe verliest. Die drei übrigen Herren spannen sich inzwischen in eine Unter haltung über Tagesereignisse ein und achteten scheinbar gar nicht ans Bürglin, der jetzt den Kellner herbeirief und sich mit gedämpfter Stimme Hummer bestellte. Eine halbe Portion, Herr Commerzienrath, oder eine re'? öenn ich sagte, einen Hummer, so ist da« wohl nicht Weiler mißzuvcrstehen, kam hastig und gallig die Antwort. Zu Befehl, Herr Commerzienrath, — r« sind aber sehr große Hummer» — Dummkopf I — wa« übrig bleibt, ist doch jedenfalls Ihre Beute. Der Kellner flog davon. Bei dem Worte „Hinnmer" batte der Major ausgeborcht und gcblinzrlt, aber Rungher machte ibm sofort ein Zeichen de« schweigen«, und so schienen eS denn die drei Herren gar nicht weiter zu bemerken, daß Bürglin sich über die Riesenhunimer, die ibm alsbald vorgeseyt wurde, eiligst ver machte und sie mit unverkennbarem Appetit verspeiste. Die Unterhaltung der drei war inzwischen auch recht ernst aewordrn. denn Rungher hatte ei» Tbema angeschlagen, da« sonst in diesem Kreise nie behandelt wurde und fast verpönt un Iunggesellenclub war — da» Thema vom Heiratbrn. De« Minister« Ausführungen mußten doch wobl mehr Ein druck auf den Ratb gemacht baden, al« er sich selber gestehen wollte, denn ohne daß er r« selber recht wußte, hatte er auf die« Gebiet hmübergelenkt, und zwar mit der unvermittelten ""Le besaßen diese« Recht von den schlesischen Städten nur BreSlau und Görlitz. * Der Großberzog von Baden sollte bekanntlich die Bedenken des Kaiser« gegen das Bolkssckulgesctz durch einen Brief unterstützt haben. Die „Nalionalzeitung" hat diese Nachricht bereit« für unrichtig erklärt am dem Hingusügen, daß seit Januar ein schriftlicher Verkehr zwischen Len, Kaiser und dem Großherzog nicht stattgefuuden habe. Diese Angabe der „Nationalzeitung" ist, wie den .Münch» N. N." aus Karlsruhe geschrieben wird, richtig; seit der Anwesenheit des Großherzog« in Berlin gelegentlich de« kaiserlichen Geburts tages ist zwischen den beiten Fürsten von der Bolksickulgesetz- vorlaac nicht mehr die Rete gewesen. Damals bei seiner Anwesenheit i» Berlin bat der Großherzog seine Ansichten über das BolkSsckulgesetz. seine Wahrnehmungen über die Stimmung in Süddentschland eingehend dargelegt. Cr hat damit seine warme Fürsorge für das nationale Wohl und zugleich seine Freundschaft für den Kaiser ausS Neue be wiesen. Der Kaiser bat den Werth dieser Darlegungen gewürdigt, aber keinen Entschluß kund gegeben, und Weiteres in der Angelegenheit de« preußischen Volksschulgesetzes zu thun, war durch die Situation für den Großherzog aus geschlossen. * An den Landesausschuß der Deutschen Partei in Württemberg hat der Centralvorstand der national- liberalen Partei in Berlin eine Mittheilung gelangen lassen, in welcher die „lebhafteste" Befriedigung über die sichtlich erstarkte Tbätigkeit der nationalliberalen Partei in Württemberg zum Ausdruck gebracht und die Hoffnung aus gesprochen wird, daß die Regsamkeit und das politische Interesse dortselbst nachhaltig sich bewähren wird. „Wir könne» Ihnen", so beißt es in dein Schreiben, „auch aus eigener Crsabruna bestätigen, daß in andern Landschaften des Reichs die bei Ihnen begonnene Bewegung, einerseits auf organisatorischen Zusammenschluß, andererseits auf eine» sreimüthigen Austausch der politischen Auffassungen bebuss Befestigung in gemeinsamen Ueberzeugungen gerne als Bei spiel und Muster acceptirt wurde und somit in erfreulicher Weise ermuthigend und anregend gewirkt hat." * Wie der „Boss. Ztg." aus München gemeldet wird, hat der Prinzregcnt den Fürsten Bismarck telegraphisch zum Geburtstage beglückwünscht. * Die Uebersiedelung des Kaisers und der Kaiserin nach dem Neuen Palais wird, der „Post" zufolge, »och vor dem Osterfest erfolgen. Um diese Zeit wird auch die Kaiserin Friedrich mit der Prinzessin Margarethe zum Sonimer- aufenthalte das Schloß Homburg v. d. Höhe beziehen. » >» «- * In der gestrigen Sitzung der AiiSgleichScoinmission in Prag vertrat Kucera den jungczechischen, Zeitbammer den altczechischen Standpunkt. Hierauf wurde die Sitzung nach einer längeren Rede Scharschmidt'S geschlossen. Die nächste Sitzung findet heute statt. * AuS Pest wird der „Magdeb. Zeitg." vom 3l. März gemeldet: Ter heutige Schluß der allgemeinen Budget- verbandlung ist ein bedeutende« parlamentarisches Er eigniß; seit zwanzig Jahren kam es nur einmal vor, daß die allgemeine Besprechung des Budgets wie diesmal in drei Tagen erledigt wurde Noch ausfälliger ist dies dadurch, daß die leitenden oppositionellen Parteiblätter noch gestern eine endlose Budgetverhandlung ganz offen in Aussicht stellten. Diese überraschende Wendung wird in parlamentarischen Kreisen hauptsächlich dem taktischen Geschicke des Ministerpräsidenten Szapary zugeschrieben, dessen Umsicht und Klugheit in der Parteileitung eS gelang, frisches Leben und neue Thatkraft in die Regierungspartei zu bringen. Ihrem energischen Eingreifen ist die Opposition durchaus nicht gewachsen. Das Wahlbündniß zwischen Apponyi und der äußersten Linken ist wirkungslos. Die Eiiizelvrrhandlung des Budgets kann sich allenfalls noch in die Länge ziehen und ihre Zwischenfälle baden, doch bleibt Szaparv unstreitig der anerkannte Beherrscher der Partei tage. Seine heutige wiederholte Acnßerung in der Angelegen heit Horvath« wurde von allen Seiten mit Befriedigung ausgenommen. * Der istrianische ReickSrathSabgeordnete Spincic, ein kroatischer Agitator, wurde vom UnterrichtSniinister der Professur an der Lehrerbildungsanstalt enthoben, weil er während der Agramer Ausstellung für die Bereinigung der kroatischen Länder eingetreten ist. * In Brüssel erhielt die Polizei Instruction zur Fest nahme der an- Frankreich auSgewiescnen Anar chistrn, sobald dieselben die belgische Grenze passirten. * Die Verhafteten in Paris bezeichnen, wie wir be reit« in einem Tbeil der Morgennummer melden konnten, Ravachol al« Chef der Bande und gestanden, Ravachol sollte auch da« Hau« in der Clichystraße in die Lust sprengen. Die Untersuchung hat bereit« alle Bewegungen und Hand- Frage: „Sagen Sie mal, Professor, we«halb haben Sir eigentlich nicht geheirathct?" Claudiu« blickte ihn ganz verdutzt an und setzte den eben erhobenen Bierkrug dröhnend nieder. Ick — gehrirathet? Ja, und da- fragen Sie so ruhig, als ob e« sich da etwa um ein wissenschaftliche« Problem handelte? Sonderbar — wie kommen Sie nur darauf? Wie kommt man manchmal zu dergleichen? Es liegt in der Luft oder sonst irgendwo. Merkwürdig ist dabei nur, daß wir vier Freunde, die so einig im Ablebnen der Ehe sind, uns nie über die Gründe dieser Ablehnung ausgesprochen baden, die doch wohl bei Jedem von uns andere sein werden. Und darum könnte eS gar nichts schaden, wenn wir einmal die Ursachen unsere« Unbeweibtseins »äber in« Auge faßten Schon reckt, gab der Professor zurück. Und doch werke gerade ich am wenigsten darüber sagen können, denn ick bade bisher gar nickt an diese Dinge gedacht. Habe auch wahrlich Bessere« zu denken. Heiratbcn — dazu gehört doch vor Allem Zeit, und die habe ich wahrhaftig noch nie dafür gehabt. Phantasten behaupten, daß außer der Zeit auch noch etwa« Anderes dazu gehöre — nämlich Liebe, sagte Rungher trocken. Ach wa«, Liebe — ich habe nur eine Frau geliebt und das war meine Mutter. Die Bücher waren im klebrigen meine Welt — al« Schüler, al« Student und in reiferen Jahren erst recht, und ich habe mich allezeit ganz wohl und befriedigt dabei gefühlt. Im Allgemeinen habe ick gar nicht« gegen die Ehe, weiß ja, daß sie zum Fortbesteben de« Menschengeschlecht« unvermeidlich ist. Mich aber soll man au-lassen — ich bitte Sie, eine Frau würde mich doch entsetzlich stören. Rungher mußte über diesen Standpunkt d«S Gelehrten lachen. Und Sie sind thatsächlich nie mit Frauen in Berührung gekommen? Doch, al« Student. Ich konnte mich den Einladungen meine« Liebling-Professor« gegenüber nicht ganz ablehnend verhalten und mußte wenigstens manchmal seine „Abende" besuchen. Da gab« denn wobl Weibsen genug, junge und alte, dock batte ich eine solche Scheu vor ihnen, daß ich jene Gruppen immer in weitem Bogen umschlich und meine Be- iriißung der Hausfrau so schleunigst al« möglich abmachte, döchter waren zum Glück nickt vorhanden, sonst hätte ich wobl auch ihnen einige Worte gönnen müssen Und da ich stets den einen oder andern gelehrten Herrn fand, der mich in eine Ecke nahm und mich würdigte, über die neuesten Er gebnisse seiner Forschungen mit mir zu sprechen, so kam ich uberjene Abend« recht gut hinweg. Also unberührt und unschuldvoll wie eine Lilie, spottet« lungrn Ravachos« seit Jahresfrist festgestellt, insbesondere den Mord in Montbrison und den Diebstahl von 30 000 Frc«., welche Summe er bei den Gesinnungsgenossen in Saint- Etieiine unterbrachte, die ibm davon nach Bedürfniß schickten Weiter wird gciiieldet: Da« Verhör Ravachvl'S hatte ein überraschendes Ergrbniß. Er gestand, daß er im Lause der letzten drei Jahre vier Mordthaten beging, um sich Geld für die anarchistische Agitation zu verschaffen. Unter Andcrm ermordete er Anfang Oktober den Pfarrer von Notredame de Grace« und einen alten Rentier zu Roanne. Seine Betheiligung an der Epplofion in der Clichystraße läugnel Ravachol dagegen hartnäckig. Nach polizeilichen Er mittelungen stabl der Anarchist Delannoy Dynamit aus dem Lager von Soissy und vertbeilte eS an Ravachol und die übrigen Genossen. Ravachol wurde heute den ganzen Tag hindurch verhört; nian glaubt, er werte bald ein umfassendes Geftändniß ablegen. Wir verzeichne» noch folgende Mel dungen: Pari«, 31. März. Die Polizei verhaftete heute Bormittag de» Anarchisten Telaunoy, ivetcher in dem Verdachte steht, in der Rahe von Avesne« jüngst «inen Tynamit-Diebstahl ausgefiihrt zu haben. Ta« Signalement des Verhafteten paßt aus das am Sonn tag Vormittag in der Rue Ctichy von einem Passanten beobachtete verdächtige Individuum. Wahrscheinlich wird die Untersuchung gegen Ravachol und dessen Genossen bald geschlossen werden, da die Mehrzahl unter ihnen »msasjende Geständnisse abgelegt hat. Paris, 31. März. Gutem Vernehmen nach haben alle wegen der Tynainit-Atientate verhasteten Angeschuldiglen sich endlich zu völligen Geständnissen hcrbeigelassen und Einzelheiten über die Ex plosiv» am Boulevard St. Germain ausgejagt. Darnach hätten dieselben Ravachol als Führer der Anarchisten bezeichnet und sogar eingeräumt, daß auch Ravachol das Haus in der Rue Ctichy in die Lust sprenge» sollte. Das Geftändniß der Verhafteten komme aber zu spät; der Uniersiichungsrichler kenne bereits olle Bewegungen und Handlungen Ravachol s seit einem Jahre. Derselbe wisse, daß Ravachol, nachdem er de» Mord in Monlbrisjon verübt, 30 000 Frcs. gestohlen Hobe, die er bei verschiedenen Gesinnungsgenossen, die in St. Etieime wohnen, »ntergcbracht habe und daß diese ihm das Geld je nach seine» Bedürfnissen schickie». Endlich erklärte einer der Eomvlicen Ravachol's, daß Letzterer einen Theil des in Soisy-svus-Eliolles gestohlenen Tynamiis vergraben haben müsse. — Die „LibcrtS" meldet, auch nach der Provinz seien Befehle ergangen, die aus ländischen Anarchisten auszuweisen. Paris, I. April. In der Wohnung Ravackols wurde bei der Haussuchung ein Brief vorgesunde», woraus hervoracht, daß derselbe bis zum I. Mai 1500 Tynamitvatronea verschossen sollte. Der Evmplice Ravachols Mat hieu, soll über die Grenze entkommen sein. Der Anarchist Martinet wurde gestern zur Verbüßung einer früheren Strafe verhaftet. * Die italienischen Blätter finden die Wendung der Dinge in Afrika sehr bedenklich, da zur Bekämpfung der Rebellen jetzt bereits Artillerie nöthig sei. „Don CliiS- ciotte" weist außerrem aus die drobend gewordene Haltung Menelik's und die absolute Unzuverlässigkeit der tributpflich tige» Hänptlinge der Provinz Tigre bin. Die Blätter ver langen energisch Ausklärung von vcr Regierung. * Wie die „Agenzia Stefan!" meldet, dauern dir Unter handlungen wegen der anläßlich der Vorfälle in New- Orleans" entstandenen Differenzen zwischen den Regierungen der Bereinigten Staate» und Italiens noch fort. Die Meldungen der „Ncw-Aork Tribüne" von einem bereits er zielten Uebereinkoinmcn sind daher verfrüht. * In der italienischenKammer beantworteteNudini die Interpellation Barzilai'S wegen des durch Kroaten er folgte» Angriffs gegen italienische Fischer in den dalmatinischen Gewässern. Er erklärte, der italienische Consularagent hätte Protest eingelegt und den Gerichten Anzeige davon gemacht. Man müsse jetzt de» AuSgang des Processes abwarten. Barzilai beklagte lebhaft die angeblichen Verfolgungen reS italienischen Elementes in Dalmatien, welche die österreichische Regierung unterstütze und die italienische gleichmüthig dulde. Rudini verwies ans seine gegebenen Erklärungen, denen nichts binzuzusügcn sei. Der Schatzuiinister tbcilte mit, daß der Gesetzentwurf, betreffend die Emissionsbanken, morgen vor gelegt würde. Der Finanzminister und der Schayminifter brachten einen Gesetzentwurf ein. die Ausbebung des AuS- subrzolleS aus Nobseide und die ErsparliiigSmaßnabmen zur Deckung des Ausfalles in den Einnahmen betreffend. (Wiederh.) * Die italienische» Künstler halten wegen der an Italienern in Ncw-OrleanS auSgeübtcn Lynchjustiz beschlossen, die Cbicagocr Weltausstellung nicht zu beschicken. Nuiliiiehr wird ein Schreiben Rudini's an das Präsidium des römischen KiinstlcrconiilöS veröffentlicht, worin Rudini die Tbcilnalnne der italienischen Künstler an der Ausstellung wünscht »nd nachdrückliche Unterstützung seitens der Regierung verspricht. * Der Papst richtete ein Schreiben an den Pariser Cardinal Erzbischof Richard, worin er die politischen Pre digten der Pariser Geistlichkeit scharf tadelt und es beklagt, daß die sranzösische» Bischöfe seinen Absichten, betreffend den Frieden »wischen Kirche und Republik, nicht entgegenkommen. Der Erzbischof ist nach Rom befohlen. der Ratb. Schade, Professor, daß Sie nicht kat Priester sind, denn bei solchem Lebenswandel eines Heiligen und Ihren sonstigen GeisteSgabcn wäre Ihnen die Mitra, wenn nicht gar die Tiara gewiß. Bürglin war inzwischen, ohne sich viel um die Unter- baltnng der Freunde zu kümmern, von Hummer zu einem Ueefztealc ü I» 'I'srtare übergeganaen. Den Auftrag dafür hatte er dem Kellner mit leiser Stimme gegeben, dennoch nabmen die drei trotz des eifrig geführten Gespräches mit verständnißvoUen Blicken von diesem neuen Beweis des Magen leidend ibreS Freundes Notiz. Und Sie Major — auch Sie den Frauen stet« ängstlich aus dem Wege gegangen? fragte Rungber weiter. Der Angeredcte schmunzelte und strich den schier gewaltig» Schnurrbart. Ich — sek,' ich so duckmäuserig aus? Na, nicht« für ungut, Professor, jedem, wie eS ihm zukoinmt. DaS wäre mir ein schöner Soldat, der sich vor dem Weibsvolk fürchtete, und da« bab' ich denn auch nie gethan — im Gegentheil. Schon als Cadet halt' ich ungezählte Lieben und hätte mich am liebsten mit achtzehn Jahren verlobt, wenn nicht mein Vater und selbst die Auserkorene meine- Herzen« mir ins Gesicht gelacht hätten, als ich davon anfing. Später war ich selber frok, daß mir meine Freiheit geblieben, denn ich hatte Glück bei den Frauen — Glück, sage ich euch — er schwieg und starrte einige Secunden, wie überwältigt von Erinnerungen, tiefsinnig in sein GlaS. Dann besann er sich iudeß erneS Besseren und trank eS mit einem Zuge leer. Ihr könnt« Euch wohl nicht denken, fuhr er darauf, sich selbst ironistrend, fort. Dennoch ist« wahr, auf Ehre. Leider aber wurden all diese Erfolge übertrumpft von einem Mißerfolg, der für mein svätrre« Leben entscheidend wurde und meine Vergötteruna de« ewig Weiblichen iu Haß und Verachtung verkehrte. Und dabei ist« geblieben — bi« beute. Die Männer schwiegen eine Weile. Bürglin» der während de« Gespräch« sein Beefsteak vertilgt, benutzte endlich die Pause, um ein paar allgemeine Betrachtungen über dir Schwächen de- weiblichen Geschlecht« binzuwerfcn. Den italienischen Salat, den er noch zu vertilgen gedachte, wollte er doch lieber bestellen, wenn die Freunde wieder in eine Unterhaltung vertieft waren und weniger auf ihn achteten. Bald knüpfte denn auch Rungher an de« Major« letzte Aeußerung wieder an. Haß — da« will nicht viel sagen, lieber Freund. Haß gegen Frauen ist immer verkappte Liebe. Aber Verachtung wiegt schwerer — bars man erfahren, we-halb Sie lernten, alle Eva«töchter zu verachten? Der Ma;or zauste und zerrte erst eine Weile gewaltig an seinem Schnurrbart, bevor er etwa« brummig erwiderte: N«, * In Madrid wurden 4 Franzosen unter dem Verdachte anarchistischer Umtriebe auSgewicsrn. * A»S CKristiania wird voni 28. März geschrieben: Wie hier allgemein verlautet, ist eS jetzt lestininit, daß Kaiser Wilhelm Sonnabend, den 9. Juli, am Geburls tage der Königin Sophia, an Bord seine« Schiffes „Hoben- zollern" im Hasen von Bodö eintrifft und sich unmittelbar daraus »ach Herrn Gjävcr's Walsaugstation Slaarö begiebi, um sich dort aus einen, der Fahrzeuge des Genannten weiter hinan« auf den Walfischsang zu begeben. Voraussichtlich wird der Kaiser am 12. Juli, zur Zeit, wo solcher Fang aui passendsten vorgenomnien wird, in Skaarö eintrcffcn können. Die Angabe deutscher Blätter, daß die „Hobenzollern" für den Walsischfang ausgerüstet werde, ist irrthümlich, da aus einem so großen Fahrzeuge, wie die genannte kaiserliche Lust-Aacht, Wale nicht gejagt werden könne». * AuS St. Petersburg wird gemeldet: Dem ReichSratbe ist ein neues Gesetz über die Bestrafung von Personen, die Staatsgeheimnisse verrathen, zugegangen. * Die „Köln. Ztg." meldet aus Petersburg: In gut unterrichtclen Kreisen wird behauptet, Pobedonoszew habe jüngst die Weisung anSgezcben, gegenüber den unerlaubter AnitSlianblungen bezichtigten Pastoren in den baltischen Provinzen fortan eine wesentlich größere Milde wallen zu lassen, überhaupt dort mildere Saiten aufzuziehen; besonders sei dies dem Gouverneur LivlandS, General Sinowjew, bei dessen jüngster Anwesenheit in Petersburg eingescharft worden Ein solcher Umschlag in den Ansichten Pobedonoszew- sei unbedingt auf eine Sinnesänderung in allerhöchsten Kreisen rückzusühren. — Diese Nachricht läßt sich nur schwer mit der Thatsache der vermehrten Absetzung lutherischer Pastoren in Einklang bringen. * AuS Semlin wird geschrieben: Die bulgarische Regierung ist seit zwei Tagen iin Besitze ungemein werth- voller neuer Aufschlüsse über die Organisation der bulgarischen Emigranten, die Ermordung des Minister« Beltschcw und des vi Vulcovitsch, sowie über ein neues gegen Stambulow und den Fürsten Ferdinand geplantes Attentat. Zwei der in Belgrad Weilenden und an den Complotten hauptsächlich Bctheiligten, nämlich Kosta Iwanow, der langjährige Polizeichcs von Sofia, und Wassil Bruschew, ein ehemaliger bulgarischer Osficier auS Lrhanie, welche eine leitende Rolle unter den Emigranten spielten, verständigten vor einigen Tagen Stambulow, daß sic ibm unter der Vor aussetzung, daß die Regierung ibre Expatriirung ausbebe und sie durch die Gerichte dann nicht verfolgen werde, alle« Material zur Verfügung stellen würde». Infolge dessen trafen vorgestern in Semlin die bulgarischen Geheimemiffärc Kara- guenssow und Radak ein. Im Beisein deS neuen bul garischen diplomatischen Agenten Goranow machten die beiten erwähnten Flüchtlinge Enthüllungen von größter Wichtigkeil und gaben dieselben zu Protokoll. Diese Mittbeilungen gingen sofort ckiffrirt an Stambulow ab und gestern langte voni Fürste» die telegraphische Nachricht an, daß er beide Emi granten begnadige. Ferner langte ein ansehnlicher Geldbetrag zur Reise an. Im Interesse der Sache wird über die Eröff »»»gen der Emigranten, welche mit authentischen Beweisen belegt wurden, noch Schweigen beobachtet. Die Flllchtlinze reisten schon beule, begleitet von beiden Geheimagenten, nach Sofia ab. Kosta Iwanow ist ein Schwager des serbischen Ministerpräsidenten Paschic. * In der egyptischen Frage dauert da« politische Jntrigueuspicl am Goldenen Horn fort. Wie der Konstan- tinoplcr Berichterstatter deS „Daily Chron." meldet, wurde ursprünglich der Bestätigungsferman für den neuen Khedive in seinem Wortlaute genau so abgcfaßt, wie für den verstorbenen Vicekönig. Er umschloß außer Egypten und dem Sinai-Gebiet alle jene Theile Afrikas, üöcr welche der Sultan die Oberhoheit beansprucht. Hiermit waren die Botschafter Englands und Italiens nicht einverstanden. Beide stellten sich aus den Standpunkt, daß der Ferman vollendete That- sachen anerkennen solle, und mit besonderem Nachdruck ver langten die Italiener die Anerkennung der Besetzung Mafsauabs Auch da« Reich des Mahdi hätte auS dem Ferman gestrichen werden müssen, und wahrscheinlich lag eS im Plane der Engländer, dies Lurchzusctzen, da sie bei einer möglichen Wiedercroberung einiger Provinzen diese daun ihrem Reiche einverlciben konnten, sie nicht mehr als egyptisch-türkische- Besitzt!,».in zu behandeln brauchten. Es wurden auch wirklich einige Aenderunacn am Ferman vorgcnommen, welche aber die beiden Botschafter nicht zufriedenstellten. Die Pforte batte sich inzwischen darauf besonnen, daß die Sinai Halb insel eigentlich direktes türkische« Gebiet sei, und dieses für sich in Anspruch genommen. England verlangte außerdem Aenderungen in dem bei der Investitur deS wider zu be obachtenden Ceremoniell, die der Pforte Khedive strebten Mittlerweile waren auch Frankreich und Rußland auf den Plan getreten, welche naturgemäß alle Wünsche Italiens und England« zu durchkreuzen suchen. So dauert da« politische meinetwegen. Biel ist darüber nicht zu sagen and neu ist die Geschichte gewiß nicht. Romanschreiber dürften schwerlich etwa« daraus machen können. Habe die Gunst der schönsten Frauen, die Vortheile glänzender Partien aufgegeben, weil ich mein Herz an ein blutarme« Mädchen, da« weder durch Schönheit noch Geist glänzte, gehängt hatte. Die Familie war nicht einmal besonder« respektabel, kaum, daß man osficiell dort verkehren konnte. Dem Vater, einem heruntergekommenen Baron, sagte man allerlei häßliche Dinge nach, die freilich nicht zu beweisen waren, und der einzige Sohn, damals Student, war nur all zu sekr in die Fußstapfen de« Vater« getreten. Die Mutter war längst todt. Grade aber weil da« Mädchen ein harte«, an Arbeit, Sorgen und Entbehrungen reiches Leben mit der Geduld und Güte eine« Engel« trug, lieble ich da« süße, herzcn-reine Geschöpf. An Heiratyen war freilich nicht zu denken. Ich selber war vermögenslos und erhielt nur einen kaum nennenSwerthen Zuschuß von meinem Alten. So waren wir denn übereingekommen, zu warte», bi« ich dereinst Hauptmann erster Classe sein und ohne Ver mögen würde heirathen können. Da ich damals noch nickt Premier war, lag allerding« eine lange, schier rndlo« erschei nende Zeit vor un«, doch hätte echte, treue Liebe darüber hinweggetragen. Da« Weib aber, da« ich wie eine Heilige verehrte, belaß diese starke Liebe nicht. Eine« Tage« war meine Braut, nachdem sie noch Abend« vorher hingegebcn an meiner Brust geruht und mich ihrer ewigen Liebe ver sichert, verschwunden — da« heißt, mit einem andern aus- und davongegangen. Na, und nun thut mir den Gefallen und verliert kein Wort weiter darüber. Wir hätten üverhaupt von den alten Geschichten nicht erst ansangen sollen. Kellner, ein neue« GlaS' Der Professor blickte still vor sich nieder, al« schäme er sich in der eigenen Seele, daß eine derartige Niederträchtig keit möglich. Rungber aber ließ rin kräftige» Pfui! hören und druckte dann schweigend dem Freunde die Hand. Bürglin fuhr mit der Serviette über die Lippen, wa« al« Schluß seiner Mahlzeit »u nehmen war, und sagte dann, in dem an genehmen Bewußtsein, man habe di« Portion Chesterkäse, den er nach dem italienischen Salat zu sich genommen, bei so inhaltschwerer Unterhaltung völlig übersehen: Ich sag e« ja. sie taugen alle nicht«! Ein Pereat den Weibern, Freunde. Ich thu nicht mit, erNärte Rungber, al« man ihm die Gläser zu kräftigem Zusammenstoß yinhielt. E« wäre un gerecht und undankbar von mir, allen Frauen ein Pereat zu bringen. Ich verdanke ihnen und ihrer Gunst die schönsten Stunden meine« Leben« und, seien wir gereckt — im großen Ganzen sind sie hundertmal besser al« wir. Auf einen Ver- rath, von Frauen geübt, kommen immer hundert von Seilen der Männer, und darum, Freunde, seien wir mild — selbst in venrthrilung an-rrordentlichrr Fälle. (Fortsetzung folgt)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder