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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920406027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-06
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Jnsertionsprei- Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg» Reklamen unter dem Redactionsstrich («ge spalten) bO^j, vor den Familiennachrrchtar» (b gespalten) 40>ch « «räßere Echriften laat unsere» Prrtt» verzetchniß, Tabellarischer und Ziffrrnsatz »ach höherem Tarif. Sztra-Vellage» (gesalzt), nnr mtt tzk» Vtoraen-Ausgabe, ohne Postbefärdernng »i SO.—, mit Postbefördrrung » 70.-. ^nnahmeschluß für Inserater Abend-Au-qab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags «Uhr. Sonn- und Festtags früh S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eia« halbe Stunde früher. Inserate sind stet« an dia Ertrevitta» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig 177. Mittwoch) den 6. April 1892. 8«. Jahrgang Vas Ende des denlsch-czechischeu Ausgleichs. Am l. April hat die AusgleichSco>nmission den Antrag BuquoiS aus Vertagung der AuSgleichsvorlagcii angenommen. Für die Vertagung stimmten die Altczechen und die Vertreter des Großgrundbesitzes, dagegen die deutschen Abgeordneten. Plener meldete ein MinoritatSvoluin an. Die Jungczechen halten den Saal verlassen, nachdem ihr Antrag auf lieber» ganz zur Tagesordnung abgelehnt war. Auch sie haben einen Minderheitsbeschluß augemeldet. Der Gewiun der bisherige» Verhandlungen ist die Zwei- theiluiig deS LaiideSculturratlics »nd deö LandeSsckulratheS, dagegen ist die nationale Abgrenzung der Gerichtsbezirke, die Regelung der MinoritätS-Schnlc», deö Curiat-Votums und die Reform der LandtagSwahlen ans unbestimmte Zeit rertagt. Daß eS so komme» würde, war vorauSznscbcii, da die Czecken keinen Ausgleich, sondern die Herrschaft in Böhmen wollen; e« genügt ihnen keineswegs, daß beide Nationalitäten friedlich nebeneinander wohnen, nachdem die beiderseitigen Rechte gesetzlich fcstgeslellt sind, sondern ibr eigentliches Ziel ist die Czechisiruiia BöbmeuS. Sie sind darin schon so weit vorgeschritten, daß ihnen jede gesetzliche Schranke als Eingriff in die naturgemäße Entwickelung erscheint; die Vorgänge, welche sich seit zwei Jahren in Wien und Prag abgespielt haben, sind beklagenswerth, aber zugleich so uner quicklich, daß ein Entschluß dazu gehört, sie einer ruhigen Erörterung zu unterziehen. Graf Taaffe ist seit dreizehn Jahren vergebens bemüht, die nationalen Gegensätze in Oesterreich zu versöhnen, er hat die Erfahrung machen müssen, daß eS zwischen Deutschen und Czcchen keine Versöhnung aiebt und daß alle Zugeständnisse a» die Czechcn nur die Wirkung haben, ihre Forderungen und ihren nationalen Uebermuth zu erhöhen. Die ersten Kundgebungen der Czcchen »ach dem Amtsantritt des Mini steriums Taaffe waren Gewaltthäligkeiten gegen deutsche Turner, die Einsetzung eines ausschließlich aus Czechcn be stehenden StadtralheS in Prag und eine wahrhaft vanda- ststische Czechisirnng der böhmischen Hauptstadt. Deutsche Studenten waren von da ab nur »och geduldet in Prag, und das deutsche Tbeatcr führte bis zum Brande des Gebäudes nur noch ein klägliches Dasein. ES folgte» die Ausschreitungen der Slowenen in Laibach gegen daS Denkmal für den deutschen Dichter Anastasius Grün (Grafen Auersperg, die Bewegung, welche durch die Errichtung von Denkmälern für Kaiser Josef II. in deutschfeindlichem Sinne erzeugt wurde, und schließlich kam die czechische Landesausstellung in Prag, bei welcher der czechische Uebermuth in einer selbst an höchster Stelle Bedenken erregenden Weise zum Ausbruch kam. ES wurde ein künstlicher Gegensatz zwischen der Dynastie und den denlschen Vestandtheilen der österreichischen Bevölkerung ausgestellt und die Sacklage so geschildert, als ob man ein loyaler Unterthan deö Kaisers von Oesterreich, zugleich aber ein Feind der deutschen Nation sein könne. Schon auS dieser Tbalsachc ist die ganze Unhaltbarkcit der Taaffe'schcn Politik erkennbar. Nationale Gegensätze lasten sich nicht durch srcuntsckastliche Uebereinkunft ans der Welt schaffen, sie können nur durch Zwang in Schranken gehalten werden, und da- beste Ausgleich-mittel ist die Verschmelzung, die in früheren Jahr hunderten mit Erfolg durchgcsührt worden ist. In Brandenburg saßen noch zur Zeit Albrechts des Bären viele Wenden, länger noch haben sie sich in Pommern erhalten, und in beiden preußischen Provinzen ist die Aufsaugung der wendischen Raffe durch die germanische heute vollständig. Neste habe» sich nur »och in, Sprccwald und i» Sachsen erhalten, zum Beispiel wohnen »och heute auf dem Ale» gegenüber liegenden User der Elbe Wenden, die von den Bewohner» des andern Ufers wegen ihrer gelbe» Hautfarbe „Gelbeciie" genannt werden. Weniger leicht ist die Vermischung des polnischen Elements mit dem deutsche» vor sich gegangen, waö seinen Grund in der Kürze der Zeit hat, welche für diesen Zweck zu Gebote stand, »nd in den veränderten Verbältnisseu. Seit der Tbcilung Polens ist erst etwa ein Jahrhundert vergangen und die Polen haben die Hoffnung aus Wiederherstellung ihrer nationalen Selbstständigkeit noch nicht ausgegeben. In Oesterreich hat man die beste Gelegenheit, die Verschieden heit zwischen Polen und Czcchen zu erkennen. Tic Pole» in Galizien haben zwar das Streben, ihre Nationalität und den Zusammen hang unter einander zu erhalte», aber sie sieben den Deutsche» nicht feindlich, sondern lediglich mit dem Anspruch aus Gleich berechtigung gegenüber. Anders liegt die Sache bei de» Nuthenc». Diesen VolkSstamm sehen die Pole» als unter geordnet an und sie bedienen sich ihres Ucdcrgcwichtö an Zahl, Macht und Intelligenz, um ihn möglichst zu unter drücken. Die Polen Galiziens sind durch die AuögleichSactio» Taaffe'S in ihrem nationalen Gleichgewicht incht gestört worden, während diese Wirkung bei den Slowenen uiid den Welschtirolcrn beobachtet worden ist. Nock vor Kurzen, sind die Mitglieder de« Tiroler Landtages italienischer Nationalität ans diesem ausgetreten und haben die Auflösung des Land tages und seine Neuwahl veranlaßt. Die Deutschen stehen diesen nationale» Aufwallungen mit überlegener Ruhe gegenüber, sie wisse», mit welchen Schwierig keiten die österreichische Negierung zu kämpsen hat, sind aber nicht mächtig genug, um den herrschende» RegierungSgrund- sätzen eine andere Richtung zu geben. Sie baden es durch ihre besonnene Haltung dahin gebracht, Laß die Negierung sich ihnen genähert und den Versuch gemacht Hai, das Ansehen der Deutschen zu stärken und ihnen die Waffen zu liefern, deren sie im Kainpfe gegen Czechcn, Slowenen und Welschtirolcr bedürfen. Das war der Grundgedanke der Auflösung des österreichischen AdgcordnetenhauscS a», 25. Januar 1891, und eine Bestätigung des vorhandenen Streben- wurde durch die Ernennung de- Grasen Kuenburg zum Minister ohne Portefeuille gegeben. Da« Ergcbniß der Nenwabbc», wie die Einrichtungdesncuen Miliisterpostenv sind ankenCzechenspurlos vorübergegangrn, sie haben sich dadurch nicht bewogen gefühlt, auf die Geltendmachung ihrer nationale» Veidenschaffcii Verzicht zu leisten, sie haben vielmcbr den Ruf der politischen Unzurechnungsfähigkeit vollständig aufrecht zu erhalte» gesucht. Wir glauben nicht, daß die österreichische Regierung durch den neuesten Mißerfolg ihrer Ausgleichsbcst>eb>»igcii zur Preis gabe ihrer dahin gerichteten Politik veranlaßt werden wird, sie wird vielmehr, ihrer bisherigen Gcwolmbcit gemäß, Weiler laviren und sich mit der Aussicht aus bessere Zeiten trösten. Tie Deutschen können kaum etwas Anderes thun, als sich der Regierungspolitik anzupassen »nd die weitere Ent wickelung ruhig abzuwarlen. ES wäre unbillig, die Regierung für die bestehenden Uebelstände allein verantwortlich zn machen, sie hat sicher das Beste gewollt, aber sie kann aus so >Mlcn widerstrebenden Elementen nicht plötzlich ein einheitlich organi- sirteS Ganzes Herstellen. Als die deutsche Politik vorwog, blieben die Czechcn dem ReichSrath fern, und seit der Aus gleichspolitik hat der Uebermuth bei den Czechcn die Herr schaft angetrete». Jetzt hat die Regierung einen Mittelweg cuigeschlagc», sie erkennt die Forderungen der Deutschen als berechtigt an, will aber die Czechcn nicht vor den Kops stoßen, weil sie derrn Cbarakler-Eigenschafien kennt. Eö ist wiederholt die Krage aufgeworfen worden, ob unter solchen Umständen da« Dasein eines VcrsassungSstaateS über haupt möglich sei, weil er die Bethärigung einer straffen Centralg-walt bindert. Die Frage hat ihre Berechtigung, aber sic ist nickt durch drei Worte zu erledigen. Der eigent liche Hort versassniigsmäßiger Zustände in Oesterreich sind die Deutsch Ocsterreichcr, weil sie daö erforderliche Verständ nis; für die Gesamintaufgabeii de« Staates besitzen. Die Czcchen, welche sich berufen glauben, Sonderpolitik zu treiben, Franzosen und Russen als ihre Verbündeten be willkommnen und ihre deutschen Landsleute schmähen und mißhandeln, haben nicht die Fähigkeit, auf die Wohlfahrt von Oesterreich bestimmenden Einfluß zu üben, Tie Vertreter der Czcchen habe» es stet« als ihre eigentliche Aufgabe betrachtet, Verwirrung in die Verhandlungen des österreichischen RcichSrathcS zu bringen, sie haben im Wider spruch mit der auswärtigen Politik der Regierung die Deutschen beschimpft, den Dreibund bekämpft und »ach einer staatlichen Selbstständigkeit innerhalb Oesterreichs gestrebt, die ihnen niemals gewährt werden kann, solange der staatliche Zu sammenhang des Reiches nicht zerrissen ist. Daö Verlangen nach einer Loölösung Böhmens auS dem Verbände Oester reichs ist schon deshalb ein unerfüllbares, weil die Czcchen sich nicht bewußt sind, daß ein König von Böhmen, der zugleich Kaiser von Oesterreich ist, niemals der Ver bündete Frankreichs und Rußlands sein kann. Besser läßt sich die politische Unzurechnungsfähigkeit der Czcchen nicht erweisen. * politische Tagesschau. * Leipzig. 6. April. Mit der von uns in der Morgennummer milgctheiltcn Thronrede hat gestern König Albert den sächsischen Landtag geschlossen und die Mitglieder beiter Kammern in ihre Heimath entlassen. Der Grundzug der Thronrede be rührt angenehm: bei aller geschäftsmäßigen Form ist doch darin warme Anerkennung für die Arbeiten der Abgeordneten, welche das gemeinsame Wohl unseres engeren Vaterlandes wieder ein gutes Stück fördern halfen, enthalten und zugleich drückt sich darin die Freude über die andauernde günstige und gcordnele Lage unseres gcsammlcn StaatSwesenS aus. Wen» wir eine» kurze» Rückblick aus den Verlauf der Land tagssession werfen, so können wir nur sage», daß alle be- thciligte» Factoren redlich bemüht gewesen sind, in ruhiger, sachlicher Arbeit die Interessen deö Landes zu wahren und sich durch keinerlei unnütze Parteistreitigleiten vom richtigen Wege abbringcn zu lassen. Daö schöne harmonische Ver- bältniß, welche« schon in den letzten Jahren zwischen der Staatsregierung und der LandcSvertretung und ebenso unler den LrtnungSparteien bestand, ist auch in der letzten Session gcwabrt worden und wir dürfen auch an dieser Stelle die Wierererstehnng des CartelS, welches durch die bekannte Erklärung der 103 Abgeordneten besiegelt ist, als die beste Frucht der Einigkeit in unserem Landtag be zeichnen. Was besonders erfreuen muß, das ist die uns bekannt gewordene Thatsache, daß zu der Wiedervereinigung der OrdnungSparteien von Allerhöchster Stelle die Anregung mitgegcben worden ist. DaS kleine Häuflein der Social- dcmokraten in der Zweite» Kammer hat zwar seine Natur nicht zu verleugnen vermocht »nd z» verschiedenen Malen ver sucht, den ruhige» Gang der Verhandlungen durch Hervor- rufung von Skandalsccnen zn stören, indes) dies Bemühen scheiterte stet« an der testen, zielbewussten Haltung der Ka»»»ermajort>ät und deS Präsidiums, so daß die Arbeiten deö Landtages dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt wurden. Der gestern von »ns ausgesprochene Wunsch, daß der BundeSrath seinen Widerstand gegen die vom NcickStage in seiner letzten Sitzung beschlossene Fassung des Gesetz entwurfs, betreffend die" Unterstützung von Familien der zn Frieden-Übungen einberufenen Mannschaf ten, ausgeben möge, scheint in Erfüllung gebe» zu sollen. Tie „Nordd. Allg. Zig." erklärt heute am Schluffe eines längere» Artikels über den Gesetzentwurf, sic glaube sich keinem Jrrthum hinzugcben, wenn sie annehme, daß die Zustim mung deö BimdeSralhS zu dem Beschlüsse deö Reichstags in sichere Aussicht genommen werden dürfe. DaSofsiciose Blatt gesteht selbst zu, daß eS zweifelhaft erscheinen möchte, ob i» einer Angelegenheit von so eminent socialyolitischer Natur finanzielle Erwägungen überhaupt die ausschlag gebenden sein konnten. DaS preußische Abgeordnetenhaus hat gestern, wie schon telegraphisch berichtet worden, die Bcrathung über das Gehalt des Ministerpräsidenten nach kurzer Debatte von der Tagesordnung abgesetzt, lieber den Ver laus der Debatte berichten wir an anderer Stelle. Zum Verständniß de- parlamentarischen Vorganges ist eS jedoch. nöihig, seine Vorgeschichte zu erwähnen, über die unS Fol gende« berichtet wird: „Ehe die Sitzung begann, fand eine Besprechung de- sogenannten Senioren-llonvents statt, in welcher von conservativer und klerikaler Seite, wo man keine politisch« Verhandlung wünschte, beantragt wurde, den Nachtragsetat ohne »ine solche an die Budget-Loininillion zu verweisen. AufnalionallideralerSeite hatte man hiergegen keine Einwendung, da man zwar bereit war, die etwaige politische Debatte sogleich anszuneh'men. ober auch nichts dagegen hatte, sie bis nach Ottern zu verschieben. Sachlich stlniintrn die Deutich-Freisiiniige» hiermit überein, sie erklärten sich aber gegen die Form, wonach gestern die erste Lesung stattfniden, bei dieser jedoch keine materiell« Verhandlung, sondern nur die Ver weisung an die Budget-Eommissio» erfolgen sollte. Um dieser Bus- sasiung Rechnung zu tragen, wurde vorgeschlagen, de» Gegenstand von der Tageaorduuug abzusetzcn, und der Abg. Hobrecht wurde von dem „Senioren-Convent' ersucht, den betr. Antrag zu stellen." Hiernach ist kaum zu begreifen, wie in der Ptenarsitznng die conservativen »nd ultramontanen Redner die Miene an- ncbmen konnten, als ob ihnen im Grunde eine große politische Debatte ganz erwünscht gewesen wäre und als ob sie nur aus Wohlwollen für die „übrigen Parteien", denen diese Er örterung unbequem erscheine, der Absetzung von der Tages ordnung nicht widersprechen wollten. Man kann nur an- ncbmen, daß die beiden Parteien einig erscheinen und nicht zugcben wollten, daß in ihren Reihen sehr verschiedene Strö mungen Kerrschen, die bei einer cingebendc» Debatte hätten an de» Tag komme» müssen. Jedenfalls aber kann ein solche« Comödicnspiel weder aus die Regierung, noch aus die übrigen Parteien einen imponirendcn Eindruck machen. Daß eS in der Thal in der konservativen Partei be denklich kriselt, geht aus einigen Erklärungen unwiderleglich hervor. DaS „Conserv. Wochcubl." halte Monat« hindurch Feiilletsn. Moderne Junggesellen. L> Roman von B. W. Zell. «I»chdr»a »erBote». (Fortsetzung.) Rungher eilte davon und kehrte beladen mit so viel Tellern und Glasern, als seine Hände irgend zu tragen vermochten, wieder zurück. Und noch einmal ging er und dann noch ein mal, bevor er selber an- Essen denken konnte; zu sprechen brauchte er nicht viel, die Damen deckten reichlich die Kosten der Unterhaltung. Rungher machte auch gar keinen Versuch, den über ihn bereinstürzendcn Redestrom aufzuhalten, eS ließ fick ganz behaglich dabei kauen und schließlich dachte er gut- müthig: Mögen sie sich einmal gründlich Luft machen — haben ja lange genug allein gesessen und über Niemand her- sallen können. Sobald er indes seine Mahlzeit beendet, zeigte er sich weniger duldsam. Noch eine Weile hörte er die bissigen Be merkungen der vier über die Gesellschaften im allgemeinen und diese im besondern, sowie über alle Anwesenden ruhig an, dann sagte er endlich ungeduldig: Aber weshalb, meine gnädigste Fra», beehren Sie diese geselliacn Zusammenkünfte mit Ihrer Gegenwart, wenn sie Ihnen so zuwider sind? Die Räthin sah ihn groß an und sagte dann würdevoll: Sie sprachen da wie ern Junker vom Lande, mein lieber Rath, der vom Leben und Treiben der Großstadt keine Abnung bat. Ebenso unbekannt scheint Ihnen zu sein, daß Mutter sich gewöhnlich sür ihre Töchter opfern. Aber ich verstehe wirklich nicht — mit dem Junker vom Lande, dem „grünen Jungen", kräftiger auSgedrückt, mag eS demnach wohl seine Richtigkeit haben. Da die Fräulein Töchter nämlich genau derselben Ansicht wie die Frau Mama über da« zweifelhafte Vergnügen dieser Art Geselligkeit sind, begreife ich nicht ... I Derbalb wir hier sind? vollendete Anna bissig. Nun vielleicht beruhigt e« Sir, daß auch ich e« nicht weiß E- ist eine Laune von Mama, unS diese Unbequemlich keit immer wieder aufzubürden, sagte Hanna nun in ihrer langsamen, schläfrigen Manier. ME ist zu Hau« in meiner Eepba-Ecke jedenfalls Wähler. Und aus mich entfällt die Last und Mühe, für Toiletten und alle« Uebrige zu sorgen, warf Tanna nnßmutlng rin. Sn wissen ja, Herr Rath, daß ich schon zu Papa« Lebzeiten Mädchen sür alle« im Hause war. Rur der sorgende Hausgeist, di« thitiae Martha, sagte Rungher verbindlich. Ihm war Sanna trotz ihrer Häßlichkeit und de- schnippischen Wesens noch die liebste von den vieren, da er wußte, daß sie sehr tüchtig im Haushalt war und die unglaubliche Trägheit der übrigen aus zugleichen batte. Die Rälbin aber nahm mit Duldermiene da- Wort: Auf die ebenso thörichten als undankbare» Reden dieser Kinder gehe ich gar nickt weiter ein, mein lieber Rath Jlme» aber, als dem alten Freund unsere« Hauses, will ich offen antworten. WcShalb wir in diese langweiligen Gesellschaften, zu diesen rücksichtslosen und unliebenswürdigen Menschen gehen? Du lieber Gott — wo sollen meine Märchen denn Männer bekommen? Zu HanS hinter dem Ose» gewiß nicht. Und hier ebenso gewiß nicht, cntgegncte Rnnghcr launig. Sie sehen ja, verehrte Gönnerin, wie cs diese verblendete Männerwelt treibt — sie läßt sich nur durch den Schein blenden und schweift an solidester Gediegenheit — bezeichnender Blick in die Runde — achtlos vorüber. Aber lassen wir die Thoren laufen, Frau Räthin — denn schließlich — muß eS denn geheirathet sein? Sic sehen an mir, daß man auch recht gut allein auSkommt. Gott sei es geklagt, seufzte die Dame mit einem Blick zum Himmel. Dies immer mehr um sich greifende Jung- aesellenthum wird und mnß schließlich zum Ruin der Mensch heit führen. Ein Mann hält'- ja au«, o ja, obgleich er fick um die höchste» und heiligsten Freuden betrügt. Was bat Ihnen mein Seliger immer gesagt, liebster Rath? „Heiralbcn Sie, Rungher, beirathen Sie, so lange eS noch Zeit ist! Jede Stunde, die Sie weiter allein verleben, ist ein Raub an Ihrem HerzenSglück." So sprach er — o gewiß, ick erinnere mich Wohl, gab Rungher wehmüthig zu. Im Stillen dachte er: der Mann hatte gut reden — e« galt, drei Töchter zu versorgen. Nun sehen Sie, fuhr die Räthin gerührt fort. Und wie haben Sir seine väterliche Mabnung beherzigt? Ick kann ganz offen sprechen, denn ich stehe der Sache völlig objektiv gegenüber. Wenn e- Gottes Wille gewesen wäre, daß eine von meinen Töchtern — na, seid still, Kinder, der Herr Rath weiß schon, wie ich- meine. Wenn das im Buch de- Schick sal« bestimmt wäre, bätt e« schon längst geschehen müssen Wir sind also ganz unbetheiligt, und ich meinte eS nur gut, wenn icks Ihnen uieine« Seligen freundschaftliche Mahnung wieder einmal in- Gedächtnis; zurückrief. Rungher beugte sich über die Hand der Rätbin. Weiß e< wohl zu würdigen, gnädigste Frau. Merkwürdig habe ich selber gerade in kiesen Tagen viel an diese «na« gedacht, und wenn ick wüßte . . . Sie haben gewählt? riefen die drei Fräulein au- einem Munde. O bitte, wir sind discret — uns dürfen Sie sich unbesorgt anvertraurn l Gewählt? Rein, mein« Damen. Noch nicht einmal Um schau gehalten unter den Töchtern des Lande«. Aber ich würde vielleicht daran denken, e« zu tbun, wenn ich wüßte, daß sich unter ihnen eine finden würde, die ans eine be stimmte Bedingung meinerseits cingehen würde. Und diese Bedingung? tönte eS diesmal unisono von acht Lippen. Sie würde lauten . . .'— aber da kommt mein Freund, Major Wilsen. Die Damen gestatten doch, daß ich ihn vor stelle? Leider ist auch er Junggeselle — Sie werden ihn deshalb nicht verachten. Nein, die Zander'schcn Damen waren großmüthig und zeigten dem stattlichen Militair keinerlei Verachtung, im Gegen- tbc>l. Und als es Rnngber etwas später gar gelang, noch zwei Herren an de» Tisch zu ziehen, strahlten die Gesichter der vier so wonniglich und man gönnte dem verständniß- vollen alten Freunde so dankbare Blicke, daß er eS nunmcbr wagen durste, sich zurückzuziehen. Der Pietät war nun vollauf Genüge geschcbe». Cvminerzieiiralh Biirglin war inzwischen noch immer von dem wichtigen Geschäft des Essens in Anspruch genommen. Frau von Nathc»ow'S Tisch war stets gut besetzt, da« be stätigte auch dieser neue Gast im Stillen. Seine vorbin so bleichen Wangen batten sich geröthet, das Auge glänzte und über den Gebeininissen einer vorzüglichen Trüffelpastelc ver gaß er sein chronische« Magenleiden vollständig. Ebensowenig batte er bemerkt, daß in geringer Enifernung von ihm eine Dame, einsam wie er, Platz genommen, die sich allerdings weniger mit Essen, al« mit einem kleinen Bucke zu beschäf tigen schien, daS offen vor ihr lag und in das sie von Zeit z» Zeit etwa« hineinschricb oder zeichnete. Es geschah dies nicht verstohlen und unauffällig, sondern angenscheinliet, etwas herausfordernd, und zwar schien eS die Dame dabei be sonder« aus Biirglin abgesehen zu haben. Als indeß fast eine Stunde vergangen war und der eßlustige Herr noch immer für nichts Augen und Sinn zu haben schien als sür da« Buffet und seinen Teller, faßte die Dame einen Ent schluß. Sie erhob sich, klappte ihr Buch zu, hantirte ge räuschvoll uiit Gla« und Teller — der Unersättliche aß ruhig weiter. Sie räusperte sich vernehmlich, er erhob nicht einmal ven Blick. Aber jetzt fuhr er auf — er batte so etwa« wie ein wandelndes Blunienbouquet vor sich austauchen seben — vor ihm stand eine kleine Dame im großblumigen Seidenkleide und lächelte ihm würdevoll und doch verschämt zu. Bürgli» fuhr mit der Serviette über dir Lippen und er hob sich eiligst. Meine Gnädigste — Sic befehlen? Sie spitzte die Lippen, nabm sichtbar einige Male ver geblich den Anlauf zum Sprechen und flüsterte endlich magd- lich züchtig: Mein Herr — deuten Sie mein unweiblichr« Entgegenkommen nicht falsch — ich bin Künstlerin . . . Ab — bin entzückt, meine Gnädigste — wenn jemand, so habe ich volle- Verständniß für jede« Künstlerthui» . . . Ich dachte e« mir, bauchte sie, sich in den Stuhl fallen lassend, den er ihr beflissen bingcschvben So werden Sie verstehen, daß die Kunst eine strenge Göttin ist und man in ihrem Dienst kleinliche Rücksichten deS Alltagsleben- nicht gelten lassen darf. Ich bade Sie nämlich gezeichnet, mein Herr — Ihr Kopf forderte unwillkürlich dazu heran«, ich konnte nicht widerstehen nicht wahr, Sie zürnen mir nicht? Biirglin siel der carrarische Marmor von vorhin wieder ein — ihm schwindelte. Zürnen! — Sie mache» mich stolz durch diese AuSzeich- nuna. mein gnädige- — ich darf doch sagen, Fräulein? Sie neigte bejahend da« Haupt. Hätte mir nie träumen lasten, daß meine »»bedentenden Züge — und Sie sahen mich dazu »och bei so trivialer Be schäftigung . . . O, unterbrach sie ihn, gerade so konnte ich Sic am un gestörtesten beobachten ES gab zwischen dein Essen Pansen, in denen Sie trännicrisch, in gesättigter Ruhe vor sich hiu- schauten, »nd diese Momente habe ich festgehalten. Wollen Sie seben? Biirglin war zwar die ..gesättigte Ruhe" etwa« in die Glieder gefahren, dock beugte er sich neugierig vor, einen Blick in das geöffnete Büchlein zu Wersen. Er sah dort mit flüchtigen Strichen einen Männcrkopf skizzirt, der ihm aller dings niit dem scinigcn nickt viel Ächnlickkeit zn haben schien, aber daS konnte täuschen. Bilder haben ja gewöhnlich irgend eine» sremden Zug, der den« Original nickt eigcntbümlich. Und so sagte er denn mebr galant als überzeugt: Großartig, in der Tbat, gnädiges Fräulein! Es ist ganz erstaunlich, was Sie aus dem AUerwelt-kopf da gemacht haben — nur eine wirkliche Künstlerin konnte das zuwege bringen Darf ich erfahren — mein Name ist Biirglin, Eommcrzirnrath Bürglin — fügte er mit tiefer Verbeugung hinzu. Elsa Hobe»warth, entgegnete sie, ohne das leiseste Kopf- neigen für nölbig zu halten. Sie werden Len Namen schon gehört haben, obgleich meine Dante, bei der ich lebe — ich bin nämlich Waste — e« nicht liebt, wenn ick mich offen der KUiistlergilde zuzäble und mein Name öffentlich genannt wird. DaS ist nun freilich nickt zu vermeiden, sobald man echte Priesterin der Kunst und »ickt stümpernde Dilettantin ist. Die letzten Worte sprach sie sehr selbstbewußt Bürglin erinnerte sich zwar durchaus nick», den Namen je in Künstlerkrest'e» gebört zu haben, da Fräulein Hohen- wartb aber Kuiistvetständniß genug besaß, seinen Kopf als Stukienobject zu wählen, zweifelte er keinen Augenblick an ihrem hervorragende» Talent. Jnteressirt nnterzoa er jetzt auch die äußere Erscheinung der Dame einer nähern Prüfung. Ti« war klein und voll, doch fehlte eS der Figur nicht a»
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