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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920409026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892040902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-09
- Monat1892-04
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ElöoNNklNklllAHrelA tz, tzer Hallptexpebltio» oder de» t» Stadt- tnirk il»d de» Vororten errichteten AuS- -«desiellen obgehvlt: viertel,ährlich ^14.50, Ü preimiliaer teglicher Zusrelluns in» hee« > LLO. Durch di« Pos« dringe» für keiischliiad und Oesterreich: vierte!,udrlich K d.- Direct» litgiich, Sreujdaudiruduag ln« >utla»d: mvnatlich 8—. PeNorge,-An»gab« erscheint tüglich ',',7 Nbr. die Ibend-Au-gabe Wochentag» b Udc. ürdaction „tz Lrpedition: L»d»»»»«,»ß« kt. Pelrpedillo, ist Wochentag« unn»t«rbroche» Mart vo» früh 8 dt» «drob« 7 Uhr- /Male«: vtt» Me»«'» S-rtim. lAlfretz H«h». Universitättsiraß« ». L.nt« Ltzsche. lklhirinenftr. 1», pari, und KRckgtplotz 7. Abend, Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Gcschiiftsverkehr. 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Je »aber der Tag der ersten Maifeier rückt, desto mehr beschäsligt man sich in fast allen Schichten der französischen Perölkcnnig mit iym unk mit den Veranstaltungen, die zu ftiuem Begeben getroffen werden; daß man diesem „kritischen Tage erster Ordnung" gerade hier mit besvrgnißvoller Auf regung entgegensiebt, ist leicht erklärlich; die in rascher Folge zeschebenen Dynamit-Attentate, die »och in den letzten Tagen 'um neue vermehrt wurden, baden selbst dem daseiiiSfrobesten Optimisten schlimmen Schrecken cingejagt, und man befürchtet nicht mit Unrecht, daß die durch die strengen Verfolgungen aufs Aeußerste erbitterten Anarchisten den 1, Mai wählen werden, um idre ..Propaganda der Thal" in umfassender Weise zu vollziehen. Raoachol, der „König derDynainitarden", wie ihn seine Partci- zencssen bezeichnen, sitzt zwar hinter Schloß und Riegel, aber er selbst bat ja in einem der jüngsten Verhöre gerühmt, „daß e« auf seinen Kopf nicht weiter ankomme und daß die Sache seiner Partei in guten Händen ruhe"; auch befindet sich noch „einigende« Dynamit im Besitz der Anarchisten, um halb flaris in die Luit zu sprengen, und sie arbeiten außerdem im Meinien an stets neuen ZerstörungSmitkeln, die ihnen di« iurchtbarcn Thaten ihrer dunklen Wege leichter ermöglichen sollen, so daß man von dieser Seite auf da» Äeußerste gefaßt sein muß. Trotz aller Entschlossenheit aber in der Wahl und Be folgung jedes nur denkbaren Mittels droht von den Anarchisten wegen ihrer numerischen Schwäche nur eine Gefahr in den kinzelnen Fälle», diese Gefahr würde erst eine allgemeine, den Staat und die Gesellschaft ernstlich gefährdende werden, wenn hinter diesen Zerstörern breite Missen der Arbeiter klassen ständen, die bei gebotener Gelegenheit in die von den elfteren gewaltsam gesprengten Breschen rückten, und cS macht sich hier und da die Befürchtung geltend, baß jene Gelegenheit schon der 1. Mai biete» könnte, lr« ist daher von großer Wichtigkeit, zu erfahre», wie sich die sranzösischcn Arbeiterschichten zu jener Feier steilen und wie sie den „internationalen Arbciterfesttag", der bekanntlich dies mal aus einen Sonntag fällt, zu begehen gedenken; seit Kochen haben deshalb hier, wie in den großen Provinz- slädten zabllose Versammlungen stattgcfunden, und au- den Beschlußfassungen läßt sich schon ei» ungefähres Bild des Ausfalls jenes gefürchteten Tages machen. Danach besteht aut vielen Seilen, zumal auf denen der Führer — in den meisten Fällen also der Syndikate der Arbeiter-Kammern und Ardeiler-Börscn —. da- sichtliche Bestreben, daß der Tag in Rübe verläuft und nur zu einer friedlichen Demonstration für die tägliche Acktstunden-Arbeit benutzt wird. „Schmücken wir unsere Fenster mit den Fahnen, die sie sonst am 14. Juli zieren" (dem National-Festtage), batten in einer der letzten vielbesuchten Pariser Arbencr-Versammlungen die bekannten socialistischen Abgeordneten BaSly und Lamentin au-gerufen, „versammeln wir uns in unseren BcratbungS- sälen, aber erregen wir keinen Lärm, provociren wir keine Lounabeud den 9. April 1892. 8«. Jahrgang Unruben, welche nur unserer Sacke schaden würden!" Und ein an die französischen Arbeiter gerichteter Aufruf des nationalen Arbeiter SmidicalS ist in äbiiiicbem Sinne ge halten, er mabnt gleichfalls zur Ruhe, fordert die Arbeiter zur zahlreichen Bctbeiliguiig an de» MuuieipalralbSwakte» aus, dir an jenem Tage slallfiildeii, und schließt mit den Forderungen: „Einsübrung des Achtstundentages sowie Aus- rcchterkaltnng des internationale» Friedens" »»d mit dem Ruse: „E» lebe das internationale Proleiariat!" Dieser in vielen äbntichen Proclamalionc» und Manifeste» zum Ausdruck gelangenden rnbigen Strömung siebt eine unruhige gegenüber, die den I. Mai zu „»isasieiitcn lärmenden Demonstrationen benutze» will und jene friedlich gesonnene» Arbeiter-Svndicaie aus das Heiligste besebtci. Lctzlere aber baden glücklicher Weise den weitaus stärkeren Einfluß, vor läufig wcnigsleu« »och, und man darf aiinehincn, baß ihre Beschlüsse ini Großen und Ganze» Befolgung finden werde», riiinal in Paris selbst; anders siebt eS in der »äberen Umgebung der Wellstadl »nt i» verschiedenen Arbcitercentrcn der Provinz auS, dort darf man fick aus ernste Ruhestörungen gefaßt machen, die bofsentlich nicht nach Paris binübergreisen, diesem Herde aller französischen Revolutionen! politische Ttigtüschan. * Leipzig, 8. April. Eine „moderne Räubergcschjchte" nannte ei» Korre spondent des „Bert. Tagcbl." in Fnvwrazlaw die ersten Nach richten über den Mord an fall, der auf den Dekan von Poninski in Koscielec verübt worden ist. llnb in der Thal handelt eS sich uni eine „moderne" Räubergcschichte, »m eine jener entsetzenerregenden Thaten, wie sie in neuester Zeit in Belgien unk Frauireich, in Spanien und in England zur TagcSgcwohnheit geworden sind und die lange Zeit allzu sorglos gewesenen berufene» Schützer der bürgerlichen Gescll- schast unsanft aufriiltel». Die heute über den Vorfall vor liegenden Meldungen laulcn: "Posen, 8. April, lieber den gestern erfolgten Uebcrsall aus den Dekan PoninSki in KoScielec wird weiter gemeldet, baß dem selben von den Attentätern eine röche Karte überreicht wurde, aus welcher geschrieben siand: „Das Executive»»»»»« der poi- Nischen Anarchisten befiehlt, fäininlUche Gelder für die polmischen Anarchisten abzusührenl Ungehorsam oder Berrath wird mit dem Lode bestraft!" Ter Deka» Poninski sprang auS dem Zimmer durch das Fenster in den Garten und erhielt hterbei von den verfolgenden Räubern vier Schiffs», welche schwer, aber nicht lebensgefährlich sein sollen. Bel der Verfolgung der Räuber, welche von dem Besitzer von KoScielec — einem Bruder Poninski'« — und zwanzig Be rittenen sosort vorgenommen wurde, wurde einer der Räuber er schossen. Ein zweiter erschoß sich selbst. Bon den beide» überlebenden tödtete der eine den anderen durch eine» Schuß, indem er ausries: „Tn kannst ja nicht schießenI" u»d erschoß fich dann selbst. Zwei der Räuber sind als PilowSki und Johann Urbantak, beide aus Jnowrnzlaw, recognoScirt. Tie Braut de« Letzteren war Dienstmädchen im Schlosse zu Kosclelcc. Di» Attentäter sollen sännntttch direct von Berlin nach KoScielec gekommen sein. "Bromberg, 8. April. Der Zustand des von den Räubern ver wundeten Dekans von Poninski tn Koscielec ist lebenSgesäbr- lich. Eine Kugel hastet »och im Körper, v. Pouinski, ein Bruder de» bekannten Grasen, wurde vor zwei Jahren vielfach als Eandidat für den erzbischöflichen Stuhl in Griese» ge- nannt. Alle Behörden befinden sich in fieberhafter Thätigkeit. Tie Leichen der Räuber wurden ans amtliche Anordnnng hin pholo- araphlrt. Aus den beschlagnahmten Papieren ist ersichllich, daß die Attentäter im Falle des Mißlingen« sich iödien sollten. Eine Liste weiter zu brandschatzender Geistlichen ist gleich« fall« beschlagnahmt. Daß es sich nicht um einen Racheact gegen den Verwundeten banbclt, sondern um die Absicht, reiche Mittel zur Aus führung weiterer anarchistischer Pläne zu gewinnen, gebt a»ö diesen Melkungen zweifellos hervor, lind gerade dadurch crbält das Attentat eine Bedeutung, die über die Dynamit-Attentate in Be!gic», Frankreich. England und Spanien binanSgeht Nickt ein unbcgncmcr Mensch sollte beteiligt, nickt «,n verhaßte», dem Staate für seine Zwecke dienende» Gebäude sollte vernichtet, sondern eS sollte» Mittel gewonnen werden, mit denen das „Execuliveomiiö der polnischen Anarchisten" eine umfangreiche ZcrstörnngS tkätigteit beginne» tönntc. Wie stark tiefes Eomilö »nk> wie weit eS verbreitet ist, darüber läßt sich nicht eiiimal eine Vermuthung anSsprecben. Möglich, daß mit den vier Attentätern der Hauptstamm des EomitS» ver »ichiet ist: aber der Hinweis ans die Ankunft der Mordgcselb au» Berlin läßt auch ter Befürchtung Raum, daß eS sicv um eine weiter verzweigte Organisation handelt, deren Glieder sich ebensogut zu verbergen wissen, wie ihre Genossen in andere» Staaten Zunächst ist eS Sache der Polizei, den gefundenen Spure» nachzugchcn; auS de» Erfolgen der Polizei wird sich dann ergebe», ob nnd in welcher Weise auch die ReichSgcsctzgebung mit der Frage nach BorbengnngSmaßregeln gegen „moderne Räubergeschichten" sich zu beschäftige» haben wird. Zn keiner früheren RcichStagssession ist soviel unerlediglcS Material liegen geblieben, wie in der levlverstosienc» TagnngSperiode. W»r reden nicht von Anregungen aus dem Hanse, die ja stet« da« Schicksal baben, zum größten Tkeil entweder gar nicht zur Beratbnng zu gelange» oder sonst nicht zur vollständigen Erledigung zu komme», sondern von RegicrungSgesetzentwUrsen, die zum Tdeil von rrbeblicher Wichtigkeit sind Kaum je dagewcsen dürfte <« sein, daß Hroße Gesetzentwürfe wie diejenige» zur Bekämpfung der Trunlsnchi und der Unsittlichkeit, über den Verrath niililairischer Geheimnisse, über den Ehcckvcrkebr nicht einmal zur ersten Lesung im Reichstag gekommen sind. Man fragt sich, warum solche Gesetzentwürfe überhaupt zu einer Zeit vorgclegt werden, wo in stillschweigender Ueber- kiiistittimung zwischen der Leitung de« Reichstag« und der Regierung nicht einmal eine erste allgemeine Erörterung zu Stande kommt. Andere Regierungsvorlagen, wir die über die parlamentarische Immunität und die Be» strasung des Sclavenhandel», sind zwar zur Be- ralhung, aber nicht zur Erledigung gekommen. Dir Ein bringung vieler großer, schon au« äußeren geschäftlichen Gründen für den gegenwärtige» Augenblick auSsicht-leser Vorlagen ist auch ein Uebelnaud, der dir geschäftlichen Dispositionen stört und eine unnütze Belastung mit gesetzgeberischem Stoff mit sich bringt. Wenn der Reichstag nicht so rasch geschlossen worden wäre, hätten wir wahrscheinlich noch mehrere Vorlagen empfange», die voraussichtlich kein bessere» Schicksal gehabt kabc» würden, so über Eiiisuhrung der Einheitszeit und namentlich eine» Gesctzciilwurs über den Unterstiiyiingöwob»- sitz. Ossciibar herrscht >m BundeSrathe hinsichtlich de» Arbeitspläne» für den Reichstag Mangel an rechtzeitigem Uebcrblick und zweckmäßiger Anordnung. Sonst könnte nickt in den letzten Woche» einer langen Session noch umfang reiches Material vorgclegt werden, welches dann einfach liegen bleibt. Tic Mangelhasligkeit de» Arbeitspläne« trägt in »lannigsachcr Hinsicht zu dem unbcsriegcnden Verlaus so vieler Reich-tagSscssione» bei. Angesichts der iinmer bestimmter austretendrn Nachricht von einer für die nächste Reich»tag«session bevorstehenden großen militairisch ea Vorlage dürste e« von Interesse sein, an die Andeutungen de- Rc»chSla»zlerS Grasen Eaprwi in der jÜngstverflossenen Tagung zu erinnern. I» der Sitzung vom 27. November verbreitete sich der Reichskanzler bei der ersten EiaiSbrralhung u. A. Über die Krieg»«üchtig- keit der deutschen im Vergleich zn den andern Armeen und bemerkte, nicht die Zahl, sondern dir Qualität sei bei der KricgStlichliglcit in die erste Linie zu stellen. Aber auch betreffs der Zabl werte die Negierung »n nächsten Winter mit einem neuen Plane a» den Reich-lag treten. „Wir Teutschen haben rinen Factor, der hoffen läßt, daß. wenn es noth thut, es an uichiö sehlkn wird: da« ist die steigende BcvölkernngSzifser Alle Jahre werden in Deutschland mehr Männer geboren, als im Vorjahre; es können auch immer mehr Männer zur Aushebung kommen und ich halte eS nicht für a»Sgcschlvffcn, daß im nächsten Winter die Rcgirniiige» mit dem hoben Hause in Verhand lnngcii darüber einttcle», wie diese steigende Bevölkerung«- ziffer a»Sgc»litzl wcrden kann, um auch unsere Wehrkraft ihr entsprechend allmälig zu steigern." Die Andeutung erinnerte wieder an die „ZukuiittSpläne" des KricgSminister» v. Verdi aus dem Sommer l88u, die ans eine allniälige systematische Turebillbning der allgemeine» Wehrpflicht nach den Scharn horst scheu Idee», die thatsäcklichc Einstellung und Ausbildung jedes wassensäbigen Mannes mit dem Ausblick auf ein« Ver kürzung der Dienstzeit hinausliesen. In Abgeordnrtenkreiseu verstand man die Andeutung vielfach dahin, daß demnächst die Einsübruiig der zweijährigen Dienstzeit «it einer ent sprechend höheren AnSNebnngszahl werde vorgcschlagen werden; der Reichskanzler lehnte allerdings in einer späteren Rede ab, die zweijährige Dienstzeit in Aussicht gestellt zu haben. Die ganze Angelegenheit icheint noch in der Schwede begriffen und der entscheidende Beschluß noch nicht gefaßt zu sein. Zu den beliebtesten Schlagwörtern der Socialdemo» kratie, welche man fast in jeder Ardeitervrrsammlung börcn kann, gehört die Behauptung von der angeblich fest stehenden Aussaugung aller mittleren und kleineren Betriebe durch den Großbetrieb. Wenn auch unzweifelhaft die Tendenz aus ziinehmcnten Großbetrieb vorhanden ist, so muß doch die Vorstellung, als ob unser ganze» Geschäft-lebra in allen seinen Thcilcn binnen Kurzem dem Großbetriebe verfallen würde, als eine gänzlich falsche bezeichnet werden. Es ge winnt vielmehr ganz den Anschein, al« ob wir in mancher Beziehung bald an der Grenze jener Tendenz angrkommrn wären und als ob an vielen Stellen der Punct erreicht sei, von dem an die Schwerfälligkeit und die Kosten de« Großbetriebes der Verbilligung und technischen Ver besserung die Waage ballen werden. Jedenfalls kann für den nüchternen Bevvachter darüber kein Zweifel sein, daß der größere Theil aller Laodwirthschast, rin erheblicher Theil de» Handwerk», di« K»»fl- und BehrrbrrgungSgewrrbe, der Kleinhandel di« alt« Form mittlerer und kleinerer Betriebe nicht oder nur tdeilwrise abstreifen werden. 1882 ksistirten im Deutschen Reiche 5 Millionen LandwirthschaftSbelriebe, von denen mir 25, «WO, d. d. ein >/» Proecnt, über ISO da bewirh- schaslen, also große Betriebe waren; ihre Zahl hat seither eher abgenon.men, und auch von ihnen beschäftigt säst di« Hälfte noch ein so mäßige« Personal (etwa 40 bi» 80 Per sonen durchschnittlich), daß sie den gewerblichen Groß betrieben mit Hunderten von Arbeitern jedeufall» »och nichi gleichzusteltcn sind. — An gewerblichen, Haudels- und Verkehrsbetrieben zählte man in Deutschland l882 (ohne Eisenbahnen, Post und Trlegraphen) fast genau 3 Mist.; davon waren l,9 Mill. so^nannte Alleinbetrirb« ohne jeden Gehilsen; sie nahmen rin Viertel aller «ewerbr- thätigrn Personen, autschließlich der Arbeiter, in Anspruch. Geschäfte mit 1 di» b Gehilfen, also kleine und mittlere, gab r» fast l Mill.; ihr gesammtr» Personal umfaßte 2,b Mill. oder 35 Proc. aller Gewerbrthätigen. Geschäjtr «it über 5 Gehilfen gab r» 86 824 mit einem Gesammtpersonal von 2,8 Mill. oder Sl Proc. aller Gewerbetdätigen, davon waren 8874 solche, die über 50 Personen beschäftigten. Mag dir Zahl dieser letzteren jetzt dereit« auf lb OOO gestiegen sein; mögen in Betrieben mit über 50 Personen heute schon Feiiillatsn. Moderne Junggesellen. S> Roman von B. W. Zell. «Irchdrixt »ertrt«». (Fortsetzung.) DieserZufall kam schneller, al» er gehofft. Die Baronin hatte ilm wieder einmal, wie schon öfter in letzter Zeit, mit dem Ordnen einer peinlichen Geldangelegenheit betraut, und er sprach etwa» früber al» gewöhnlich vor, um sic allein anzu- ireffen und ihr Bericht abzustatten, der leider kein günstiger >var. Krau Baronin sei mit der Tochter auSgraangen, meldete Nanette, müsse aber jeden Augenblick zuruckkrhren. Ob der Herr Ministerialratb warten wolle? Er zögerte — e« konnte koch länger werden und Warten war ihm verhaßt. Tann fragte er nach Fräulein von Rkaden Sie sei an wesend und auf ihrem Zimmer mit Briefschreiben beschäftigt, ob da« gnädige Fräulein benachrichtigt werden solle? Sein Her; halte ein stürmisches Ja, die Lippen ein verständige rem Dennoch war er jetzt entschlossen, nicht fortzugrhen, und ließ sich von der Zofe da» kleine Zimmer öffnen, in welchem die Baronin ihre vertrauten Freunde zu empfangen »siezte. Dasselbe war nur matt beleuchtet, dock wehrte er ab. al« Nanette davon sprach, sosort mehr Licht herbei- znschafsen; zum Warten genügte dieser rosige Dämmcrschein durchaus. Al« Rungher eintrat und die Thür hinter sich zurog, erhob sich mit leisem AuSrus hastig eine weiblich« Gestalt vom Ruhebett. Wie, doch daheim, Melanie? fragte er überrascht, doch erstarb da» letzte Wort auf der Lippe, denn er unterschied letzt Eornelien » hohe Gestalt, ehe er noch in dem unsicher» Acht ihre Züge erkennen konnte. Cie lachte leise auf, antwortete aber vorerst nicht, da ihre erste Bewegung war, die auf dem Tisch stellende Lampe an zuzünden. Rungher stammelte indeß, beglückt und seltsam verwirrt, wie e» dem alle Situationen beherrschenden Lebe mann selten geschah, eine Entschuldigung. , Bitte tausendmal um Vergebung, gnädige» Fräulein — ich I ahnte nicht — wollte Frau Baronin bchuf» wichtiger Be sprechung erwarten und ward hierher gewiesen. Nanette wußte cffenbar nicht, daß ... Nein, sagte sic heiter, nachdem nunmehr die Lampe an- gezündet war, und reichte dem Gast unbefangen die Hand >»r Begrüßung, Nanette konnte nicht wissen, denn ich bin vier ohne Bcfiigniß eingedrnngen, um ei» Buch zu holen, von dem mir Melanie gesprochen. Dämmerlicht und Rübe bctt luden dann so verführerisch zum Träumen ein, daß ich der Lockung nicht widerstehen konnte. Und ick habe Sie gestört, sagte er im innigen Ton, seine» Blick selbstvergessen auf ihren edclschöncn Zügen ruhen lastend. Sie lächelte. Wacke» Träumen ist etwa» so UeberflüsstgcS, mir sonst Ungewobnte», daß ich dem Störer eigentlich zu Tank ver« pflichtet sein müßte, und ich will denselben bethatigen, indem ich mich schleunig zurückziebe Damit ergriff sie ihr Buch und machte Miene, kaS Zimmer zu verlassen. Er trat ihr mit bittend erhobenen Händen in den Weg^ Wie grausam — Sie sprechen von Dank und dictiren Strafe. Bin ich denn der großen Gunst so ganz unwürdig, einmal allein mit Ihnen plaudern zu dürfen? Wie feierlich Sic heute sind — warum sollten wir nicht plandern, da der Zufall un« in müßiger Stunde zusammen- gesiibrt? Ich glaubte nur, da Sic meine Cousine sprechen müssen, in wichtigen Dingen, wie Sie selber sagten . . . Nock ist Frau von Rathenow nicht hier nnd sie wird Ibnen nur dankbar sein, daß Sir ihre Stelle inzwischen so würdig vertreten. Eornelie batte sich auf da» kleine Sopha gesetzt und dem Rath einen Stuhl lenscit» des Tische» angewiesen. Rungber zog denselben mit schnellem Griff etwa« näher, bevor er sich nieterließ Melanie würdig zn vertreten, dürfte schwer sein, sagte nun da« Fräulein, an seine vorherige Bemerkung anknüpsend. Sie ist liebenswürdig, bedeutend und weltgewandt wie selten «ine Frau. Mir ist der leicht« Salonton nicht recht geläufig nnd wird, fürchte ich, e» auch nie werden Wissen Sir denn so genau, daß ich gerade auf ein land läufige» HöslichkeitSgeptauder versessen bin, gnädige« Fräulein? Sie beherrschen sicherlich jeden Ton, würden mich aber ehren und zu wärmstem Dank verpflichten, wenn Sie dir Schaum perlen gesellschaftlicher Phrasen unbrrücksichtiAt ließen und in dieser seltenen Stunde etwa» von dem Edelmetall Ihre« Geiste» zu Tage förderten. Und wissen Sie denn so genau, daß solch Edelmetall über haupt vorhanden? fragte sie neckend zurück. Ich habe jetzt seit etwa 4 Wochen La» Glück, Sie zu kennen, entgegncte er einfach. Vier Wochen — eine lange Zeit! Besonder« wenn man bedenkt, daß wir ein Menschenleben gebrauchen, um un» selber ganz kennen zu lernen. S»c müssen über eine Wünschetruth« de» Geiste« verfügen, die verborgene Tiefen de» Seelenleben» bloßlegt, wenn Ihnen vier Wochen genügen, einen Menschen kennen zu lernen. Spintifiren wir doch nicht, gnädige« Fräulein! Sir selber wissen, daß e« oft nur eine» tiefsinnigen Worte», eine» un bewachten Blicke« bedarf, um Denken und Fühlen eine» Menschen darnach zu beurthrilen. Etwa» Sebrrblick gehört dazu, ich leugne e» nicht. Aber vielleicht besitze ich den — jedenfalls, Fraulein von Rhadrn, kannte ich Die nach unserer ersten Begegnung beinahe genau so gut wir heul«. Wunderbar! Nach unserer ersten Begegnung, sagen Sic? Da« wäre also nach Melanie'» Gesellschaft gewesen? Ganz recht, mein Fräulein. Bei der wir, glaube ich, keine zehn Worte miteinander sprachen. Sir irren — einige Dutzend sind e» doch gewesen. Eornelie lachte. Laben Sie Buch darüber geführt, Herr Rath? Im Geiste gewiß. Sehr schmeichelhast sür mich. Sic verpflichten am Ende gar die Nachwelt zu ewigem Tanke, wen» Die derselben die paar conventionellen Phrasen im Druck binterlasicn Spotten Sie immerhin, gnädige» Fränlcin E» waren übrigen» nicht leere Redensarten, die wir wechselte» — beim Au»einandergchcn ward ein Problem von höchster Bedeutung gestreift. Erinnern Sie sich wirklich nicht mehr? Schade! Sic machten mir damals sogar Hoffnung, da» Thema bei paffender Gelegenheit eingehender zu behandeln — nun, die Gelegenheit wäre günstig, um mit einem gewissen Schiller zu reden. Eornelie sah ihn fragend an, legte dann einen Moment di« schmale Land über die Augen und schien nachzudenken. Nun lachte sie fröhlich aus. Ich Hab »! Es ergötzte mich, wie Sie durch eine kühn hiugeworsene Benierkung eine ältere, sehr corpulente Dam« und deren drei Töchter beinahe zu Steinbildern verwandelten, wodurch Sir, mein Herr Ratb, übrigen» sehr wenig ästheti schen Sinn bekundete». Inwiefern, gnädige» Fräulein? Du lieber Gott, das ist doch klar! Wen» sie im Gegen satz zu Pygmalion au» lebenden Menschen Statuen schaffen wollen, mußten Sie doch die Au-wabl etwas sorgfältiger treffen. Ich huldige nämlich noch der jetzt gänzlich verpönten altmodische» Anschauung, daß in der Knust nur da» Schöne gilt. In der Plastik lassen vielleicht auch unsere verwegensten Naturalisten diesen Standpunct noch ei» wenig gelten. Er batte, wäbrend sie sprach, kein Auge von ihrem geist voll belebten Antlitz geüffsc». Ah, Sie könnck^auch boshaft sein — das entzückt mich. Lassen wir aber die gute Frau von Zanden und ihre drei ehrbaren Nichtgrazic» vorläufig au« dem Spiel. Sie erinnern sich jetzt, was ich damal» jagte? Ganz und gar. Sie sprachen im Scherz oder vielleicht auch au- Bosheit von einer Gestaltung der Ehe, deren Mög lichkeit mein Vater oft im tiefsten sittlichen Ernst in Er wägung gezogen hatte — freilich ist auch diese Frage ungelöst geblieben wie so viele, die seinen grübelnden Geist beschäftigten. Und wer sagt Ihnen, daß ich sie scherzhaft behandle, Fräulein vo» Rhade»? Seit ich al» ganz junger Jurist einmal längere Zeit hindurch der Abthcilung sür Ehe- scheikunaSsacbcn zugewiese» war und dort au» aberhundert Fälle» kennen lernte, wie furchtbar schwer Menschen, denen keine glückliche Eke beschiedeii, unter der Unlö-barkeit der Ehe leiden, wie viel Elend, sittlicher Versall, ja Verbrechen daraus entstehen ... Eornelie, di« ausmerksam zugehört hatte, unterbrach ihn hier. Sie irren, Herr Rath, oder wolle» absichtlich irren — bei uns in Deutschlanv ist die Ehe nicht unlö«lich. Nein, aber dock sehr schwer lösbar — oft gar nicht. Wenn der eine Theil — und gewöhnlich thut'» der schuldige — Schwierigkeiten in den Weg legen will» gelingt e» idm fast immer, die gesetzliche Trennung zu hintertrriben Wa» aber mehr noch als alle Gesetzt«paragraph«n «mer Wieder»
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