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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-12
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Daß zwischen jenem Empfang und dieser Versicherung ein innerer Zu sammenhang herrscht, wird Wohl nirgends bezweifelt werden. Ueberraschen könnte eS nicht, wenn in den nächsten Tagen Herr von Helldorff, für den bisher kaum eine schüchterne Stimme im preußischen conservativen Lager laut wurde, eine Reihe von ZustimmungSerklärungen erhielte. Der Streit wäre aber damit jedenfalls nicht entschieden, die Chancen wären bei dem Charakter der KreuzzeitungSpartei nur ein wenig zu Gunsteu von HelldorffS verschoben. Der SituationS bericht, der un» heute vou unserem Berliner HH-Corre sxondenten zugebt, erscheint uns daher als etwas zu opti «istisch; immerhin ist er interessant genug, um ungekürzte Wiedergabe zu verdienen. Cr ist am gestrigen Abend nieder geschrieben und lautet: „Die „stille Woche" bat keine Bernbigung ln die Politik gebracht. Rm die Parlamente feiern, im Uebrigen aber sind berufene und imberufene Politiker an der Arbeit, denn die gute Grundlage für ein« bekömmliche Ruhe, das Bewußtsein der Sicherheit und Stetig keit, ist mit dem Abschluß der jüngsten Regierungskrise nicht gewonnen worden. Bll« Weit sieht bei, gegenwärtigen Zustand, die Trennung der beiden höchsten Regierungtäinter, nur al« ei» ovisorium an, so sehr man auch überzeugt sein mag, daß Gras koprioi selbst sein Entlasiungsgesuch zurückgenommeu hat in der Zuversicht, daß dir Verhältnisse „auch so" ihren guten Ga» nehmen werden. Auch daS Vorgehen der „Üreuzzeitung«' lSruppe gegen Herrn von Helldorfs wird vielfach al« ein tzmnps um dt« Herrschaft bezeichnet. Denn die Junker, unser» hammerslein im Bund« mit Herrn Stöcker, wollen durch«»« nicht daran glauben, daß sie an maßgebender Stelle nicht gewollt werden, sie halten e« für angezeigt, Ihre „Macht" kund zu geben und sind der sicheren Erwartung, nicht nur sehr bald den neuen Cult,,», minister vr. Bosse für sich zu haben, sondern auch den Grafen Snlenburg entweder zu gewinnen, oder — zu stürzen. Darum wird der Abschluß de« Kampfe« Haminerstein-Helldorff vielfach al« vor. bedeutend angesehen. Der Kaiser hat nun gestern Herrn ». Aauchhaupt, den Führer der Conservativen im Abgeordneten baust, einvl'angen und später auch mit einer Einladung zur FrühslückStasel beehrt. Herr v. Rauchhaupt ist ein „strammer" laaservaliver und gehörte im vorigen Jahre zu den schärfsten Segnern der »tuen Landaemeindeordnung. Aber er ist politisch doch nicht so kurzsichtig und nteinal« so fanatisch wie die Männer der.Krenzzeitung", er steht wohl auch Herrn v. Helldorff, mit dem er gemeinichastlich den Wablveretn der Deutfch-Conservatwen leitet, näher al« Herrn v. Hammerstetn. Wir wir zliveriässig erfahren, hat der stai'er sich sehr mißbilligend über die gehässige Art geäußert, wie ein Lheil der lloniervativen gegen Herrn v. Helldorff kämpft, und wie un« weit«! gemeldet wird, soll auch Herr v. Rauchhaupt keineswegs mit dieser Art drS Vorgehen« einverstanden sein. Die „Kreuzzeitung" ist davon bereits unterrichtet und sie zieht e« vor, zu schweigen, denn sie siirchtrt die Wahrheit des Sprichwort» zu erfahren „allzu schar macht schartig". Herr von Helldorff tritt nicht au» der conservativen Froction de« Herrenhause«. Er ianorirt de, chm zugegangenen Brief und sieht ihn nicht al« eine ofsicielle AuSIasiung der Fraktion an, da er kaum von einem Drittel der Mgltederzahl unterzeichnet tst. Er bleibt auch erster Vorsitzender der ReichsiogSfraction und Leiter de« Wahlvereins. E« wäre ihm «in Leichte- M, zehnmal soviel ZustimmungSerklärungen zu erhalten, al« die „Kreuzzettung" für sich provocirt hat, aber er verichmödl im Interesse der conservativen Partei ein derartige- agilatorilcheS Vorgehen. Die „Kreuzzeitung" könnte leicht einsehen. best die „Gruppe Helldorff" gerade den Kern der Conservativen de. deutet uud sie mit wenigen Anhängern wäre bald isolirt. Freilich iß bei dem Fanatismus, der die Herren v. Hammrrsteia und Stöcker beherrscht, nicht vorauSzusehen, wie lange der Waffenstillstand an- halten wird, denn von Friede kann noch nicht gesprochen werde», Aber jedenfalls glauben wir nicht zu irre» in der Annahme, daß der AuStrag der Differenzen mindesten- bi« nach dem Lud« der parlainentarilchen Osterferien vertagt bleibt". Unter den dem Reichstage gemachten Vorlagen, welche derselbe überhaupt nicht in Behandlung genommen hat, be endet sich auch der Gesetzentwurf über den Verrath niili- lairischer Geheimnisse. In den CvmmissionSverhand- lungen über die Vorlage wegen deS Belagerungszustandes in Elsaß-Lothringen hat der KriegSministcr keinen Zweifel ge lassen über den hohen Werth, welchen die Militairverwaltung aus Vorkehrungen zur besseren Sicherung der Geheininisse lege. Inmitten der eigenlhümlichen Umstände, unter welchen die Session zu Ende ging, ist von diesem Entwurf nicht mehr die Rede gewesen: es ist aber keine Frage, baß er im nächsten Herbst wicderkchren wird. Daneben sind mit voller Bestimmtheit zwei weitere Vorlagen zu er warten, welche ebenfalls nach dem Wunsche der Militairver waltung eigentlich noch in diesem Frühjahr hatten verab schiedet werden sollen, nämlich über den Schutz der Militairbrieftauben und über die Einführung der Einheitszeit in daS bürgerliche Leben. Alle diese GesetzcSprvsecte können, wie sehr auch ihre Bedeutung für das sichere Functionireu deS HcereSapparateS inS Auge springen mag, nicht gerade beanspruchen, vom Publicum mit Freude begrüßt zu werden. Die Vorlage über die mili- tairischen Geheimnisse hat sogar sehr erhebliche Bedenken bervorgerufen und die beiden anderen würden immerhin für zahlreiche Kreise des wirlhschastlichen Lebens mehr oder weniger empfindliche Belästigungen zur Folge haben Dazu kommt nun noch der große Plan einer ver stärkten Ausnutzung der Volkskraft für das Heer, dessen Ausführung, wenn nicht in der nächsten, so jedenfalls in der übernächsten Session deS Reichstags ver sucht werden und der, wie immer er gestaltet sein mag, dem deutschen Volke neue Opfer zumuthen wird. Nach unserer Ueberzeugung darf die Militairverwaltung vertrauen, daß ihr d>c Volksvertretung, wenn auch vielleicht erst nach schweren Kämpfen, Alles bewilligen wird, waS zur Erhaltung unsere« HecreS auf der vollen Höhe der Leistungsfähig keit erforderlich ist. Aber Angesicht- der Fülle der neuen Anforderungen, welche sie an den Reichstag stellen will, hätte die Militairverwaltung doch doppelt und dreifach Veran lassung, ernstlich zu erwägen, wie sie gewissen, ihr freilich unbequemen Wünschen des Reichstag« cnlgegenkommeii könne. Betreffs der großen Frage der Militärgerichtsbarkeit würde eS schon einen befriedigenden Eindruck machen, wenn man überhaupt einmal sähe, daß die Arbeiten von der Stelle rückten. Denn die Schwierigkeiten grade dieser Gesey- gcbungSausgabe werden ja von keinem Unbefangenen verkannt. Dagegen sollte man meinen, daß in der Wacht posten frage, die lediglich in die Competenz der Verwaltung fällt, recht bald etwas in der Richtung der bekannten Reichstags- resolution geschehen könnte, waS die in diesem Puncte neuer dings so oft erregte Volksstimmung beruhigen würde. Es wäre nicht wohlgetban, wenn man an maßgebender Stelle jene Resolution einfach ignorirea wollte. Die überall infolge des Treiben« der Anarchisten drohenden Gefahren erklären die Angaben, daß die Regierungen deswegen geeignete Vorkehrungen treffen. WaS von französischen Besprechungen mit einigen Nachbarstaaten crwäbnt wird, bezieht sich wohl auf etwaige Maßregeln an de» Grenzen, die durch Ausweisungen schon wegen der Lande«- augebörigkeit der Ausgewiesenen veranlaßt werden könnte». So würde beispielsweife wenigstens die Polizeibehörde wahr scheinlich von Paris aus dafür sorgen, daß nicht spanische, von Frankreich auSgewiesene Anarchisten an der spanischen Grenze von jenseitige» Gendarmen a» der Betretung ihres HeimathSgebielS verhindert würden. ES sind das naheliegende Bermuthungen. Bon weitergehenden internationalen Ver abredungen oder bezüglichen Vorbereitungen ist an unter richtete» Stellen in Berlin noch immer nichts bekannt. Sollten etwa mündliche Besprechungen in Paris oder an andern Orten deswegen staltfinde», so würde gewiß nach einiger Zeit etwa« davon verlauten, waS indessen abzuwarten bleibt. Es halte bekanntlich geheißen, die französische Regierung habe die auSwärligen Vertreter um die Listen der ihnen bekannte» remden Anarchisten ersucht, waS offenbar auf Ausweisungen vorbereilen sollte. Soweit aber französische Anarchisten in Frage kommen, batte die englische Regierung am 5. April im Parlament erklärt, daß ihr von deren Ausweisung nicht« bekannt wäre, die sonst diplomatische Vorstellungen in Paris veranlassen würde. Aus den egyptischen Investitur-Wirren läßt sich nuuniebr mit imnier größerer Bestimmtheit erkennen, daß eS ich dabei um eine Kraftprobe zwischen dem russisch» ranzösischen und dem englischen Einfluß in Kon st antinopel gehandelt hat, die von dem letzteren glücklich bestanden worden ist. Eine russisch-französische Untrigue hatte ihre Fären zwar sehr fein gesponnen »ud eS war auf eine Ueberrascining bezüglich deS Inhalte- des FermanS abgesehen, indessen das Ränke,piel ist mißglückt und die Sache steht >ctzt nach einem im Morgenblatt veröffentlichten Telegramm so, daß die türkische» Würdenträger, welche ihre Hand dazu ge boten haben, daß der Ferman im Sinne der russisch-französischen Wünsche abgeändert wurde, ihre Absetzung zu gewärtigen haben. Wäre die Intrigue geglückt, so wäre durch den Fer man indirect sowohl die Halbinsel Sinai als türkisches Gebiet erklärt, wie die türkische Oberhoheit über Massauah aus gesprochen worden. Man war indeß englisck'cr- wie italic- nischerseitS längst über die Bemühungen, den Sultan zu be stimmen, dem Ferman eine solche Fassung zu geben, unter richtet, trat aber erst im letzten Augenblick mit der Forderung dazwischen, daß der Tcpt des FermanS vor seiner Uebcrrcickung dem englischen Vertreter in Kairo, Sir Evelin Baring, bekannt gegeben werde. Diese englischcrseitS mit großem Nachdrucke gestellte Forde rung, aus die VaS Gerücht, daS sich übrigen« als irrig herauSstelltc, zurückzusühren war, e« hätte England einen Aufschub der Ueberreichung de« FermanS verlangt, ließ in Constantinopel keinen Zweifel darüber, daß man englischer- seitS über den Vorgang vollkommen unterrichtet und ihn zu durchkreuzen entschlossen sei. Erst darauf erfolgte ein Irade deS Sultans, wodurch ausdrücklich erklärt wurde, daß die Halbinsel Sinai in egyplischcr Verwaltung zu bleiben bade. Wenn berichtet wird, daß dieses zweite Irade dem Einflüsse Rußlands und Frankreichs zuzusckreiben sei, so wird diese Meldung mit Vorsicht auszunehmen sein. Sie wurde wahrscheinlich nur in die Welt gesetzt, um Rußland und Frankreich in den Schein freundlicher und versöhnlicher Absichten zu rücken, während in Wirklichkeit, wenn von russischer und französischer Seite das erwähnte Irade angeraldc» sein sollte, dies nur unter dem Zwange der Verhältnisse geschehen ist. Es mögen hierbei auch Rücksichten auf die Beziehungen Rußlands und Frankreichs zum Khedive maß- ebend gewesen sein, denn wenn man sich in der letzten Zeit emühl hatte, den Khedive von England abzuziehen und au die russisch-französische Seite zu bringen, so mußte die Ent schiedenheit, womit sich England der egyptischen Interessen rücksichtlich der Halbinsel Sinai annahm, den erwähnten Bemühungen eine» argen Strich durch die Rechnung machen. Jedenfalls zieht England aus der ganzen Angelegenheit den doppelten Vortheil, nicht bloS eine Aenderung in der Ver waltung der Halbinsel Sinai, die englischerseit» aus Rück sichten auf die Interessen am Suezcanal nicht hätte zugclassen werden können, hintangehalten, sondern auch die Beziehungen zum Khedive befestigt zu habe». Die Mitlheilungen Uber die Erkrankung deS russischen FinanzminislerS von WyschnegradSki gehen noch aus einander, so viel scheint aber feslzustehen, dag er, falls eS ge lingt, seine Gesundheit wiedcrhcrzustellen, doch auf längere Zeit genöthigt sein wird, sich von den AmtSgeschäflen zurück- zuziehen. Die Laufbahn des Herrn WyschnegradSki ist ein« ungewöhnliche gewesen. Sohn eines armen Dorfgristlichen, erhielt er seine Bildung im geistlichen Seminar, ging aber dann in daö pädagogische Institut über, welche« ihn als tüchtigen Lehrer auf de», Gebiete der Mathematik entließ. Seine bedeutende Befähigung bahnte ihm den Weg zu de», Posten des Direktors der technologischen Anstatt; doch wurde ihm dieser Wirkungskreis bald zu eng. Sein hervorragender Antheil an der Organisation der Moskauer Ausstellung und der Ausarbeitung eme« Pro- c rammS für die technischen Lehranstalten that seiner regen Wirksamkeit in der Gesellschaft der RybinSk-Bologoie- Bahn und der Südwesthahnen keinen Abbruch. In diefeu beiden zerrüttete» Aeticnunteriiehmungcn gab er unzweifelhafte Beweise seines organisatorischen Talent-, welche ihm den Ruf eine- außerordentlich praktische» Kopses erwarben. Im Besitze mehrerer Millionen gab WyschnegradSki nach Veröffentlichung des Gesetze- über die Unvereinbarkeit deS Staatsdienstes mit Posten bei Aclicngesellschasten seine Privatstcllungen auf, und seither waren die Blicke der Partei genossen Katkow'S, dessen Finanzpläne er sich aneianete, aus ihn wie auf einen Erlöser gerichtet. Seine erste That »»mittelbar nach der Berufung zum Finanzminister war dir Erhöhung der Zollerträgnisse um zwölf Millionen Rubel durch die eiusachc Anordnung, daß statt der Umrechnung zu t Rubel SO Kopeken der Metallrubel mit 1 Rubel 07 Kopeken Papier berechnet werden solle, „weil diese Aenderung dem thatsächliche» Wechselcourse bester entspricht." Herr Wyschne- gradSki ist alsdann der Hauptvertreter der Hochschutzzöllnerel und de« engherzigen AbschließungSsystcmS geworden, welche« in dem Fremden-Ukase gipfelte und Jahr au« Jahr ein zu neuen Maßnahmen gegen die deutsche Einfuhr in Rußland führte. Hand in Hand mit dieser Politik ging das Bestreben, den CourS der Valuta und der russischen Werthe zu heben und einen mächtigen KricgSschatz zu sammeln. In seinem Finanz bericht vom Januar 1888 führte Herr WyschnegradSki die Entwcrthung des Rubel« auf einige künstliche Maßnahmen de« Auslandes zurück, „die gewisse Kreise zum Verkauf unserer Fond« vcranlaßlen." Al« seine Ausgabe bezeichnet» er die „Festi gung de« Wechselcourse«", „wirksame, energische Maßnahmen" zur Hebung de« Rubelcourse«. Im Mai 1888 war dieser Cour« auf 162 gesunken; Ende Juni war er schon auf 194, am Schluß de« Jahre« auf 212 getrieben. Herr Wyschne gradSki verstand eS, da- Wetter an den europäischen Börsen u macken. ZinSherabseynngen und Anleihen vermehrten eine Mittel in einem Maße, daß er selbst der Bank von England Gold darleihen konnte. Fast alle seine Erfolge aber wurden durch daS wachsende Mißtrauen in Rußlands Friedens liebe und durch den Nothstand wett gemacht. Wenn Herr WyschnegradSki jetzt als kranker Mann auS dem Finanz ministerium scheidet, so läßt er dasselbe in traurigerem Zu stande zurück, als er es übernommen hatte. Der Emir von Afghanistan hat offen Farbe bekannt, indem er sich nach neuerdings in London eingetroffenen Nach richten aus die Seite der Briten stellte. Dir „Bombay Gazette" veröffentlicht Auszüge aus einer von dem Emir Abdurrahmann verfaßten, unter die Notabeln von Afghanistan vertbeilten Schrift, in welcher er nach Hinweis auf die Ereignisse, welche zum Zwischenfall von Benjdeb führen, die Gründe auSeinandersetzt, die ihn veranlassen, dir britrsche Frcundsckaft der russischen vorzuziehen Wenn die Afghanen für sie Partei nehmen, würde» sie von der russischen Armee als Zielscheibe für englische Kanonen und Gewehre gestellt werden; die Russen würden die Afghanen ihrer Waffen und Lebensmittel berauben, deren Frauen be helligen, die Afghanen morden, wenn sie sich rächen. Der Zweck der Rüsten sei, in den Besitz von Indien zu gelangen, zu dessen Erreichung dir Afghanen vernichtet werden müßten. ES sei den Afghanen daher unmöglich, Freunde der Rüsten zu sein. Feuillrtsii. Moderne Junggesellen. U>I Roman vou B. W. Zell. »ertötm. (Fortsetzung.) Du irrst, entgegnet« Cornelia mild. Ich war ahnungslos wie Tu, gestern zum ersten Mal sprach mir Rungher von seinen Wünschen uud mir selber erscheint noch Alle« wie ein Traum. Nun endlich trat auch Remmelin hinzu, daS verlobte Paar -n teglückwünschen. Aber er that dies in so steifer, förm licher Weise, ohne jede Spur seiner gewohnten Liebenswürdig keit, daß alle ihn befremdet anschauten. WaS hatte er nur? Neidete er andern ein Glück, daS er selber noch nicht besaß? Aber er brauchte ja nur die Hand auszustrecken, eS zu er» fassen — zum ersten Male beschlich unwillkürlich ein banger Zweifel Melanie, ob ihren Plänen mit Franzi und dem Grasen auch zweifellos eia Gelingen beschieden, und sie nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit mit der Gräfin Remmelin darüber zu sprechen. Dann bat sie, beherrscht wie immer, die Herren, zu Tisch zu bleiben und die überraschende Verlobung bei einem Glase Eect zu feiern Rungher nahm freudig an, jedes Zusammen sein mit der Geliebten erschien ihm als ein Glück, in da« mau sich nie genug versenken könne. Der Graf aber lehnte dankend ob; seine Mutter erwarte ihn und fei nicht gewöhnt, im letzten Augenblick eine Absage zu empfangen. So ver abschiedete er sich, noch immer so kalt und steif wie vorhin und ging. Melanie machte bei TisH in liebenswürdigster Weise die Wirtbin, so wild e« auch in ihrem Innern stürmt«. War doch Rungher einer der wenigen Männer, den sie wirklich geliebt, der ihr nicht zum Spielball einer flüchtigen Laune gedient hatte. Nun war er ihr seit vielen Jahren nicht« mehr al« em treuer, stet« opfermüihigrr Freund gewesen und erst » dieser Stiwd« erkannte sie den ganzen Werth solcher Freundschaft — war sic nicht beglückender, zuverlässiger als Liede? Auf seine Abneigung gegen die Fesseln der Ehe bauend, hatte sie gehofft, ihn sich zeitlebens zu erkalten. Und nun — verloren, auch ihn verloren! klang es immer wieder in ihr mit schneidendem Weh. Und endlich hatte auch diese Qual ein Ende. Mittags mahl und Kaffee waren eingenommen, Rungher mußte ins Ministerium und versprach, die Damen später zu einer Spazierfahrt abzuholen. Strahlend vor Glück verabschiedete er sich. Die Baronin und Eornelie zogen sich alsbald auf ihre Zimmer zurück. Jede von ibnen batte so viel zu denken, zu erwägen, waS allein durchgekämpft werden niußte. Franzi erhielt Erlaubniß, sich zu Rose Blangenet begleiten zu lassen, da sie daraus brannte, der Freundin die große Neuigkeit mitzutheilen. Spät Abend» war-, al« Rungher zu gleichem Zweck die Freunde im Iunggesellenclub aussuchte. AuS der Spazierfahrt war nicht« geworben, da die Witterung plötzlich umgeschlagcn und Sturm und Regen eingetreten war, auch saß sich« so traulich an der Seite der Geliebten im lauschigen Zimmer, daß er diesen Umschlag eigentlich gesegnet hatte. Die Baronin war so rücksichtsvoll gewesen, die Verlobten längere Zeit allein zu lasten, und der Rausch der Küsse, die er von den Lippen der Braut genommen, wirkte noch immer aufregend io cbm nach Nur da« ist Liebe, die echte, wahre, die jeden Augenblick in die Erscheinung treten darf und da« Auge der Welt nicht zu scheuen brauch», philosophirt« er auf dem Wege zum Re- siaurant, als ihn einmal die in diesem Augenblick nicht sehr angenehme Erinnerung daran in ihm ansstieg, wie viel solcker „ersten Küsse" schon fein Blut zum Sieden gebracht. Ja, aber dies war doch ganz etwa« andere«, beschwichtigte er sich selbst. Ein Strich unter dir Vergangenheit gezogen, für ibn und für siel Was dahinter lag, ging Beide nicht« an. Freilich halte er gegründete Ursache anzunehmen, daß bei seiner Braut der Strick aus ein völlig unbeschriebene» Blatt gesetzt wurde, und bei all seiner Toleranz war ihm doch ganz lieb, daß dem so war. Sic hatte wohl noch nie geliebt, unb auch ibn liebte sie nicht — darüber machte er sich keine Illusionen. Aber sie sollte ihn lieben lernen und eS dünkte ihm unbeschreiblich süß, daß ihm, der so viel vom und im Leben genossen, beschieden sein sollte, eine reine Liebe in einem unberührten Fraucn- herzcn zu entsacken. Mit diese», GlückSgefühl und der Miene eine- Siegers trat er zu den Freunden ein, die etwa« trübselig beisammen saßen und ibn mit Vorwürfen empfingen, daß er sich jetzt so selten blicken lasse. Er antwortete mit einem Achselzucken, mackte dann einige aeheimnißvolle Andeutungen Uber die Pflichten eines guten StaatSdiencrS, welche natürlich al- Hin weis auf Uederbürdung und treue Pflichterfüllung im Amt ausgefaßt wurden, und prüfte dann eingehend die Güte de« heurigen Biere». Bürglin grollte inzwischen über da« Wetter, das auch den gesundeste» Menschen krank machen müsse, Claudius wetterte Uber einige Goethianer, die wieder einmal auS dem bi« zum Ueberdruß durchwühllen Wust der Goetheforschung einige allerbeiligste Schnitzel herauSgefunden, auS denen zu ergründen, au welche», Tage seine- laugen gesegneten Leben« der große Meister wirklich und thatsächlich vlaucn Karpfen gegessen, wir derselbe gemundet habe und wa« dafür bezahlt worden sei. Die Unterhaltung im Iunggesellenstübchen bei Wagner war somit durchaus nn gewohnten Geleise, nur der Major schien Witterung von etwas Außerordentlichem zu haben, da- mit dem Rath vorgegangen sein müsse Spähend be trachtete er immer wieder die stegc«frobe Miene desselben, da» glückliche Lächeln, da« ab und zu verstohlen über seine Lippen kuschte und da« ebenso wenig den neuentdecklen Goetbe'schen Karpfen gelten konnte als der strahlende Blick, den er oft selbstvergessen in« Leere richtete. Endlich, al» der Professor gerade eine Pause machte, brach er lo«. Lassen Sie den Ooelhianern ihre blauen Karpfen, Ber- ehrtestrr, und kümmern wir uns lieber um Näherliegende«, z B unser» Freund Rungher hier. Ja, merkt denn keiner von Euck, daß dem heute etwa» Besondere- passirt sein muß? Seht ibn an — schaut er nicht au- wie da- personificirte veni, vickl, viel? Sech« Augen richteten sich forschend aus den Rath, der all die Gpäherblicke ruhig lächelnd auShirlt. Nun, heraus damit — wa« lest ihr von meinem Gesicht? fragte er dann übermüthig. Sie werden herausgcspürt haben, welche Art von Tunk« Goethe an jenem Tage zu seinem Karpfen aß, meinte Claudius trocken. Oder e« gelang Ihnen, ein Univrrsalmittel gegen jegliche« Maaenleiden herzustellen? fiel Bürglin rin. Nein, ganz so hoch haben wir un« denn doch nicht ver stiegen, cutgegucte der Rath launig. Sprach ich Euch nicht vorhin schon von dem erhebenden Bewußtsein, alle Pflichten eines guten StaatSdürgerS erfüllt zu haben? Nun seht, die voruehmlickste hatte ich biöber versäumt — heute aber den Anlauf dazu genommen, auch dieser gerecht zu werden. Kopfschüttelnd sahen sich die drei an ob der tiefsinnig tzeheimnißvollen Rede und der Major rief endlich ungeduldig: Heraus doch mit dem Wort und nicht um den heißen Brei herumgcdrückt! Sind Sic Mitglied de» Tugcnddunde« ge worden oder wa« ist« sonst für eine heilige Pflicht, die Sie erfüllt haben? Ich habe mich verlobt, sagte Rungher lakonisch. Verlobt!! Die drei riefen« auS einem Munde, dann entsetzte« Schweigen. Man schien da» Ungeheuerliche nicht fasten zu können. Verlobt! DicSnial ries« der Major allein mit Donner stimme und schlug dazu mit der geballten Faust auf den Tisch, daß die Bierkrüge klirrten und der zartnervige Commrrzien- ratb entsetzt aussprang, um dann auch elegisch vor sich hin zu flüstern: Verlobt! Nur der Professor sagte nicktS. Aber seine Blicke wur zelten neugierig auf Rungher« Antlitz, als wolle er erfahren, wie eigentlich em Mensch auSsehe, der einer so ungeheuren Dummheit fähig Und dabei saß der Abtrünnige so urver- gnllgt da, al- habe er eine weltbewegende Tbat vollbracht, aus die stolz zu sein er allen Anlaß habe. Noch halte Nie mand gefragt, welche» unselige Weib denn da- Unheil an gerichtet, und Rungher schien auch gar nicht Eile zu haben, daS zu verrathen. Claudius war e« endlich, der auch dieser kleinen Nebensächlichleit Beachtung schenkte und so obrnhm nach dem Namen der künftigen Frau Mmisterialrilthin fragt»
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