Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920421022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892042102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892042102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-21
- Monat1892-04
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«dorrrremettt-prel» 8 der -aupterpeditlo» oder d«n Im Stad», tuirk nud den Vorort«» erricht«»«» No«, zabki'iklira ob geholt: virrt»IjLbrlich^l4L0. lü »weinialigrr tüglichrr Zustellung in« h«ut 5.50. Durch die Post bezogen für je«!>ch>aad und Oesterreich: vierleljährlich >18.—. Direct« tägliche Krtiizlmndl'endmig int LiuUaad: «nonatlich -<4 st.—. Pie Morgen-Autgab« erfchelnt täglich'/,? Uhr. di, Ldeud-Lutigah« Wochen rag« b Uhr. 8r-actioa »nL Lrpkditioa: 2»b«mne«saffr 8. Uelrpeditioo ist Wochentag« ununterbrochen ^öffnet von früh 8 bl» Nbead« 7 Uhr. Fttiale«: VN« >le««'s Sortt«. (Alfred Lohn). Uoiversitätrstrab« 1, Lsut» Lös»«. wihorlnenstr. Ich part. and »s,I,»platz 7. AVed ^Ausgabe. WMtr.TllgeMIt Anzeiger. Organ für Pslitik, Localgrschichte, tzandels- «ad GeMSverkehr. ^- 203. Donnerstags den 91. April 1892. yasertIvn-prstO Die S gespaltene Petttzeile 20 Pfg. Reklame» anter demRedactionsstrlch (4go- spalten) üü^, sor den Aamilieauachrichü« (d gespalten) 40 , Erötzere Schriften laut unserem Preis« uerzeichaib. Tabellarischer und Ztsfrrnsatz nach höherem Tarif. Eptrs-Beilage» (gefalzt), nar mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbcförderuaa -« so.—, m»t Postbesürderung ^tl 70.—. Aunahmrschluß für Inserate: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn, und Festtag» früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde fricher. Znseratr find stet« an di» Erltedttip» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» t» Lrlpzt» 8K. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. April. Unter den unerledigt gebliebenen Regierungs vorlagen der lrtzten ReichStaaSsession brsindrt sich auch der Gesetzentwurf, welcher die Frage der Immunität der Reichstagsabgeordneten während einer Vertagung zu regeln bestimmt war. Mangel an Zeit ist an der Nicht- erledigung nicht schuld gewesen. Der Gesetzentwurf war bereits am 5. Tecember v. I. einer Commission überwiesen ivordcn. Diese aber hat erst ein Vierteljahr später ihre erste und einzige Sitzung gehalten, ohne in derselben zu irgend welchem Ergebniß gelangt zu sein. Der Grund dieser aus fallenden Erscheinung lag in dem Umstande, daß Centruin, Freisinnige und Socialdemokratcn eine Acndcrung deSArt. 3l der Verfassung im Sinne der Aufhebung der Iniinunilät für die Dauer einer eigentlichen Vertagung überhaupt nicht wollten. Auf absehbare Zeit wird nach dieser Erfahrung die Angelegenheit wohl nichtwieder ausgenommen werden; man wird sich gegen eine Wiederkehr von Unzuträglichkciten dadurch schützen müssen, daß man von der Vertagung womöglich gar seinen Gebrauch macht, und zwar um so mehr, als bekanntlich ein Erkenntniß deö Reichsgerichts der Auffassung, daß nach der bestehenden Fassung dcS Art. 3l die Immunität während jeder Vertagung sorldanere, Recht gegeben hat. Allein eine andere Frage, welche im Zusammenhänge mit der fast zwei jährigen Session hervorgetrele» ist, diejenige der Ver jährung nämlich, erheischt — und nach diesem Erkenntnisse de« Reichsgerichts nur um so dringender — eine Lösung. Einige Dutzend Preßoergehcn, wegen deren socialdemokratische RcichStagSmitalieder verfolgt wurden, sind durch die lange Tauer der Session verjährt, bleiben also, soweit ein wirkliches Verschulden vorlag, ungesühnt. Preßvergehen verjähren in sechs Meiialc». Die Verjährungsfrist wird durch eine Handlung dcS Richter«, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbrochen. Gegen ein ReichStagSmitglicd ist abrr während der Session eine Handlung des Richters zunächst nur in der Form zulässig, daß derselbe den Reichstag um seine Genehmigung zur Verfolgung dcS Beschuldigten ersucht. Jede weitere Handlung ohne Genehmigung de« Reichstags ist gesetzlich unstatthaft, also null und nichtig. Durch die Nachluchung der Genehmigung seitens deS Richters wird nun freilich die Verjährungsfrist unterbrochen. Wird aber die Nachsuchung, falls sie vom Reichstage abschlägig beschiede» ist, nicht innerhalb sechs Monaten wiederholt, so ist nach Ablauf dieser Frist die Verjährung eingetretcn. In den zahlreichen vorliegenden Fällen nun, i» welchen während der abgelaufenen Session eine solche Wiederholung deS gerichtlichen Ersuchens nicht erfolgt ist, sind die Vergehen sämmtlich verjährt. Ebenso in denjenigen Fällen, wo da« Ersuchen nicht durch den Richter, sondern durch den Staats anwalt an den Reichstag gestellt ist. Derartige Vorkommnisse aber können sich leicht wiederholen, da eine 6 Monate über schreitende Session auch ohne Vertagung nicht zu den Un Möglichkeiten gehört. Dazu kommt, daß die Strafverfolgung von Uebertretungen schon in drei Monaten verjährt. Es kann dem Ansehen deö Reichstags nicht förderlich sein, wenn aus diese Weise die verfassungsmäßige Immunität seiner Mitglieder in vielen Fällen thatsächlich zur Straflosigkeit führt. Der Abg. Rintelen hatte der Commission des Reichs lag« folgenden Zusatz zu tz. 69 deS Strafgesetzbuch« vor geschlagen: »Die Verjährung ruht während derjenigen Zeit, m welcher die Strafverfolgung auf Grund dcS Gesetzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann." Es erscheint zweifel los, daß daS allgemeine Rechtsgefühl in einer derartigen Bestimmung eine bessere Garantie erblicken würde, als in dem Hinweise daraus, daß ja durch stetige Erneuerung des Genehmigungsgesuchs an de» Reichstag die Verjährung ver hindert werden könne. . Nachdem in BreSlau für da« officielle Ccntrum die Ab geordneten Graf Ballestrem und vr. Porsch die veränderte Parteistellung erörtert haben, kann vielleicht auch die Ansicht zweier Partei-FranctireurS zu der Angelegenheit inter- essircu. In dem jüngsten Hefte der Münchener „Historisch politischen Blätter" nehmen gleichzeitig die früheren Ab geordneten Rechtsanwalt JnliuS Bachem zu Köln und Pfarrer M a jnnke zu Hochkirch i. Schl, das Wort. Da da« betreffende Heft der GörreS-Iörg'schen Zeitschrift am l6. d. M auSgcgebcn ist, werden allerdings beite Publicistcn ohne die Kenntniß jene am 12. d. M. gehaltene» Breslauer Reden geschrieben haben. Beide Ausführungen stehen zu jenen Reden, für die Graf Ballestrem die Autorität und der fürst- bischöflich Breslauiscke Spndicus vr. Porsch den Inhalt hergegeben hat, zwar nicht in einer Opposition«-, abrr in einer Flaukenstellnng; obgleich in vorsichtiger Form, wird doch an der bisherigen Centrumstaklik die Kritik keineswegs gespart. Herr Bachem hat schon früher ein mal in der „Münchener Zeitschrift" da« Centriim an gesichts der socialen Gefahr zu einer principiell regierungs freundlicheren Politik als früher verpflichtet gesunde»; obgleich er jetzt reu Satz wiederholt, läßt er doch manche CentrumS- abstimmung, namentlich für die westlichen LandcSIbeile. allzu regierungsfreundlich gewesen sein und legt für die Zukunst dem Cenirum die Erinnerung an seine Eigenschaft als „VolkS- partci" an daö Herz. BemcrkcnSwerther ist ein allerdings halbverstecktrr Tadel über die Art, in der die CcutrumS- presse die wiederholten Aeußeruiigen de« Monarchen über die nolhwendige Mitwirkung dcr Mittclparteicn an dem Schul- enthäll auch der Nachweis, daß am 18. März nicht dir atheistische Weltanschauung, soiidern die protestantische „Vor eingenommenheit" gegen den KatholiciSmuS gesiegt habe; in dieser letzteren Richtung wird besonder» auf den evangelischen Oberkirchenrath verwiesen. DcS Weiteren meint Herr Bachem, daß bei einer ofstciellen Anfrage der preußische Episkopat sich wahrscheinlich gegen den Zedliy'schcn Gesetz en twstirf ausgesprochen haben würde, was auf Aeußerungeu deS Kölner Erzbischofs vr. Philippus Krementz hinzndeulen scheint. Kürzer ist Herr Majunke zu besprechen, der dem früheren Falk'schcn UuterstaatSsecrejair und jetzigen Chef des kaiserlichen Civilcabinctö Vr. von LucanuS die Hauptwirksamkeit bei dem Umschwung vom t8. März zu schreibt und dabei mit anerkennenSwertber Offenheit erklärt, „in seiner Sckiule" werde der katholische Pfarrer stets als thatsächliÄcr Inspektor und oberster ReliaicnSlehrer fungiren, einerlei, ob ihn die Regierung als solchen anerkennt oder nicht. BcmerkenSwcrther ist, daß Herr Majunke, der auch jetzt wieder die evangelische Kirche nur mit Anführungs zeichen schreibt, die conservative Partei nach der Wen dung vom 18. Marz ihre Bündnißfähigkeit für daS Centrum „natürlich" verloren haben läßt. Die Maß regelung deS Herrn v. Helldorsf scheint demnach wenigstens Herrn Pfarrer Majunke nicht so sehr impouirt zu habe», wie sich vermuthlich die „Kreuzzeitung" eingebildet hat. Tie reickS ländische Bevölkerung wird in wenigen Wochen eine kleine Probe ihrer so oft gerühmten friedfertigen Gesinnung zu bestehen haben. An den beiden Pfingsttagcn findet in dem nahen Naucy ein großes Turnfest der fran zösischen Turnvereine statt, welches allem Anscheine nach einen großartigen Verlauf nehmen und große Summen kosten wird. Die Ankunft russischer und böhmischer Turner wird dazu erwartet. Wenn man sich der Vorkommnisse in Prag gelegentlich de« Besuchs der letzten Ausstellung seitens der Franzosen erinnert, so wird man nicht im Zweifel darüber sein, daß es bei diesem TurnerbundeSfestc leicht zu chauvinistischen Kundgebungen der durch den Deutschen haß geeinten Czechen und Franzosen kommen wird. Außerdem sind aber auch an da« französische Gesammt- Ministerium und an zahlreiche namhafte Politiker Ein ladungen ergangen, und die Theilnahme des Präsidenten Carnvt. sowie der Minister b°ubet und^Frey ^ gewisse Feste gilt schon jetzt werden können. politische Bcdeul»»g "'^^'^erEine abgehaltenes großes Ein in so uttnnttelbarer Nahe der National' festes ainicbinen kann, wild ohnehin i s ,g,^j„'jschen AnziebungSkraft für manche AE ^27^ m>'° »7 sich nicht verkennen, daß eine Tliciliiabinc diese -ss-nden Vereine selbst nicht ohne ernstcFolgcn durch Warnungen in der altdeutschen Press be ^tS gg' bleiben der Elsaß-Lothringer wurde sereiifallö aus die Franroscn einen ebenso nachhaltigen und »n Interesse der FrietciiScrbaUung erwünschten Eindruck >>,aä'e>,. wic eS anrcrer- seitS nur den wiederholten Versicherungen der Rc.chSl»euc und der Friedensliebe der reichsländischen Bevölkerung an gemessen und würdig wäre. AnS Belgien wird eine verblüffende Entdeckung berichtet, deren Opfer wahrscheinlich der KriegSminister General PontuS sein wird. Dieser hatte wiederholt in der Kammer behauptet, daß an den ungeheuren Ucberschrcltungen der Kostenvoranschläge für die MaaSbesestigung der General Brialmont Schuld trage, der die Regierung stets getäuscht babe. Plötzlich verlautete nun in Armcckrcisen, der General habe schon in, März 1888 den. Kr,egSn„n,ster einen Brief geschrieben, daß die von dem Ministern,,» in der Kammer gemachten Angaben über die Kosten der MaaS- kfestigung falsch seien, das, er aber patriotisch >m Interesse der Nationalvertheidigung schweigen und seinen Rus als Ingenieur opfern wolle, un, die Bewilligung dieser Befestigungen zu ermöglichen. In der Kaininersitzung vom l2. April, worin 13,7 Millionen für die MaaSlinic bewilligt werden sollten, brachte der liberale Depntirte Scouinaiinc, der i»it SachkenntnißdaS Ver halten deS Gcucralö Brialmont vcrtheidigt hatte, die Gerüchte über de» Brief des Generals vom März 1883 zur Sprache, da, falls er vorhanden, die RcgierungSdehauptungen wie ein Kartenhaus zusaiiiulensielen. Der KriegSminister ries, da auch andere liberale Dcputirte nach dem Briefe fragten, wiederholt mit Entrüstung: „DaS ist eine lügnerische Mittheilung! Welche erbärmliche Ausflucht! Der Brief existirt nicht!" Die ganze Rechte überhäufte den jkriegSminister, den» auch die anderen Minister zur Seite traten, mit jubelndem Bei- falle. Die Gelder wurden bewilligt und jetzt hat sich er geben, daß dieser Brief doch existirt, am 6. März 1888 geschrieben ist und der KriegSminister ihn richtig wieder gefunden hat. Die Stellung des Kriegsministerö ist unhaltbar; mit Spannung erwartet man den weiteren Verlauf. WaS bereits nach einem im Morgcnblatt veröffentlichten Telegramm vermuthet werden konnte, das ist nach den heute aus Rom eingrgangenen neuesten Nachrichten zur Thatsache geworden: Die bereits beendete italienische Minister krisis ist von Neuem auSgcbrochen, und zwar, wie eS heißt, in Folge der ungünstigen Aufnahme, welche die Lösung der Krisis in parlamentarischen Kreisen gefunden hat. — Gestern früh hatte Rudini eine Besprechung mit dem König, doch sind bis zur Stunde die Schwierigkeiten noch nicht be hoben. Billar, soll von der Vergebung seines Ressorts an Genala nicht unterrichtet gewesen sein. Gegenwärtig scheint e« beabsichtigt, ihm sein Portefeuille zu belassen und Genala daS Minister»»" der öffentlichen Arbeiten zu übertragen. Doch weigert sich Bianca dieses abzugebcn und das Ackerbauministe- riuin z» übernehmen. Erst jetzt beginnt die Angelegenheit da« italienische Publicum z» intcressiren, da nunmehr der Verlauf rer Krise nicht abzusehc» ist. Ist ein »ack, Recht« neigender Can didat gcwouncn.so hindertNicotera dieLLsung, der dieseGelegen- heit nicht vorübcrgche» lassen will, ohne seine» Einfluß i». Cabinet z» steigern. Im anderen Falle erhebt Luzzatti Schwierigkeiten, dessen Stellung bei einer Stärkung deS liberalen Elements im Ministerium unhaltbar wird. Ricotti hat dem König versprochen, die Präsenzstärke nicht zu ver mindern und den Bedarf für Gewehre aus dem Ordinarium :n decke», diesen Betrag also dauernd zu ersparen. Ueber den neuesten Stand der Krisis liege» folgende telegraphische Meldungen vor: * Rom. 20. April. Es bestätigt sich, daß eine definitive Lösung der EabinetSkrisis bi- jetzt noch nicht erfolgt ist und daß Niidiiii seine Bciiiiihuiige» tortsetzt, das Cabinet zu reconstruireii. * Rom, 20. April. In elfter Stunde verlautet, auch Ricotti babe die Amiabnic de« Porieseuilles abgetehnt und Rudini werde sich genöthigt sehe», vor die «aunner z» trete», den Rücktritt Colombo'« aiizukilndigeil und ei» politisches Botin» über seine eigenen Finanzvorschtage herbeizusühreii. * Rom, 20. April. Ten Abendblättern zufolge werden di- Bemtthnngeii, die Frage der außerordentlichei, militairischen Ausgaben bei der vabinetskrisiö zur Lösung zu bringen, fortgesetzt. Pente Nachmittag b Uhr trafen Rudini, Ricotti, der Chef des ÄeneratstabS und der Präsident des Senats zur Besprechung dieser Frage zusammen. Di» „Jtalie" will wissen, Rudini habe, als er Ricotti das Portefeuille des Kriege« angeboten, die Andeutung gemacht, daß eS nothweudig sein wurde, die Cadres der Armee zu verringern. Ricotti solle erwidert haben, er würde eine derartige Verantwortung nicht über- nommen haben, selbst wenn man ihm den formellen Beseht zur Vornahme einer solchen Maßnahme ertheilt hätte. * Rom, 21. April. Dem „Popolo Romano" zufolge wäre bis zur Entschließung Ricotti's über Annahme oder Nichtannahme des Portefeuilles des Kriege« die Entscheidung über alle anderen bei der Bildung des CabinctS in Frage kommende» PorteseuillcS ve» tagt worden. Die neueren Nachrichten über die Verhaftung de« an« Odessa in Konstantinopcl eingetrosfenen bulgarischen Stu- dircndrn Knscheleff bestätigen die Mittheilung, daß Kusche lest der Sohn eines in Odessa lebenden bulgarischen Emi granten gleichen Namens ist. Ob letzterer um die Verhaftung seines SobneS auf telegraphischem Wege wirklich angesucht habe, wird sich Wohl schwerlich erweisen lassen. Gewiß ist, daß die russische Botschaft von der Ankunft dcS jungen Kuschelest unterrichtet war, und nach London gelangte Be richte wollen bereits wissen, daß ihm zur Last gelegt werde, er habe in Konstantinvpel die Mittbeilung gemacht, daß die Mörder deS bulgarischen Agenten Vnlkowitsch in Odessa cingetrosfcn und von dem ehemaligen russischen Consul in Philippopel an Bord des Schiffes begrüßt und belohnt worden seien Wenn dies richtig ist, so wäre darin nur die Be stätigung der Meldung enthalten, daß es sich darum handelt, einen Vcrralh an der Sache der bulgarischen Flüchtlinge zu verhüten. Der Schutz, tcn man russischerseitS dem ver brecherische» Treiben der bulgarischen Flüchtlinge zu Theil werden läßt, wird somit immer offenkundiger. Und da wundert man sich, daß die bulgarische Regierung Schritte tbut, damit die Pforte ihre Pflichten als Schutzinacht erfülle. Die Liebedienerei der französischen Presse gegenüber Rußland tritt auch bei diesem Anlasse zu Tage, denn wie nicht ander« zu erwarten war, wird die bulgarische Note von den fran- rösischen Blättern — in erster Reihe von dem „TempS" — sehr abfällig beurtheilt. Deutsches Reich. k Berlin, 20. April. Heute früh um 10 Uhr trat der Colonialrath unter dem Vorsitze dcS wirkt. Geh. Lcgations- »il Feuilleton. Moderne Junggesellen. Roman von B. W. Zell. (Fortsetzung.) Mn «a»dnia »ertöten. Wirklich nicht — hm! Herr Michelson, vcr in der Er regung aufgesprungen war, setzte sich wieder und strich mit der Hand über den stoppeligen Bart. Dabei flogen forschende Blicke zu Melanie hinüber, die, das Haupt auf den schönen Arm gestützt, wie abwesend vor sich hinstarrte. In ihrem Ohr klang nur eins — „Auction" — und ihre lebhafte Phantasie sah bereit- in diesen behaglichen Räumen eine lärmende, sich drängende Menge, die Alle« betastete, abschätzte und sck'licßlich de» „Lnxuskram" bespöttelte — sie körte die rauhe Stimme des Versteigerer« ertönen: „zum ersten, zum zweiten, zum dritten" — dann dumpf den Hammer auf- schlagen, der einen der tausend hübschen Gegenstände, an denen Allen ihr Herz hing, irgend einem fremden Menschen iur einen Spottpreis zueignetc. Sie sah sich und Franzi in einer kahlen, dürftigen Stube, aneinandergeschmiegt, weinend — ein Grauen schüttelte sie, nein, nein, da» ertrug sie nicht! Wo war Rettung — Bürglin . . . Ja diesem Augenblick erklang wieder Herrn Michelson'S heisere Stimme. Kein Hilfsmittel — eine Dauie wir Sie, Frau Baronin! So kleine Füße sollten nicht Tausende an der Erde stampfen, so schöne Augen nicht Schätze hrrvor- zaubrrn können? Ich glaub« nicht — glaub- niel Stolz richtete sich Melanie enipor. Sir meinen, Herr Michelson? Gott, ich habe schon lange gemeint, warum eine so schöne Dame ihr Leben einsam verbringt und nicht wieder heirathet, entgegnete er pfiffig. E« wird in unserer reichen Stadt Leute genug geben, die sich glücklich schätzen würden, ihre Millionen mit Frau Baronin zu «heilen Pompöse Er scheinung, alter Adel, Verbindungen — da« sind denn dock» As Dinge, di^anH in unsererLett ihr« gute» Werth habe«. Melanie wußte nicht, ob sic zürnen oder lachen sollte, und entschloß sich endlich für daS letztere. Weshalb auch die Faseleien de« Manichäer« ernst nehmen? Voll Spott und mit dem ganzen Stolz der vornehmen Frau fragte sie daher heiter: Haben Sie neben Ihren verschiedenen andern Be- rusSthätigkeiten auch noch ein HeirathSburrau, HerrMichelson? Der aber nahm die Sache gar nicht scherzhaft. Vielleicht, Frau Baronin. Wer soviel herumkommt wie ich, lernt man cherlei kennen und findet oft Gelegenheit zu Geschäften, die ihm ursprünglich ganz fern lagen. So manchen adeligen Officier, der in einer Lage war wie — wie eben jetzt Sie, gnädige Frau, habe ich aus der Patsche geholfen, indem ich ihm Gelegenheit gab, seinen Namen und seine Persönlichkeit zu verwerthen, und noch keiner von denen hat bereut, mir gefolgt zu sein. DaS Geschäft bringt Wohl recht viel ein? fragte Melanie verächtlich, aber MiHelson blieb die Antwort nicht schuldig. Mir nicht eben viel — abrr denen, die e» machen. Daß ich meine Zeit und Mühe nicht umsonst hergeben kann, ist Wohl selbstverständlich. Und hätten Sie etwa auch für mich eine sogenannte ante Parti« ? DaS Thema begann allgemach sie zu unterbalten, außerdem war ihr jede- Gespräch willkommen, in dem Michelson nichts von seinen Forderungen und der entsetzlichen „Auction" erwähnte. Nach ihrer letzten Frage ließ der alte Praktiker, der in Allem „machte", wieder seine Blicke forschend auf Gesicht und Gestalt Melanien» ruhen und sagte dann sinnend: Noch Hab' ich nicht- — wie könnt' ich denn auch wissen, daß unsere Angelegenheit dies« Wendung nehmen würde? Hab' vielmehr erwartet, Frau Baronin würden mir heut mein gute« Geld auf den Tisch zählen »ad lagen: Gott befohlen, Michelson — so lang, bis ich wieder was brauche. Nim kommt das andrr« und es ist wirklich nur Interesse für eine so schöne und liebe Dame . . . Die Baronin unterbrach ihn durch ei«« abwehrod« Be wegung. Bleiben wir bei der Sache, me« Bester. Ich fragte, ob Sic irgend eine Aussicht hält««» mich für einen ent sprechenden Preis — loSzuschlagae- Lassen wir den Spott ganz W>Me, Frau Baranm. L»»«- ficht^-. ««»flchtz habri > Millionair, der »nbeweibl ist und dem zu seinem Reichthum nur eine schöne und vornehme Frau fehlt, um . . . Ihm den Reichthum zu erleichtern, Herr Michelson? spottete sie unbarmherzig weiter. DaS wohl weniger, obschon eS zur Sache gehört. Die Hauptaufgabe der Frau würde eS sein, ihrem Gatten Kreise zu eröffnen, die sich voll unberechtigten Vorurtheils gerade Männern von Verdienst verschließen. Ah, ich verstehe — Sie drücken sich ganz vortrefflich a»S, Herr Michelson. — schade, daß Sie nicht Diplomat geworden. Männer von Verdienst — darunter verstehen Sie natürlich solche, die zu verdienen verstanden — einen besonder« klang vollen Namen würde mir rin solcher Gatte natürlich wohl mit in die Ehe bringen? WaS thut der Name — eS wäre Ihre Sache, ein „von" vor denselben zu erringen. Vorläufig dürfte es genügen, wenn Sie aus Ihre Karte setzen: Frau So »nd So, geborene Gräfin Mengen — das klingt unter allen Umständen. Ich bewundere Sie, HerrMichelson. und müßte eigentlich m dankbarer Rührung zu Ihnen aufblicken. Sie thun übrigens, als stände der Herr So und So, dem nur das kleine „von" vor dem Namen fehlt, bereit« draußen und Millionen zu Füßen zu lege». Michelson« Antlitz aber erschien, trotz alle« Hohn« der Baronin, ganz verklärt. » nicht da - wie sollte er auch. Aber ich werd chn herschaffrn — gewiß werd ich. wenn ich festen Auf trag dazu bekomme. Hab ich doch eine Idee, e,ne Spur — Baronin, Uud wenn Sir mir "laubeu^ für Sie zu Handel» ... MiA»? ^ dl" unterschreiben. Herr noch spotten, wenn Sie mich ganz auf- Leben einmal"?^" mein Grundsatz, alle« im «v ,» ler,e«. warum nicht auch adel«. MiWn' «"«r uns.« Angelegenbeit. Herr ^«e.rnht nEjch^'lauge ^^ ^^.^^„it-, und Ihren Namen schädigen, hieße ja die ganze Sache in Frage stellen — Sie geben mir neue Wechsel . . . Und Sie mir selbstverständlich einen neuen Vorschuß. Michelson fuhr zurück. Wie heißt — noch Geld her- geben — wo das andere unsicher genug? Unsicher — bei der Anwartschaft aus die Million? Ich begreife Sic nicht, mein bester Herr! Jedenfalls werden Sie einsehen, daß ich leben muß, wen» ich mich der großen Auf gabe erhalten soll, Frau So und So zu werden — und zum Leben hat leider noch immer Geld gehört. Sie sind fürchterlich leichtsinnig, sagte Michelson fassungslos. Welch ein häßliche« Wort — ich fange nun an klug zu werden und Sie zu begreifen. Nicht ich, sondern Sie selber hatten jene „große Idee" — und nun seien Sie verständig und geben die Wechsel her, die ich für die alte und neue Schuld zu untevschreihen habe. Sie wissen, ich sehr nicht so genau auf die Summe, welche Sie hineinschrriben, und ver gleiche sie nie mit eer.die Sie auf den Tisch gezählt haben. Und nun machen Sie «in Ende — ich habe furchtbaren Kopf schmerz und halte mich nicht länger aufrecht — alle» Uebrige ist ja dann Ihre Sache. Murrend, seufzend, scheltend that Michelson endlich, wie sie gewollt. Al« er dann gegangen, sank Melanie erschöpft mit Hellem Auflachen auf einen Divan. Soweit gekommen, ächzte sie, soweit! Ni« werde ich mich so ties erniedrigen, mich von diesem Menschen verschachern zu lassen — lieber noch verkaufe ich mich an Bürglin — aber ich habe vorläufig Zeit gewonnen, Zeit — und das ist die Hauptsache! 12. „Ich aber schaue mit fremden Auge» in dir Glückselig keit" ... Eornelie Runghrr ließ da« Buch, in dem sie gelesen, mit ^isem Aufschrei in den Schooß sinken. E» war daS Tagebuch Rahel Varnhagen« und jener Ausspruch wenige Wochen nach ihrer Vermählung eingezeichnet. Mit fremden Augen in die Glückseligkeit schauen — konnte inan treffender ein Darben «ui Ueberfluß, ein Frösteln im Miltagssonnenschein, ein Nicht- «faffenkönnen gebotenen Glück« bezeichnen? Der jungen d« Worte ins Herz, den» ihr eigener «uhe.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite