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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920429028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892042902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892042902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-29
- Monat1892-04
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I» der Haaptrxprditio, oder de» i» detzttk nn» d«, «»ree«, errichte»»» «»4. gebestelle» ,»,,h,tt: vtrrt»ljL»r>tch^I4^ vrt z»rim»liaer tSglicher gustrlln«, t»4 de»« » Lurch die Post bezoarn für Dentfchlaad o,d Oesterreich: vtert»t,IU>rtich 8.— Direkt» täglich« Kreujdandsendiuig t»t AWlnnd: »onnttutz Gl . Dte«°r,n>.«,eg°»e eefchckn« tLgllch ',,7 Uhr. d«, «d»dM»»^d» «ochrnwO, » Utzr. UrV«ctiou „tz Lr-tSMo»: S»t4«»e4«t,I» 8. DleErpedition ist Wochentag« »»»»trrbreche» »»DM iw, früh 8 bG »b«ch« 7 UtzL Filiale»: Vtt» Ae«« « O«rlt«. HtttzM. UniversttäUstrah« ». «ont« Lisch». Kntharinenstr. Ich »H. n^ A««»»pl»» 7. Abend-Ausgabe. MMer.TagMM Anzeiger. Organ für Politik, LocalgeMte, tzandelr- und GeschSstSvcrkehr. J«sertio«SpreiS Die 6 gespaltene Petitzeile LO Psgi Nerliun»» unter dem «edartto»«ftetch (»>>» fpulte») SOch, svr den Aa«iltr»»,«hricht»» (dgrlpaltru) «0^. VrSßere Echristen laut »usere» Verls» ver««ich»iß. Tabellarischer »nd Wsernstch »ach tzötzere» Dar». Er tra-Beilagen lg»fal»t). »»» mit der Mo» gen-Ausgabe, ohne Postbeslrdernng Sll.—, «it Poslbesördernng 70.—. ^««ahmeschluß f»r Z»seraie: Abend-Ansgab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Rachmitlags «Uhr. Sonn- aud Festtag« früh » llhr. Vri de» Filialen und Luuohmestelle» j» e<a» halb« Stunde früher. Inserat, si»d stet« ,a dt» Erstrdttt-» »o richte». Druck und Vertag »oa E. Pol» t» Lr>V»l> A8. Kreitag den 2V. April 18V2. 86. Jahrgang Zur Lage in Paris. Die französische Hauptstadt bietet augenblicklich ein Bild trostloser Verwirrung und Kopflosigkeit. Alle Welt >st darüber einig, daß Etwa« grschebrn müsse, um den aus den ver brecherischen Thaten der Anarchisten hervorgebenden Gefahren entgrgenzuarbriten, aber über da- »Wie* ist man offenbar völlig im Unklaren. Jedenfalls steht die berufene Wächterin der muhe und Sicherheit, die Polizei, keineswegs auf der Höhe ihrer Aufgabe. Obgleich sie sich zuerst gerühmt hatte, genau über die anarchistischen Gruppe«, über deren Führer und die dazu ge hörenden Persönlichkeiten unterrichtet zu sein, hat doch wieder da« Attentat gegen Bery den Beweis geliefert, daß gerade die gefährlichsten Schufte der Aufmerksamkeit der Polizei sich zu entziehen verstanden haben. Zwar werden Massenvervaftungeu aller derjenigen Personen vorgenommen, welche als Anarchisten bekannt sind, und in der Provinz dauern die Verhaftungen und Haussuchungen ebenfalls fort, aber im Publicum herrscht allgemein dir Meinung, daß die Verhafteten meist bloße Schreier sind, die den entsetzlichen Vorgängen der letzten Zeit ziemlich fern stehen. E« ist ein zielloses Umhertappen, und ans ver Pariser Polizeipräfectur herrscht eine grenzenlose Verwirrung. Man fühlt, daß man zu handeln verpflichtet ist und ist in der größten Verlegenheit, wie man das an de- Innern di« Frage gerichtet, ob seine Demission genehm sei. Der Minister de« Innern soll darauf mit dem Dircctor der Sickerheit-behörd« confcrirt haben, welcher indrß die pro visorische Gesammtleituna der Polizei und des Sicherheit- dienste« ablrhnte. DaS klingt Alles nicht sehr beruhigend, und es ist deshalb erklärlich, wenn die Fremden, aber auch wohlhabende Bürger, dir ihr Geschäft nicht an Paris esselt, in Massen die Stadt verlassen, in welcher ir den Gewaltakten einer Handvoll ruchloser Verbrecher chutzlos prei-gegeben sind. Dabei steht der 1. Mai vor der Thür, an welchem neue Exresse befürchtet werden. Die Regierung trifft umfassende Maßregeln, um größeren Au« schreitungen vorzubeugen, aber diese Maßregeln können doch höchsten« Straßentumulte, Massendemonstrationen verhindern, und diese fürchtet Niemand, sondern nur die im Geheimen, ohne Lärm vollführten Anschläge gegen Leben und Eigen thum. Da« übergroße Ausgebot aller verfügbaren militairischen Kräfte um und in Pari« ist nur geeignet, die schon bestehende Beunruhigung noch zu vermehren. Rings um Pari« sind die Truppen roncentrirt und neue Truppeu- züge treffen fortwährend ein. Die Aufregung in der Armer und besonder« unter dem Offlcier-Corp« ist sehr groß, zumal da« pasflrrnde Militair häufig von der Volksmenge provocirt und gehänselt wird. Diese Haltung der Bevölkerung ist übrigens bezeichnend, weil sie zeigt, daß trotz Allem, was ge schehen ist, die großen Massen immer noch kein Vcrständniß sür den Ernst der Situation haben. Charakteristisch dieser Beziehung ist wieder ein Vorfall, der sich in Pa zutrug. Die Polizei versuchte zwei Personen, welche der Be theiligung an dem Attentate gegen Very verdächtigt sind, zu verhasten. Als dieselben Widerstand leisteten und ihre Un schuld bethrurrten, griff die Volksmenge die Polizei an und versuchte, die Verhafteten zu befreien. Man läßt sich also selbst jetzt noch von der instinktiven Abneigung gegen die Orgau« der Polizei dazu verleiten, ihnen die Ausübung ihre« Dienste« zu erschweren, im selben Augenblick, in welchem man de« Schutz derselbe» anrus» und ihr Mangel an That kraft vorwirft. Ueber die neueste» Vorgänge in Pari« liege» folgende Nach richte» vor: Pari«» S8. Aprll. Nachdem gestern früh einige Blätter ihrem Befremden Busdruck gegeben hatten, daß Earnot sich um die DynamiV-Opier nicht kümmere, besuchte der Präsident der Republik Rachmittag« Bert, »»d dt« übrigen Verletzte» im Krankenhaus« und sprach freundlich mit ihnen, drückte ihnen die Hand, lieh für Bert, lOOO, für dir anderen nach der Schmer» idrer Verwuudmige» bM dis lOO Frrs. zurück. Bon Berys vermißte!» Geld« sind gestern gegen 1240 Frc«. im Schutt ausgefunde» worden. Die Tainiiittmg sür ihn nimmt einen langsamen Fortgang. „Mali»" hat erst 1250 FrcS. ver einigt. — Auf einen Drohbrief hin verliehen gestern gegen vierzig Miether mit Sack und Pack «in Hans in Belleville, da« 84 Miether beherbergt, 38 von ihnen schuldeten ihre Miety» und der Eiaenthiimer ist überzeugt, das» der Brief nur rin Kniff war, um seinen Schuidnern da« „Au-rücken" zu gestatten. Der Etadtchemiker Äirard, rin hoher Beamter, war so geschmackvoll, einem Berichterstatter gegenüber anzudeuten, daß hinter den tlariser Anarchisten wahrscheinlich der Feind iin Oste» oder Südoste» stecke, also Deutschland und Italien. — Tie Einzel- heile» der Ravachol'jchen Gerichlsverbaiidliiiig werden jetzt kritisch zusaininengestellt. Sie sind überaus erbaulich. Ter Gericht-Vorsitzende Kues sagte zu Ravachvl im Lause de» Verhörs: Sie wollen vom Morde des Einsiedlers nicht spreche», d»S ist Ihr Recht, aber ich habe die Pflicht, de» Geschworene» davon zu erzähle». Nachdem GueS Ravachol's übrige Verbrechen bergerechnei hatte, fuhr kr fort: Ich, als Richter, ich, als Vorsitzender des Schwurgerichts, bin denn doch gezwungen, zu sage», das, Ihre Vergangenheit schrecklich ist. Später jaule GueS: Ich will mit Ihnen nicht streiten, ich wurde Sie ja doch nicht bekehren. Ferner: Sie sind »In Man» der Thal, kraft voll und entschlossen; der Erstbeste wmde nicht vollbringen, was Sie gethan haben. Bedauerlich st) ist nur, dag Sie die Vergangenheit baden, die st« selbst bekennen. Tann: Sie sind großherzig gegenüber ihren Mitangeklagte», Sie nehme» deren Schuld aus sich! In der zweite» Hälfte de» VerhürS nannte GueS de» Angeklagte» gegen all« Genchtsgepslogenheit „Herr" Raoachol und die« mit einer Be- tonnng, die einem „mein lieber Herr Ravachoi" gleich kam. Der „Petit Parisicn" erzählt verbliissende Einzelheiten aus dem Be> rathungSzimmrr der Geschworene». Aus die erste Vor- rage de- Obmann-, ob man mildernde Umstände znbiüigen olle, riese» alle Geschworenen einstimmig: Nein! Als dann ordnungSinäßig die geheime Abstimmung vorgenoinlnen wurde, wurde» sieben Ja und süns Nein abgegeben. Ein entrüsteter Geschworener sagte, es müsse ein Jrrlhum vorliegen, die Frage müsse mißverstanden worden sein, und forderte eine neue Abstimmung. Man wagte nicht, ihin diese zu versagen, aber die zweite Abstimmung halte genau dasselbe Ergebnih wie da» erste. Nach der Abstimmung weigerten sieh zwei Geschworene, in den Gerichtssaat zurückzu- kehren, und «4 bedurfte langen, hejtigc» Zureden-, um sic schliess lich doch au» dem Berathiiugszimmer hera»s»»bri»gen. Die Blätter sind verdientermaßen äußerst hart arge» die schmähliche Feigheit der Geschworenen. Der „Soir" rust, sie hätten sich vor Frankreich und dem Ausland« mit Schmach bedeckt und besudelten Frankreich-Ehre. Die „Ration" fragt höhnisch, ob sie wohl schon persönliche Lsbbriese von den Herren Anarchisten bekommen hätte»? Da« „Iourn. de« DSbal»" schreibt: Der Wahrspruch macht de» traurigsten Eindruck, er beweist, daß die Gesellschaft sich ausgiebt und sich nicht mehr selbst zu schützen weiß; den Geschworenen hat Verstand und Muth gesehlt. Nur die „Lanterne" »nd der „Intransigeanl" finde», die Ge schworenen hätten recht gethan, der einzig Lchnldige sei Oiiesnav, der, um einen persönlichen Ersolg herauszuschlagen, Ravachvl in Pari« wegen eine« politischen Verbrecht»« verjolgie und nicht in Saint-Etienne wegen des Raubmordes. Die Panik »imint eher z». Man vrrmnthet jetzt den Thäter de« letzte» Anschlages in Pini, dem italienische» Anarchisten, der kürzlich a»SCayenne durchbrannte und angeblich in Pari« ist. (Boss, Ztg.) Part«. 28. April. Wie verlautet, sind Carnot, sowie die Minister seit gestern von allen Setten bestürmt worden, den Belagerungszustand zu proclamircn, wodurch allein die Regierung in den Stand gesetzt werden könne, die nolhwendige» Magregetn zu ergreifen, uin die össcntliche Ordnung zu sichern. Wohl als Antwort Uetz Loubet km heutigen „Figaro" ein Interview ver öffentlichen. Paris, 28. April. Freycinet's Armeebefehl für den 1. Mai giebr detnillirte Vorschriften für dar Verhalten der Truppen. Bor Allem ist da« Einschreiten derselben wenn möglich z» unterlaßen. Wenn e« nvthig ist, soll zunächst Lnvallerie einjchreiten. Gebrauch von brr Waffe ist erst nach der «ussordernng zum Auseinander, gehen, vorausgesetzt, daß Zeit zn derselbe» bleibt, zu machen. Tie Maßregeln lassen sich in »in Wort zulammensaffen. Am I. Ma wird die gesammte französische Armee consianirt sein Der Pariser Arbeits-Direktor erhielt de» Auftrag, vor dem 1. Mai jäiittiilliche in der Ausbesserung befindlichen Straßen von lose» Pflastersteinen sreizumachen. PariS, 29. April. (Telegramm.) Den Morgenblättern zufolge sollten beute Morgen abermals Ha »Ssuchnngen gehalten »nd Zahlreiche Haftbefehl« ertasten worden sein. Die Parteigruppe >er revolutiviiairen Commune hat sich gegen die am I. Mai ge. planten Kundgebung,» ausgesprochen. Dieselben seien da» Werk der keaciionairen deutschen Soclatistea. ich erklärt oder der Abstimmung fick enthalten hätten. Jmnierbin beweist da« Ergebniß der Beratbung, daß di« extreme Tonart in der Fraktion dir audschlaggebrnde ge worden ist. Politische Tagcsschau. * Leipzig, 29. April. DaS preußische Abgeordnetenhaus hatte gestern eine» großen, einen Tag wenigstens, der groß z» werke» vrr- prach mid deshalb die Tribunen überfüllt batte. Auf der (agcSorditting stand der Nachtragsetat sür den neuen Ministerpräsidenten und nian batte de-bald Aufklärung über die gcsaminle politische Lage erwartet. Diese Erwar tungen wurden aber nur in bescheidenem Maße erfüllt. Am Minislcrlisch waren die inrislen Minister, die Herren Gras Eulcnburg, Miguel, v. Bocttichcr, Bosse, v. Berlepsch, Schilling, Herrfurtk, vetsaimnell und niedrere derselben griffen auch in die Bei Handlung ein, aber wesentliche Aufklärungen über so manches, was gegenwärtig die Gemütbcr bewegt, empfing man nicht aus ihren Aeußernngcn, und auch bei den großen Parteien des Hauses fehlte offenbar die rechte Lust, in die Tiefen auf regender politischer AnSeinandcrsetznnge» binabzustcigcn. So nahm die Verhandlung einen ziemlich malten Verlauf. Der Gegenstand war bekanntlich vor Ostern unter etwa« seit» amcn Vorkommnissen von der Tagesordnung abgcsetzt worden und die Anssprache hierüber, ferner aber auch die Erneuerung der principiellen Stcllnngnahmc »» der Volks chulgcsetzfragc, bildete den hauplsächlichsten Inbalt der Ver handlung, hinter welchem der eigentliche Gegenstand der TagcS- Ordnnng, die Errichtung eines selbstständigen, vom Amt de« Reichskanzlers getrennten Amte- eines preußischen Minister präsidenten ebne besonderes Ressort, weit zurücktrat. Als Gesammtresullat der Debatte, die heute fortgesetzt werden wird, kann allenfalls bezeichnet werden, daß Gras Eulenburg als preußischer Ministerpräfident mit dem Reichskanzler aus daS Beste anSkoinmcn zn können glaubt, während die Con scrvativcn — vielleicht, weil sie den baldigen Rücktritt drS Grafen Eulcnburg wünschen — nicht recht daran glauben CultnSininister Dr. Bosse wird zunächst kein neues Schul' rgesctz vorlcgen und erst di« Beendigung der Steuer' rcsorm abwarten, bevor er ein SchuIdotatwnSgesctz ein bringt. Inzwischen wird er auf dem Verwaltungswege zn regeln suchen, waS auf gesetzlichem Wege zur Zeit nicht geregelt werden kann. Wie weit er dabei den Wünschen des CentrnmS und den extremen Conscrvativen enlgegentvinnit, bleibt abzuwarten. Auch die Herren v. Hammerstein und Stöcker haben gestern eine» große» Tag gehabt; sic haben in der kon servativen Fraktion des Abgeordnetenhauses folgenden Beschluß durchgrsetzt: „In Erwägung, daß Herr von Helldorss-Bedra ln seiner öffentlichen Erklärung vom 4. April t8S2 erklärt hat. daß das „Eoniervative Wochenblatt" unter seiner Oberleitung geschrieben werde, in fernerer Erwägung, daß in diesem Wochenblatt« dem- nächst wiederholt Artikel erschienen sind, welche offen den Zweck verfolgen, «ine Spaltung innerhalb der conscrvativen Partei herbei» zusüdren, in weiterer Etwägung, dnß rin solche« Vorgehen unser, irägiich erscheint mit der leitenden Stellung, welche Herr v. Hell dors tm Elser-Ausschnß, d. h. der Gesammt-Bertretung der confer vativen Partei, einnimmt, billigt die conservative Fraktion de« Abgeordnetenhäuser die Schritte, welche ihre Delegtrten im Elser-Ausschuß behus« einer anderweltrn Zu sammensetzung der geschästSführendrn Lritnng Hirse« Anrschusse» gethan haben." Bon de» anwesenden 97 Mitgliedern stimmten 95 für, 1 gegen den Antrag; l entdielt sich der Abstimmung. Da die conservative Fraction de- Abgeordnetenhauses l25 Mit glieder bat, so ist c« möglich, daß in einer vollzähligen Sitzung der Fraction no» mehr Mitglieder gegen den Antrag Wie in der conservative,, Partei Preußen« die „schärfere Tonart" über die gemäßigtere siegt, so kommen anch in der Dresse de« Crntrumv die Gesinnungen und Wünsche der Extremen immer ausschließlicher und unverbüllter zum Aus druck. So veranlaßt die Ankündigung, daß mit dem König on Italien möglicherweise auch der Kaiser von Oester- eich in Berlin emtreffcn werde, die „Germania" zu einem giftigen Ausfälle gegen den König von Italien. E« heißt in der Auslassung: „Au- dem richtigen Gesühl heran«, daß mit dem Besuch de« Königs des „greinte» Italien«" allein nicht viel „Staat" zu machen t't, beglebt man sich aus die Suche nach einer Stassagr sür den König Humbert. Und diese Staffage soll kein Geringerer abgebrn, a>« der Kaiser Franz Iosel von Oesterreich, den man bl» jetzt ja auch immer vergeblich nach Rom zu schleppen versucht hat, «m dein Regime der piemontrstschen Eindrtnaling» eine ver- larkle Unterlage zu verschaffen. Ma» könnte versucht sein, über die „Findigkeit" der Kreise, welche jenes Manöver tnsceniren, zu lächeln, wen» ihr Plan nicht eine schwere Beleidigung de« Kaiser« von Oesterreich enthielte, indem man ihn, den Inhaber eine« der ältesten und ehrwürdigsten Thron« Europa«, gerade siür gut genng hält, die Staffage des Nachsolger« desjenigrn zu bilde», drr den hl. Unter eine« Besitztdums beraubt und widerrechtlich in Hessen Stadt ich festgesetzt hat." Aus dieser Leistung der ultramontanen Presse wird Graf v. Caprivi unschwer ersebcn können, wie seindli^ im Grund« da- Centrum seiner auswärtigen Politik gegcnüberstcht, di« 'wtbwcndig aus die Erhaltung und Kräftigung de« Drei bundes gehen muß. In drr Verfechtung der anaeblichrn Rechte des PapsttbnmS wa^t sie e-, den Verbündeten Deutsch land- als Räuber und Eindringling zu bezeichnen und mit Schmutz zu bewerfen. Die preußischen Conscrvativen können hieran- ersehe», in wessen Arme sie gerathen» wenn sie sich immer weiter von den Freiconservativrn und den National liberalen „fort entwickeln." Die „Deutsche Revue" veröffentlicht einen Aussatz de» ranzösischen Senators und früheren Ministerpräsidenten Iule» Simon, Vertreter« Frankreich« aus der internationalen Arbeiterschntz-Conserrnz, über den Anarchismus. Simon führt au«: „Die Anarchisten haben in der Stadt Pari« in einer Woche 4 Ntteniate unternommen. Sie sind nicht stark an Zahl, aber sie brauchten auch nur wrnig Arbeiter zur Aussühruug ihrer Pläne. Da« lst eben das Sigenibllinttche drr modernen Höllenmaschinen, daß man mit so sehr wenig menschlichen Arbeitskräften so große Zerstörungen anrichten kann. Außer den Pariser Attentate« sind noch andere in London und Lüttich auSgesührt und versucht worden. Kein Land ist vor ihnen gesichert. Die Pariser Anarchisten, wrtche vor allen Dingen an einigen Richtern Rache nehmen wollten, sind die einsälligsten von allen, doch müssen oder können wenigsten« einig« gescheitere Menschen unter ihnen sein. Wenn man von ihnen spricht, so kommt einem ganz unwillkürlich das Wort „Wilde" aus me Zunge. Und in Wirklichkeit sind e« auch WUdr. Drr gastand der Wildheit hat seine besliinmlc Stelle in drr Geschichte, und wenn ich auch die Lehre von dein Fortschritte t» der Entwickelung drr Mensch heit nicht leugne, sonder» sehr fest daran hänge, so geschieht dieser Fortschritt doch nicht In gleichmäßigem Flullr, sondern mehr ln einzelnen Absätzen, und e« kommen auch Rückschritte vor, und be sonder« schreite« oft rin Theil zurück, währrnd da« Vau«» «etter sortschreitet. Wenn wir nun aber Wilde unter «n» haben «ad diese un« den Krieg erklären, so müssen wir das Unsere thun, um de« Angriff« Stand zu hatten. Hierzu giebt es, wie oben erwähnt, drei Mittel: Strafbestimmungen, die Uebenvachung «nd da» Monoval. Von diesen möchte ich kein« dem andern vorzichen, sondrrn alle drrt gleichzeitig anwenden. Frankreich hat mit dem System der Straf bestimmungen den «nsana gemacht. Das neue Strafgesetz ist t« 24 Stunden z» Stande gekommen und r< ist herzlich schlecht geratht». Viele Juristen sind — in Uebereinstimmung mit mir — der Ansicht, daß da« bisherige Strafrecht »»«gereicht hat, um da« Aadrtaarn von Sprengvatronen on bewohnten Orte» z» ahnde»; Iva« aber Feuilleton. Südliche Frühlingstage. Boa Paul Lindrnberg. «-«druck »erdete». ve« vi«rrttz »t« Vnrga». „Ein Sonntag war'« zur Osterzeit, E« stand dt» Welt tm FrühltngsNetd" — immer wieder und wieder fielen mir diese Verse de« klang vollen Liede« ein, al« wir im offenen Wagen von Bayonne, wohin un- au« Pari- da« Dampfroß gebracht hatte, gen Biarritz rollten; der erst« Ostersonntag war eS >a, «bernr Grüße sandten di« Kirchthürmr hinan« in da« frühlingSfrobe Land, geputzte Menschen kamen an un« vorbei, un« freundlich grüßend, und eine goldene FrühlingSsonne hüllte die Gegend >n «inen funkelnden Strahlenmantel ein, der so recht zu dirsem reich gesegneten Thellr de« südlichen Frankreich paßte. Wie durch rinen herrlichen Park fuhren wir dahin, auf bllaclauf und hügrtab gehenden Wegen, zu deren Seiten zierliche Lankhäu«- chrn auftauchteiz, di« anmutbig mit ihren Weißen Wänden »nd flachen rothen Dächern au-dem dichten Grün blübenderGebüsch« bervorkugtrn; denn in Blüthr stand Alle« ringsherum um un«: schwer hing«« di« Weißen und blauen Flirderzweigr berab, wir von einem weißen oder rothen Flockenregen üversSt standen die Kirsch- und Apfelbäume da, die Kronen der Maudrlbäume erschienen wie ein einzige« große» blaue« Bouquet, und di« bläulichen Blüthen der Magnolien ver mischten sich mit dem dunkeln Rech der Kamelien, deren Sträucher üppi> über niedrige Steinmauern und Hecken dinwegwucherlen. Und nun, nachdem unsere Pferde in flottem Trade einen letzten Hügel erklommen hatten, tauchte er plötzlick» vor un« aut, der großartigste, drr würdigste Hinkergrand zu dieser Frühling«pracht: dort lag er mit r,nein Mal zn unfern AÜM», drr rudlosr, der grwaltige Ocran, in schäumendem Gischt seine hochgetbürmten Dogen gegen die vielgczackten Felsenriffe schleudernd, dir sich läng- der Küstr hinzieben und diqe» Lherl« der BiSeatzischen Mrrrbucht ei» so wechselvollr« Bild verleihen, a»S dessen weitem Rahmen sich Biarritz mit seinen Villen und BadebäuSche» kokett abbebt. Dir eigentliche Saison de- Weltbade- hatte noch nicht be gonnen, trotzdem schlenkerte schon auf den Strandpromenade» rin international- Publicum umber, wozu die langausqc- schoffenen Töchter und bagern Söhne AlbionS da« größte Contingent gestellt. DaS buntfarbige Gewimmel der Großen und Kleinen am Strande fehlte allerdings noch, uns aber war die- gerade recht, denn so konnten wir »»gestört immer wieder und wieder die überwältigenden Eindrücke des OceanS aus un« einwirkrn lassen, stundenlang a»f seinen FelSklippen gelagert, die von dein sprühenden Schaummeer der Wogen kämme umhüllt waren und unter der donnernden Wucht de« Anvralle« bis in ihre Gruntscsten hinein zu beben schienen, während die Möven dicht über unfern Kopsen mit beiserm Sck,rci dahinschossen und unsre Augen über die endlose Wasser fläche schweiften, links nur begrenzt von den kühnen Gebirgs zügen der Pyrenäen, von deren einzelnen Häuptern frischer Schnee herniederschimmert«. Den Pyrenäen zu ging e» am nächsten Morgen, und nach kaum zweistündiger Eisenvahnfabrt batten wir die spanische Grenzstation Irun erreicht, wo grünbehandschuhte, grau- uniforniirte Zollwächter eifrig «ine ziemlich eingrhende Durchsicht unser- Gepäck« Vornahmen, wahrend die den Polizeidirnst versehenden Milizsoldalen — merkwürdig unter setzte Gestalten mit Gesichtern, dir Einem wenig Vertrauen einslößlen, und Uniformen, di« lebhaft an dir Karlistenkriege erinnerten — sich inmitten de« lärmenden Menschentrubrl« einem beschaulichen süße» NichtSlhun Hingaben. An jene Auf stände de» ekeln Don Carlo« abenteuernden Andenken« wurden wir auch auf unsrer alsbaldigen Weitersabrt mehrfach ge mahnt» denn hier und dort traf man auf niedergebrannte Hütten und Gedöste, deren kahl«, geschwärzte Mauern trost los gen Himmel starrten; auch dir verschirdcntlichen Dörfer waren ganz aus Krieg nnd KriegSgesckirei eingerichtet: die niedrigen, gelb, grün, weiß angestr,«denen Häuser waren dickt zusaniiiicngerränat und die sick fest zusammensckließcndrnAußen- gaffen bildeten säst richtige FestnngSmauern, während die kleinen, viereckigcn Fensterchen al« Schießscharten dienen konnten Trotzige BaSlrngestallen traf man aus den einzelnen Stationen, die rothe v»-»a, «ine Art weitrr Richard Wa>arr-Mützr, ans drm schwarzen Haar, und die Facha, eine vielfach gefaltete bunte Schärpe, »ichrmals um den sehnigen Körper geschlungen: zu ihnen paßte die wildromantisch- Gegend; schroffe FelSabgründe, dann schmale Thäler mit spärlichen Saale», einige Edel kastanie» dazwischen, und nun wieder hohe Bcrzricsen, über deren Ausläufer mühsam unser Eiscnbabnlrain keuchte. Ihren wildesten Ansdruck fand die Gebirgsgegend hinter dem Städtchen Viltoria in der Schlucht von Pancorlo, wo turm hoch die Felsen emporzacklen und zwischen ihnen brausend mehrere Gebirgsbäche hcrabschoffen, ein verlassenes Augustiner kloster »mspUlend, daS sich wie schuhsuchcnd an einen der finster» FclSgratc gelegt; bald danach rasselte nnsrr Zng über die Eisenbrücke des Ebro, dessen gelbe Wogen in schinalei» Flußbette schnell bahinschießcn, und mit anbrcchcndcr Nacht dielten wir in BnrgoS, der einstigen Hanptstadt Al» Kastilien«, von der a»S Spanien von de» Mauren befreit »nd das alte Königreich wieder bcrgestellt wurde, beute eine Provinzstadt von etwa- »lehr als dreißigtausend Einwohnern. „Heulen und Geschrei und Ruse», Rossetritt und Menlchenstimmen Mit GerSusch der Waffen tönte Zu Blirqo« vor König- Hos" — beißt e« im „Cid", und auch wir tonnten die Worte auf un« anwenden, denn schon am früben Morgen weckten uns schmetternde Trompetenfignaje »nd rasselnde Trommelwirbel, lautes Rossr- stainpsen und schallende Commandoworte, — einzelne Trnppen- »heile drr Garnison rückten zu einer Uebung an- und marschirlen oder trappelten vielmcbr an drn Frnstern unsere» Hotel« vorüber, da« un- in jeder Hinsicht eine auSgezeichnrte Gastfreundschaft geboten batte. Früh geweckt, konnten wir desto eingehender die «stakt de« Cid und der kastilischen Könige brstcktiaen; dir Stadt hat wenig vom neunzehnten Iahrbundert adbekommcn, sie hat sich vielfach ihre alte Gestalt bewahrt, rinr Gestalt, wie man sie sich malerischer und origineller kaum denken kann; Jahrhunderte sind ja über die meisten ihrer verbogenen »nd verwitterten Häuser dinweggegangen, die über ibrrn gr- wolbtrn, oft mit schöner Steinmetzarbrit versehenen Portalen noch vielfach die Wappen ihrer ehemaligen ritterlichrn Be- wcbnrr aufweisen und drren Höfe mit ibren breiten Bogen hallen einen vornehmen, aber auch zugleich verlassenen und verkomme»«« Eindruck mache«, verlasse»« u»d vertomm««- >eit, da« ist der Stempel, den allmälig dir Zeit dieser einst v stolzen, bochgcrühmten Stadt, von der der Ruf de« Cid die Welt erfüllte, ausgeprägt hat; die hohen Säulen der Flure und Säle in den Häusern zerfallen, auf den Höfen, die einst die Hufe der Schlachtroffr zrrscharrt, wächst Gra« und Unkraut, und von den rrichgezierten Sandsteindalustraden der Balcone, von denen einst die edeln Kastilierinnen die hcimkel,»enden siegreichen Herrschaaren bewillkommnet» hängen Wäschestücke der diScrelesten Art herab. Und ver lassen und verkommen sieht auch die Mehrzahl der Bewohner au«, jene Hidalgo«, die sich, meil sie Alt-Kastilicr sind, adlig dünken und die doch drn ärmsten unserer Bettler gleichen; den Poncho, eine gelbe oder auch andersfarbige Decke, um den Oberkörper, zuweilen bi« zu dem Mu>w hinauf ge schlungen, die Beine in engen, häufig sehr geflickten Hosen, an de» Füßen die weißen Sandalen, stehen oder bocken sie überall umber, un« neugierig betrachtend oder uns die Hand bettelnd cntgcgenstrrckend; dabei flammt«» den mandelförmig geschwungenen Augen ein so vrrzebrrndr« Feuer, und die braun- vcrbrannlen Gesichter sind so kllbn, so stolz im Ausdruck, daß uns nur noch schroffer die äußere Arniuth ausfällt, und man ehrliche« Mitleid empfindet mit diesem aus eine rnbmreichr Ver gangenheit znrückblickcnden Volksstamm, drr heute ein Schatten seiner selbst ist. Wie dir Männer, so geben auch di» Frauen, ich spreche hier speciell von den ureingeborcnen, also untern Volksschichten — nur wenig noch aus ihre äußere Haltung; uni den Kopf den schwarzen Spitzrnshawl geschlungen, huschen sie theilnahmlo- an den Häusern dahin oder kehren, aus einem Esel hockend, von ihren Marktelnkäufrn nach den nahen Dörfern heim. Anch bet ihnen sind dir Augen da« Schönste, Augen, die heiße Flammen verrathcn und die «4 nicht rathsam erscheinen lassen, mit ihren Inhaberinnen un ziemlichen Scherz zu treiben; überhaupt scheint all dirsrn Frauen und Männern wenig von irgendwelcher Daseins- sreudigkrit gegeben zu sein, glrichgiltig, oft sogar finster, blicken sie drein, al« ob sie jeden Tag auf« Neue schmerzlich enipsäitden, wie wenia die armselige Gegenwart «it der reichen Vergangenheit yarmonirt. Denn reich wabrlich muß diese gewesen sein, da« ltßrt un« am eindringlichsten dir Kathedrale von Burgo«, diese« herrlich« Meisterstück brr Gothck a«4 dem dreizehnte» I»hr«
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