Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920430022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-04
- Tag1892-04-30
- Monat1892-04
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ALomremeulSpreiS k de, Hailptexyebltto» od« de» kn Stad», bezirk «nd den Vorort« errichteten Ao4- aobestelleu »bgeholt: otrrteljährlich^s.üO, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau- „M ÜLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Lrsterreich: vieriel>ährlich k.—. Direct» täglich« Kreuzbandieubnag tu« Aullond: monatlich -e» v —. Die M orgen-Ausgab« erscheint tLglich V/k Uhr, di« Lbend-Autgab« Wochentag» b Uhr. ve-action und Lrpedition: Johanne»««rG« 8. DleErpedltlon ist Wochentag» «nnnterbroch« «eSssaet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filiale»: vtt» Me«»'« Tsrtt«. (Wlfretz -ich». . U»iversitLt«stratze ». r«nt» e»hch«. Katharlneufte. 14, pari, «nd »»nigspiatz 7. end-Ausgabe. eMM.TagMaü Anzeiger. Organ für Politik, Localgrschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Jnsertiousprei- Dre 6 gespaltene Petltzeile 20 Pfg.' Reclamea unter dem Nedactioa-strich (4a» Walte») bO^t. oor den Familitunachrich»» i»> geipalten) 40 >E. GrSher» Schriften lant unser»» Prei»- verzeichaib- Tabellarischer und Ziflerusatz nach höherem Taris. Ertra-Vctlagen (gesalzt), »nr mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng ^4 Sv.—, mit Postbesörderuag 70.—. Ännahmeschluß für Zsserate: Abend-Susgab«: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« sllhr. Sonn» und Festtags früh S Uhr. vei den Filialen und Aunahmestell« je eit» balde Stunde früher. Inserate stad stet« ,a di« »»PlUttt»« zu richten Druck und Verlag von E. Polh in Leipzig Tounaberrb den 30. April 1892. 86. Jahrgang Wegen-er Messe ist unsere Expedition morgen Sonntag Bormittags bis 1Ä Uhr geöffnet. Lxpvültlou ües Livlprlxvr Ir^edlatte«. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. April. Die Debatte deS preußischen Abgeordnetenhauses über den Nachtragsetat ist gestern in einer lange» Sitzung zu Ende geführt worden. Interessant, recht interessant war auch diese Sitzung, aber den Erwartungen, daß sie zu klären den Ergebnissen fuhren werde, hat sic noch weniger entsprochen als die vorgestrige. Den Gesainmteindruck und vas Gesammt- rcsultat der zweitägigen Debatte faßt unser Berliner HZ-Eorrc- spondent in einem gestern Abend abgcsendeteu Briefe folgender maßen zusammen: „Wie wenig befriedigt da- politische, da« Zeitung lesende Publi- cum schon nach den gestrigen Verhandlungen war, konnte man heute auch au- dem äußerlichen Umstande schließen, daß die Zuhörer- tribünen fast leer blieben. Gestern batte sich auch, außer dem Reichskanzler, der in Karlsbad weilt, und dem Kricgsniinister, der »och tminer nicht ganz hergestellt ist, da» gesommtr StaatSininistcrium cinyesunden. Heute fehlten die Herren vr. Miguel, v. Berlepsch, Thülen u. N. Allgemein ist der Eindruck der Enttäuschung. Es ift eigentlich gar nicht- Neues gesagt worden, obgleich die meisten Reden ganz gut waren. Auch die Redner waren gut „dtSponirt". Aber man fragt: Wozu, weshalb ist diese ganze Debatte nothwendig gewesen? Die viel besprochen« „Klärung" ist nicht erfolgt, weder von dem neuen Ministerpräsidenten, noch von dem neuen CultuSminister ist ein Programm kundgegeben worden. Beide Herren haben sich im Ucbrigen »nt vielem Geschick benommen, sie haben sich keine Blöße gegeben und nach keiner Richtung engaairt. Aber sehr richtig wurde von nationalliberaler Seite betont, daß Herr v. Rauchhanpt seine gestern verlesene „Erklärung" auch bereits vor vier Woche» hätte abgebcn können. Ebenso hätten die Herren v. Huene und Lieber damals bereit» ihre Reden halten küuncu — falls die- überhaupt uNbwendig mar, was mi-. —ckschicdru bezweiseln. Aber den Eonservativrn lag daran, erst über ihren inneren Parteizwtst einen Abschluß herbeizusühren, bevor sie sich der neuen Lage gegenüber äußerten. So wurde denn erst Herr v. Hell- dorff geopfert. Jetzt haben die Herren v. Haminerstein und Stöcker die unbestrittene Führung — in den Sumpf, wie wir fürchte». Es sei denn, daß neue Fragen bald wieder eine neue Krise in der conscrvoliven Partei heranfbesebwören und daß, wie schon einmal, doch die Secession der staalswäunijchen und besonnener veranlagten Männer erfolgt, wiederum zu einer Fraktion der „Neiiconservativen", wie sie sich einst unter Herrn v. Rauchhanpt nannten. Die Ver handlung über den Nachtragsctat wäre bequem an einem Tage erledigt worden, wenn nicht Herr Stöcker da» Wort bekomme» hätte, welcher in gewohnter leidenschaftlicher und übertreibender Art wieder den Gegensatz zwischen Chrislenlbum und Atheisten con> struirt«. Ihm folgte heule der demokratische EentrumSmann Lieb« Daß er vorgeschicki wird, läßt erkennen, daß da» Eentrum durchan» opponiren will. Erjrcuiich war auf der ander» Sette das Bild der Etuigkeit der gemäßigten Gruppen. Der Appell des Herrn von Bennigsen zeigte die schönste Wirkung. Wenn die Freiconser- vativea und Nationalliberaicn, wenn die überwiegende Menge der deutschen Bürgermeister und Universitätslehrer, wenn überhaupt die Elite des gebildeten, des besitzenden Bürgerstande« als Gottesleugner be zeichnet werden, wenn Herr v. Huene von der „sogenannten' Loltur weicht, dann «erde» die Vertreter dieser „sogenannten Cultur" immer einig zusammen auf dem Posten stehen. Gegenüber den vornehmen und staatsmänaischen Ausführungen des l>r. Friedberg bewährte beut« der durch sein« jüngste Breslauer Rede bekannt gewordene schlesische Graf Ballestrem ebenso die jesuitische Schule, welch« ihm zu Theil geworden, durch seine fortwährenden illoyalen Verdrehungen und Unterschiebungen, wie sein« Unfähigkeit zum sachlichen Disput. Schließlich war die ganze zweitägig, Debatte eine Wiederholung der Geueraldtscussion über da» Bolk-ichulaesep. ES folgte erklärlicher- weise eine Fluch von „persönlichen Erklärungen", welch« aber keines wegs zu einer Lösung der zahlreichen „Mißverständnisse" führte und dt- erregten Wogen nicht glättete. Alle- war erschöpft «nd doch war man aus allen Seile» gereizter, als bei Beginn der gestrigen Berbandiung. Von einer „Frucht" derselben kann keine Rede sein. Man ist eben heute „ebenso klug al» vorher!"" Wir haben dieser Ausführung nur noch Folgendes hinz»- mfügcn. In der vorgestrigen Sitzung hat der Adg. v. Rauch - Haupt in seiner im Namen der konservativen Partei abgegebenen Erklärung folgende Bemerkung gemacht: „Meine politischen Freunde können ihr Bedauern nicht unstr- drücken, daß ihnen bei Berathung de» BolktschulaesrtzcS nicht die Zeit gelassen ist, diejenigen Gegensätze, welche sich gegcnüber- stonden, zu überwinden und eine Verständigung herbeizusühren, welche ei» befriedigend«» Resultat hätte erwarten lasten." Diese Darstellung der Vorgänge enthält eine starke Entstellung der Thatsachen. Während man danach glauben sollte, die Eonservativen batten im Abgeordnetenhaus^ bezw. i» der Commission eifrig nach einer Verständigung mit de» Mittclparteien gesucht, stand in Wahrheit seit den bekannten Ausführungen d-S Abg. v. Buch in der ersten Lesung in» Plenum der Bund der Eonservativen mit dem Eentrum vvufvmmcn fest, und in der Commission wurde da winzige conservativ-klerikal-polnische Uebergewicht mit einer geradezu unerhörten TerroriSmuS, auch gegen die maßvollste liberalen Forderungen, ja. zp weitere» Verschärfungen der Vorlage in confessioneller Bez»«Ltiirg mißbraucht. Sollte Herr v. Rauchhaupt das wmstich izjHt wiss»>zch Es ist stets vom Nebel, wezu, sich da- Organ der extremen preußischen Eonservativen, di« „Krruzzritung", in unsere sächsische» Parteiverhältnisse mischt, weil die Dinge in Sachsen, insonderheit „daS Berhältniß der verschiedenen OrdnungSparteitr» »zu einander, wes-ntlich anders als in Preußen liegen uizpvrinzusolge auch ganz ander- bcurtheilt sein wollen. In ihrer gestriges Abrndnummer behauptet die „Kreuzzeitung" gelegentlich einer Polemik »lil dem „Hannov. Courier", daß „die !)j»tiooalliberaleu in Sachsen ein Cartel überhaupt grundsähliAablehnen". Diese Behauptung siebt mit den Thatsachen vollstänkffg in Widerspruch. Im Gegentheil, die sächsischen Nationalliberalen haben bei jeder Gelegenheit danach gestrebt, rin ehrliche« Eartel mit den Eonservativen zu band« haben, weil dadurch allein den, weiteren Umszchgreisi i de«: Socialdemokratie in S r-Hsen. wirksam vorgebeugi werdest kann, und sic werden, das ist unsere feste Ueberzeugung, an diesem Grundsatz auch ferner sesthalten und vv» sich aus keinen Anlaß geben, daß zum Gaudium der Umstürzler die Ord- nungSparteicn sich gegenseitig zerfleischen. Die „Kreugzcitnng" thätc wirklich bester daran, ihre KnknkScicr nicht ru unsere sächsischen Parteiverhältnisse zu legen. Im Ucbrigen ver weisen wir daö streitbare Blatt auf die Mainuinnicr deS „Socialist", de« Organs der „unabhängigen" Sccialistcn, das über die Bedeutung der Maifeier einen ui revolutionairem Tone gehaltenen Aufsatz bringt, dem wir folgende beachtenS- wcrtbe Stellen entnehmen: „Wie das wonnige Brausen des Frnblingsstnrme- erfüllt diese- heilige Busersteh»»g»fest der Arbeiterklasse die Welt, die Schläfer und Träumer ausrichtend, den Mächtigen und Gewaltigen anzeigend, daß ihre Uhr abgelaufen ist und daß ihre bisherige» Knechte zur Freiheit erwacht sind ... Und doch besaß jenes simple Brbelicrparlamcnt in der Haupt stadt Frankreichs kein« verbrieften Rechte, keine versassungsinäßige Autorität, keine gesetzliche Conipetenzen, keine officielle Anerkennung: eS verfügte weder über Geld, noch über Bajonette, sondern nur über daS vertrauen der Arbeiterklasse. Und trotzdem war es mäch tiger (!?) als alle Reichstage und Landtage, als alle Ober- und Unterhäuser, mit denen die Völker heute aus dieser Welt gesegnet sind!!... Nicht in der Anstrebung deS gesetzlichen Achtstundentages in allen Ländern erwies sich die revolulionaire Bedeutung der Maifeier. Sie liegt in jenem kecken Einbruch in die alle» umsaj- send« Rechtssphüre der Bourgeoisie, tn dem energischen Willen der Arbeiterklasse, der bürgerlichen Gesellschaft die Zetteinthcilung in Feier- und Arbeitstage nichtrtung beobachten, um den Socialtsten kein« Ungrlegenhetten zu be wehr allein zu überlasse», sowie in der Demonstration I reiten, von anderer polizeilicher Seite wird angenommen, daß der der proletarischen internationalen Solidarität im I inorgende Tag ruhig verlause. Kamps für den SociaIi»muS! .. . I ^ -- Die Maifeier darf nicht von der bürgerlichen Seselllchast al» ^ Vor einigen Monaten sind die siebrnbürgrsch-sächl,. „liebliches Geläute" empfunden imrden, loiideri» muß auf sie wirfi «hen Abgeordneten sämmtlich in dir ungarische Rt- wie das Geheul von Sturmglocken, an deren Strängen^X.rungSpartei eingclrcten, nm zu zeigen, daß der weit nach Glöckner Proletariat reißt. Echte revolutionaire LeidenIchcoV'r>H kosten versprengte deutsche BolkSstamm eS nicht an Ge- mnß aus ihr sprechen, keine ängstliche Halbglutb. kein verpussendv-v, fehlen läßt, sich mit de», ungarischen Staate Stroh,euer. Alle Welt soll klar »rlennen, da» die Sache kein Svaem > ^Ersvbnen, sobald man ihm nur ein wenigentgegen- «f-mdern ein politsches Erdbeben ist, unter dem herBaasl'- , ein». ^ber bürgerlichen Gesellschaft in alle» Fuge» kracht. ... I «'."mt. Man sollte glauben, daS konnte ,cdem Magyaren. Nur wenn die Maifeier einen solchen Charakter trägt, hat Werih. Darum gefeierl, aus die Straßen gelaufen und bemonstrlri l Man wende Sicht ei», daß daS >» Deutschland unmöglich sei, daß ja alle Umzüge meistens verboie» wurde». Nun, so erzwinge man sich bas Recht zu Umzügen, dort, wo man sic nicht gestatte» will, durch sorigesetzte Eingabe», Beschwerden, Petitionen .... Noch niemals hat die Staatsgewalt aus eigener Initiative dem Volke solche Rechte gegeben, sie mußten ihr iminer im zähe» Ringen cibgeuomnikn werden. Und daS dcntsche Proletariat wird sich diesem Kampfe auch unlerzlehen müssen. Zeige eS nur einmal seine herkulische Kraft, der Erfolg wird nicht au-blciben und der ecrungcne Preis für alle Lpscr cutschädigen!" Bei uns täusche» weder Eonservauve noch Nationalliberalc sich über die Gefahr, die au« diesem „Gebe»! der Sturm glocken" herauSIönt, und entnehmen diesem Geheul gemeinsam die Mahnung zur Abwehr. Haben die preußischen Ärc»z- zeitiingSniäiiner entweder kein Ohr sür diese Mahnung oder glauben sic diese in den Wind schlagen »nd die bedrohte bürgerliche Gesellschaft ungestraft noch »ichr gegen einander verhetzen zu dürfen, so möge» sie wenigstens dieses edle Ge schäft auf die Schwerhörigen ihrer eignen Domäne beschränke». neig er irgend welcher Partei anaehören, nur zur (sreude Die Pariser Polizei setzt die Jagd nach den Anar chistcn fort. Gestern morgen fanden, wie schon gemeldet, abermals zahlreiche Haussuchungen und Verhaftungen statt, daö Ergebniß dieses neueste» SirciszngeS ist aber noch nicht bekannt, lieber die in Pari- berrfchende Stimmung wird berichtet, daß die meisten Blätter Loubet'S Aeußerunge» gegenüber dem Vertreter des „Figaro" ungünstig beurtheile». Sw tadeln diese Art, NegieriiugSansichten in die Ocfsentlich- keit gelangen zu lassen; sic vcrmifscii einen bestimmten Plan und kalten die ausgedrückte Zuversichtlichkeit sür unangebracht. Der Prinz von Wales giebt der Pariser Gesellschaft ein IjF^zxdeS Prjtviel, indem er beschlossen hat, über den l. Mai vsewett. DaS Absenden nicht Unterzeichneter Drohbriefe und das Nicdcrlcgcii aller möglichen Kupfer- und Blechbüchse» mit eingefädeltcr Schnur, die eine Lunte dar- slcllt, wird zur Volksseuche; das Prüfen dieser albernen Schreiben und Schciubomdcn nimmt den besten Theil der Zeit der Polizei in Anspruch. Viele Schwach sinnige zeigen sich als Urheber der Dvnaiuitanschlägc an oder prahlen mit ihrer Zugehörigkeit zur Anarchie. Held Lherot ist verschwunden, eine Adresse Kat er nicht zurückgclassen. — Die Regierung hat ganz ungewöhnliche Maßregel» angcordnet, um allen Eventualitäten gewachsen zu sein. Außer den 20 000 Mann der Pariser Garnison, 7000 Schutzleuten, 2000 Mann der republikanischen Garde werden drei Eavallcric» Regimenter von Mclun, Rambouillet, Provins nach Paris kommen. Außerdem werden die Garnisonen von St. Eloud, Poissy, St. Germain, Versailles, Fontaincblau, Mcaux Eoni piägne und SenliS zur Einschiffung nach Paris bereit gehalten werken. Aber eS herrscht allgemein die Ansicht, daß die ge- trossenen Maßregeln genüge» werden, »in etwa bestehende Emeulcgclnste zu unterdrücken, so daß der Sonntag ohne schlimme Zwischenfälle verlausen werde, wenn nicht die Anarchisten ein neues Attentat auSführcn. Von heute liegt folgende Meldung aus Paris vor: Pari«, 30. April. Gestern Abend wurden keine weiteren verliasinngen von Anarchisten vorgenoinmen. Die Polizeicommisiare erhielten fedoch 20 Hastbcfehle, die heute Vormittag ausgesührt werden sollen. Wie eS heißt, befürchtet der Polireipräfect heule Abend ein neues Attentat der Anarchisten. Andrerseits heißt es dagegen, diese wollten angesichts deS 1. Mai eine abmartende Hai gereichen. Aber nein. Der ungarischen Opposition ist dir- nicht recht, denn die sächsischen Abgeordneten haben sich eben der Regierungspartei angeschlossen und in Kronstadt ist sogar eine sächsisch-magyarische Partei zu Stande gekommen. In allen Blätter» der Apponyi-Partei und der äußersten Linken wird seit Wochen ein großer Lärm gemacht, Graf Szapary bade Frieden mit den Sachsen geschlossen und da» heißt natürlich im Munde der magyarischen Chauvinisten nicht etwa die Interessen des Staates wahren, sondern sie verrathcn Aus die neueste Sachscnbctzc antwortet nun daS erste der sicdenbnrgisch sächsischen Blätter sehr treffend: „Auch dem kaltblütigsten, an Selbstbeherrschung gewöhnten Sachsen muß die Zornrötbc ins Gesicht steigen, wenn er die Aus führungen von „Pesti Naplo", „Magyar Hirlap" und Ge nossen liest. Nach ihrem Programm ist die Würde des unga rischen Staates und des magyarischen Stammes nur dann gewahrt, wenn die Sachsen getreten, gestoßen, gepeitscht werden. Wird die Peitsche einen Augenblick nicht gegen sie geschwungen, werden sic nicht mit Stößen und Fußtritten inißhaiitelt — nur dann hat die Regierung ein Paktum mit den Sachsen geschlossen, welches den Staat und den magyari sche» Slawin vcrräth. Unsere deutsche» Brüder, welche diese Vorgänge sehr aufmerki'aui verfolgen, können sich vor Ver wunderung über daS Maß von Unduldsamkeit nicht fassen, welches die FrciheitShcltc» in den RekaclionSstnben des „Pesti Napto", „Magyar Hirlap" rc. praktiziren. Wir Sachsen aber werden, wenn dies so weiter geht, wider unseren Willen, der auf einen ehrlichen Frieden ging und geht, rin warnmdeS Monument sür die Nationalitäten in Ungarn werden, daß es unmöglich sei, zum Frieden zu gelangen und der Weisheit letzter Schluß doch der sei, lieber ganz abseits und passiv zu bleiben, wie eS die Rumänen mache»." Die Beziehungen zwischen Capital und Arbeit sind in England nachgerade auf einen Punct angelangt, wo cS sür Eompromisse keinen Raum mehr giebt, sondern wo die Alternative lautet: biegen oder brechen. DaS Capital und die der Hilse des Capital- zur Befruchtung der natio nale» Production sich beticneiideu Arbeitgeber haben sich schon seit Jahre» in der Lage des von agitatorisch verhetzten Arbciter- masseu willkürlich auozuprcssendcn und auch thatsächlich auS- gcxrcßten Schwammes befunden. In Gestalt von Erhöhungen der Löhne und Verkürzungen der Arbeitszeit ist der Nutzen der Eapitalistcn und Unternehmer allmälig auf Null oder doch beinahe aus Null rcducirtworden. Es haben die Herstellungskosten eine solche Höbe erreich«, daS Englands Industrie dauernd nicht mehr aus dem Wcltmartic zu concurriren vermag und den Arbeitgebern nur die Wahl bleibt, entweder die Arbeits löhne den schlechten Evnjuucturcn entsprechend herabzusetzen oder mit Verlust weiter zu producirc» dis zu dem früher oder später unvermeidliche» GcschäftSruin. Der Mensch kann sich eben von wirlhschaftlichc» so wenig wie von physiologischen Nalurgesetzen cinanzipircn. Leider sind die Arbcitermas>en zu dieser Erkenntniß noch nicht vorgedrnngen und werden es auch schwerlich,!'» lange sie, im Banne der aaitatorischcn Phrase stehend, den gesunden Menschenverstand bei crinrichtuii^ ihres ZukunftS- ftaateS entbehren zu können glauben. So geschieht es, daß sie immer noch an der Phantasie kleben, der Arbeitgeber ziehe aus seinem Geschäft nach wie vor einen schier unerschöpflichen Gewinn, daß sie, auf diese Fiction pochend, es rundweg ab lehnen, in Zeiten darmederliegenden Geschäftsganges selber Feuilleton. Einsamkeit und Vereinsamung. Bon Anna Pütsch. Nachdem? verseie«. Biele Dichter schon haben sie besungen, die Einsamkeit, bald in jubelnden, bald in klagenden Accorden, und Wohl die meisten Menschen auf Erden müssen irgend eine ihrer viel fachen Formen aus eigener Erfahrung kennen lernen. „Ich bin allein", daS sind drei gar kurze, schlichte und doch zu weilen überaus inhaltsschwere Wörtchen! Freilich, wenn man den Menschen nicht kennt, von dem sie gesprochen werden, und die Verhältnisse nicht, unter denen er sie spricht, dann scheinen unS diese Worte, eben weil ihre Bedeutung eine so vielseitige sein kann, eigentlich nichts zu sagen. „Wir sind allein", daS junge Mädchen ruft eS glückselig dem eintrrtrndcn Geliebten entgegen, hoffend, ibm für einen Moment unbeobachtet in die theurrn Augen schauen, ein flüchtige» LiebeS- wort, ja virlleicht einen Kuß mit ibm tauschen zu dürfen. „Wir sind allein", befriedigt sagt eS die Mutter, nachdem sic ihre Kleinen zur R«he gebracht hat, den Ar», um den als deS Gatten legend und so da» allabendliche tränte laudrrstündchen einleitend, aus da« sich Beide schon den ganzen Tag hindurch herzlich gefreut haben. „Wir sind allein", tönt e« rcsignirt von den Lippen de« unglücklichen Vater«, dem ein ihm gegenübersitzeiider Gast Nachrichten über den fernen, ungcrathcncn Sohn versprochen, Nachrichten, die vor aller Welt möglichst lange zu bergen zwingende Gründe ihm nahe legen. Diese wenigen Beispiele, die jeder Leser nach eigenem Gutdünken vermehren kann, zeigen genugsam, in wie mannigfachen Situationen jene drei Worte hörbar werden. Der Zustand des Alleinsem« zerfällt demnach in zwei Hauptabt Heilungen. in Einsamkeit und Vereinsamung; dir ersten kann ebenso wünschenSwertb und reizvoll, wie die letztere furchtbar und trostlos sür da« Menschrnhcrz sein. Es giebt Stunden, in denen sich der Mensch hinaussehnt au« dem bunten Getriebe der Welt in dir friedliche Stille de« Waldes oder nach ungestörtem Alleinsein im heimischen Kämmerlein; seine Seele, beunruhigt von den mannigfachen Anforderungen deS TageS, ermattet von Lust und Leid, oder vielleicht auch beengt durch Form und Schein, verlangt nach einem freien Ausathmcn, sie möchte gern Umschau in sich selbst halten und alle jene Empfin dungen, die dort in wirrem Durcheinander auf- und niedrr- wogen, erkennen, ordnen und läutern. Wer diesem edlen Drange gehorcht, der thut wohl daran; denn ohne stille Ein kehr in sein Inneres, muß der Mensch allmälig sich selber verlieren. Es ist immer ein traurige« Zeichen, wenn Jemand mit einer einsamen Stunde nichts anzusangen weiß, oder derselben gar furchtsam aus dem Wege geht. Bon Genuß zu Genuß, von Geschäft zu Geschäft taumelnd, sinkt er zu einer sinnlichen Kreatur oder gedankenlosen Arbeitsmaschine herab, Empfänglichkeit für alle- Höhere, innerer Halt und Gehalt mangeln seinem Wesen mit der Zeit gänzlich. — Nicht einem krankhaften Hange zur Einsamkeit, der jede Geselligkeit flicht, soll hier da- Dort geredet werden. Darin liegt eine große Gefahr, vie der Dichter genau bezeichnet hat mit den Worten: „Die Menschen meidet nur, wer sie nicht kennt. Und wer sie meidet, wird sie bald verkennen." Nein, fröhliches Ringen und Streben mit Anderen und für Andere, da- ist ein heiliges Vorrecht de- Menschen geschlechtes, worum der Einsiedler thöricbt sch selbst betrügt. Allein wer in rechter Art ein Plauderstündchen mit seiner Seele zu halten weiß, der wird der Welt nicht fremd, sondern tritt ihr näher. AueS, was er draußen gehört und gesehen, das wird durch sein ruhige» Nachdenken nur feste Gestaltung gewinnen und durch den Einblick in daS eigene Herz können wir Andere verstehen, entschuldigen und mit ihnen empfinden lernen Eine derartige Zurückgezogenbeit, die sckwn eine ge wisse moralische Tüchtigkeit des Einsamen voraussctzt, kann sich natürlich in den Reihen oberflächlicher Menschen keine Freunde erwerben, überhauvt scheint unsere gegenwärtige Zeit mit ihrer Unruhe, ihrem bunten Treiben unv ihrer ficoer- hastr» Hast wenig Neigung dafür zu besitzen Ander», steht e- dc^egeLiun eine andere Art der Einsam keit; sie wird nicht ängstlich gemieden, weil keiner von denen, die in ihren« Arme ruhen, sic als etwas Drückendes cnipsindet. Die liebende Jungfrau fühlt sich im stillen Stübchen nicht allein ; ihre Gedanken schweifen hin zu dem fernen Geliebte», und die Hoffnung, jene traute Freunvin der Menschheit, tritt »eben sic und flüstert ibr mit schmeichlerischem Tone zu: Bald siehst D» ihn wieder, bald wird er aus ewig Dein! Desgleichen ist sich der junge Mann, der in dürftiger Um gebung eifrig arbeitend am Schreibtische sitzt, keiner Einsam keit bewußt, wenn treue Elternberzen für ih» schlage», die ihre ganze Hoffnung aus ibn setzen, und an seinem streben innigen Anthril nehmen. Der Eledankc an seine Lieben, an ihr Vertrauen Hilst ihm die niannigsachsten Hindernisse be siegen, er füllt seine Brust mit hoben Idealen, »nd wer noch an solche zu glauben vermag, der befindet sich allenthalben in der trautesten Gesellschaft. Freilich, hier »nd da sehnt sich auch der Glückliche »ach Menschen und nicht iminer will die Theilnahme in der Ferne Weilender der stürmischen, nach Aussprache verlangenden Menschenscclc genügen. Wenn eine große, reine Freude unsere Herze» bewegt, wenn wir aus- lauchzen vor innerer Wonne und nur da« kalte Echo unserer eigenen Stimme von den Wänden zurückschallt, dann scheint ein leichter Schatten unser Glück zu verdunkeln. Eö giebt Naturen, die weit eher ein Schmerz als eine Freude in sich verschließen und selbstständig tragen können. Im Allgemeinen aber sind wir. trotz aller Einsamkeit, nie und nirgend« allein, wenn wir wissen, „Daß unsre Freude fremde Waagen röthet. Daß unsre Angst tn fremden Busen Mcrt, Daß unsre Leiden fremde Augen wässern.'' Wem jedoch diese beseligende Ueberzeugung mangelt, wer ohne Freunde, ohne Hoffnung, ohne Liebe im Leben sicht, der fällt der zweiten schmerzlicheren Form de« Alleinseins, der qualvollen Vereinsamung, anheim. Ocde und freudlos er scheint ihm sein Heim, gleichviel, ob dasselbe »nt allem er denklichen Luxus auögcstattet ist oder nicht. Einsam und verlassen bleibt er selbst dann, oder vielmehr dann eben am meisten, wenn er im Kreise froher Menschen weilt. Er sieht, wie der Bräutigam die Braut zärtlich anbstcht, hört, wieder Freund den Freund liebevoll schilt, wie Eltern um ihre Kinder, Kinder um ihre Eltern besorgt sind. Für ihn hat Niemand einen Blick, ein Wort, ja nicht einmal eine» Vorwurf inniger Freundschaft; nur kalte Höflichkeit, gcmessciic Form sprechen zu ihm und raunen ihm beständig zu: „Du bist allein". Sein Herz krampst sich zu sammen, etwa« wie Neid beginnt sich in seiner Seele zu regen, er möchte hinweg aus dem Kreise dieser sorglos lachenden, von Liebe verwöhnten Mensche», und viel würde er darum gebe», wenn er ungesehen eine lindernde Thränc ver gießen könnte. Der BcklagcnSwertbe darf cS nicht; in leichter Eviwersalio» muß er sc», Urlbcil über da« Wetter, über Eoncert, Theater und sonstige TageSfragen abgebcn, muß vielleicht, ein verbindliches Lächeln aus den vor innerer Erregung zuckenden Lippen, cinstimmen in da» Lob, da« man allgemein der junge», schönen, viclumworbenen Dilettantin sür ihre kaum uiitlelmäßigen Leistungen am Flügel »ollt, während sein armes Herz vor Sehnsucht nach Liebe fast zu springen droht. Wer diese oder ähnliche Gesühle kennen lernte, der Weiß, was Vereinsamung heißt. Am furchtbarste» und quälendsten aber ist dieselbe, wenn sie uns beschleicht im Kreise derer, die unS von Natur und Rechts wegen am nächsten stehen sollten, wenn wir unS da fremd und zurückgestoßen fühlen, wo wir gern am meisten liebe» »ivchsLn. Mann oder Weib, Eltern oder Geschwister, kurz, nahe VertSdiidtc besitzen und nicht mit ihnen Harmoniken können, das ist sür ein fühlendes Menschenherz härter, als durch die unerbittliche Macht deö Todes gänzlich zu verwaisen. Es giebt, auch da, wo man sie nicht sucht, viel Verlassenheit in Familiciilrciscn, und dieselbe wird immer mehr um sich greisen, je seltener unsere Ehegatte» durch reine, wahre Liebe zu einander gcsübrt werde», je häufiger sie ihre Kinder über ihre Verhältnisse hinaus erziehen Ein un harmonisches, liebclccreS Dasein ist gleichbedeutend mit seelischem Tode; deshalb sollte Niemand ein frevelhaftes Spiel iiiit der Liebe treibe». Gar Mancher, der es in jugendlichem Ucbcrmuthe, aus eitler Gefallsucht dennoch wagte, hat diese Tborheit ein ganzes langes, ödes Menschenleben hindurch büßen müssen Trauriges LooS, wenn das Schicksal keinerln LiebeSbande sür uns knüpfte, am furchtbarsten aber, wenn wir selbst sie mit verwegener Hand zerrissen, wenn zu de^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite