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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-09
- Monat1892-05
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A-o«»eme«tSprei- >» d« Hauptexpedttio» d«» t» Stid»» beztrk n»d d» Vororte» errichtete» N»t» »civestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4^0, bei tweimaliaer täglicher Zustellung in« Ha»« >» LÄ. Dur» di, Poft bezog«» f»r Deutschtaad und Österreich: vierteljährlich ^l Direct» täglich« tkreuzdandjeudu»« tu» Au1la»d: «oaatltch -4l 9.—. Die vrorg»».V»«gabe «eichet»» täglich'/,? Uh», die Sbeud-Tuigud« Wocheutag» b Uhr- Ledactio« »nö LrpeLitio,: An»«no«»,asse 8. Di» Sxpedittoa ist Wochentag» u»»»terb«ch«» E»«t »o» früh S di« Lbe»h« 7 llhL Filiale»: Otto Kl«««'» rortt«. <Alfer» Hvh», Uaiversitätistrah» 1. L-oi« LS,che. »athartnrnftr. Ui. »«L »»» L»,ig»plo» 7. Abend-Ausgabe. ttMger.Tagelilalt Anzeiger. LWN für Politik, LocalMilhte, Handels' und GeslhSftsverkehr. J«sertio«spreiS Die S gespaltene Petttzeilr A) Pfg. s Reklamen unter dem Xedactioolstrtch (4-»» Wollen) LO^j. sor den ,>amilie»nachrichte» cd gespalten) 44)-ch. Vrbhee« Schriften laut «nlerr» Preis- »erzeichaiv. 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Wie in der conservativen Partei, besonder» in Preußen, die extremen Elemente mit Ausbietung aller Kräfte die gemäßigteren Elemente mit fortzureißcn suchen zu einem kräftigen Vorstöße, so setzen die ultramontanen Heiß sporne alle Hebel in Bewegung, um da» ganze katbolische Deutschland auf die Beine zu bringen zu einem Ansturm, ter zunächst die preußische Regierung zwingen soll, energisch auf dcm^Wrge weiter zu gehen, den Gras Eavrivi mit der zweiten Cperrgeldervorlage und dem vom Kaiser noch recht zeitig beseitigten neuen Schulgesetzentwurse betreten hatte. Da» neueste Mittel zu diesem Zwecke ist der bereit» erwähnte Aufruf an die Katholiken Deutschland», nach Fulda zum Grabe de» heiligen Bonifaciu», de» Apostel» der Deutschen, zu wallen und an der geweihten statt« von der Barmherzigkeit Gotte« die .Befreiung de» heiligen Stuhles aus seiner unwürdigen Lage" zu erstehen. ,Leo Xlll. ist ein Gefangener in seinem Palaste, und die Feinde der Kirche erlauben sich ungestraft die ge meinsten Beschimpfungen seiner erhabenen Person wie der jenigen, welche ihm huldigen'" — so lautet eine, vou der „Germania" fettgedruckte Kraft-Stelle de- Aufruf». Man kennt die Weise, man kennt den Test. Als da« Zentrum im ersten deutschen Reichstage auf die politische Bühne trat, tebütirte e» mit dem Anträge, in die Beantwortungs- Adresse der Thronrede einen Passu» aufzunehmen, welcher die Einmischung Deutschland- in Italien zu Gunsten der Wiederherstellung de» Kirchenstaates verlangte. Der mittelalterliche Gedanke, der die Erinnerung an die unselig« Verkettung der deutschen und ter päpstuchen Ge schichte wachruft, wurde damals mit Entschiedenheit zurück gewiesen; er gehört seitdcni zum eisernen Bestand de» klerikalen Agitation-material». Wenn man ihn aber jetzt in besonder» demonstrativer Weise wieder auflrben läßt, fo muß da» noch schärfer verurtheilt werden, als vor zwanzig Jahren. Denn heute stehen wir in engem Büntuiß mit der gleich un< nach heißen Kämpfen endlich geeinten italienischen Nation, welche al» letzte« Hinderniß ihrer Einheit das am schlechtesten verwaltete Land Europa«, den Kirwenstaat, zer trümmerte. Wer jetzt in Deutschland für die .Befreiung de« päpstlichen Stuhle»", da« heißt für die Wiederherstellung de» Kirchenstaate» eintritt, der beleidigt unseren Berbvndrten jen seits der Alpen, indem er die Berstümmelung de» neuen Italien anftrrbt. Und da» um de» Phantom» willen, eine „Knechtschaft" zu beseitigen, die in Wirklichkeit gar nicht be steht I Bedauerlich furwabr, daß auch gewählte Vertreter des deutschen Volke», wie Graf Ballestrem, von GlySzczin-ki, Hitze u. A., einen derartigen Aufruf unterzeichnen konnten. Wer aber nicht unterzeichnet bat, da» sind die deutschen Bischöfe; nicht der Name eine» Einzigen von ihnen steht unter dem Aufruf. E» dräng: sich de-halb die Vermuthung auf, der nächste Zweck de-Ausrufs sei der, einen Druck auf die Bischöfe auSzuüben, die den kampflustig gestimmte» Unterzeichnern viel zu zahm, viel zu regierungsfreundlich sind. Hierin scheint un» vor Allem die politische Bedeutung de- Aufruf» zur Fuldaer Wallfahrt für den Papst zu liegen. Au« der langen Reihe der Maifeier-Berichte, die da« socialdemokratische Centraloraan, der „Vorwärts", veröffentlicht, sei nachstehend eine Corresponkenz au- Bingen registrirt, deren Inhalt und Ton für die Gesinnung, welche einen Theil der „Genoffen" beseelt, sehr charakteristisch ist. Bei der Maifeier in Bingen haben die dortigen Social demokraten, w»e e» im betreffenden Berichte heißt, „um der internationalen Solidarität de« Proletariat« Ausdruck zu geben", beschlossen, eine Adresse an die französischen Genossen »u richten. In diesrr Adresse findet sich u. A. folgender Passu«: „Die Sociatdcmokraten von Bingen und Rödelheim glauben, den internationalen Arbeiter-Feiertag am besten dadurch begehen zu können, daß sie hier am Fuße de» Niederwald-Monument« Protest «hebe» gegen die Pflege de» Bötkerhasse», dt« da« edelste Gefühl de» Menschen, dir Nächstenliebe, systematisch untergraben würde, wenn nioit die Brbeiterclasse diesem Treiben ein energische« Palt zuriese. Heute, am l. Mai, soll durch die vom Chauvinismu» ver pestete Luft der Niederwaldgegeud ein gesunder Hauch freiheitlicher Nächstenliebe wehen, und am selben Orte, wo der sogenannte Patriotismus der „deutschen Denker" unzählige Mate Orgien gefeiert hat, bekunden wir, da» da» arbeitend« Pott diesseits und lenseitS der Bogefeil einig ist trotz aller Verhetzung. Hier, wo die deuijchen Mords-Patrioten ihr „Nieder mit Frankreich ' brüllen, rufen wir den Proletariern jenseits der Vogesen unseren aufrichtigen Bruder- grüß zu." Die Sprache dieser cvnischen Adresse ist so unverbüllt und klar, daß ein Eommentar überflüssig ist Wir fragen nur die Leiter de« „Vorwärts", die immer wieder und wieder jede Gemeinschaft der „deutschen" Socialdemokratie mit dem Anar chismus mit erheuchelter Entrüstung von sich weisen, welcher Unterschied »och zwischen denjenigen besteht, die eine solche Adresse beschließen, und denen, die vor wenigen Iabrcn zum Niederwalbdenkmal hinaus Minen anlegten, um eS in di« Lust zu sprengen, und die sich mit Stolz zum Anarchismus bekannten. Während in dem czechischcn Sprachgebiete Böhmen« die früber zum Theil deutschen Städte fast alle voll ständig slawisirt worden sind — nur in Prag, Iosesstadt und Königgrätz ist noch etwa ein Fünftel der Bewohner deutsch —, giebl cs in dem czechischen Sprachgebiete Mähren« beute noch eine größere Anzahl Städte, in denen das deutsche Element überwieat oder doch eine beachtrnSwertde Minderheit dar- tcllt Ueberwicgend deutsch sind noch Luntendurg, Littau und Ungariscti-Hradisck, zu einem Drittel oder Viertel deutsch: Krrmsier, Mährisch-Ostrau, Prerau, Prcßnitz, Trebiysch, Ungarisck-Brod, Leipnik, Weißkirchc», Göding, Hollesckau, Mistel, Gaya, Mährisch-Budwitz und andere Orte. In allen diesen Orten ist das Deutschthum von der von den uuteren Volksschichten ausgehenden Ezechisirung arg be droht. Tie Dienstboten und Arbeiter sind fast alle Ezechen, die Lehrlinge und Gehilfen der Handwerker stammen rum größten Theil au» den benachbarten schlesischen Dörfern, auch der KaufmannSstand erhält zuin Ibeil czechischen Nachwuchs; der alteinhcimischc deutsche Bürgerstand aber wird imuier mehr in da» Innere der Städte zurückgcdrängt und schließlich verdrängt. Fühlen sich die Ezechen stark genug, so versuchen sie. die Verwaltung der Stadt in ihre Hände zu bekommen. Die Mittel, deren sie sich dabei bedienen, sind überall dieselben. Der dritte Wabt> körper, der sich meist au» czechischem Zuzug ergänzt, wird den Deutschen zunächst entwunden. Dann beginnen dir Stürme auf den zweiten Wablkörper, wa» schon größere An strengungen kostet. Gegen die deutsche Gemeindeverwaltung werden die bcsligstcn, obschon unbegründeten Vorwürfe er hoben und die Behörden mit den verlogensten Anschuldigungen behelligt. Alle Listen werken angewandt, um möglichst viele czecbische Stimmen zu erlangen. Die deutsche» Geschäftsleute der Stadt werden durch unablässige Aufreizung ihrer czechischen Kundschaft vom Lande dovcottirt. Die deutschen Beamten und Lehrer sucht man cinzuschüchlern. Die czechischcn Geistlichen, Lehrer, Beamte», Aerzte, Advocatcn und Apotheker — sie alle werten Agitatoren. Ist ter zweite Wablkörper auch gewonnen, so haben die Ezechen die Zwei drittelmehrheit, wählen einen czechischen Bürgermcister, einen czechischen Stadlrath, czechiscke Beamte und Lehrer, und die Deutschen werden rücksichtslos unterdrückt. Ezecbische Ver waltung bedeutet jedesmal völlige Lahmlegung des in einer Stadt lebenden deutschen Element«. In den letzten zwei Jahren bekamen z. B. Kremsier, Ungarisch-Brod und Mährisch-Budwitz czechischc Vertretung und Verwaltung. In den letzten Tagen haben die Ezechen in Proßnitz, wo etwa 5000 Teutsche neben 14 000 Ezechen leben, einen großen Erfolg errungen, indem sie in alle» drei Wablkörvcrn siegten. Schon erbebe» die czechischen Zeitungen den Ruf, kay jetzt Vischau, Mäbrisch-Lslrau, Luntendurg und Hohen stadt an die Reibe komnieu inüssen, um von den Tentscben „befreit" zu werde». Jedenfalls wird noch manche Stadl in Mähren, deren Kern und Bürgerschaft noch deutsch sink, im Laufe der nächsten Iabre den Ezechen Zufällen Wo der Gottesdienst längst nur in czechiscker Sprache abgebalten unk wo auch die Heranwachsende deutsche Kinderschaar durch utraqnistische Schulen slawisirt wird, ist der Proccß gar nicht aufzuhalten, auch wenn von Seiten der Regierung die TlawenhegUnstigung aufbören sollte. Nur dort wirk sich da» deutsche Element aus die Tauer behaupten können, wo der Handwerker- und KaufmannSstand sich durch deutsche Lehrlinge und Gehilfen ergänzen kann, wo rö deutsche Kindergärten und Schulen gicdt und wo wenigstens eine Kirche den Deutschen erhalten bleibt. Die politische Lage in Paris ist vollständig beherrscht durch die Krage der weiteren Entwickelung, welche die Beziehungen des Staate» zur Kirche zu nehmen im Begriffe sink. Die Radicalcn und selbst manche sonst ge mäßigte Liberale fordern immer ungestümer eine scharfe Politik gegenüber den Ansprüchen der Kirchensürste», während die Mitlclparteiler, unterstützt vom Elnsee, immer mehr aus eine versöhnliche Haltung hindrängen Augenblicklich indcß sind Diejenigen in der Majorität, welche rin strenges Vorgehen gegen die Bischöfe^ fordern, und der letzte Hirtenbrief des Msgr. Goutde-Soulard hat nicht wenig dazu deigctragen, die Stellung der Radikalen zu kräftigen. Der Staatsralb hat denn auch bereit« den streitbaren Bischof von Neuem wegen AmtSmißbrauchcs vcr- urtbrilt unk seinen Hirlenbries verboten Die nächsten Kammersitzuiigen werden jedenfalls erregte Debatten bringen und bereits kündigt ein früherer Eultiismiiiistcr eine Inter pellation über die Stellungnahme der Regierung gegenüber den Hirtcubriesen der Bischöfe an. Zur italienischen Ministerkrisis wird un» au» Rom geschrieben, daß das Ereignis) des Tage» das Wieder erscheine» EriSpi'S aus oer politischen Bühne ist, die er vor nicht viel langer als Jahresfrist, inükc der Zerfahrenheit der Parteien, verlassen batte. Heute, wo keiner der wort reichsten Redner und VolkStriduncn einen praktischen Ausweg aus de» gegenwärtige» Wirren siebt, ist Erispi, der viel Geschmähte, plötzlich wieder der Mann der Sltuation geworden, man schaut aus ihn al« den Retter in der Noth und unter seinem Schirm und Schutz möchte man das neue Cabinet gebildet sehen Schon Giolitti batte vor einigen Tagen offen erklärt, er werde keinen Schritt »bun, ohne EriSpi'S Rath empfangen zu baden und seiner Unter stützung sicher zu sein. Saracco ging einen Schritt weiter und erklärte dem Könige, nachdem er für sich selbst den Vorsitz des neuen Eadinetö, sowie jedes Portefeuille in demselben adgelehnt, daß EriSpi allein ein lebensfähiges Resornicabinct werde bilden könne». Der König beries sofort seinen lang- jäbrige» Bcratbcr und gestern hat er mit Erispi die erste Eonserenz gehabt. Auch Zanardclli wurde zum Könige be rufe». «Lpätcr conserirtc Erispi mit Giolitti und Zanarkelli und Giolitti erklärte sich darauf bereit, sei es ein Ucbergangs- oderGcschäslSuiinisterium im Einverständnisse mir jenen Beiden, oder aber ein entgiltige« Eabinet zu bilden, das dann, sofort nach Ratification de« Handelsverträge« mit der Schweiz, dem Erlaß des SchisssahrtSverlrageS, des neuen Bankgesetzes und der Votirung des Budget», oder eine« provisorischen Zwölftel die Kammern auslöscn und neue Wahlen aus- sch reiben würde. Jedenfalls wird, wie die Tinge heute liegen, Erispi der spiritu« roctnr de» neuen Eadinet« sein, de», weder Rudini, noä, selbst Nicotera angeboren dürsten. Die vorstehende» Mittbeiluiigen werden bestätigt durch folgende telegraphische Meldungen der „Magdeb. Ztg ": Rom, 8. Mo». Erispi wurde heute Mittag vom Könige enipsaiigen. Auch conservative Blätter, wie der „FansnUa", sehen in der Berufung (LriSpi'S zum Miiiislerpräi,deuten die einzige folgerichtige Lösung. Grimaldr rieth dem Könige eben falls zur Berufung Lrispi'S. Letzterer will, wie verlautet, die Bildung de- Ministeriums nur übernehmen, wenn die Krone nölhige»- salls in die Kammcrauflöiung willigt. Rom, 8. Mai. Tie zur Opposition gehörenden Ab geordneten hielten gestern Abend eine Beralhung über die Lage ab und beschlossen di« Bekämpfung jedes Ministeriums, welches den Milltairhau»halt ansrecht hält. Die Abgg. Lovallotti, Jmbriaai und Barzilai erklärten, sie würden nach der Bildung de« neuen Ministeriums sofort eine Anfrage über de» Austritt Italien» au» dein Dreibund stellen. Mebrere Blatter melden, dir Reise des KönigSvaare» »ach Berlin sei zweifelhaft geworden. Deutsches Reich. r». Berlin, 8. Mai. Wenn die Reichsregierung im Interesse der Entwickelung unserer Eolonien finanzielle Opfer vom deutschen Volle fordert, so ist da« vollständig gerechtfertigt. Mit demselben Rechte aber kan» da« deutsche Volk von der RcickSregicrung verlangen, daß der Eolonial- aufwand, soweit irgend möglich, dem Mutterlande unmittel bar zu Gute komme — mit anderen Worten, daß die Be dürfnisse der Eolonien, welcher Art sie auch sein mögen, tbunlichst in Deutschland selbst gedeckt werden. Leider scheint der Gouverneur von Dcutsch-Ostasrika, Herr v. Soden, hierüber anderer Ansicht zu sei». Er hat, wie ein Berliner ircisiiinigcs Blatt erfährt, einer holländischen Firma dir Lieferung eines große» Posten» Eonscrvcn für dir kaiser liche Schutztruppc übertragen. Besrcmdend wie dieser Vor- ang ist die Begründung, welche ibn rechtfertigen soll. E» rißt, der Auftrag Kälte der ausländischen Firma ertheilt werde» inüsscii, weil ein Angebot von deutscher Seite an den Herrn Gouverneur nicht hcrangctreten wäre. Da darf man denn doch wohl fragen, weshalb Freiherr von Soden nicht an zuständiger Stelle, nänilich im „ReichSanzeiger", ein Au« schreiben betreffs der Lieferung von Eonservcn erlassen hat'? Aus diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege wäre eS ihn, sicherlich geglückt, von deutschen Firmen Angebote zu erhalten. Daß in Zukunft daö Ausschreibung-verfahren auch vom Freiherr» von Soden angewandt wird, ist im Intcicsse unserer Eonservensabrikation um so dringender zu wünsche», als der Eonservenbedars der kaiserlichen Schutztruppe sehr beträchtlich ist. lD Berlin, 8. Mai. Die socialdemokratische Parteicassc hatte im verflossenen Monat besonder« reich liche Einnahmen, zu denen allerdings die Partcigcschäftc da» Meiste beitrugen. Die Gesal»»ttsui»nie beträgt 02 308,15 ^4 Größere Posten kamen «in von Auer L Eo. (Verlag, Druckerei und Zeitung) in Hamburg 4L 000 .4, vom Berliner „Vor wärts" (Zeitung, Druckerei und Verlag) 90l4,25 .4, von M. ö. 250" Weither 3000 Braunschweig 4üO L. M. 350 M. I. 400 -4? Au» Berlin lieferten ab der II. Wahlkreis 400 „L, der IV. 24L,kound der VI. Wahl kreis 24l,lL Außerdem wurde» für die Maisest- zeichcn an Bebel eingesandt >93,20 Die Einnahmen für die Maiscstzeituiig niiissen an den „Vorwärt«" abgeliefcrt werten. Für die Kinder des verstorbenen ehemaligen Ab- cordncten Reimer wurden 34,10 gesammelt. — Die ocialdcmokratischc Arbeiter-BiidungS-Schulr ist Übel daran, denn cs fehlt ihr nicht nur an Geld, sondern auch an Lehrern für da« »ationalökonomische Fach. Seit I)r. Fricdiänder, der den Unabhängigen resp Anarchisten an- achört, und der bei seinen Vorträge» Ausfälle gegen Marx, Engels und Lassalle zu machen lieble, sich zurückzichen mußte, hält nur noch der am „Vorwärts" tbätigc 1>r. Bruno Schön- tank nationalökonomischc Bvrlrägc, und zwar Sonntags Vor mittag«. Da« Unterrichts Honorar ist pro Abend und Lehrer von sechs aus drei Mark herabgesetzt worden. — Ter Kaiser hat eine» Beitrag von 15 000 für eine von der hiesigen Gesellschaft für Erdkunde heraus- zngcbende Festschrift zur Feier der vierhundertjährigen Ent deckung Amerikas bewilligt. — Ucber eine angeblich in Erwägung befindliche Ab änderung der Branntweinbesteucrung weiß da» „Berliner Tageblatt" Folgende« zu berichten: „Im Reich»- schatzamte werte» zwar keine osficicUcn Erhebungen über die Wirkung der Aushebung der Maischbottichstcuer angestcllt, aber man »»tcrl'ält sich darüber, welche Folge» an» der Aus hebung dieser Steuer entstehen, und ist der Meinung, daß dieselbe über kurz oder lang fallen muß. In Verbindung mit diesem Projccle steht der fernere Plan, die jetzt nach dem Feuilleton. Gerettet. ks Novell« von Alexander Römer. »ia»dr»e »ertolni. (Fortsetzung.) Sein Herz schmolz heute wieder in ganz unerklärlichen Gefühlen, al» er so neben ihr ging. Tas Mädchen war so auffallend schön, e» mußte überall Aufseben erregen; wa» Wunder, wenn auch er wie verzaubert gewesen. Da« arme kleine Ding! Sie war völlig rein und unschuldig, seit Jahren fern von den Ihren erzogen — bin — dieser Doctor WelSler batte da die rettende Hand im Spiel — wir kam er dazu? Man munkelte ja schon lange von seinen Beziehungen zu den Peter» — hatte er e» etwa auf diese« junge Kind abgesehen? Hatte er sie für sich brranbilden lassen? Allerlei Gedanken schossen durch de» jungen Manne» Kopf. Zorn und Unwille wallten in ihm empor — sollte diese reizende Knospe dem alten Knaben al» Beute zufallen? Doctor WelSler dünkte dem virrundzwanzigjäbrigen Artbur schon ein recht alter Knabe^ Hegte er überhaupt ehrliche Ab sichten? Sie sprach mit Schwärmerei von ihm al» ihrem Wohltbäter, aber sie dachte nicht an Liebe dabei. E« klang, als ob sie von ihrem Vater sprach, wenn sie seiner erwähnte. „Abscheulich", dachte Arthur bei sich, „und dabei macht dieser tugendhafte und solide Doctor meiner Sckwester den Hof. Ich dielt ihn bi-brr für eine gute Partie für Tbekla." Der leichtfertige Ton, der ihm zu Ansang auf den Lippen geschwebt, war ihm rasch ohne sein Zutbun abhanden ge- kommen, aber er war der Meinung, daß e« Sünde sei, solch' rin liebreizende« Wesen an Allem darben zu lassen, wa« der Jngend und Schönheit Reckt ist. Er fragte sie, ob sie noch niemal« getanzt habe. Sie lachte. Die ganze Reibe der köstliche» Perlzahne kam zum Vorschein zwischen den frischen Lippe». ,I« — t» d«r Larrzstrurd« bei de« alten Herrn Easrtti." I Lisa beschrieb da« drollige Männchen mit den Kniebosen und 1 den Schnallenschuhen. Er batte sie Knixe gelehrt und sehr aus die Form und den Anstand gehalten. Arthur sab entzückt aus da» lebhafte reizende Geberven- spiel der Kleine», sie batte wirklich eine famose Haltung, einen Anstand wie eine Fürstin. Ein Jammer, wenn die in dem Sumpf untrrging. E« fuhr ihm beiß durch den Kops, daß seine Gefährten vorhin schon ihr Auge auf sie geworfen — wenn die Sckiwestcr Führer- und Vermittlerrolle über nahm — — entsetzlich! Wa» dachte sich dieser Doctor WelSler eigentlich dabei, daß er »ach der feinen Erziehung und langen Entfernung sie nun hierher kommen ließ? Er bog mit ihr in die kleine Schießgaffe. Da in dem alten Rumpelkasten wohnte sie, da oben im vierten Stock Er beugte sich in dem dunklen Thorwcg über ihre kleine Hand, die sie ibm zum Abschied reichte, und küßte diese leidenschaftlich, ehrerbietig. „Fräulein Lisa, wenn wir Beite einmal aus glänzendem Parquetboden miteinander tanzen könnten!" „Ich und tanzen!" Sie seufzte. „Gouvernante muß ich werken, und da- sind ehrbare, ernsthafte Wesen, die tanzen nicht." „Es ist eine Sünde!" rief Arthur außer sich. „Sie sollen, Sic müssen doch erst Ihre Jugend genießen, Sie eine lang weilige Gouvernante! E» ist ein Unding!" Sir zuckt« die Achseln. „Ach!" sagte sie resignirt, „da» Tanzen macht auch nickt glücklich. Angela bat, wie sie mir sagt, viel getanzt, und sie ist gar nicht glücklich." „Angela!" Sein Ton Nang s-ltsam, empört, entrüstet — sie sab >bn ganz verwundert an. „Sie kennen Angela?" fragte sie. „Sie haben gewiß einmal etwa» mit ihr gehabt, sie war auch nicht gut aus Sie zu reden, habe» Sir sich gezankt?" Sir lächelte schelmisch „Du heilige Unschuld!" dachte er. Ihm wurde ganz ernst und feierlich zu Muthr, al- stände er in einer Kirche. „Ich will Dick nicht verderben, Du süße«, boldr» Kind", ries es in ihm, und doch zog e» ihn wir mit zwingender Gewalt zu ihr. »Lisa! Lisa!" n«f er mit von Leidenschaft und R üb run- erstickter Stimme, „wa» kann ich für Sie ihn»! Mein Leben gäbe ick für Sie hin, Sie — arme», süßes Kind!" Er konnte e« nicht sagen, wie e» geschehe». Sein Arm batte sie umfangen, er preßte sie an seine Brust, er küßte ihre frischen Lippen. Vor ihren Augen lag e» wie ein Nebel, ein Taumel hatte auch sie ersaßt. Lie riß sich lo» und schwankte. „Lisa! vergeben Sie mir!" tönte seine leise Stimme an ihren« Ohr, „Sic hatten e» mir angethan vom ersten Augenblicke an, Sie sollen nicht verkümmern. Sie sind ein Engel, eine Heilige — meine — meine Heilige!" „Herr von Linden!" Lisa war keines weiteren Worte« mächtig. Alles drehte sich mit ihr im Kreise; sie fühlte nur, daß sie sich loSreißen müsse und stieben. Er stand in dem dunkeln Hausflur und lauschte wie ver zückt aus da« Knistern ihre» Kleides, al» sie die Treppe finausciltr. Wa- batte er gethan? War da» der Weg, ui» sie zu retten und zu schützen? Lisa stand oben an der EingangStbür zu der kleinen Etage und rang nach Athem. Jbr Herz klopfte wild. Wa« war da» gewesen? Wa» war ibr geschehen ? Man batte sie sehr streng gehütet und erzogen in der Pension, die Spaziergänge wurden gemeinschaftlich und unter Aufsicht einer Lehrerin gemacht, Abenteuer mit junge» Herren waren uninög- lich. Sie war völlig unerfahren und ungewandt >n solcher Lage. Sie fühlte, daß sie einen Kuß nicht hätte dulden dürfen, daß eS eine unerhörte Kühnheit von ibm war, und vermochte ibm doch nicht zu zürnen. Er batte sie nicht beleidigen wollen, e» war keine Geringschätzung ihrer Person, au« der sein Benehmen quoll — er liebte sie — er war hingerissen, überwältigt Worten. Tausend Stimmen erhoben sich in ihr, die für ibn sprachen und ihren Stolz zu Boden drückten Sit hörte noch seinen sinn verwirrenden, in Leitenschast bebenden Ton an ibrem Ohr — er liebte sie. Liebe! Wie ein elektrischer Strom ging r» durch ihre Adern! — Liebe! Sie batte davon gehört und gelesen, die Genossinnen batten davon geflüstert, sich ihre Geheimnisse anvcriraut. Lieb«! Sw öffnete lers« die Thür und schlich in ihr» Kammer. Dieser schöne junge Mann, der ibr strahlend wie rin Gott erschien, hatte zuerst den Ton der Leidenschaft vor ihrem Ohr erklingen lasse» und ihre junge Seele damit ausgeschlossen für eine neue Welt. Sic saß lange, den Kopf in den Händen vergraben, wäh rend alle ihre Pulse in wildem Aufruhr klopften. Ein Cbaos, ein unentwirrbares Gemisch von Gcsüblen durch wogte sie. Bald Jubel, Wonne ohne Maß und Grenzen, dann Scbam, Furcht, Zagen, die unsichere Empfindung des Schisser» auf ungewol'ntcr Fluth. Wa» sollte sie thun? sich der Mutter anvcrtraue»? Sie körte der Mutter Stinime nebenan, der Baker stöhnte lauter al» gewöhnlich; sie richtete sich ans und borckte. Wie anders klang der Mutier Ton beute Morgen, so hart und kalt, sic sckialt den Vater wegen seine« unablässigen Gejammer», sic warf ibm da« Elcnv ihres Leben« vor. Er antwortete, seine schwache Stimme war kreischend: „Du — Du warst mein Dämon, Du hast mich ruinirt, Weid, mich und noch viele Ändere." O Gott, wa» waren da» für Worte! Und sie wurden gesprochen von Denen, welche sie liebte und verehrte. Jetzt trat auch Angela dazu, c» wurde ein wirre», wilde» Gezänk. Lisa saß zur Bildsäule erstarrt, sie wußten nicht, daß sie zu Hanse war — ihre Mutter, ibre schöne Mutter» welche zu ihr stet» so vornehm, so zärtlich und klug sprach, sollte da drinnen so reden und anhören, daß so zu ibr geredet wurde? Nein, «S war rin Spuk, ein böser Traum. Sie legte beide Hände an die Obren, sie wollte nicht borchen, sie wollte nicht» mehr hören» c» war entsetzlich. Sie schluchzte herzbrechend. Nach einer Weile trat Angela in die Kammer. „Du bist hier?" sagte sie sichtlich erschreckt. Lisa itand aus und kramte in ihrer Eommod« in der dunklen Ecke. Sie hätte um keinen Preis verratbcn mögen, daß sie gehorcht, sie »ilißte ihre Tbränrn verbergen, und jeder Gedanke an rin Aufschließr» ibre» Herzen» war vergangen. (Fortsetzung folgt.)
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