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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-10
- Monat1892-05
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S2S4 ««»de», solle» tm Spital lieg,». Seftrr» wurde» 2 Ko saken erschlagen. Diese Nacht kam der Souv«r»eur voo Petrika» mit Mlitair an. Die hier liegende Garnison, ein Jnfaaterie-Regiment, mehrere Batterie» Artillerie uad Kosoken-Sotnien richte», wie scho» erwähnt, nichts ans. Liese Nacht kouunt »och mehr Militoir. um die sür morgen (Sonnabend) geplant« Judenhepe zu verhiudern: zwei In- s-nterie. und ein Dragoner. Regiment. Gurko telegraphirt: „Patrone» lkleinkalibrige« Gewehr) nicht schone», Belagerungszustand." Die den Belogcrunaszustand verkündende Proklamation ist in russischer, polnischer und deutscher Sprache an allen Straßenecken angeschlagen. Ihrer Bestimmung gemäß darf sich bis aus Weiteres Niemand in den Stunden von 9 Uhr Nachm, bis srüh 5 Uhr aus Len Straßen sehen lassen. Ich kann nicht aus dem Hotel heraus und meine Reise nicht fortsrtzen. Das Hotel steht gegen gute Be- zahlung in militairischem Schutz; das Militair muß überhaupt von den Fabrikanten und Juden, welche Hab und Gut retten wollen, bezahlt werden. Gestern und heute wurden viele Läden und Restau rants geplündert, Juden erschlagen oder windelweich gehauen, auch Iraner,. Ich sah vom Hotel, wie ein Jude, welcher mit kurzen zollsiarken Stöcken niedergehauen war, von Polizisten ausaehoben wurde, jedoch in den Armen des einen Polizisten todtgeschlagen wurde. Gleich daraus wurde einem jüdischen Buchhalter der Bauch ausgeschlitzt. daß die Därme heraushingen . . . Die Kosaken und Soldaten freuen sich, wie es scheint, noch sehr über das Schicksal der armen Juden, denn schneller könnten sie, wie ich vom Fenster aus beobachtete, oft dabei sein, wo es zu Helsen gilt, betrunken sind säst all«, natürlich auch die Streikenden, von denen manche wie die Bestien aussehen. Tie hiesigen Zeitungen, welche gestern noch erschienen, bringen wegen der Censnr kein Wort über diese entsetzlichen Dinge. Jetzt Abends um 10 Uhr, hört mau wieder Schießen. Es ist da- Mi- litair. Da wird Mancher fallen, auch Unschuldige wird es wohl treffen. Nachmittags sah man mehrere Transporte gefangener Auf- wiegler, immer 50 bis 100 Mann, welche grobe Ausschreitungen, Mord und Plünderung begangen und die nach der Citadelle und der Petro-PawlowSkisestung eingeliescrt wurden. Wenigstens ist jetzt die Stadt in der Gewalt des MilitairS, bezw. der Regierung. Ich mochte gestern Abend und heute nicht vor die Thür gehen. Die Kosaken hauen mit ihren Knuten mit Eisenkugeln von den Pferden, daß das Blut spritzt. Einer hieb einen Excedenten über den Rücken, daß der Ueberzieher von oben bis unten getheilt war. Ich möchte nicht die Haut darunter sehen! Fortwährend bläst die Feuerwehr Alarm. Man kann jetzt, nach 10 Uhr Abends, nicht mehr zum Fenster oder zur Thür, da aus den geschossen wird, der hinaus schaut. Es scheint fortwährend neue Brände zu geben! Deutsches Reich. s5. Berlin, S. Mai. Obne eine Abstimmung vorru- nehmen, hat die preußische Volksvertretung mit allen gegen die einzige Stimme des Abg. Cremer-Teltow sich un bedingt gegen jede weitere Lotterie zu Bauprojekten irgend welcher Art ausgesprochen. Auch eine Bürgschaft dafür, daß derartige Lotterien nicht mehr stattsinden können, hat die preußische Volksvertretung gefordert und zwar wiederum ohne formal abzustimmen; sie hat sich einmuthig dafür er klärt, daß die Genehmigung von Privatlotterien, statt durch die beiden Ressortminister des Innern und der Finanzen, künftig durch landeSgesctzlichen Act, also durch überein stimmenden Beschluß der Regierung und der beiden Häuser des Landtags erfolge. Das ist das eine Ergebniß der heu tigen Sitzung des Abgeordnetenhauses. DaS andere Ergebniß ist nicht minder befriedigend. DerKönig undKaiser hat durch CabinetSvrdreentschieden.daßfürdaSDenkmalscincöGroßvaterS, de« ersten Kaisers Wilhelm, nur die östliche Uferseite der Spree benutzt werden darf, d. h. also die Seite der »Schloß- freiheit", zu deren Freilegung bereits die Mittel ausgebracht sind und deren Instandhaltung die Stadt Berlin bereits aus sich gcnonimcn bat. Mit dieser Cabinctsordre ist das »Enten- teich"-Projcct ganz und gar erledigt. Was das Kunze'sche Project der Erweiterung des Schloßplahcs durch Nicdcr- leguna der Häuser zwischen Kursürstcndrücke und Breitestraße betrifft, so ist hierüber jede Besorgniß, daß die Mittel dazu durch eine Lotterie aufgebracht würden, ebenso gründlich be seitigt. Minister Herrfurtb hat Namens der StaatS- regierung erklärt, daß für dieselbe die Absicht, eine Lotterie hierzu zu genehmigen, nicht »bestehen kann und nicht besteht". Wie der am Sonntag cingetrctene Witterungsumschlag die Herzen frei gemacht hat. so erleichtern diese Erlebnisse und Ereignisse der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses die Brust jede« patriotischen ManncS von schwerer Bedrückung. Die Minister von Boetlichcr und Herrfurtb waren freilich dcö (Glaubens, daß all dieser Druck aus den Gemüthern ganz unberechtigt gewesen sti. In einer Beziehung ist das zuzugcbcn, was nämlich die Regierung in ihrer heutigen Zusammensetzung betrifft. ES ist immer noch unver ständlich, um nicht zu sagen empörend, wie gewisse Projecten- niachcr — Privatpersonen und Banken — auch nur einen Augenblick vermutben konnten, von dieser gegenwärtigen Regierung die Gciiebmigung zu den »unsinnigsten" Plänen zu erkalten. In dieser Beziehung hat auch die Volksvertretung dem Ministerium volle (Gerechtigkeit widerfahren lassen. Herr Richter, wie Herr Di. Lieber, also die beiten oppositionellen Vertreter, bezeugten Namens des ganzen Hauses, daß kein Mitglied desselben dem Ministerium etwas Derartiges zugetraut habe. Anders liegen die Voraussetzungen .jedoch, tvrrm man die Stimmungen außerhalb de« Hause« in Betracht zieht. Graf Limburg-Stirum, Herr VopeliuS, Herr Hobrecht, Herr Lieber und Herr Richter, also die Wortführer aller Fractionen, stimmten darin überein, daß die' Besorgniß im Lande nicht nur weit und breit vorhanden, sondern auch sehr Wohl begreiflich war. Bezeichnender Weise war eS der konservative FractionS- redner, der di« Minister zur Erläuterung diese« Umstandes daran erinnerte, daß ein erstes Lottrrieproject doch thatsäch- lich genehmigt worden ist. Andererseits konnte man im Lande die Legitimation der Herren Ziller und Kunze, die Aussichts losigkeit ihrer Projektenmachern rc. unmöglich derart sicher controliren, wie rS wohl den Abgeordneten möglich war, die ja durch bestimmteste private Erklärungen der einzelnen Minister über den schließlichen AuSgang der Dinge mehr beruhigt sein mochten. Wenn das Land mit seinen Besorgnissen den Ministern so gar unverständlich war, den Volksvertretern war es so verständlich, daß wiederum Gras Limburg-Stirum als konservativer FractionSredner das Bedürfniß nach einer Aende- rung des Genehmigungsverfahren« anzumelden sich veranlaßt fühlte und daß Herr Hobrecht sich zu der Bemerkung ge drungen sah, man könne allerdings die Verfolgung von ge wissen Bauplänen durch »entschieden zu mißbilligende Mittel" aus verschiedenen Umständen heraus als möglich erachten. In sehr seiner Wendung betonte derselbe Redner dann, eS sei doch nützlich, daß bereits in der absoluten Zeit (im Jahre 1810) das Selbstverständliche rechtskräftig ausgesprochen wurde, daß nämlich Lotterieprojecte der Genehmigung der kompetenten Behörden bedürfen. So hat die LandcS- vertrctung in dankenswerthcr Weise der verantwortlichen Regierung gegenüber ihre übereinstimmende Auffassung kund gegeben und die Regierung ist in der Lage, nach allen Seiten hin diesen starken Rückhalt für die Zukunft sich nutzbar zu machen, es mag an neuen Projekten austauchen, was da wolle. Un aufgeklärt bleibt nur noch eine Angelegenheit in diesem ,Knäuel von Projekten". Herr Kunze hat die Person des Kaisers in völlig unbegreiflicher Weise in die Debatte gebracht. Der Brief des Herrn Kunze an vr. Alexander Meyer erwähnt einen, zu den Verhandlungen mit dem Magistrat crtheiltcn „Auf trag Seiner Majestät". Zunächst ganz abgesehen davon, ob der Auftrag ertheilt ist oder nicht, wird der Disciplinar- hof sür richterliche Beamte sich die Frage vorzulegen haben, ob ein Mitglied des OberverwaltungSgerichtS in solcher Weise, wie eS geschehen, die Allerhöchste Person mit in die TageSerörterung hereinzichen durfte. Der Auftrag kann aber unmöglich ertheilt worden sein, Herr Kunze muß den Kaiser gründlich falsch verstanden haben, mußte überdies aus seiner eigenen Wissenschaft gerade als Mitglied des Ober- verwaltungSgcrichtS sich sagen können, daß ein formaler Auf trag zu solchen Verhandlungen nur dem Ministerium dcS königlichen Hauses ertheilt werden kann. Herr Kunze hat offenbar eine vielleicht geäußerte, ganz allgemeine An sicht des Kaisers, einen objektiven Wunsch, daß eine solche Umgestaltung möglich sein möchte, als „Auf trag" verstanden. Ein solcher Wunsch konnte ihm um so weniger Befehl sein, als sa die Kostensraac dabei noch völlig iu suspenso blieb. Beispielsweise haben wir den Wunsch, daß die Aussicht vom Berliner RathhauSthurm sich verschönern ließe. Deswegen hat noch Niemand von uns den Auftrag, die Alpenkette nach der Havel zu versetzen. Unter diesen Umständen erscheint es auch fraglich, ob Herr Richter in diesem einen Punkte ins Schwarze getroffen hat. Er meinte, daß die Minister jetzt bereits an die Folgen dcS Auftrages hätten denken sollen; sie müßten doch Umbauten am Schloß dem Magistrat gegenüber verantwortlich gegen zeichnen, hätten also im Entstehen solcher Umbaupläne ihrer späteren Mitwirkung eingedenk sein, d. h. den Plänen jetzt sogleich rntgcgentreten müssen. Jawohl, sic hätten diese Pflicht nicht vernachlässigen dürfen, wenn nicht Herr Kunze, sondern das HauSministerium von einem solchen Auftrag etwas hätte verlauten lassen. In allem klebrigen dagegen bat Herr Richter durch seine Behandlung dcS gewiß delikaten lstoffeö sich volle Anerkennung erworben. Die wiederholten BravoS von der Rechten konnten ihm am besten bestätigen, daß er mit geziemender Zurückhaltung in der Form doch die volle Kraft in der Sache entwickelte. Anders wäre eS nicht mög lich gewesen, einen so vollkommen gleichartigen Grundzug in de» Erklärungen der übrigen Parteiführer ausrecht zu erhalten. Daß Herr Richter mit Herrn -Kunze nicht besonders liebevoll umging, fand man auf allen Seiten dcS Hauses wohl begreiflich. Wir glaubten auch hei den Worten des Ministers Herrsurth ein objektives Bcdaucr« darüber durchklingen zu hören, daß rS sich im vorliegende» Falle um einen Beamten handle, der der DiSciplinargcwalt hcS Ministers nicht untersteht. Eine Auf klärung über Herrn Kunzc'S »Auftrag" kann aber nicht auS- bleiben, da dem Vernehmen nach Herr vonWedell-Pies- dorf sein Portefeuille als Minister dcS königlichen Hauses dem Kaiser zur Verfügung gestellt hat. Dies ist ein formal wohl selbstverständlicher Act, der den Kaiser in die Lage setzen wird, seinen Minister aus der schiefen Beleuchtung herauS- zubringen, in die da« Schreiben des Herrn Kunze den Minister leider versehen mußte. — Die CabinetSordre, welche das Ziller'sche Projekt endailtia beseitigt und den Raum sür das Kaiser Wilhelm-Denkmal auf da« Ostufrr der Spree einschränkt, ist am Sonntag Nachmittag vom Kaiser unter zeichnet worden. Der Kaiser war zu diesem Zweck am Sonnabend Nachmittag im Auswärtigen Amt erschiene», um dort den Bortrag de« Minister« Boetticher entgegen zu nehmen, und empfing den Minister am Sonntag Mmcig in Potsdam, um di§ Unterschrift zu vollziehen. — Dem »Hamb. K." und andere» Blättern wird von hier telegraphirt: »»Wir zuverlässig verlautet, wird der Krieg-minister iu nächster Zeit daSErgeboiß der wegen der Enthüllungen von Ahl Wardt eingeleiteten Unter suchung veröffentlichen. Soweit bisher ersichtlich, bandelt eS sich lediglich um Erfindungen!" — Wie da« „Berliner Tagcbl." hört, hat die Aktiengesellschaft Ludwig Löwe <L Co. gestern den Strafantrag gegen Ahlwardt eingereicht. — Wie aus einer in den amtlichen Blättern erfolgenden Be kanntmachung des Reichskanzlers hervorgeht, hat der BundeSrath in seiner Sitzung vock 7. April d. I. beschlossen, daß die Bestimmung des 8 34 Ziffer 4 de« Gesetzes, betreffend die Jnvaliditäts- und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889, der zufolge ein Anspruch aus Rente vorbehaltlich besonderer Bestimmungen so lang« ruht, al« der Berechtigte nicht im Jnlaude wohnt, neben dca in der Bekanntmachung vom 16. Mai 1891 ausgesührten Grenzbezirken auch sür die kaiserlich königlich österreichischen Bezirkshauptmannschasteu Bischofteinitz, Tachau und Plan außer Kraft gesetzt werde. — Die Erkenntniß, daß eS eine verhängnißvolle Ver blendung war, die Nationalliberalen zu bekämpfen und den reactionairen, unduldsamen UltramontaniSmuS zu unter stützen, geht den besseren deutschfreisionigen Köpfen jetzt mehr und mehr auf. Die „Vossische Zeitung" bespricht die Stellung der Parteien in Deutschland, wobei sie den be- merkenöwerthen Ausspruch thut: »Wir haben seiner Zeit im einzelnen am Verhalten der nationalliberalen Partei vieles auSzusctzen gehabt, aber im Ganzen betrachtet, müssen wir sagen, daß die Zeit, in welcher sie den Ausschlag gab, unsere gesetzgeberische Entwickelung sehr heilsam gewesen Darauf zieht sie in ähnlichem Sinne wie die „Nation" aus ihren Betrachtungen, die wir als eine erfreuliche Frucht der Schulwirren anzusehen haben, folgendermaßen das Ergebniß: „Will die Regierung sich von dem Einfluß des Centrums befreit sehen, so giebt es dazu nur einen einzigen Weg. Es liegt aus der Hand, dag es niemals zu erreichen sein wird, der conserva- tivcn Partes für sich allein eine Mehrheit zu verschaffen. Diese Partei hat bei den Wahlen zumtzReichstag im Jahre 1887 und zum Abgeordnetenhaus im Jahre 1888 den höchsten Punct erreicht, den sie lemals erreichen kann. Der einzige Weg, der zum Ziel« führen kann, ist der, die Nationalliberalen wieder in die Stellung ein- zusetzen, die sie früher eingenommen haben, und das Centrum von der Möglichkeit auszuschließen, im Bunde mit den Lonjervativen die Volksvertretung zu beherrschen. Daß die Regierung, wenn sie will, dieses Ziel erreichen kann, ist zweifellos; sie hätte den National liberale» nur um wenige Schritte entgegenzukommcn, und die große Mehrzahl derer, die bis dahin mit den Conservativcn gegangen sind, würde ihr mit Freuden folgen. Ob sie es aber will, das ist die Frage. Graf Laprivi wollte es offenbar nicht und Gras Eulenburg hat bisher seine Gedanken verborgen." — Unter der Ueberschrift „ Eons ervative oder Social demagogische" veröffentlicht ein »allbekanntes Mitglied der konservativen Partei" im »Conserv. Wochenbl." emen Aussatz gegen die »Kreuzzeitung", die der Verfasser längst abgeschabt hätte, »wenn nicht Frau und Töchter dagegen rcvoltirtcn, die^sie wegen der vierten Seite nicht entbehren können". Am Schluffe des Aufsatzes heißt es: „Tie ganze deutschsociale, antisemitische oder christlich- sociale Richtung, auf deren Herrschaft die „Kreuzzeitung" mit den ihr verbündeten Blättern hinarbeitet und die aus das Ausgiebigste im „Volk" ihren Ausdruck findet, diese ist es, aus die ich vor Allem die Aufmerksamkeit lenken möchte. Unklar in ihren Zielen, demagogisch iu ihrer Manier, ist sie eine schwere Gefahr sür unsere Entwickelung; und was an ihr gut ist, das ist längst ein Theil des konserva tiven Programms. Pikante Artikel und Enthüllungen, Entrüstung sprühende Tiraden über Tinge, die jederzeit vorgekommen sind und Vorkommen werden, so lange es eigennützige und schwache Menschen giebt, die liest das Publicum mit Interesse und Gläubigkeit; in daS klein Gedruckte, die langweiligen Programme u. s. w. vertieft man sich ungern; und doch gilt es hier, der Sache aus den Grund zu gehen. Ich möchte den „Junker" sehen, der das deutsch-sociale Programm wirklich mit Berstandniß gelesen hat und der diese Be- wegung dann Noch sür eine konservativ« hält. Das ist der Punct, au, den ich Hinweisen möchte, wo cs unumgänglich ist, auf rein liche Scheidung zu dringen von Dingen, die nicht konser vativ sind." — Das Ausscheiden des Grafen v. Kleist-Schmenzin auS der konservativen Fraktion des Abgeordnetenhauses macht in parlamentarischen Kreisen großes Aufsehen. Graf Kleist, Mitglied de« Abgeordnetenhauses und seit vielen Jahren Mit glied und Schriftführer deS Reichstages, genießt in seiner Fraktion ein ganz besonderes Ansehen. In Gemeinschaft mit v. Helldorff und dem Freiherrn Otto v. Mantcussel war eS ihm gelungen, den extravaganten und unversöhnlichen Strömungen i» den parlamentarischen Fraktionen der kon servativen Partei mit Erfolg entgegen zu treten, obne daß von seiner vermittelnden Thängkeit außerhalb der Fraktion Näheres bekannt geworden war. Sein Austritt hat daher ziemlich überraschend gewirkt; man glaubt, daß er sür die konservative Fraktion des Reichstage« auch weitere Folgen haben werde. — Zu einer lebhaften Auseinandersetzung zwischen „offtciellen" und „unabhängigen" Sociokiste» kam e» gestern Bormittag in einer öffentlichen Volksversammlung für den Kreis Deltow-BeeSkow-Lharlottenburg, die von den Anhängern der sociuldemokratischen Partei einberufen war, um zu der am nächsten Sonntag stattfindenden Parteiconsrrenz für die Provinz Branden, bürg Stellung zu nehmen. Herr Theodor Metz» er reserirt« über die Bedeutung des Provinzial-ParteitageS und empfahl die Entsendung von drei Delegieren. Bevor man jedoch zur Wahl schritt, nahm WurbS (Rixdors) das Wort und machte den „Unab- hängigen" heftige Borrpürse, weil sie die Ausbreitung der LandagUation hinderten. — Schweitzer (unabhängig) wies diese Borwürfr zurück Nicht die „Unabhängigen", sondern die „Officiellen" trügen die Schuld, deren größter Fehler der „Kampf mit geistigen Waffen sei. Nur die rohe Gewalt sei von Nutzen im Kampic gegen die bürgerliche Macht. (Lachen.) Dies Lachen zeige nur, daß die Versammlung keine Ahnung von der Macht der Arbeiter habe Die „Hungerrevolte" vor mehreren Wochen sei ein Beweis für seine Behauptung. Nicht „Ballonmützen" seien die Revoltirenben gewesen (heftige Zwischenrufe: „Ist aber Thatsache!"), sondern solche Arbeiter, wie die Anwesenden; das hätten die Gerichtsver- Handlungen erwiesen. Aber beim „Vorwärts" schienen die „Arbeiter' erst mit 2000 Gehalt anzufangen. (Große Unruhe und Wider- spruch.) Er machte den „Officiellen" den Vonours, sie seien nicht mehrrevolutionair, die Unabhängigen allein seien Revolutionaire und verdammten den Parlamentarismus. — Hier unterbrach der Bor- sitzende den Redner mit einem Hinweis auf die Tagesordnung, die keine Diskussion enthalte. — Hierauf wurde der Antrag gestellt, eine Dis- cussion über das Referat zu eröffnen. Es entspann sich eine heftige Debatte darüber, ob man sich mit den Unabhängigen in einen Meinungsaustausch einlassen solle oder nicht. Die Gruppe der > Unabhängigen ries oft dazwischen: „Feigheit I" und Aehnliche«. — Lappiun (Lichterfelde) beschuldigt die Opposition, daß sie die Partei erst seit dem Tage al« nicht revolutionair bezeichne, an welchem sie in Erfurt von dieser ausgeschlossen wurde. Wenn sie,' etwas wolle, so solle sie doch mit einem Programm hervortreten. — - Nachdem verschiedene Redner ersucht hatten, die Opposition gänzlich links liegen zu lassen, wurde mit großer Majorität ein Antrag angenommen, der die Diskussion ablehnte. — Der Centralvorstand der nationalliberalen Partei, gcz. Hobrecht, hat gestern zu dem Feste der Deutschen Partei in Württemberg folgenden tele graphischen Gruß entsandt: „Den seit fünfundzwanzig Jahren in der Vertretung der Reichsidee und der Reichsiniercsscn treu bewährten politischen Freunden im Königreich Württemberg zu ihrem heutigen Ehrentag unseren aufrichtigen Glückwunsch und freundschaftlichen Gruß. Aus fröhliches Wiedersehen beim gemeinsamen Feste in Eisenach! — Dem Abg. Freiherrn v. Huene ist, nach der „Germ.", eine Benachrichtigung der Minister des CultuS und des Innern zu- gegangen, nach welcher sür eine Niederlassung deutscher Mit glieder der Pallotiner zur Ausbildung von Missionaren für die deutschen Schutzgebiete die Genehmigung ertheilt werden wird, sobald der Antrag dazu durch Vermittelung des zuständigen Bischofs gestellt wird. I» Aussicht genommen ist ein Ort in der Diöcese Limburg. Das Einverständnitz des Bischofs von Limburg ist bereits ausgesprochen. — Dem in der Nacht vom 1. zum 2. d. M. zu Gersau an einer Lungenentzündung verstorbenen früheren kaiserlichen Minister Residenten in Tanger, Travers, widmet der „Reichs- Anzeiger" folgenden Nachruf: Travers war geboren im Jahre 1839 und nach bestandenem Assessor-Examen im Jahre 1868 in den auswärtigen Dienst ein- getreten. Er fungirte zunächst als Kanzler bei dem Vice-Consulat m Kairo, wurde 1869 als solcher an das General-Conjulot in London versetzt und im Jahre 1871 zum Bice-Consul daselbst er- nannt. Noch in demselben Jahre kehrte er als Vice-Consul nach Kairo zurück und wurde 1875 zum Consul daselbst befördert. Bon 1879 bis 1881 war er als Consul in Canton und London thätiq und wurde gegen Ende 1885, nachdem er längere Zeit die Functionen und eines kommissarischen Generalkonsuls in Zanzibar wahrgenommen hatte, zum Generalkonsul in Svdnen und im Juli 1887 zum Minister- residenten für Marokko ernannt. Mit Rücksicht aus seinen leidenden Gesundheitszustand sah er sich anfangs 1889 genöthigt, seine Ab- berusung »achzusuchen und wurde infolge dessen im März 1889 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Travers war einer der hervor- ragendstcn Beamten des auswärtigen Dienstes, der sich durch treff liche Kenntnisse, praktische Erfahrung und taktvolle- Auftreten auf jedem Posten und unter den schwierigsten Verhältnissen wohlbewährt hat. Wenn er auch seit drei Jahren dem aktiven Dienste nicht mehr angehörte, so wird doch sein Ableben im Auswärtigen Amte schmerzlichst empfunden und ihm ein ehrendes Andenken stets be wahrt bleiben." — Premierlieutcnant v. FranyoiS von der Schutztruppe für Südwest-Afrika ist, wie die „N. A. Z." mittheilt, aus Urlaub nach Deutschland zurückgekehrt und hat sich zunächst nach Magdeburg, wo sein Regiment,n Garnison steht, begeben. — S. M. Kanonenboot „Wols", Commandant Corvetten- Capitain .Hellhoff, ist am 8. Mai d. I. in Shanghai eingetrosscn und beabiichtigt, am 10. desselben Monats nach Amoy in See zu gehen. — Die Aerztekämmer der Stadt Berlin und der Provinz Brandenburg hat in einer am 7. d. M. abgehaltenen Sitzung sich im Princip für die Erweiterung der Disciplinarbefugnisse der Aerztekammern ausgesprochen. — Ter Bezirksausschuß zu Stade beschloß im vorigen Herbst die Ausscheidung der Herren v. Gruben und v. Marschalck als Mitglieder des kreisausschusscs wegen ihrer Theilnahme an welfischen Kundgebungen. Tie gegen diesen Beschluß ein gelegte Berufung ist, wie die „Magdrb. Ztg." mittheilt, jetzt vom Oberverwaltungsgericht verworfen worden. Beide Herren sind auch Landschast-räthe in der Landschaft der Herzogthümer Breme» und Verden. Freiherr v. Marschalck ist, vom Provinzial- »ES mag eine Schicksalsfügung sein, baß ich Sie treffe", sagte er, »wollen Sic mich anhören?" Sir sah ihm verwirrt in daS Gesicht und versicherte mit leiser, etwas zitternder Stimme, baß sic bereit sei. Er aber beachtete das nicht. Er setzte noch seine Wanderung durch da« Zimmer fort und ihr ward immer beklommener. »Sie sind seinsüblcnd, verständig und weltknndig. Sie werden Rath wissen", ries er und setzte sich endlich ihr gegenüber. ES brauste ihr Anfangs so vor den Ohren, dass sic nicht gleich begriff, waS er redete. Er sprach von einer fernen, vergangenen Zeit — — aUmälig gelang eS ihr. sich zu sammeln. WaS war da«? Ha! Diese Leute in der Schieß gasse — von den PelerS sprach er. Sie Hörle jetzt mit athemloser Spannung zu Der Zusammenhang wurde ihr klar — so stand er zu dem schönen, jungen Mädchen, dessen Begegnung ibn am Morgen so verwirrt. Die Lampe war im Wintergarten, wo ein Wald von Camelicn blühte, an- gczündet, sie warf durch da« GlaSsenster ihren Schein aus sein Gesicht. Seine Züge waren bewegt, so ehrlich, so treu. Welch ein reiner, guter» edler Mensch war er — und den hatten die Klatschzungen schmählich angclastct — aus dieser großmüthigen Tdat war ibm Verleumdung, jetzt Sorge er wachsen. Ibr sonst so küble» Herz wallte aus, diesem ungewöhnliche» Manne entgegen. Er sprach jetzt von Lisa, er schilderte sie als das Kind von sechs Iabrcn, welches c- ibm angeiban. »Sic liebte mich, die Kleine", sagte er schwcrmütbig lächelnd, »sie hing an mir mit der ganzen beißen Zärtlichkeit rhrcS KindcrherzenS, und mir tbat das damals wohl." »Sic baden doch wohl niemals an Liebe gedarbt", schaltete Thekla ein »Ich bin ein einziges Kind und mit einem reichen Segen von Elternliebe überschüttet", entgcgncle er, »aber — einem jungen Manne von 25 Iabren, der ich damals war, genügt da« nicht ganz. Ich — nun eS ist so lange GraS darüber gewachsen, warum sollte ich nicht auch darüber mit Ihnen sprechen können — ich batte damals Schiffbruch gelitten in meiner ersten und einzigen Liebe. Ich war, Fräulein von Linden, von jeder cm schwer bcanlagter Geselle, der alle Dinge verzweifelt ernst nabm Es war. cbe ich dierbcr nach Dresden siedelte, bald nach absolvirtcm Examen, als ein schöne« Matchen ,m Sturm meine Sinne — nein, meine Seele gefangen nabm S,c ließ mich glauben, baß sic meine Liebe erwiderte, ich überlegte nicht, >ck> warb in der vollen Gluth der Leidenschaft um sie und erhielt ibr und ihrer Eltern Wort. Kein Zweifel keimte »n meinem jungen, unerfahrenen Herzen, eS war eine große Wonne, eine Seligkeit ohne Grenzen, bis" — er kielt inne und fuhr ein paar Mal mit den Händen durch sein dichtes Haar, noch spiegelte sich der Abglanz jenes großen Schmerzes auf seinen Zügen — „bis ich durch einen Zufall entdeckte, daß ich lange einen bc- günstiglercn Nebenbuhler gehabt, daß Marien« Wahl nur um der äußeren Glücksgüter willen, welche ich reichlicher und besser bieten konnte, auf mich gefallen war. Ehe noch meine Eltern von meiner Verlobung erfuhren, war da« Band zwischen un schön wieder zerrissen; ich verließ die Stadt und flüchtete mit meinem kranken Herzen hierher. Ja, eS ist eine große Thorbeit, ich weiß eS, und Sie werden lächeln, wie eS Jeder thun würde, dem ich eS beichten wollte, aber ich glaubte mich damals unheil bar, und kein Weib hat mir die Seele wieder gerührt. In den nun immer einsamer werkenden Iunggcscllenjahrcn, wo ich immer wunderlichere Ansichten über die moderne Gesellschaft faßte, erfrischten mich die Briese deS KindcS aus der Pension. Ich sah das Wachsen und Entsalte» ihres Geiste-, sie hatte keinen Hinterhalt, kein Hehl vor mir. Hier konnte ich noch einmal wieder glauben und vertrauen." »So lange sie ein Kind war", sagte Tbckla. ES klang beinahe hart und kalt. »Jetzt erwachsen Ihnen Schwierig keiten, Sorgen auS der guten That, ich begreife vollkommen, denn das mit einer in ihrer Lage gefährlichen Schönheit auS- gcstattctc Mädchen ist großer Verführung prciSgegebcn, vor der Sie sie dauernd schwerlich schützen können." Thekla vermocht« sich selbst nicht Rechenschaft zu geben, warum bei allem innigsten Antbeil an seinen Erfahrungen und Erlebnissen eine Art unmutdiger Bitterkeit in ihr beraufguoll. Sie empfand sein« Lage plötzlich, als sei eS ihre eigene, er war von Seiic der unwürdigen Mutter und Schwester seine« Schütz ling» », schlimmen Banken, sie batte eS deutlich durch seine vor sichtig gebastene Erzählung durchschimmern seben, wie er von den niedrigen Menschen für ihre Zwecke auSgcnützt worden, wie er unzählige Geltoxscr gebracht. >a seinen Rus selbst eingesetzt. Jetzt — wer bürgte dafür, daß nicht ein Erbtbeil dcS Blute- in dem mit allen Reizen zur Versuchung auSgcstattetcn Mädchen sie auch zur «irrnc werten ließ, die ihn, den Sicheren, noch einmal in» Verderben lockte. Wie weich war sein Ton, wenn er von dieser Lisa sprach. Obne daß sie eS sich cingestcdcn wollte, krampstc sich ihr Herz unter düsen Erwägungen zusanunen. Er saß vor ihr. da» Haupt in die Hand gestützt, al« ob er ibrcr Gegenwart vergessen. Sie litt unsäglich. »Ich wollte meine Mutter bitten, Lisa unter ihren Schutz zu nehmen", sagte er nach einer Weile. »Wie denken Sie sich da«?" meinte Thekla >nd sie war noch nicht .Herrin über ihren Ton. Er blickte plötzlich auf, man hatte in den Ncbenräumen, die nur durch eine zurück geschlagene Portibre von diesem Zimmer geschieden waren, die GaScandclaber angezündet, er erschrak vor dem Ausdrucke de- Schmerzes aus Tbckla « Gesicht. »Was ist Ihnen?" fragte er betroffen. Sir nabm sich gewaltsam zusammen. »Meinen Sie, daß Ihre Erzählung, diese ganz besondere Geschichte, den Hörer, wenn er überhaupt Fleisch und Blut hat, ganz un bewegt lassen kann? Ich fühlte Ihnen Alles nach, bin außer mir, empört über allerlei Dinge und weiß Ihnen noch nicht zu helfen." Ihre Rede war leidenschaftlich ge worden, was in ihr wogte, brach doch hervor, Thräncn standen in ihren Augen. Er reichte ihx die Hand über den Tisch. »Welch eine warme Seele Sie sind, daS tbut gut. Hundert Andere hätten mir ein paar konventionelle Phrasen, ein paar bohle, keines wegs durchdachte Rathscbläge gesagt, und ick hätte mich nach her einen Narren und Esel gescholten, weil ick in momentaner Stimmung mein Innerstes prciSgcgcben. Sie aber haben mich verstanden, ich danke Ihnen." »Lassen Sie unS nur dabei bleiben, WaS zu tbun ist", lenkte sie hastig ab. »Der Mama können Sie nicht« sagen; so weit ick sie kenne und beurtbeile, würden Sie ihr einen großen Schmerz, eine schwere Sorge ausbürden obne Nutzen. WaS kann Frau Generali» tbun? Durch eine Beschützcr- rollc an diesem schönen jungen Mädchen auS übclbcleumundetem Hause die Aufmerksamkeit der Welt noch mehr aus dasselbe lenken? Ihren Namen noch mcbr mit dem des Mädchens versteckten? Da« können sie nicht wünschen, weder für sich, noch für sie." »WaS dann aber?" erwiderte er rathloS und sah ihr ganz hilflos in die lebhaften Augen. »Sic haben genug getban sür da« Mädchen", sagte Tbckla kalt, »ibre Erziehung befähigt sie jetzt, sich selbst zu helfen. Sitte, Moral, die Erkenntniß des Guten sind in ihre Seele gelegt, das ist Ihr Werk und Ihr Verdienst; wenn die Mutter noch einen Funken Gefühl bat, muß sie jetzt sorgen, daß ihi^Kind in reinere Lust kommt. Sie wird eine Stelle annebmrn —" »Sehen Sie, da begreife ick Sie nun nicht", unterbrach Erich sie s-nft, er batte seine Wanderung durch daS Zimmer wieder angetretcn unk blieb jetzt harmlos verwundert vor ihr stehen — „ich habe immer eine tüchtige Portion Weltkenntniß an Ihnen bewundert; hier aber — nun freilich, dies mögen Abgründe sein, in die Sie nicht bineinzublicken vermögen Ein falsches Weib, ein gesunkenes Weib wie diese Fr au Hcloisc PctcrS bat alles Gefühl für Tugend und Ehre verloren, die schöne Tochter, ihr Ebenbild überdies, wird ihr zu einem Werkzeug sür ihre Zwecke werden, die verderbte Schwester — o mein Gott, wie kann man Lisa aus der Giftatmosphärc fortschaffcn!" Er faßte an seine Schläfen; er, der Ruhige, war in leiden schaftlicher Aufregung. »Er liebt sie", dachte Tbckla plötzlich, und eS war ihr. als ob ibr Jemand einen Stick in das Herz versetzte — die arme Generalin, die armen Eltern, wie furchtbar mußte eS für sic sein, wenn ibr Einziger, dieser Mann, der zu wählen batte unter den Höchsten, Besten und Reinsten, in diese Schlinge fiel, zu diesen Parias der Gesellschaft sich gesellte »Diese Lisa muß fort — sie muß so bald als möglich in irgend eine Stellung gebracht werden", sagte sie beinabe keuchend. »Zu Ostern will Frau Schröder ibr eine Gouvernanten- stelle verschaffen", murmelte er, »aber bis dabin —" »Mischen Sie sich so wenig als möglich in die Sache", flüsterte sie, denn in diesem Augenblick trat die Generalin ein. »Ha! die Beiten sind hier beisammen!" ries sie lachend, in einem besonderen schelmischen, glücklichen Ton, »ein ganz intime« teto-ä-teto, komme ich auch störend?" Thekla ward dunkclrotb. Diese Andeutungen waren wahr Haft entsetzlich, in welch' einem gewaltigen Irrthume befand sich diese gute, liebe Frau. Erich antwortete unbefangen. »Ja, Fräulein v. Linden s Gegenwart sei ibm sehr lieb und angenehm gewesen, er habe allerhand mit ihr zu reden gehabt, und sie seien gerade zu Ende." Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, so harmlos und arglo« in diesem Augenblicke, daß er den Scherz gar nicht auffaßte. Tbckla gewahrte eS und dankte Gott dafür. Sie beeilte sich, der Gencralin in einer sehr ernsthaften und nüchternen Manier auSkinanterzusetzen. daß ibr Sohn ibr einen schweren Fall an« seiner Praxis mitgethcilt, dem sie mit großer Tbrilnahme gefolgt sei Sir begegnete einen Moment Erick'S Blick bei dieser halben Lüge, und er sah ganz belustigt über ihre Geschicklichkeit drein. Frcilick war eS ein Fall auS seiner Praxi» gewesen, wie scklagsertig solch eine Evastochter doch ist. (Fortsetzung folgt.)
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