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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920513024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-13
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JnsertionSprei» Die S gespaltene Pctttzeile 20 Pfg. . Reklamen nnter dem NedactlouSstrlch («g« waiteni 50»h. sor den Aomilieuiiachrichle» (» gespalten) SO-ch. Sröhere Schrillen laut »nsere» Preis verzeichnis,. Tabellarischer »ad Zisserasas »ach höherem Tarif. Sptro-Vrilnarn (gesalzt), »ur mir der Morgen-Ausgab». ohne Pvslbesörderuag SO.—, mit PoslbesSrderung 70.-. Ännahmeschluß für Inserate: Abead-AnSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Marge »«Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Sonn» und Festtag» früh 9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestelle» je eine halb« Stund« früher. Austritte sind stet» an di» OxZettti«« zu richte». Lsut« Lösch«. »etbarienistr. IS, v«t. nutz KöRgSpla» 7. Organ für Politik, LocalgeMte, Handels- »nd GcMftsverkehr. Druck und Verlag von L. Pol» tu Lelpzi« ^°244. Areitaa den 13. Mai 1892. 88. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Mai. Unter den zahlreichen politischen Festlichkeiten der jüngsten Zeit hat das Jubiläum der Deutschen Partei in Württemberg eine besondere Bedeutung erlangt. Als im letzten Herbst ein seit längerer Zeit von der Partei inne- gehabter ReichStagSwahlkreiS an einen Demokraten verloren ging, ohne daß demselben überhaupt ein Gcgencandidal eut- gegengestellt wäre, wurde das von den Gegnern als das un trügliche Anzeichen des nahen Endes der iialionalgcsiunien Mtttrlparlri im Schwabenlaude verkündet. Jener Pessi mismus, von dem aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands berichtet wurde, sollte vor Allem in Württemberg die Anhänger der deutschen Partei zu einer verhängnißvollcn Muthlosigkeit gebracht haben. Die im Lause deS WinterS nn Schooße der Deutschen Partei gepflogenen Berathungen über eine Revision deS Parteiprogrammes be wiesen bau» freilich, daß das Leben aus dem todtgesaglen Berbande noch nicht gewichen war; aber ans gewissen Meinungsverschiedenheiten beun Abschluß dieser Reformarbeik glaubten die Gegner wenigstens aus eine liesgchenbe Spaltung hoffen zu dürfen. Der Verlauf des Stuttgarter Festes hat alle diese Berechnungen zu nichte gemacht. Zn un getrübtester Harmonie und in fester Zuversicht aus die Zukunst haben die auS allen Thcilen des Landes zahl reich berbcigeströmten Männer nicht nur die der Ver- gangenbcil angchörigen Verdienste der deutschen Partei ge feiert, sondern auch ihre gegenwärtigen und kommenden Aus gaben ins Auge gefaßt. Tlabri hat man an rer heutige» Lage in Deutschland zwar eine sehr freimüthige Kxjlik geübt, aber von einem rathlosen Pessimismus oder gar von emer bedenklichen Wendung zu parlicutaristischen Anschauungen >st nicht» zu bemerken gewesen. Im Gegentheil, niemals zuvor ist die GelsteSgemeinschaft der deutschen Partei Württembergs und der großen nationalliberalen Partei im Reiche ent schiedener zum Ausdruck gekommen. Zn einem Rückblicke de» „Schwab. Merkur" auf das Fest wird dies besonders hervorgehoben und hinzugesügl: „Noch niemals sind in Schwaden so begeisterte Kundgebungen für Herrn v. Bennigsen, den hochgeachteten Führer des liberalen BürgerthumS, erfolgt, wir sie in diese» Festtagen zweimal mit fast elementarer Ge walt au« der Versammlung hervorbrachen." Der Verlaus des Stuttgarter Feste» berechtigt zu der Hoffnung, daß die jenige Partei, welche in Württemberg fast die alleinige «tützr einer deulschnationalen Politik ist, ihren alten Platz auch in Zukunft behaupten wird. Unsere sächsischen Parteiverbältnisse sind schon wieder einmal Gegenstand einer Erörterung in den Blättern außer halb Sach>ens. Dabei begegnen wir abermals der ganz unhaltbaren und hundertmal als irrthümlich nachgewiesenen Auffassung, daß e» sich bei dem sächsischen Cartel um jenes Cartel handle, da» 1887 zwischen Conservativcn und Nationalliberalen für die Reichstagswahlen geschloffen wurde. Man darf sich die Müde nicht verdrießen lassen, auch Blättern, die eS längst wissen könnten, immer wieder zu Gemüthe zu führen, daß ein außerordentlich großer Unterschied vorhanden ist. Daö Cartel von 1887 war zunächst nöthig, um endlich einmal das erdrückende Ueder- gewicdt de» CentrumS und dessen unseligen Einfluß auf die Reichspolitik zu brechen. Da e« im Königreiche Sachsen gar keinenUltramontaniSmuS oder keine nennenSwcrthe ultramontane Partei giebt, so batte schon damals da» ReichStagS-Wahlcartel für Sachsen hinsichtlich diese» HauptpuncteS gar keine wesent liche Bedeutung. Dasselbe war ferner nöthig, um den fort schrittlichen Liberalismus wegen seiner unnatürlichen Ver bindung mit dem Centrum vor den Mäklern zur Rechenschaft zu ziehen und durch Einschränkung seine» Besitzstandes unschädlich zu machen. Da im Königreich Sachsen die im Reichstage vertretene Richtung de» fortschrittlichen Liberalismus mit kaum 10 Procent aller Stimmen eine untergeordnete Rolle spielt, hatte das ReickölagS- wablcartel für 1887 auch nach dieser Seite hin eine neben sächliche Bedeutung. Hier in Sachse» gilt cS, die Social- drmokratie zu bekämpfen, deren Stimme» seil l88t von 130 000 auf 240 000 bezw. von 35 auf 42 Proc. der Wakl- berechtigtcn angewachsen ist. Wo alle Ordnungspartcien zusammen nur noch etwa« über die absolute Mebrbeit verfügen, muß der Streit unter den Lrdnungsparteien soweit zurücklretcn, daß nirgends der revolutionäre Gegner in der Lage ist, tvrtiuy gnuclen« zu sein. Das heißt: der Streit muß fast ganz rubcn, und dieser Erkenntnis, ver dankt das spccifisch sächsische Cartel seine Entstellung, die nickt etwa von 1887, sondern schon von Ende der 70er Zabrc datirt und auch die Fortschrittspartei >» der sächsischen Kammer umschließt. Eine Zeit lang wollte cs scheinen, als ob dieser sogen. Kamnicrfortichritt im eignen Lande zu einer Auseinandersetzung mit dem Teutschsreisinn getrieben werden würde. Das mar glücklicherweise nicht niebr nöthig, nachdem am Mittelpunkt der radikalen Treibereien, in Wurzen, eines Tages der Hauptoerfechter der „entschiedenen" Freisinnige» samnit seiner Zeitung in» socialdemokralische Lager abgeschwenkt war. Die übrigen Dcutschsreisinnigen, soweit sie dem Landtag angehören, nahmen nun ihren Anschluß bei dem sächsischen, gegen die Socialdemvkratie gerichteten Cartel. Dieses ist auch, bei Lichte betrachtet, niemals regelrecht gekündigt worden; kenn ei» Cartel, das zwischen Conservativcn und Nationalliberalen geschlossen gewesen wäre, also auch unter beiden Tbeilcn allein hätte gekündigt werden könne», gab eS >m Herbst v. Z. lange nicht mehr. ES bestand nur in Sachsen noch das alte Cartel der Ordnungsparteien, das demnach auch dem Kammersorttchrilt Kälte gekündigt werken müssen. Nachdem nun der König Albert selbst betont hatte, das; eine Lösung dieses alten CartelS conservativcn Politikern wein,^ anstche, anderer seits auch die Nationalliberalen in «achse» eine Con- seguenz auS einer conservativcn Absage noch nicht zogen, sonder» sich aufs Zuwarten verlegten, ermöglichte sich vor Ostern d. Z. okne größere Schwierigkeit die Wiederherstellung des allen Cartels aller nicht soc>aldemokratischc» Parteien. Für dir sonstigen Beziehungen der Parteien in Deutschland soll und kann dies nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, so wenig eS die Messung dkr Kräfte anderwärts beeinträchtigte, daß z. B. in den polnischen Kreisen alle Parteien ihre Gemeinschaft als Deutsche höber stellten, als den Partei-Unterschied. Wokl aber kann das sächsische Vor gehen ein ersprießlicher Fingerzeig für diejenigen nichtsächsischen Kreise sein, die sich in gleicher Vage befinden, wie die meisten sächsischen. Wir sehen auch gar nicht ein, warum eS — um nur ein nabeliegendes Beispiel anzufükrcn — nicht möglich sein soll, für Halle, Magdeburg und Braunschweig ein ge meinsame» Vorgcben aller Parteien durch zweckmäßige Zugeständnisse zu ermöglichen, wenn eS möglich ist, unter 20 bis 2l sächsischen Kreisen eine solche Verständigung zu erzielen. Nach den neuesten Berichten ans Nom scheint cS, als ob die Bildung des neuen Cabinets perfect geworden sei. Noch in den letzten Stunden drohte durch die Weigerung Brin'S, in da» Cabinet einzutreten, eine abermalige Ver längerung der KrisiS; wie aber heute telegraphisch gemeldet wird, ist eS Giolitti doch noch gelungen, Brin zur Ucbernahme deS Portefeuilles der auswärtigen Angelegenheiten zu bewegen, und damit ist der letzte Stein deS Anstoßes vor der Hand au« dem Wege geräumt. Wie lange freilich das Cabinet Giolitti den Verhältnissen und den stürmen, die ohne Zweifel an dasselbe hcrantreten werden, gewachsen sein wird, das ist eine andere Frage. Die Berufung Giolitti'S an die Spitze der italienischen NegierungSgeschäfte entspricht den Grundsätzen deS Parlamentarismus insofern, als der genannte Staats mann es war, welcher das Cabinet Rutini zu Fall brachte. Gegen Rudini hatten sich nicht nur die gewohnheitsmäßigen Oppositionsparteien gekehrt, sondern auch ein Tbeil der bis herigen Regierungsmehrheit hatte sich dem cabinetSfcindlichen Votum entweder angeschloffen, oder er war doch nickt zu be wegen gewesen, durck Emtrekcn für da» Minister»»» dem selben da» Leben zu retten. DaS Ministerium Giolitti findet eine zieinlick verworrene Lage vor. Um Klarheit in dieselbe zu bringen, ist es erkorterlick, daß die Parteien »nt .Nand an- Weil legen. Voraussetzung dabei wäre natürlich, dag etwaige ObttructioiiSgclüste alsbald »nk energisck zum Schweigen gekrackt würde», überhaupt Alles gemieden wurde. waS die tieleii Zerkliiilnngen ii» italienischen Partcilebcn »och verschärfen könnte. Auch bann ist die Lage noch längst nicht sorgenfrei, da fremde Einsiüsse jenseits der Alpen eifrig an der Schürung der inneren Differenzen im italienischen Volksleben arbeiten und dadurch einen Truck auf die Wünsche der öffentlichen Meinung deS Landes auS- üben. Wie dem aber auch sei, die Ucbernabine der EabinctS- neubilkung durch Giolitti zeigt, daß ein Ausweg aus der mißlichen Lage gesunken wer den kann und uffrd, wenn nur die nüchterne Ucberlegung die Oberhand über Sentimentalität und Kleinniutk gewinnt. Zn Frankreich ärgert man sich über den Amtsantritt Giolitti'S — gewiß das beste Zeichen, daß die maßgebenden italienischen Kreise auf dem rechten Wege sind. Der Empfang der Achtstunden-D^putation der englischen Gewerkoereine durch Lord Salisbury und Balsour hat weder die daran geknüpften Hoffnungen der Arbeiter, »och die Befürchtungen der Liberalen erfüllt. Ob wohl eine ganze Anzahl der conscrvalivcn Abgeordneten der Achtstnntcu-Bewcgung sympathisch gegenüber steht, hat weder Salisbury noch Balsour es sür nvtbig gehalten, die Wünsche der Arbeiter zu der ihrigen zu machen und ohne die varla- mentarische Unterstützung der Conservativeu oder der Regie rung in Aussicht zu fielle». Die von Skiplon gesuhlten Dclegirtcn setzten dem Premier auseinander, der Achtstundentag sei »oibwendig, nicht nur um den Arbeitern eine längere Ruhe pause zu schaffen, sondern auch um gleichmäßigere Bedingungen zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen zu schassen. Salisbury entgegncle, wie u»S heute in Ergänzung der nicht ganz correcleu telegraphischen Nachricht im Morgenblatte gemeldet wird, die Abordnung dürfe kemcssaUS aus der Tbaisack>c ihre« Empfanges die Folgerung ziehen, daß er, der Minister, ihre Anschauungen theilc. Er weise vielmehr ihren Wunsch schlechthin zurück, die gesetzliche Sanct ion für den Achtstundentag zu erlangen. Die Arbeiter müßten sich mit der langsamen aber sicheren Wirkung der öffent lichen Meinung begnügen. Tic Arbeiter täuschten sich schwer, wen» sie glaubten, für Achtstundcnarbeit den gleichen Tagclobn wie heute zu erlangen. Sie müßten sich hüten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, deren Einführung das Großkapital auS dem Lande treiben werde. Balsour sprach sich in gleichem Sinne aus und bezcichncle insbesondere den Parlamentarismus als ein durchaus ungeeignetes Mittel zur Erreichung dcö Zieles der Arbeiter. Der Ersatzwahl sür daö Unterhaus in North- Hackuey, Ost-London, wurde von den englischen Parteien mit größter Spannung entgegenzesehcn. Daö Ergebniß der Wahl sollte eine Art Stichprobe sür die kommenden ParlamentSwablen sein und die Wahlbewegung war überaus heftig Die Liberalen boten Alles auf, um ihrem Candidateu MeateS zum Sieg zu verhelsen; dieses Unter nehmen war schwierig, weil der Wahlkreis Nortb-Hackney bisher von einem Eonscrvativen, dem verstorbenen Sir Lewis Pelly, vertreten war; sie hofften jedoch, daß der Ausfall der letzten Londoner Gemeinderathswahlcn in North-Hackney nachwirken werde. Diese Hoffnungen wurdcn enttäuscht; der liberal-unionistische Candidat BouSficld wurde mit 4480 Stimmen gewählt, während aus den liberalen Be werber MeateS nur 349l Stimmen entfielen. BouSsield'S Mehrheit ist allerdings um 518 Stimmen kleiner als die des verstorbenen conservativeu Vertreter« Pelly im Jahre 1888, aber cS wurdcn für Bou-field 1134 Stimmen mehr abgegeben als für Pelly im Zähre 1886. „Diese Wahl", sagt die „Dail» NcwS", „ist ein legitimer Triumpb für die Ministeriellen und eine ernste Enttäuschung für die liberale Partei in London". Die unioinstischen Blätter drücken die höchste Befriedigung auS und frohlocken, daß sich daS iür die Liberalen so günstige Ergebniß der Londoner GrasschaslSrathSlvahle» bei der gestrigen ersten Par'.amentS- wakl in London nicht wiederholte. DaS Ergebniß der Wahl in North-Hackncy ist eine dringende Aufforderung an Gladstone, mit dem Wahlprogramm der Liberalen bervorzntrele». Ueberdies gewinnt eS immer mehr den Anschein, als ob die Auflösung deS Parlamentes irüher erfolgen würde, als bisher angenommen wurde. Zm Unterbaust ist daS Gerücht verbreitet, daß der 20. Juni als Tag der Auslösung des Parlaments jetzt endgiltig festgesetzt wortcn sei. Dieses Gerücht stützt sich auf die Annahme, daß die Regierung einige Tage nach der großen Versammlung zu Ulster zur Auslösung schreiten will, um den jungen und frischen Eindruck der Verurtheilung der irischen Homerule-Politik Glatstone's, welche aus dieser Versammlung erfolgen wird, au»nutzcn zu können. Ueber die bereits mehrfach erwähnten Arbeiter- unruhen, welche sich in Lodz, dem Manchester Russisch- Polens, in den ersten Maitagen abgespielt haben, liegt nun mehr in dem „Warschawski Dnewnik", dem amtlichen Publicalionöorgan dcö Warschauer GeneralgouverncurS, ein Bericht vor, welcher das anfänglich geübte VrttuschungSsystem nicht mehr aufrecht erhält und den großen und ernsten Umsang der Unruhen, die nur durch energische« Einschreiten der Truppen unterdrückt werde» konnten, zugesteht. E« heißt in dem Bericht ausdrücklich, daß, als bei Abfertigung der Arre- tirtcn in die Kaserne ein Haufen Menschen den Versuch inackic, sie zu bcsreien, die Soldaten schossen, so daß cS Tobte und Verwundete gab. Mit Beendigung der Unruhen in Lodz ist übrigen« in den polnischen Fadrikristricten noch keine vollständige Beruhigung der dortigen Arbeltermassen eingekehrt. Ein unS beute au« Warschau zugeheudeö Privattclegramm meldet, daß in der im Gouvernement Petrikau gelegenen Fabrikstadt Zaierz die Arbeiter streiten. Kleinere Trupp« durckziehen die «tadt und Placate mit der in drohendem Ton gehaltenen Auf forderung zu Lohnerhöhungen sind an den Straßenecken an geschlagen. Zn der Rudowski'schen Fabrik kamen AuS- sckreitungen vor, in Folge dessen die Fabrik vom Militair besetzt wurde. 23 Aufwiegler sind verhaftet und unter militairischer Bedeckung nach Lodz abgeliesert. Deutsches Reich. Berlin, 12. Mai. Zn der heutigen Sitzung de» StaatSministeriuins wurde die SteUungnahmr der Regie rung zu den Beschlüssen der Schulcomm>ssion de« Ab geordnetenhauses erörtert. Wie unseren Lesern bekannt, ist aus wiederholten dringenden Wunsch deS Landtag« diesem vor vierzehn Tagen eine Vorlage zugegangen, welche bezweckt, die Lehrer an communalcn höheren Anfialten denen an StaatS- anstallen in Bezug aus das Gehalt gleichzustellen. So sehr die Tendenz des Gesetzentwurfs auch von allen Seiten mit Genugthuung begrüßt wurde, hatte man doch besonder- Be denken gegen die neue Belastung der Eommunen, und bereit- in der Generaldebatte im Plenum wurde mehrfach dem Ge danken Ausdruck gegeben, daß, wenn der Staat die Gr-, meinden gesetzlich zu köderen Gebalrszadlungen zwinge, er auck mit feinen Finanzen für die Mehraufwendungen riotreten müsse. Dieser Grundfatz wird auch von der überwiegenden Mehrheit der CommissionSmitglieVer vertreten, und so wurde trotz deS nachdrücklichen WiterfpruckS deS FinanzministcrS tz. 2 der Regierungsvorlage, welcher den bürgerlichen Gemeinden ge stattet, an Stelle des Systems der AlterSzulagen daS System der Durchschnittsgckältcr bcizubehalten, gestrichen. De» Weiteren wurde ein Antrag angenommen, welchcrdie Regierung verpflichtet, den StaatSzuschuß sür die zur Zeit unterstützten Schulen Feuilleton. Gerettet. Ss Novelle von Alexander Römer. «-»dreck >>erdeten. (Fortsetzung.) Sie hatte ihre Maske befestigt, sie zitterte noch am ganzen Körper. „Ich muß fort, nach Hause", sagte sic mit erstickter Stimme, „ich bade nicht gewußt, waS meiner hier wartete, ich — ich kannte solche Feste ja nicht, und — die Mutter — wird sie auch nicht gekannt baden." Sie schämte sich so vor ibm, der sie nun auS der schreck lichste» Lage gerettet, weil sie sich leichtfertig ohne paffende Begleitung hierher gewagt. Er sab sie scheu an, er wußte, wie schuldig er daran war. Und sie abntc e» nicht — sie — sie wollte sich noch vor ihm rechtfertigen. „Lisa! al» — als ich Sie sah und sofort erkannte, habe ich mich so sehr auf den Abend gefreut und nun — wollen Sie fort? Ich bleibe fortan bei Ihnen, Weiche nicht von Ihrer Seite —* „Und Jenen — Ihr Bekannter, der mir dir Maske abriß, der Angela erkannte und daher auch mich — wie können Sie denken, daß ich bleiben sollte. O wenn Sir wirklich mich —" „Lieben, Lisa — ja, sprechen Sie e« au«, ich lieb« Sie, ehrlich, aufrichtig und setze meine Ehre für dir Ihre eia." Der Ton war echt, war wahr und Über zeugend. „Herr von Linden —* „Nennen Sie mich Artbur", bat er. „Arthurl" stammelte sie, „ich glaube an Sie, ich — ich bin so grenzenlos verlassen —", heftiges Schluchzen erstickte ihre Stimme —, „man kommtl" rief sie dann, „man schaut hier herein, o bitte, führen Sie mich fort, schaffen Sie mir «inen Wagen, ich muß nach Hause. Wo finde ich nur die «»Ita, und «njela-- Arthur fühlte selbst, daß sie fort müsse. Er kam sich wie rin Verbrecher vor, daß er sie durch Lüge und Hinterhalt hierher gelockt. Tie Kameraden waren ja jetzt aufmerksam auf sie, Wichmann, ein ziemlich roher Mensch, den er nie leiden gekonnt, würde sich seines Abenteuer- rühmen, Angela'S Ruf machte sie vogelfrei, cS war entsetzlich. „Ich sehe eS ein, daß Ihre Fcststimmung dahin ist, Lisa", sagte er traurig, „es tbut mir ganz unendlich leid. Aber da wollen wir nicht auf Mutter und Schwester warten, die sich nicht so rasch finden lassen, und ich weiche bicr nicht mehr ron Ihrer Seite. Kommen Sic, ick werde Sie nach Hause geleiten, später schon die Mutter benachrichtigen." Er führte sie durch ihm bekannte SeitenauSgänge hinaus auf den Corridor in dir Garderobe. Hier war Alles leer, keiner der Bediensteten am Platze. ES verließ Niemand um diese Zeit da» Fest, und sie waren Alle gegangen, zu schauen durch Spalten und Thüren. Lisa wußte den Play, wo sie die Mäntel abgelegt, und sie fanden bald da» Gewünschte. Sie schritten die breite, öde gewordene Treppe binab, kalter Zugwind wehte durch die geöffnete Thür unten. Dort standen noch Wagen draußen, welche späte Gäste gebracht. Artbur rief rasch einen an, auch er hatte seinen Mantel umgeworseo und wollte ihr nach in-den Wagen springen. Sie wehrte ihm. .Lassen Sir mich allein, und bleiben Sie", sagte sie leise, „der Kutscher bringt mich jetzt richtig nach unserer Wohnung. Zck> danke Ihnen — Arthur — o! ich danke Ihnen mein ganze- Leben lang". „Geliebte, Reine — mein Glück und meine Wonne — ich komme morgen zu Dir, wir sind sortan eins." Er stand noch in dem eiskalten Zugwind in seinen seidenen Strümpfen und dem leichten Habit und schaute dem hio- rvllenden Wagen nach. Er fühlte sich zu allen Opfern auf gelegt, allen Kämpfen gewachsen in diesem Augenblick — er wollte sie retten, emporheben au» dem schlimmen Boden, dem sie entsprossen. Lisa fand da- Hau» unverschlossen, e« war noch gar nickt spät, eben nach 10 Uhr. Sie tastete sich die dunklen Treppen hinaus, den Saum ihre- Kleide» sorgsam emporhebend, um ch» uicht zu baschmutzen. Der Kopf wirbelt« ,hr. Oben, auch die Etagenlhür war unverschlossen und in der Wobnstube war Licht. War der Vater noch nicht zur Ruhe gegangen? Sie legte leise aus dem Flur ihren Mantel ab und trat ein. Sie prallte zurück vor dem unerwarteten Anblick, der sich ihr bot. Da sag der Doctor — neben dem Vater, der auf dem alten harten Canapv auSgestreckt lag. Die Kissen seines Bettes stützten seinen Rücke» und Kops. Der Doclor wendete sich um, al» sie eintrat. Er sah finster auS wie die Nacht. Sic meinte in die Erde sinken zu muffen. — Ta stand sie in ihrem phantastischen Putz — vor ihm, ihrem Wobltbäter, der ihr stets gepredigt: „Habe Ver trauen zu mir; sage mir offen Alles, was Dein Herz bewegt." Und sie hatte »bin nichts gesagt von diesem großen Vorhaben. Durch ihre brausenden Gedanken rang sich abgerissen eine Ahnnug lo», warum die Mutter nicht gewollt, daß sie ihm von ihrer Tbeilnahmc au dem Feste sprechen solle. Erich WelSler hatte schon vor zwei Tagen den Zustand de» allen PcterS verändert gesunden und eine Katastrophe gefürchtet. Weil er gau^ ungewöhnlich in Anspruch genommen gewesen, hatte ihn d>e «orge de» Arztes um seinen Patienten beute Abend zu später Stunde noch hierher getrieben. Er kam und sanv den alten Mann allein, in fammervollem Zustande. Krampsansällc, steigende Athemnoth quälten ihn. Erich hatte durch den HauSwirth unten ein Medicament, da» nothweudige Linderungsmittel, aus der Apotheke holen lassen und war bei dem Kranken geblieben. Es war kaum möglich, ibu ia diesem Zustande zu verlassen. Allmälig, al« der Anfall vorüber und der Alte seine Sprache wiedererlangt, batte Erich von ibm erfahren und erforscht» wo die Seinen seien. Aus dem Künstlrrseste i« Gewerbebaus«I „Auch Lisa?" „Ia, auch Lisa." Wo sie Einlaßkarten, wo Eostüme hrrgenommen, da» wußte der alte Mann nicht. E« war überhaupt nicht viel «u-kunst von ihm zu erwarten, er hatte mit seine» gebrechlichen Leibe« Notb genug zu thun. Erich saß in grimmem Zorn, io bitterem Schmerz, in finsteren Grübeleien irl der dunklen Mansarde neben dem Kranken. Theklas abweisender Rath, Lisa nicht seiner Mutter zuzuführen, ihre Bitte, er möge sich so wenig al« möglich in die Sacke ferner mischen, waren nicht ohne Eindruck auf ib» geblieben. Da« Letztere konnte und wollte er allerdings nicht befolgen, er batte ein Werk angefangen, daß er, soweit seine Kräfte reichten, nun vollenden mutzte, aber filr da« Elftere waren Thekla» Gründe richtig gewesen. Jetzt — ja wie weit reichte denn seine Kraft hier? Wurde die einst in liebreichem Erbarmen geplante Tbat zum Unscgcn — hatte er nicht gut damit gelhan, ein Kind seinen Eltern zu entreißen, ein unschuldige« Geschöpf au« dem giftigen Boden, dem eS entsprossen, zu verpflanzen? War Visa in den wenigen Wochen, feit sie wieder diese ver derbliche Lust geathmel» schon verdorben? zu Leichtfertigkeit und Lüge verteilet? Da stand sie — ibm schwindelte. Woher kam sie jetzt — zu so früher Stunde? allein? Mein Gott! wie schön war da» Mädchen! In Wahrheit ein Meisterwerk au» de« Schöpfer« Hand. Er wollte sie nicht anschen, seine Seele war so voll Zorn und Schmerz. Sie hatte ihn bintergangcn — unter diesen rührend unschuldvollen Zügen lauerte ja auch die Falschheit, da» Erbtheil des gemeinen Blute«. Ein magischer Bann hielt ihn gefangen, er mußte sie doch anseben. Sir stand da, zagend, angstvoll, rührend demüthig, und sie war so sion- berückend schön. Er füblte plötzlich, daß er doch noch kein Greis war m Bezug aus Gefühle, aus Blut und Sinne. Lachend halte er sich selbst oft so genannt. Lisa ging langsam auf ihn zu und kniete neben ihm. „War der Vater krank?" sagte sie leise. „Es war sehr schlecht von mir, daß ich von ihm fortgina, wir Alle — und daß ich Ihnen nicht« sagte von unserem Vorhaben. Die — die Mutter wollte eS nicht." „Stehe auf. Lisa", sagte er kalt, „und wenn Du mir Dein Vertrauen überbaupt nicht ganz entziehen willst, so wäre eS mir lieb, wenn Du mir den Zusammenhang klar machtest. Wir kämet Ihr zu diesem Feste?" Lisa erbob sich. Sie war ungemein verändert. Da« kindlich zärtlich Anschmiegeode war au« ihrem Wesen ver schwunden, jede ihre Bewegungen war Würde. Sie beugte sich über den Vater — er schlief jetzt — und setzt« fich Erich gegenüber. Ruh»g «nd klar erzählte fl«, wie Alle« gekommen.
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