Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920519027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892051902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892051902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-19
- Monat1892-05
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
AbonnementSpreiS der Haaptexveblttoa oder den im Stad«, bezirk uud de» Vororte» errichteiea Au», oobrstelleu abgrholI: vierteljährlich ISO- bei zweimaliger täglicher ZnsleUung ins Hau» 5.S0. Durcti dir Pos! bezogen für Teulichland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dircclr täglich» Nreuzhanditiidllng tat Ausland: moaetltch u« 8.—. Die Morgen-AuSgab« erscheint täglich L.7 Nb:, die Abeud-Autgade Wochentags b Ühr. Ledaction und Erpeditioa: JohanneSgaffe 8. Dir ikipeditiou ist geoffuet voo ununterbroch«, S bi-'Abeud« 7 Ohr. Filiale»: Vit« klemm'« e-rti«. Mtsre» dodu». Unlversitätsstrah« 1. L«»ts Lösch«. Katharineustr. 1«, Part. uud KS»tg«vlap 7. Abend-Ausgabe. ^? 255. 'elpMtrIllgtblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Donnerstag den 19. Mai 1892. JaferttonSPrelS Die 6 gespaltene Pctttzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactioalstrich («ga» spalten) SO-^. sor den FainUieauachrichte» Ggewaltea) «0-^. Größere Echristea laut unserem PrelS- verzelchuiß. Tabellarischer und Zisseraja- aach höherem Tarif. Srtra-Veilancn igeialzt). nur mit der Morgen - Äutnab», obn» Poslbesörderaug -ät UO.—, mit Pvstbeivrderuug 70. —. Änliichmeschluß für Inserate: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Ptorgen-Ausgabe: Nachmittags «Uhr. Sonn- und Festtag- früh 9 Uhr Bei den Filialen und Annahmestellen >e eine halb« Stunde früher. Inserate sind stet- an die Expedttta» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 86. Jahrgang politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Mar. Gleichzeitig mit dem am Sonntag in Eisenach statt- sindenden Parleiscst der Nationalliberalc» veranstalten die Deutschfreisinnigeu und Demokraten in Mann heim einen südwestteutschcn Parteitag, zu dem Herr Eugen Richter sein Erscheinen zugesagt hat. Einen unmittelbaren Zweck für die Unlernebmung zu erkennen, ist nicht- weniger al- leicht. Die Lanttagöivablen in Baden sind eben erst vorüber, die RcichSkagöwablcn erwartet wohl auch Herr Richter noch nickt im nächsten Winterhalbjahr; die Partei» bezichungen in Laden heute schon nach einer oder der anderen Seite hin festlezcn zu wollen, wäre taktisch jedenfalls verfehlt und auf dem Gebiete der Taktik steht mindestens Herr Richter hoch genug, um über den Verdacht erhaben zu sein, als wolle er in Baten in dieser Beziehung Fehler machen. Aber auch die dcutschfrcisinnige Partei ist beute schwerlich in der Lage, programmatische Stellungen zu beziehen« Dem nach darf man in der Thal einigermaßen begierig sein, was der südwesttentsche Mannheimer Parteitag an pcsitivcn Ergebnissen zu Tage fördern wird. Selbst verständlich erfüllt jede Partei nur eine Pflicht der Selbsterhaltung, wenn sic von Zeit zu Zeit ihre Anhänger schaft zusammenfaßt und in den bisher vertretenen An schauungen bestärkt, auch die Organisation bei solchen Ge legenheiten fördert; cS wäre ja möglich, daß auch in Mann heim nichts weiter bezweckt würde, wenn nur eine Partei dort in Action träte Anders aber liegen die Verhältnisse, da die Teutschfrcisinnigcn und Demokraten gemeinsam diese Tagfahrt unternehmen. So oft dies geschieht, so oft muß man auch daran erinnern, daß der Ursprung dieser Gemeinschaft auSgesprockenermaßcn die Absicht war, sich im Zusammenwirken mit den Ultramontanen auf national» liberale Kosten an Reichstags- und LandtagSmandaten zu bereichern. Daß der UltramontaniSmuS schließlich dabei allein einen wirklichen politischen Prosit halte, ist ja inzwischen landaus landab sonnenklar geworden, und zwar nicht nur für die gemäßigten, sondern auch für die .entschiedenen" Elemente des Liberalismus. Man sollte des halb meinen, daß auch für die Letztere» daraus eine sehr nabe liegende Consequenz sich ergeben müßte, diese aber zu ziehen, wäre doch gleichbedeutend mit einer Trennung von den Demokraten, denen da« Bündniß mit dem Centrum unter allen Umständen das Erwünschteste sein und bleiben wird. Run ist aber doch auch nicht anzunehmcn, daß man sich in Mannheim trifft, um sich darüber auSeinanderzusetzcn. Und eben deswegen bleibt die Bcsorgniß bestehen, daß die Mann heimer Tagfabrt schließlich für den Liberalismus ein neues ersprießliches Ergcbniß nicht haben wird. Morgen hält die conservative Fraction de« preu ßischen Abgeordnetenhauses über die Partciangelegcn- beitcn wieder eine Beratbung ab, zu der alle Mann dringend einberusen werden. Es ist bisher über die wiederholte» Ver handlungen dieser Fraction, die unter den gegenwärtigen kritischen Zeitumständcn ein naheliegendes Interesse haben müßten, wenig Zuverlässiges in die Oeffentlichkeit gedrungen. Die Parteiblätter schweigen und aus sonstigen Quellen erfahrt man auch nicht viel Sicheres. Wie heute der „Nat.-Lib. Eorr." berichtet wird, sind allerdings die bisherigen Ver handlungen so gut wie ergebnißloS verlaufen; der vor Kurzem noch so scharfe Conflict mnerhalb der Partei ist auf dem besten Wege, völlig zu versumpfen, und cS kann jetzt schon mit Sicherheit vorauSgcsehen werden, daß von der „reinlichen Scheidung", die unlängst von beiden Seiten gefordert wurde, nicht mehr die Rede ist. Der Fanatismus der KrcuzzeitungS- richtung scheint einigermaßen abgekühlt worden zu sein und Secessioncn der gemäßigteren Elemente werden auch nicht mehr erwartet. Auch mit der Aufstellung eines neuen Pro- rammS scheint eS wegen der mancherlei heikel» Fragen, die ierbei zur Entscheidung kommen müßten, »och gute Wege zu haben. Für die Klärung unserer Parteivcrbältnisse wäre eS vielleicht wünschenSwertbcr gewesen, wenn die Scheidung zum Durchbruch gekommen wäre. Wie die conservative Partei als solche dabei gefabren wäre, ist aber eine andere Frage. Sonach werde» wir allein Anscheine nach auch in Zukunft i» Preußen mit einer conservative» Partei rechnen müsse», welche eine in ihren Zielen schroff reactionairc und in ihren Mitteln demagogisch aufreizende Richtung neben einer ge mäßigten, berechtigte conservative Bestrebungen vcrsolgcnden und inhaltlich den alten Carlelstantpunct festhallcnde» Richtung in sich vereinigt. Je weniger die preußischen Couscrvaliven zu einer „rein lichen Scheidung" sich entschließen können, um so schwieriger wird ihre Stellung dcm Centrnin gegenüber, daS mit seinen Forderungen immer energischer hcrvortritl und eine Volks versammlung nach der anderen in Scene setzt, um kiesen Forderungen Nachdruck zu verleihe». So wurde vorgestern, wie schon in Kürze berichtet worden ist, in Berlin eine „Katho- likcnversamttilung" abgeballen, in welcher der Abg. Iw. Lieber besonders sür die Jesuiten eine Lanze brach. In seiner Rede ist besonders folgender Passus bemerkenSwcrlh: „Ten Jesuiten verdankt unser Herrscherhaus unendlich viel; die Jesuiten haben die HodenzoUern zu Macht und An- sehen gebracht. Sie waren die Urheber einer neuen Morgen rot-« der Macht und de» Glanze» sür diese» Herrscherhaus. Ihnen haben die Hodeiizollern die Königskrone und damit indircct die deutsche «iaijerkronr zu verdanken. In wenigen Tagen wird eine durchaus objective Darstellung dieriwer, aus urkundliches Material gestützt, erscheinen und in weite Kreise getragen werde». Ls war nämlich der Jesuiten- pater Wolsf, der die Anerkennung der preußischen Königs- kroue von Seiten des Wiener Hose» durchsetzte. Daneben setzte der Jeluitcnpater Pota die Anerkennung der Krone beim Warschauer Hose durch, wobei namentlich große Schwierigkeiten zu überwinden waren. Niemals hat sich Jemand größere Verdienste um das preußische Herrscherhaus erworben als die Jesuiten. Das mochte wohl auch Friedrich der Große suhlen, als er diesem Orden freie» Aufenthalt in seinen Staaten gestaltete; bei der jetzigen schlechten Behandlung, die diese» hoch verdienten LrdeiiSleutc» zu Tbcil wurde, scheint eS, al» ob sich neuerdings bei ihnen das Sprüchwort „trnvailler puur lo rui cts krussv" bewahrheitete". Natürlich wurde eine Resolution beschlossen, die anßer der Wiederherstellung des Kirchenstaates und der völligen Freiheit „der Kirche" auch die Zulassung aller Orden einschließlich der Jesuiten fordert. Die von Herrn I>r. Lieber in Aussicht gestellte „durchaus objective Darstellung" über die über schwänglichen Verdienste der Jesuiten um daS preußische Herrscherhaus ist jedenfalls besonders sür den jetzigen Träger der preußischen KönigSkrone bestimmt, um ihn zu belehren, daß eigentlich die Jesuiten den berechtigtsten Anspruch auf die höchsten Stellen in Preußen und im Reiche haben. Die „Toleranz" der „Krcuzzcitung" gegen da« Centruin und die „Jesuiten" wird dadurch aus eine harte Probe gestellt; auf eine noch härtere der gemäßigte Flügel der Conservativen, der seine Rücksicht gegen die „Kreuzzeitung" auch auf das Centrum auSzudehncn gezwungen ist. Bei den letzten GemeinderathSwahlcn in Frank reich ist es den Socialisten in verschiedenen größeren Städten gelungen, mit ihren Candidatcnlistc» durchzudringen. Unter den städtischen Gemeinwesen, die fortan durch socialistiscbc Bürgermeister und Stadt rät he regiert werden, befindet sich auch die bekannte Fabrikstadt Roubaix. Der Pariser „TempS" entwirft von den dort daS Regiment führende» Etadthcrrcn folgendes Bild: Ter Bürgermeister, Herr Henri Ea rette, ist «6 Jahre alt und der Sohn eines Schankwirlhs, dessen Wirlhshausschild „Zur socialistischen Brauerei" vortrefflich die enge Verbrüderung versinn- bildlicht, die zwischen der Kneipe und der socialen Revolution besieht. Dort baust der Bürgermeister llarette und dort sinke» sich von Zeit zu Zeit alle Häupter der iveialiüische» und anarchistischen Partei: Jules Guesde, Lasargue, Luise M.chel, zusammen. Herr Ecnette war seit ltV2 ZetluiigScvlvorteur, Herausgeber sveiaiislischer Blatter und Buchhändler: er vcrzavst socialist,sche Liieratur. wie sein Vater jociaiisiischeS Bier verzapft. Ihn, zur Seite Neben sechs Bei geordnete. Der erste, der Bürger Otivier Branquart. ist Ist Jahre alt und bat bi» zu seinem tü. Jahre die Elrlneiiiarichule besucht. Ji» Augenblick seiner Wahl batte er leinen andere» Berns als den euies honvrirten Dirigenten de» svciaüstischc» Bleckmiusik- corp». Er vertritt »eben dem ioeialistüche» Bier und der soeia- llsliichk» Eolponage die joeialistischc Musik, ihm s»id als Ressort — die Finanzen zilgeibeitt. Ter zweite Beigeordnete Pierre Joiepb Tran non ist Slt Jahre alt, der Tone» der Galerie und gen-l'ser- inaßen eine AiiSnahnie, den» er ist Rentner und war tbat- sächlich Arbeiter. Er ist im Jahre lt<7ä bekannt geworden, als er seine Gattin vbnc Beistand der Geistlichkeit beerdigen lassen wollte, die Klerikalen und die Behörden aber sein Vorhaben ver- cileücn. Ihm sind offenbar in der Erinnerung an diesen Vorgang der Cult»» und der öffentliche llntcriicht ziigeivicie». Ter drille Beigeordnete, Herr Hervd Milh> o, war trüber Schissebandwerler und ist letzt ebenfalls «iieipwtrth. Ter vierte Bürgern einer Ach Ute Lcpcrs ist seit ckt! Jahren Mitglied der siadluehen Feuerwehr, deren Marketenderin seine Frau ist. Vor acht Tage» dielt er eine Rete, i» der folgende Stelle vorkani: „liniere Fahne ist die rolbe Fabne, die iiill dein Blulc der Opfer von Fournues gefärbt ist. Wir werden sie morgen nicht aus das Ralbhaus vjianzc», weil wir es nicht können, wenn wir aber erst die öffentliche Gewalt erobert habe», werben wir sie überall auspslanzen." Ter Tichtcr scheint recht zu haben, wenn er singt: „Dem Feiierwehrniann ist nichts heilig". Mit be- wiinberiiswerlhci» Feiugesiikl Hai ma» de» Beigeordnete» Lepers zum Vorsteher der olsenlUchen Festlichkeiten erkoren! Sie werte» sicherlich heiter, friedlich »nd brüderlich werden, diese Feste in Roubaix! Ter fünfte Beigeordnete Adolphe Dcsobrn ist gegen sei» Wissen aus die Liste der svcialistiichen Eandidate» gci.tzi worden. Er Hai dagegen heilig Einspruch erhoben; a.s cr aber einmal gewabit war, ist er gebliebe». Von Berus ist er PuIIerhanllcr. Ter sechste Bürgermeister endlich bat keine anderen besondere» Kennzeichen, als daß auch er Wirth ist. Und das Ganze nennt »>a» ein Stadt- regiment der Arbeiter! Die italienische Ministerkrisis hat nunmehr ibr Ende gefunden und wir in Deutschland sonnen »nt dein AuSgang, den sie genommen hat. sehr zufrieden sein. Die Besetzung des Ressorts des Auswärtigen namentlich durch ein früheres Mitglied dcö Cabinctö CriSpi und daS Bcrblcibcn dcS KricgSporlcfcuiIlcS in denselben bewährten Händen, wie chssker, haben die von unseren intimen Feinden, wozu wir di« Franzosen in erster Reibe zu zählen haben, mit großer Zuversichtlichkeit geäußerten Erwartungen, daß die Krise mit einer starken Erschütterung, wenn nicht Vernich tung des Dreibundes abschlicßcn werde, völlig enttäuscht. In den Berliner politischen Kreisen sind derartige Befürchtungen zu keiner Zeit gehegt »nd die ganze Krise als eine rein innere Angelegenheit Italiens angcsckcn worden; man war von vornherein überzeugt, daß der Nachfolger dcö Marchese di Rubini, der sich seinerseits während seiner Aintssührung daS vollste Vertrauen der verbündeten Regierungen erworben hatte, in den bewährten und von der weit überwiegen den Mehrheit der Nation als nothwcndig erkannten Bahnen der Dreibundpolitik bleiben werde. Auch de. enge Zusammen hang, in dem die Krise mit finanziellen Fragen stand, konnte in diesen Anschauungen nickst- ändern. ES lag nahe genug, daß man versuchte, die finanzielle Seite der Frage »iit ganz besonderer Beflissenheit in dein Sinne einer ferneren Uner schwinglichkeit der HcercSauSgabcn auSzubcuIc» Aehnlichcs wird ja auch bei uns fortgesetzt versucht, denn eS gicbt nichts Populäreres, und man ist sicher, damit initiier eine gewisse Wirkung zu erzielen, obwohl noch Niemand die in dieser Richtung zu verfolgenden neuen Wege im Einzelnen offen und unumwunden dargclegt hat. Bezeichnend ist die Art und Weise, in der die französische Presse die italienische Krise behandelt bat. Man erwartet dort mit erstaunlicher Zähigkeit die Abdankung Italiens als Großmacht und die Unterwerfung des Landes unter den Schutz der lateinischen Vormacht: man registrirt sorgfältig jedes Mißgeschick, daS gelegentlich ausiritt, mit besontercr Genligtbnnng und Schaden- -rcutc, ma» weiß stet« den Zusaiiiineiikang zu finden, der dabei auf die Drcibiiiitspoliiik zurüctfübrt, und eS würde gar nicht Wunder »cbmeu, wenn auch Heiinsnchuiigen wie Cbolcra, Reblaus lind 'Mißernten ans Rechnung teS Dreibundes gesetzt würden. Die Italiener haben jedoch »ciicrlich den Beweis geliefert, daß sic fick« durch keiiicrlci trügerische Vorspiegelungen in der Wahrung und Hockhaltung ihrer nationalen Ebre beirren lassen unk daß Drohungen dabei am allerwenigste» verfangen. Die Aiischanniig, daß der Dreibund eine ausschließlich z» Ver>beidlgungSzwecken geschlossene Gemein schaft bildet, ist nachgerade daS Gcineinglit aller ruhig und llar denkenden Menschen geworden. Die Pflicht und Notti- wcndigleit, sich seihst zu schützen, die jedem Staate unter alle» Umständen obliegt, wird durch de» Dreibund lediglich ans »icbrcre Schultern ocrtbcilt, und die Bckauptung, daß ,n de» Bnnkiiißoeiträge» besondere Bestimmungen über die inililairischen Leistlinge» der Staaten iin Einzelnen enthalten feie», ist ebenso balllos und unbegründet wie diejenige, daß speeicll Italic» nicht mcbr im Stande sei. diese» Leistungen zu genügen Wie die Dinge stehe», bat jeder Staat vu ickn» Anlaß gciiiig, in seinem eigenen Bnlercssc an militai- rischc» Vorkehrungen das Möglichste zu leiste», obne das; dabei vertragsmäßige Vcrpslichlnngcn im Einzelnen zu treffe» wären. Die srübere Strcikfrcudigkeit der englischen Arbeiterschaft bat gegenwärtig einer eben so ent schiedene» Strcikiniidigtcit Platz gemacht Wobl herrscht in den weitesten Kreisen der Arbcilcrwell eine hoch gradige Verstimmung, dieselbe bat aber ihren Grund nickt sowohl in der lliiznsricdcubcit mit den Arbeitgebern, als viel- nicbr in dem llinstande, daß die Arbeitgeber gar nickt im Stande sind, soviel Arbeitgelcgcnhcit heranznschassc», als den Wünschen unk Bedürfnissen der Arbeiter genüg!. DaS gilt insbesondere oo» dem Lonroiicr Platze, sowie von de» sonstige» Ccnlralpnlielc» des Handels unk SchlsssahrtSocrkelrs. Die sonst so kriegslustigen Do>larbciler geberden sich äußerst ltem laut, seit sic zum Schaken ihrerFinaiizen tieErsabrnng »lachte», daß ibre frivolen Streiks dem Schiffsverkehr eine» gewaltigen Stoß versetzt baden, daß zahlreiche ständige Knude» deS Londoner Hafens und anderer Seeplätze ibre SchissSgeschäsie jetzt in den deutschen »nd holländische» Häsen abwickel», wo sie wenigstens vor der brlilalisircndcii Willlnr der eng jischcn Eoeialistcnfübrcr gesichert sind. Jetzt kommt die Reue hinterdrein, sehr spät, ja für iiiaiicheu vielleicht zu spät. Die,professionellen Arbcitcrhctzer stellen sich jetzt hübsch beiseite, sic wisse», daß sic bei de» Arbeitern zu vieles ans dem Kcrbvolz baden, uni ihnen jetzt mit ll»- bcsangenkcit unter die Augen treten zu könne». Letztere, die Arbeiter, gleichviel ob llnionSlcukc oder hlaclclc-gi, erkläre» Jedem, der cS hören will, daß sie cs ;n den düinmstcn Streichen ihres ganzen Lebens rechnen, lenials den Ein flüslcruiigcn von Leuten acsolgt z» sei», die das Hetzen als LcbciiSberuf treibe» und sich von den Arbeitern glänzend be zahlen lasse» dafür, daß sic sic ins Verderben stürzen. Auch daS beutigc Schlagworl des Achtstundentages wird von den eigentlichen Arbeitern, den „Männern der schwieligen Faust", knrzwcg als ..mnnwniw" bezeichnet. Die Einsübrnng des obligatorischen Achtstundentages wäre z. B. für die Verhält nisse, mit denen die Arbeit in den Hascnpläycn zu rechnen hat, einfach ei» Ding der praktische» Undurchführbarkeit. Auch auf de» Köter der Lohnerhöhung beißt der gewitzigt gewordene Arbeiter so leicht nicht mehr an. Die Ersah rung der letzten beiden Jabrc hat ibn gelehrt, daß jede, von größeren Arbcitcrlrciscn durchgcsctztc Lohnerhöhung von einem PreiSaufschlagc der Lebensmittel und Wohnungs- micthcn gefolgt wurde, der den in bartnäckigen Streiks er kämpften Mehrbetrag des Lohnes womöglich noch überstieg, Feuillrtsn. Gerettet. 14j Novelle von Alexander Römer. N-udtnul »erdotkii. «Fortsetzung.) „Sieb, ich bin viele Jahre älter als Du, Lisa, ein ein gefleischter Iimggeselle, ein Gewohnheitsmensch, Du mußt manchem Reckt der Jugend entsagen. Dich in mich fügen — aber Du bist in sicherer Hut." Es war eine nüchterne Werbung, von heißer Liebe, von Leidenschaft war keine Rede, hochtönende Phrasen waren nicht seine Sache. Sie batte ihn erst starr, wie versteinert angesehen. Tann waren Purpurwcllen über ihr seines Antlitz geflossen und sie brach in einen Tbränenstrom aus. „Sie wollten mir ein solches Opfer bringen — nein! nein! nein!" Er lächelte sckwermütbig. „Es fragt sich, Lisa, ob Deine Zuneigung zu mir so groß ist. um Dich diesen Schritt nie bereuen zu lassen Du bist jung — eS ist ein Bund für da« Leben, vielleicht, wenn Dein Herz einmal erwachte — einem anderen, jüngeren Manne entgegen —" „Niemals!" Si- rief es so energisch, daß er stutzte. Sollte er dielen, Kinde eine ernste Neigung einaeflößt baden? Er war nicht eitel, aber hier wäre eS eine Erklärung für Vieles Er war von ihrem frühesten Denken an au, be sondere Weise in ihr Leben getreten, sie hatte al» Kind mit Leidenschaft an ihn, gehangen — ihre Zurückbaltnng. seit sie ein berangcwack'scncS Mädchen, jetzt wiederaekebrt — Alles sprach eher sür. als gegen die Annahme. Nun — so würde sie glücklich sein — ihm sein HauS erhalten — es hatte wohl so sein sollen. Der Gedanke an seine Eltern, und wie sie diese Ver bindung aufnebmen würden, blitzte durch seinen Kopf; er war lange ein selbstständiger Mann gewesen, der unbeirrt seinen Weglging, die Mutter mit ihrem weichen Herzen mußte schließlich dieses reine Kind lieb gewinnen, und Lisa« Mutter UHd SKwesikr mtchleo MS chxpd Nähe und Gemeinschaft entfernt werden. Da« stand fest bei ihm, schließlich war bei Denen mit Geld Alles auszurichten. Lisa lag schluchzend an seiner Brust und hielt seine Hand fest, wie heiß ihr Köpfchen war und wie brennend heiß ihre Lippen! „Nun wird sich Alles ordnen", sagte er, „wir machen Hochzeit binnen wenigen Wochen, vieler Vorbereitungen bedarf cs in unserem Falle nicht, und je eher Du geborgen bist, desto besser." Sie richtete sich empor nnd strich ihr Haar aus der Stirn. „Hochzeit!" wiederholte sie, eS klang seltsam. Das kleine ver schüchterte Vögelchen, das Unerwartete hatte sie verwirrt. Als Erich gegangen, schritt er gesenkten Hauptes in tiefen Gedanken durch die Straßen. Die Würfel waren gefallen, sein LooS entschieden. Ist der Mensch eigentlich seine« Schick sals Schmied? Al« er vorhin durch diese mit dem ersten Schimmer de« jungen Grün sich färbcndeo Alleen schritt, batte cr diese Wendung der Dinge noch nicht beabsichtigt. Ruhigere Erwägungen machten den unerklärlichen Empfin dungen, welche ihn in des armen KindeS Nähe zu plötzlichem Entschlüsse vorwartSgetrieben, platz. Seine Eltern — ja, was mochten seine Eltern dazu sagen! Die Mutter that ihm leid —'sie hatte andere Hoff nnngcn gehegt. Lisa kannte sie nicht, und seine Ge danken wanterten zum Vater, er pflegte Unabänderliches kaltblütig zu nehmen. Er legte freilich vielen Werth aus angesehene Verbindungen, auf Familienehre, auf Rang und Stand — mehr noch als die Mutter, uud Thekla — was würde sie sagen? Thekla'S Bild stand plötzlich vor ihm — er hielt un willkürlich inne in seinem raschen Gang — cS war wie ein greller, rasch verschwindeoder Lichtschein — Thekla, dir eben bürtige Geistesverwandte — hätte er sie den Eltern zugcführt als seine Braut. Thekla faßte vielleicht in dieser Stunde dieselben Entschlüsse, wie er, sie gab iyre Hand ohue Liebe einem viel älteren Manne, aber nicht ans Mitleid — aus Berechnung. Schade — ewig ^schade um sie!" Die Generalin kam ihrem Sohne mit auSgebreitrten Armen entgegen. „So ewig lange warst Du nicht hier, cS ist ja wohl eia Hkltlvuaher, y-cnu Du rmyzas koutzmsil." Die guten Mutteraugen sahen ihn so zärtlich an. „Mutter! meine liebe Mutter!" „Du hast etwas Besonderes heut, ich sehe cS Dir sofort an. O, ich kenne meines Erich Mienen ja zu gut. Ist cS — o sage cS mir rasch — Du hast Dich verlobt!" „Mutter, wie erreichst Du daS?" „Also ist cS wirklich so? Endlich! endlich! O, wie ich sie liebe! Sie ist so prächtig und gut, wie eigens für Dich aus gesucht voni lieben Gott. Denke nur nicht, das; ich so dumm war, ich wußte cö lange, und wie innig sie Dich lieble und ininier in Angst war. sich zu verrathen " DaS brach so ungestant hervor, daß cr nicht zum Wort koinmen konnte. „Müller, von wem sprichst Du?" Sic trat einen Schritt zurück und ward kreidebleich. Er sah so verstört und betreten aus — mcin Gott — eö konnte ja leine Ankere als Thekla sein. „Mutter, hier waltet ein großer Irrtbum. Es — cS lhut mir so unendlich leid." Erich fand, daß DaS, was cr zu sagen hatte, sehr schwer zu sagen war. „Ich weiß, daß Du Fräulein von Linden gern als Tochter begrüßt bättcst, aber Dein Blick hat Dick da doch getäuscht, sie — gleichviel — ich habe mich allerdings zu einer Ehe entschlossen, unter ganz besonderen llinsländcn — mit einem sehr jungen, schönen Mädchen, daS ich als Kind einst unter meine» Schutz nahm. Sie verlor den Balcr vor einigen Tagen, Len früheren Maler PeterS —" Er konnte nicht weiter reden, die Mutter stieß einen lauten, jähen Schmerzensschrei aus und taumelte nach einem Sitz. Er stürzte zu ihr hin, sein Herz schlug wild — auf solche Eindrücke war er nicht gefaßt gewesen. Nach einer Weile schien die Mutier sich zu ermannen, sic blickte wirr um sich „Was war das?" stammelte sic „Erich, mein Einziger, mein Abgott, mein heißgeliebter Sohn, sage mir, daß ich geträumt. Du wolltest beirathe», Eine von den verrufenen Leuten ans der Schicßgaffe? Sag mir, daß cS nicht wahr ist — nichl wahr." Sie hatte die Haube zurückgeschobcn, die grauen, sonst so sorgfältig geordneten Haare hingen ihr gelöst um da« welke, alte Gesicht. Sein Herz blutete aus tausend Wunden, und doch mußte er jetzt vorwärts, ihr die Bestätigung dessen geben, wa« sie I so entsetzte. Allmälig kam cS bcranS. Die geschwätzigen Zungen batten ibr schon zngeraunt von seinen Beziehungen zu den wenig Ebrbarcn — seine Besuche dort luden falschen Schein ans ihn, nnd von Lisa, der Reinen, wußte die Welt nichts. Sic wurde, als demselben Boden entsprossen, zu derselben Gattung gezählt, ihre, der Schuldlosen Ebre mit befleckt. Wie sollte cs ihm gelinge», hier andere Auffassungen zu erziele»! Die Müller wies ihn von sich. Sie war außer sich, un zurechnungsfähig. Wie konnte cr cS wagen, ihr eine solche Tochter Zufuhren zu wollen, wie konnte er ibr in trockenen Worte» sagen: ich will ein solches Mädchen beirathe». O! hatte sie darum einst vor langen Iabren so beiß von Gott ei» Kind, einen Sohn, einen Erbe» ibrcs Namcnö erstellt, damit solch' ein snrchlbarcs Unglück über sie kommen mußlc? Ein furchtbares Unglück! Sic rang die Hände wie eine Irr sinnige. Und er, ihr Stolz, ibr Glück, der Sonnenstrahl ihres Lebens stand da, wie eine Bronzefigur, starr, stumm, blaß wie ein Todter, mit einem finsteren Ausdruck in seinem Ge sichte, wie sie ihn »och nie an ihm gesehen, und wendete sich langsam nm und ging — ging obne ein Wort. WaS sollte er auch thun, solchem ParoxiSniuö gegenüber? Sic Halle ihn verloren — verloren den einzigen Sodn. Erich stand draußen wie betäubt. Hätte ibn ein Wege lagerer überfalle» und mit Kclilenschlägen zu Boden geworfen» ihm wäre wobl äbnlich zu Mulde gewesen. Er konnte nicht denken im Augenblick, cr konnte nicht so zum Vater gehen — mochte der erst vorbereitet werken. Unten am Gitterthor des Vorgartens rannte er gegen Jemand an. Er hatte so sinstcr vor sich bingeblickt, daß er Niemand gewahr geworden. Es war Thekla. Er prallte zurück, es mußten ihm wohl seine Empfindungen aus dem Gesichte geschrieben stehen, er war so fassungslos im Augen blick Sie Halle erhitzt und ausgeregl auSgeschcn, als sei» Blick sic traf, jetzt erbleichte sic. „DaS ist Ihnen? Ist Ihrer Frau Mutter etwa« ge schehen?" fragte sie mit bebender Slimmc. „Ja — nein" erwiderte cr bitter, „ich meldete ihr meine Verlobung mit einem Mädchen, das ihr nicht paßt." Eö fuhr ihm heraus, cr wußte kaum, wa« cr sagte. Zorn, Schmerz, die widrrstrclteudsten Grjühlr dnrchwogtrn ihn.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite