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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920530022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-05
- Tag1892-05-30
- Monat1892-05
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Wie dienationalliberalePartri trotz aller Meinungs verschiedenheiten, die im Laufe der Jahre zwischen ihr und dem Fürsten Bi-marck hervorgetreten und zuweilen mit allem Nachdruck durchgekämpft worden sind, me die unver gänglichen Verdienste des großen Staatsmannes verkannt bat, so hat auch dieser oft Gelegenheit genommen, die Verdienste hervorzuheben, welche dir Partei um daS Reich sich erworben hat. Wärmer und eingehender ist die- jedoch noch nie geschehen, als io einem Artikel, den beule daS Organ des „Altreichs kanzlers", die „Hamb. Nachr", Uber dir Eisenacher Jubi läumsfeier bringt und der in vollem Wortlaute wieder- gegeben zu werden verdient. Er lautet: „Mt großer «enugthuung hat die nationalttberale Presse über die Eisenacher Jubiläumsfeier ihrer Partei berichtet und sie hat unsere» Erachten- vollauf Bruud dazu gehabt. Daß inmitten der vielfachen Reibungen und der Wandlungen, welch« dir Errichtung eine« neuen Staatswesen» mit sich drinnen mußt«, sowie bei der Neigung der Deutschen zur FractionS-Zersplitterung eine Partei überhaupt den Zeitraum von LS Jahren überdauern konnte, ist schon an sich eine brachtenSwerthe Erscheinung. Wenn aber eine Partei auch dann noch von einem Geiste de« Selbstvertrauen« und der Entschlossenheit beseelt ist, wie er in Eisenach zu Tage trat, dann darf sie sich allerdings den »u-druck unumwundener Befriedigung gestatten, und sie kann mit Ruhe darüber weg. sehen, wenn ihre Gegner nach einer etwa» verbrauchten Methode den eigentlichen Zweck jene» Feste« in der Verhüllung de« Nieder- gange« und der Ohnmacht der Partei suchen. Wa« der nationalliberalen Partei durch kein« nachträgliche Kritik mehr bestritten oder geschmälert werden kann, da« sind ihre der Geschichte angehärenden Verdienst« um das ' deutscheu Bunde», esetzltche Sicher» . !« und umfasse», den Ausbau der nationale» Gesetzgebung, welcher den Plänen einer reich«feindlich«u Reaktion Le» Boden entzog. Erst neucrdiag» haben gewisse von ultra-conservattver Seite provocirte Erörterungen vou Neuem »um Bewußtsein gebracht, wie di« nationalliberal« Partei m der kritische» Zeit nach I86S von den bedeutenderen politischen Parteien di« einzige gewesen ist, an welcher der große Baumeister de« Reiche« «tu« bereit« itlige und zuverlässige Stütz« fand. Diese Stellung ist den Rational» liberalen zugesallen, weil sie de» Werth und dir Aufgabe des rl'igeubltck» richtig erkannten und politische Klugheit sowohl wie Patriotismus genug besaßen, um nur da« Er. rejchbar« zu wollen. Mau Hut ih—n weg«, der' bsbnrch entstandenen Eompromlßpolitlk öfter« Charakterlosigkeit vor- geworfen; in Wahrheit haben sie dadurch, daß sie, deu Versuchungen einer wohlfeilen PopusarttätShascherri widerstehend, der Cache d«S Vaterlandes zu Liebe auf rin starre» Festhalten an Parlridoctrinen verzichteten, mehr echte Lharakterstärke bewiesen, alS von irgend einem ihrer Gegner je erwartet werden durste. Dem unparteiisch abwägende» Urthrile des Geschichtsschreibers kann kein Zweifel darüber entstehen, daß da« erste Jadrzchnt noch 18SS, welches durch da» Zusammenwirken de« Fürsten Bitmarck mit der. natioaalliberaleu Partei charakterisirt wird, nicht allein die gesetzgeberisch fruchtbarste, säubern auch die in Bezug auf die parlamentarisch« Partei-L onstellation brfrtr. digendste Epoche tu der bisherigen Entwickelung des nationalen Staates gewesen ist. Trotz vielfacher bei jenem Zusammenwirken vorgckommener Meinungsverschiedenheiten darf man sagen, daß die Nationalliberalen die damals leitenden Staatsmänner am meisten verstanden haben. Da» damals geknüpfte Berhältntß hat auch alle Wandlungen der Folgezeit überdauert und es kann nicht überraschen, wenn, wie neulich auf deu Festen der deutschen Partei in Stuttgart, so auch in Eisenach wieder di« Anhänglichkett und die Dankbarkeit gegenüber dem Fürsten Bismarck zu einem wahrhaft elementaren Ausdruck gelangte. Dabei soll nicht verschwiegen werden, daß di« Nationalliberalen auch dadurch eine» Beweis vo» Lharakterstärke gegeben haben, wie er aubirwärts sehr z» vermissen ist. DaS hat indeß nicht lediglich ein« persönlich« Bedeutung, es liegt darin auch da« Festhalten an der alten Politik. Nicht nur, um sich an den Erfolgen der Vergangenheit zu sonnen, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft zu gedenken, war mau, wie «in Redner bemerkte, in Eisenach zusammen- gekommen. Manch sreimüthige« Wort der Kritik ist in dieser Richtung gefallen, aber «S ist selbstverständlich, daß eine Partei, die leben will, nicht den Kleinmuth, den Pessimitmu« predigen kann. Ta« „Muthig vorwärts!" welches in Eisenach au« allen Reden herauStönie, ist ein unverkennbare« Zeichen der andauer», den LebeuSsähigkeit der Panci. Nicht minder erfreulich aber ist. Laß die Partei sich nicht zu einem unberechtigten Optimismus bat sonrcißrii lassen. Rückhaltlos sind Li« Schwierigkeiten und Gefahren, Li« de» weitere» Gang der Reichsenlwickeluna bedrohen, beleuchtet und sehr nach drücklich ist ibnen gegenüber an die alten Traditionen der Partei in der energischen Perlt-,eidignng drS nalionalen und monarchische» Staates erinnert worbe». Nirgends bat sich eine Spur jene« verhängnißvollenJrrthuiuS gezeigt, als ob man grund sätzliche Gegner durch Zugeständnisse versöhnen oder auch nur weniger gefährlich machen könnte. Man kann der nationalliberalen Partei bei dieser Stellnnguadme uur zu stimmen. Die veränderten Verhältnisse stellen neue Aus- gaben und erfordern neue Mittel. Dos wird die nativnalliberale Partei nicht verkennen und demgemäß wird sie die kommenden Dinge sicherlich nicht nach einer im Voraus icrtigen Schablone, son- dern unter gewissenhafter Abwägung aller konkreten Umstände bcurllieilen. Ader wenn ihr stets die Erinnerung on ihre Vergangeiidcit und on die Erwägunge», welche sic dam als geleitet haben, gegenwärtig ist, so wird sie auch m Zukunft den rechten Weg gehen. In ihrer Vergnugenhcit ist «in Schatz von politischer Erfahrung ausgespetchert, der st« berechtigt, sich lediglich aus sich selbst zu stellen. ES ist daher auch begreiflich, daß man eS in Eisenach vermiede» bat, sich für irgend eine aiidere als die eigene Politik zu engagircn, oder für irgend welche BundeSgenossenichalt iestzulegcu. Wenn es der Partei in Zukunst gelingt, im Reichstage dem heute ausschlag- gebenden Lentrum numerisch wieder die Spitze zu bieten, so wird eine einsichtig« und vorurtheilsfrcie Regierung keine Schwierigkeit haben, jene Porteiconstcllatioii wieder tzerzustellen, die allein eine ersprießliche parlamentarische BosiS für eine dem Wesen des natio nalen Staates entsprechende ReichSpolitik verbürgt." Man kann nur wünschen und hoffen, daß die Lenker de« neuen Curse« sich nicht daran stoßen, daß diese Anerkennung gerade vom Lenker de- alten CurseS kommt, und daß der Nachfolger des Fürsten, dem doch die Erhaltung des von diesem Geschaffenen vor Allem am Herren liegt, von dem Wahne rurückkommt, diese Erhaltung könne mtt Hilft der selbe» Elemente vollbracht werden, die dem Fürste» Bi-marck und deu Nationalliberalen beim Ausbau und AuSdau de« Reiches den nachhaltigsten Widerstand entgegensetzten. Al» der Toleranz, die der UltramontaniSmuS am Grab« de« Oberbürgermeister« von Forckenbeck beweist, finden natürlich die hochconservativen preußischen Blätter nichts auSzusetzcn. Um so empörter sind die Organe des „Freisinns", der vor gar noch nicht langer Zeit Schulter an Schulter mit den Ultramontancn gekämpft und dessen Führer erst kürzlich in Mannheim sich um die Gunst der süddeutschen Klerikalen beworben hat. Die „Freisinnige Zeitung schreibt: „Bischof Lopp, ein Mann von recht mäßiger Begabung, hat unter dem Fürsten Bi-marck vor andern katbolstchen Geistlichen sich durch besondere höfisch« Geschmeidigkeit ausgezeichnet. Diesen seinen Eigenschaften verdankt er in erster Reihe die Protection de« Fürsten Bismarck, welche ihm zum BischosSsluhl in Fulda und demnächst »um FürstbischosSstuhl in Bretlau verdalf. Alle Vorschriften der katholischen Kirche, welch» für den vorliegenden Fall ungezogen werden können, sind derart elastischer Natur und haben schon tn der kirchlichen Praxi« so viele Ausnahmen zugelasien, daß es dem Fürstbischof auch tn dem gegebenen Falle nicht schwer ge fallen sein würde, ein andere» Verhalten zu rechtfertigen, wenn er selbst ein solche« der politischen Situation entsprechend gehalten hätte. Daß solche» nicht geschah, ist bezeichnend für die Kampfesstellung, welche der Fürstbischof Kopp zur Zeit glaubt der Staat«gewalt gegenüber einnehmen zu können. Ob sich aber der kluge Herr in dieser L,-sfass»ng nicht irrt? Ein« unklug« Verfolgung von Setten der Ct»«e»b»h0rden hat der katholischen Kirche tn den vergangenen ftrchenpoltnschen Kämpfen ihre Stärke tu der öffentlichen Meinung verliehen. Eine solche kirchliche Unduldsamkeit aber, wie die »orliegend«, welch« über den Tod hinausreicht, ist umgekehrt nur geeignet, Alles, was nichr in religiösem Fanatismus geistlicher Herrschsucht blind ergeben ist, gegen den UltramontaniSmuS aus- zubringen Die Acchiuna de» Fiirstbiichos« kehrt ihre Spitze gegen den Staat, gegen die königliche Berufung in ein CtaatSamt. der Forckenbeck gefolgt ist. — Ta» Andenken gorckrnbeck'S, der die kirchliche Theilnohme bet seiner Bestattung nickst geheischt hat^ wird dadurch nicht getrübt. Im Gegembeil ist dieser Baunstrakl pfässischer Unduldsamkeit nur geeignet, die Erinnerung an den Verstorbene» weilen Kreisen de? Volkes, insbesondere der Hauptstadt Berlin, wenn möglich noch theuerer zu machen." Diese Empörung über ullramontane Unduldsamkeit wird indeß Hin. Eugen Richter von der Verdammung aller politisch Andersdenkenden ebensowenig abballen, wie von einer neuen Wablrerbritderiing mit dem Cenrrum, wenn dadurch einige fortschrittliche Mandate gewonnen werden können. ES macht einen fast erheiternden Eindruck, zu lesen, mit welcher lrampsbaflcn Energie nian jetzt seitens der fran zösischen Regierungsorgane bemüht ist, den geplanten Fest veranstaltungen in Nancy jeden Stachel zu benehmen und jeden Zug der Herausforderung von ihnen zu entfernen. So berichtet die „Metzer Zeitung" neuerdings, daß die Polizeibehörde in Nancy den Verlaus elsaß-lothringi scher Fahnen verboten hat. damit cs zn keiner Provo kation komme, und dem Pariser „TempS" wird aus Nancy geschrieben, die dortigen Bürger batten sich entschlossen, keine Zeichnung zu eröffnen, da sie einsähei:, daß bei etwaigen Zwischenfällen nur die Elsaß-Lothringer leiden würden. Die Studenten hakten 4500 Franc- zusammenzebrachk, aus denen die Ausnahme der 100 Vertreter der französischen Univer sitäten und der 2V Vertreter von Dublin, Eainbridgc, Lüttich, Leiben, Gcnr, Lausanne bestritten werden soll. Wie man sich in französischen Regierungskreisen zu der Frage zu stellen bemüht ist, davon legt auch die nachstehende Mitthrilung der „Polit. Eorr." au« Paris Zeugniß ab: Tie ZeitungSpolemik bezüglich der bevorstehenden Feier in Nancy halte sich einig« Mäyigung anferlegen können. Nach der Ansicht maßgebender poltltscher Kreise ist der ganze Streit schließlich bloS ein Lirohseuer. Di« Behörden werden sich on da» sestgesetzle Programm halten und dt« osficiellen Reden werden sich tn dem ge- wohnten GleiS bewegen. Di« Studenten haben allerdings eme Anzahl fremder Universitäten, mit AuSschlnß der deutschen Sin- »»inen, zu der Feier eingeladen. Allein am Ende ist ja Jeder be- bechligt, bei Einladung«» sich nach seinem eigenen Geschmack zu richrrn. Andererseits hätte da» Erscheinen junger, mit ihren Mützen und Bändern geschmückter und ohne Zweifel ein wenig aufgeregter Deutschen in einer mtt «lsässische» und lothringischen Flüchtlingen angesüllten Grenzstadt auch «ine Gefahr herbeiführen können. Wenn inan die Sache auf der einen wie auf der anderen Seile kaltblütig betrachtet, wird man ihr keine wesentliche Bedeutung beilegen. Kaiser Wilhelm II. wird in militairischem Aufzuge noch Metz und Ttraßburg kommen, um Truppen-Manöver zu leiten, und Präsident Carnot wird nach Nancy reisen, um den gymnastischen Festen beizuwohnen. In Rom ist etwa« geschehen, was vielleicht die Ent scheidung der Frage der Parlaments-Auflösung be schleunigen dürste. Bor der Ersatzwahl von vier Mitgliedern des BubgelauSschuffeS machte die Opposition der Regierung den Antrag, das Provisorium aus einen Monat zu beschränken; die Regierung lehnte es ab. Bei der Wahl errang ein Candidat der Opposition die Mehrheit, die anderen drei aclangten mit einer Ueberzahl vou 25 Stimmen zueiStichwahl. Der Budgetausschuß ist seiner Zusammensetzung nach oppo sitionell. Auch von anderer Seile verlautet, baß die Kammer da« vom Ministerium verlangte Budget-Provisorium von sechs Monaten schwerlich genehmigen wird. Die Haltung der Regierung findet allgemeinen Tadel. Die Auflösung brr Kammer wird vor der Hand nur von den Piemontesen und den Radicalen befürwortet. Der Kammer präsident Biancheri bekämpft sie aus« Aeußerste; im Falle der Niederlage Giolitti'S wird er, wie es heißt, dem Könige die Bildung eines GeschäftSministeriums empfehlen. Lord Salisbury bat keine üblen Folgen von dem Sturz auS dem Wagen am Donnerstag Abend gehabt. Man sah den Premierminister am Sonnabend die Stufen des Aus wärtige- Amtes mit elastischen, Gan^ hinaufschreiteu. An demselben Tage fand eine EabinetSsiyung de« englischen Ministeriums statt Wie verlautet, bat taS Eabinet in dieser Sitzung endgiltig beschlossen, daS Parlament so bald wie möglich nach Pfingsten aufzulösen. Die Ge nehmigung der Königin würde dann noch einzuholcn sein und cS ist nicht ausgeschlossen, daß dieselbe noch früh genug eintrifft, um eS Mr. Batteur zu ermöglichen, am Montag im Unterbause eine hierauf bezügliche Miltbciluna zu machen. Die Einpeitscher dringen >etoch darauf, diese Erklärung so lange wie irgend lhunück, hiuau-zuschieben, da eine definitive Ankündigung des TakuinS der Auflösung da« Signal zu einer allgemeinen, Flucht der Abgeordneten auS dem Parlament sein würde. Wahrscheinlich wird man sich diesen Vorstellungen fügen. — DaS prokeslantische Ulster bereitet sich übrigen« auf den Fall vor, daß Glakstone siegreich seine hcißersehitte Homerult in Irland einsühren wird. Wie der loyale „Dublin Ex preß" zu melken weiß, wird demnächst eine Flugschrift in Belfast erscheinen, welche einen dis in die Einzelheiten auSzeführten Plan für die Organisation eine- passiven Widerstande- enthält. Die Flugschrift wird noch vor dem Zusammentritt der großen loyalen protestantischen Con- venlion erscheinen. ES ist bekannt, daß in Serbien eine starke Partei vor handen ist, welche das Heil diese-Lande- von Rußland er wartet. Diese Partei ist jüngst, wie schon kurz gemeldet wurde, mit einer jener lärmenden Kundgebungen hervor- - getreten, mit denen die Völker slawischer Raffe so gern die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zu lenken pflegen. Der Gesandte Rußland- in Konstantinopel, Nelidow, bat auf seiner Fahrt durch Serbien auch die Station Nisch berührt und eine Begrüßung erfahren, deren Verlauf deutlich zeigt, wie tief manche hiesigen BolkSkreise von der Ruffenliebe erfüllt sind. Als der Eisenbahnzug in den Niscber Bahn hof eingesahrrn war, wurde der am Fenster des Bahn- wagenS stehende russische Gesandte von der zahlreich auf dem Bahnsteig versammelten Bevölkerung Nisch- mit kräftigen Zivioruscn empfangen, woraus eine Deputation, bestehend auS dem Bürgermeister von Nisch, Vladimir Stojanowitsch, und dem Direktor der Festungsverwaltung. Josts Stojano witsch, den durchrcisencen Gast ersuchte, auszusteigen, damit die anwesenden Bürger von Nisch die Freude haben körn»««», den berühmten Vertreter des Zaren in der Nähe z» sehen. Nelidow erfüllte diese» Wunsch und auf dem Bahnsteig wurde ihm auf silberner Platte Brod und Salz dargerelcht und er in russischer Sprache begrüßt. Der Bürgermeister von Nisch sagte bei dieser Gelegenheit, „daß die Bürger von Nisch nie vergessen werden, daß die kaiserlich russische Armee ibr kostbares Blut in helden- müthigem Kampfe für die Befreiung dcü serbischen Volke« vergossen habe — die Bürger von Nisch werden nie vergessen die brüderlichen Werke des SlawenbesreierS Alexander II., dessen Werke im Herzen des serbischen Volke« sortleben. Die Bürger von Nisch erwarten mit berechtigter Hoffnung, daß Se. Majestät Alexander III ebenfalls der Unlerslützer und Beschützer aller Slawen bleibe. Die Bürger von Nisch begrüßen auch Euch als einen thatkräftige» Bollführer der kaiserliche» Anordnungen und als einen wahren Freund Serbien- in ihrer Mitte und bitten Euch, diese« Brod und Salz anzunehmen als ein Zeichen der Liebe und Verehrung, welche sie für daS russische Herrscher haus, das russische Volk und für Euch, Herr Gesandter, im Herzen hegen. — Es lebe Zar Alexander III., eS lebe das russische Volk und Nelidow!" — Der russische Gesandte führte dann die Deputation in den Wagen, wo er sic seiner Gemahlin vorstellte und sprach dann vom Fenster de- Wagen- all einige Worte an die Versammelten, mit einem Hoch auf den König Alexander I., daS serbische Volk und die Bürger von „Hamlet" unter dem Secirmesser. Bekanntlich wird am heutigen Montag, den 30. l. MtS., an unserem Stadttheater da« Jubiläum der hundertsten diesigen Aufführung von Shakespeare« „Hamlet" gefeiert. Verhalt eS sich wirklich so, daß am 14. August 1818 unter Direction Tbeod. v. Küstner'S die erschütternde Tragödie hier zum ersten Mal ausarführt worden ist. dann wäre Leipzig allerdings verhLlttntzmäßig sehr spät zu dem Genuß einer scenischen Darstellung de« „Hamlet" gelangt. Wir wissen z B , daß Friedrich Ludw Schröder, der bekannte geniale Schauspieler und Tbraterdirector, bereit« am 2». Sep tember 177« den „Hamlet" in Hamburg zur Aufführung brachte und zwar in einer vou ihm selbst verfaßte» Be- arbeituug, die trotz all' ihrer für die damalige Zeit epoche machenden Bedeutung in unbegreiflicher Nachgiebigkeit gegen de» Geschmack jener Zeit den Fehler beging, die Tragik Hamlet'- zu heiterem mrSaang umzubrugen. (Auch „Othello" wurde in der Schröderffchen Bearbeitung nach Art der damaligen Rührstücke zu einem „auten Ende" geführt.) Da sich von Hamburg au« das Gbakespeare-Repertoire über ganz Deutschland verbreitete, so müßte es Wunder nehmen, wenn Leipzig zu einer Hamlet-Aufführung noch fast «in halbes Jahr hundert gebraucht hätte Indessen sei Dem wie ihm wolle; zedensall« gehört es nicht zu den erfreulichen literarischen Er scheinungen der Gegenwart, daß ein Meisterwerk wie „Hamlet" sert 1818 bis beute volle 74 Jahre nöthig hatte, um a« einem und demselben Tbeater ein Jubiläum der hundertsten Aufführung feiern ,n können Wie schnell erreichen beut- zutage Schundpoffen und realistische Plattheiten ein solche« Iubtläum! Die läuternde Wirkung de« classtschra mit seiner durchdringenden Wahrheit scheint jedoch über di« Kräfte der verzärtelten modernen Nerven bioauszugehea. Bei dieser „festlichen" Gelegenheit dringt sich uns di« Erinnerung an eine ebenso interessante wie originelle Hamlet» di« dy, Tue! ,M«diei»ische Glossen zu Hamlet" führt und semer Zeit berechtigte« Aufsehen erregte. Etwa« Köstlicheres und Unterhaltenderes wird zur Hamlet- Forschung selten geschrieben worden sein. Die Studie rührt von keinem Geringeren her, als von dem „jüngsten" Ehren bürger der Stadt Leipzig, dem allverrbrtrn und allbeliebten einheimischen berühmten Chirurgen Gebeimrath Pro fessor vr. Earl Thiersch, welcher erst vor einigen Tagen anläßlich seine« 7V. Geburtstage« und seine« 25jäbriaen Professoren-Jubiläum- Gegenstand so überaus herzlicher Ovationen geworden ist. Die Nachricht, welche neulich durch dir Zeitungen ging, daß nämlich Professor Thiersch eine mediclnisMe Betrachtung über die Shatcspeare'schen Helden publicirt habe, ist nicht zutreffend; wohl aber jfat der Ge nannte am l. März l878, einer dringenden Aufforderung liebenswürdig entsprechend, zum Besten de« Leipziger SiegeS- denkmalS einen Vortrag mtt dem bereits oben angeführten Titel „Medicinische Glossen zu Hamlet" im GewandbauSsaale, wo damals eine Reih« hervorragender Vorträge zu genannten, patriotischen Zweck veranlaßt wurde, gehalten. Der Vortrag, der mit großem Beifall gehört wurde, erschien im gleichen Jahre in der Zeitschrift „Nord und Süd" und sväter auch in Separat abdruck. Jeder, der ihu gehört oder gelesen, wird sich mit Ver gnügen des Vortrag-entsinnen, und Diejenigen, denen derselbe noch sremd ist. werden mit Nutzen und Genuß einzelne Bruchstücke, die wir der Studie hier entnehmen, zu ihrer Kenntniß bringen und uns sicher für dir vermittelte Bekanntschaft dankbar sein. Wir wissen, daß sich Dichter und Aesthetiker.^roßr Idealisten nicht selten in ihren Mußestunden mit Vorliebe exakten Beschäftigungen, etwa dem Studium der Naturwissenschaften, hiagebeo: so treffen wir auch auf die Erscheinung, daß um- gekehrt Männer der exakten Wissenschaften zu ihrer Erholung Trost bei den Musen^uchea Bekannt ist, daß der unlängst verstorbene Hallenser Chirurg Professor Richard v. volkmann die schöne Literatur eifrig pflegte und da« Secirmesser gern mit der Ltzra vertauschte. Und ebenso wird uns der gewinnende Zug vou Karl Thiersch erzählt, daß er eiues Tages m der Paus« zwischen peinliche» und erschöpsenden Operationen dabei betroffen wurde, wie er, noch mit dem Handwrrkschurz anaethan, mit Seelenruhe — Richard Wagners Text zu „Parsifal" studirte! Es scheint, als ob durch eine solche Beschäftigung mit. entgegengesetzten Materie» ei, Ausgleich »wischen den verschiedenen Seiten der menschlichen Erkcnntniß bewerkstelligt wird, sowie eS auch für daS leibliche Auge eine Erholung ist, sich von Zeit zu Zeit von deu Gegenständen, die ihm immer nahe liegen, wegzuwenden und sernsehend in die Weite zu blicken. Betrachten wir nun einige interessante Einzelnheiten der Tbiersch'schen Studie! Der Verfasser verleugnet auch im literarischen Fahrwasser seine exacte Gelehrtennatur nicht. Er macht die feinsten Querschnitte durch die Shakrspearr'sche Dichtung, bringt charakteristische Färbung in da« Präparat, so daß die Linien und Adern möglichst scharf hervortrrtcn, und nimmt cS dann mit Vorsicht und Genauigkeit unter das feinste Mikroskop. Besonder« bat uns die Behandlung der Frage inlrressirt: War Hamlet geistig vollkommen gesund, war er wahnsinnig, stand er an der Grenze des Wahnsinn«? Von diesen drei Ansichten schließt sich Thiersch der letzten an. Die Hauptgründe, die ihn dazu be stimmen, führt er folgendermaßen auS: Hamlet gehört zu den zweifelnden Naturen, er verhält sich inlellectuellkn und moralischen Frage» gegenüber unent schieden, seine Gedanken, Gedanken der tiefsinnigsten Art, strömen ihm zu und beleuchte» beide Seiten eines Thema-, mit dem er sich beschäftigt, gleichmäßig; solche Naturen sind nickt geeignet zu raschem Entschluß, zu rascher Handlung; jedem Gedanken ä. steht ein Gedanke — X. der jenen ersten aufhebl, gegenüber. Da- Mißtrauen in die Mittel de« mensch lichen Geiste-, die Wahrheit zu erkennen, die Unsicherheit darüber, was für gut, wa« für bös zu halten sei, lähmen di« Tbatkraft; ia ein schwere« Geschick verflochten, verhalten sich solche Naturen mebr leitend al« handelnd, wie denn auch im Hamlet die Katastrophe hereinbricht, ohne daß es »um Haudelo gekommen ist. Als eine weitere Eigen schaft Hamlet« muß eine außerordentlich lebhafte Phan tasie bezeichnet werden. Beim ersten Begegnen de« Horatio am Hofe de« neuen König«. Act l Scene 2, ruft er aus: „Mein Later, mich dünkt, ich sehr memen Vaterl", also zu einer Zeit, wo nur erst Trauer über den Tod de« Vaters und Widerwille» über die rasche Heirath der Mutter sein Gemüth bewegt, erscheint ibm bereit« seine« Vaters Gestasz in Art eurer Vision Diese Stelle wird von deutschen HamletdarWlera meist »icht hervorgehoden, sondern w»r eine gleichgiltige Redensart gesprochen. In der That ist eS auch eine gewöhnliche AuödruckSweise, zu sagen: „Mich dünkt, ich sehe ihn noch vor mir, wie er leibt und lebt." Hier aber ist cS offenbar mehr als Redensart, hier wird der künftige Geisterseher angckündiat, eS ist da- Wetterleuchten de« Wahn sinn«. Die Stelle sollte deshalb mimisch markirt werden. Wie käme sonst Horatio dazu, erstaunt zu sragen: „Wo seht Ihr ihn, mein Prinz?" Was die Gedankcngänge betrifft, die in den berühmten Monologen sich widerspicgeln, so kann man wohl sagen, daß Hamlet sich ihnen gegenüber beobach tend, zuwartend verhält. Er zieht im wahren Sinne des Wort« seinen Gedanken Audienz und verschiebt die entscheidende That. Seine Gedanken gehen Wohl auch ihre eigenen Wege, so daß die Persönlichkeit und waS sie am meisten bewegen sollte, zurücktritt. Für besonder» merkwürdig in dieser Beziehung führt der Verfasser de« Vortrag« die bekannte Stelle über die tadelns- werlhe Trunksälligkeil der Dänen an. Hamlet hat von Horatio die Nachricht bekommen, daß ein Geist in Gestalt feine« Vater- den wachthabenden Osftcieren in winterlicher Nacht erschienen sei; in höchster Spannung erwartet er ia der nächsten Nacht da- Gespenst. Mitternacht hat geschlagen, und Alle sind auf da- sofortige Erscheinen de« Geistes ge spannt; nun sollte man glauben, in diesem Zustande höchster Erregung hätte kein anderer Gedanke al- an den verstorbenea Vater Raum gehabt in dem bewußten Denken Hamlet'«. Keineswegs. Man hört au« der Ferne «inen Trompetentusch, Horatio fragt, wa« da« bedeute. Hamlet sagt: „Der König wacht die Nacht hindurch, zecht vollauf, hält Schmaus" »«., und nun kommt eine Vorlesung vo« 2k Versen über die Nachtheil« der Trunksucht im Allgemeinen und speeiell für seine Landsleute. Man hat diese Stelle für einaeschoden gehalten; aber in der Thal ist Nichts geeigneter als dieses Adirrro, um die Ideenflucht zu bezeichnen, die sich so oft bei Personen findet, welche für Geisteskrankheiten prädisponirt sind Gerade an dieser Stell« und ia der manchmal ge tadelten syntactischen Form macht sie den Eindruck, daß Hamlet nicht der Mann ist, um im gegebenen Augenblick deu starken Dillen und seine ganze Kraft auf einen Zweck zu vereinigen. Wäre es Shakespeare blos um die Einflech- lmzg rin«« Tadel« der Trunksucht zu thun gechejeu, so hält«
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