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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920601021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-01
- Monat1892-06
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I»»« -«»-»»dttto, *»»»«» «a» betzirk «lü de» Normte» «richtete» X»> «»geholt «tmteljthrlt»^«^a ?^Ä°NLV'iÄL8 Le^fchü«» «G vA«rriltz: R««i,lchrilch ^»L ««,», tö^tch. «r»»»b-udle»du», ftG AeGl«»»: «—tttch »- Abend-Ausgabe. »»glich', »»t LrHe-itio» : UchMcr.Tageblatt va» FUiale,: » G«rttt». NM«» »«.»»ench«. . . 1«. »«».»»»«»«»«»>«» ?. Anzeiger. Aga» für Politik, LocalgeMte, Handels- «nd GesMSverkehr. -«». JÜftMNWrttZ Di^ 8 gespaltene Petttzeile 80 Pfg. Reklame» unter dem Redaettonssnich <4-o» lpaltea) 50-g. sor den Kamtlieunachrichtr» (y gemalten) 40 Gröber» Schriften laut nnjere» Pret»- verzeichaitz. Labellarilcher »ad Ziffernlatz »ach höhere» Laris. Srtra-Vril««o» (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe , ohae Posrbeförderuag » 6o.—, mit Poslbesörderung 70.—. Annahmtschlvß fir Inserate: Abead-Au-gade: Bormittag» 10 Uhr. Marge »«Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. kann« und Festtag» früh 9 Uhr. Lei de» Filiale» und Annahmestellen je eia» halb« Stunde früher. Znlerate stad stets a» di« ErneDttt»«« zu richte». Druck und Verlag von <k. Polz t» Leipzig ^ 278. Mittwoch den 1. Juni 1892. 88. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Juni. Ein hervoraaeoder preußischer Politiker, der s. Z. mit den meisten Culturkampfgesetzen nicht einverstanden war, äußerte wiederholt, da» beste Mittel, den Ultramontani-muS Nein zu machen, bestehe darin, daß man ihn gewähren und sich förmlich Überschlagen lasse; dann mache er ihn am Ende selbst bei den einsichtigen Katholiken unmöglich. An diesen Ausspruch wird man erinnert, wenn man den Sturm von Entrüstung verfolgt, den das Verhalten der ultramontanen Gegner de« verstorbenen Forckcnbcck hervorgerusen hat. Seit langer Zeit hat kein Stein, der in da» Wasser unsere» Parteilebens Hineinstei, so stürmische Wellen erzeugt, dir sich in all» Blätter fvrtpflanzen. Un» selbst wird heute Uber den Vorgang von besonderer Seite aus Berlin geschrieben: „La« uachrlstlich« Verhalten, da» sich die Lcntrumspartet dem lodtentgorckrnbcck gegenüber zu Schulden kommen lieh, wird natürlich von allen nicht ultramontanan Kreisen gleich scharf verurtheilt, und all» versuche der „Germania" und der ihr verbündeten „Kreuz- zettu»g", diese Rachsucht als „correct" htnzusiellen, müssen erfolglos bleibe«. Denn wen« man selbst zugeben wollte, das, die officiell« iqthoitsch« Kirche »ach strengster Auslegung der Satzungen ihren Beistand versage» muhte, so oiebt es schlechthin keine Entschuldigung dafür, dah der Propst Jahnel es sich versagt«, dem Manne di« letzte Ehre zu erweisen, unter dem er als Mitglied der städtischen Tchuldeputatioa länger als ein Jahrzehnt gearbeitet, dem er tn amt lich« Beziehung zum Theil unterstellt war und mit dem « nicht selten tu freundlicher Weise Beziehungen unterhalten hatte. Es ist «Ine thatsächlich« Unwahrheit, dah nur die katholische „Kirche" sich fern hielt von der Bestallung Forckenbeck'S; vielmehr bltaben iämmtliche Mitglieder des Centrums der Todtensrier ser». ja di« Uicepräjideuten der Parlamente, d« Gras Ballestrem und d« Frech, v. Heereman» vergaben, dah sie in dieser Stellung nicht als Vertreter des UitramontanismuS, sondern al» Repräsentanten dieser Parlamente auszutreten die Pflicht batten, ganz gleich, ob der Verstorbene einer d« christlichen Con« sessionen ober der jüdischen Religion angehört«. Als der jüdische LoScker gestorben war, nahmen Windthorst, v. Franckrnstetn und ». Heereman au der Todtenfeier in der Synagoge Thetl und folgten der Bahre aus den israelitischen Friedhof, und ebenso erwiesen dt« evangelischen mid die jüdischen ParlamwitarierWindthorst di« letzt« Ehre. Dah di« Lentrumsabgeordaeten Forckenbeck gegen« üb« so ganz ander» handelten, beweist unwiderleglich, von welchem fanatische», nachtragenden, uuchrtstlichru Geiste sie «füllt sinh, zeigt deutlich, dah Haß, gemeinster Haß «» ist gegen den Mann, welcher, treu den Gesetzen dr» Staate», dem au >dn ergangenen Rnf» Folge leistet« und tn den kirchlichen Gerichtshof ein getreten war; dah dies« Hah sortdauert selbst üb« da« Grab hinan». Wir .vollen duffen, bäh man tn „freisinnigen" Kreisen da» dies malige Verhallen de» Ceatrums nicht sy bald vergibt. Mit Recht wird von der „Bost" daraus htngewtesr», dah dieser unchristlich« Sinn, dies« gehässige ganatt«mu«, diese barbarische Unduldsamkeit gerade tn den katholischen Klöstern gezüchtet wird. Und doch haben «st in diese« tagen die badische» „Freisinnige«" für den »ltramontanen Antrag aus Rückderufung der Klosterbrüder gestimmt." Luch di« „Nat.Hib. Corr." kommt aus den Vorfall zurück: „Wenn sich für dt« Verweigerung der katholischen Gin irgnung bei der Beerdigung de» Oberbürgermeister» von Fvrckenveck vom einseitig kirchlichen Gtandpuact au« immerhin noch einig« rechtsertigrad« Gesichtspunkte Vorbringen laßen mögen, so ist da« Fernbleiben d« ultramoatanrn Präsidenten und sonstigen Mitglieder der Parlamente aus dieser Partei eia« Demonstration, dir al» eine starke Unziem lichkeit bezeichnet werden muh. ES handelt sich dabei um eine rein bürgerlich» Feier und die katholischen Präsidenten und Parla mentarier sind doch kein« Geistlichen. Auch die parlamentarischen Mandate im Dienst« dr» Haffe« der Kirche bei ein« rein bürge» lichen Handlung zu mlhbrauchen, ist rin neu« Vorgang. Wir hören, dah mau in Abgeordnetenkreisen ernstlich über legt, ob »ach einer solchen Verkennung einer par lamentarischea Ehrenwürd« und einem solchen Mitzürauch dersrlbeu ijm kleinlichsten Partei» und Lo u frs s rvn » intrresse dem Seutrum ferner noch »in Tip t» den Präsidien «tngeräumt werden kann- Spabig ist übrigen«, bah Forckenbrck al» Vertreter de» Wahlkreise» Sagaa^prottau nur durch die Unterstützung d^r ultr/rmootaaen im Reichstag sah. Ueberaus bezeichnend «iSSS«», -ä > » .> —< «»,, » ist anch, wir sich jetzt die betheiligtrn Herren alle um den fatalen Beschluß herumzudrücken suchen. Der Bischof Kopp war aus einer FtrmungSrris« begriffen und mit den Verhältnissen diese« sonst doch recht notorische» Falle» „nicht hinlänglich bekannt." Der Propst Jahnel war so gütig, ohne geistlichen Beistand die Beerdigung aus dem katholischen Kirchhof zu gestatten, die er gesetzlich gar nicht be- fugt war. z» verhindern. An der privaten Betheiliguna bet «tn« bürgerlichen Fei« war er durch ,plötzliche« Unwohlsein" ver hindert. Mit sein« Vertretung hatte er einen AmtSbrudrr beauftragt, d« Brief war ab« augenscheinlich in seiner Rock tasche stecken geblieben, denn « ist niemals an den Amt«- bruder gelangt. So wird selbst äußerlich mit dem unwürdigsten Hohn dieser unarheuerltche Vorgang zu rechtfertigen gesucht. Er ist uad bleibt ein schnöd« Schlag ins Angesicht de« Staat«, den All» geduldig einstecken mögen, die dabei mttgeholsen haben." Man wird nun zunächst abzuwartcn haben, ob der hervor- geruiene Sturm nachhaltig genug ist, um das Centrum zu nächst au» den Präsidien der parlamentarischen Körperschaften des Reich» und Preußens zu vertreiben und damit auch da- Band zu zerschneiden, da» zwischen UltramontaniSmuS und „Freisinn" geknüpft ist Herr Eugen Richter schreibt aller dings in seiner „Kreis. Zeitung": „In der Politik wird und muß diese Haltung der CentrumSpartei und der katholischen Hierarchie ihre Consequenzen ziehen", und so scheint es, al- solle der Eingangs erwähnte Politiker Recht behalten. Wir sind indeß zu wenig Optimisten, um seine Ansicht völlig zu theilen. Der UltramontaniSmu« hat schon oft sich Über schlagen und wahre Orgien der Intoleranz gefeiert, ohne sich nach oben und nach der Seite des „Freisinn»" unmöglich und bündnißunfähig zu machen. So glauben wir denn auch jetzt an eine „reinliche Scheidung" »wischen derz Erben Willdl- horst'S und den Mannen de» Herrn Richter nicht eher, al» bis wir sie sehen. Gleich den Ultramontanen bemühen sich neuerdings auch die Welfen, ihr innerstes Wesen zu enthüllen und jeden Zweifel darüber, wa- sie wünschen und herbeifübrcn möchten, zu zerstören. So berichtet die in Hannover erscheinende „Nicdersächs. Ztg. und Wahlbl", Organ für die „deutsch- hannoversche" Partei, über eine im Volksgarten zu Bremer haven adgehaltene Stiftungsfeier der welfischen Partei de« 18. und 19. hannoverschen Wahlkreise» u. A. Folgende«: ReichStagtabgeordneter LandschastSrath von der Decken-Rubenstetn: „König Georg, der unerschütterlich treue deutsch« Buadesfürst, hielt sein und set»»« Lande» Recht hoch, dt« « von allem Lrdeuleid erlöst zu seinen Bärern versammelt wurde. Aber sein und uns« Recht ging nicht mit ihm zu Grab»; sein er haben« Sohn trat das Erbe des Bat«» an. und tn seiner Person ncatörpert« sich seitdem da« hannoversche Fürsten- und Landesrecht. Wir d« Herzog, als er seinem Vater succedirt«, öffentlich rrNärte, daß « der Hoffnung lebe, es werde dereinst durch eine frei« That d« deulschen Fürsten und de- deutschen Volkes sein Recht wleder- dergestell» werben, so hat er diesen Standpunkt dt« aus den heutigen Tag nicht verlassen. Dah man endlich die Beschlagnahm« be sagen. Wrlsensond« ausgehoben hat, können wir mit Freu den begrüße», wenn diese Maßregel auch selbstverständlich au die Stellung unserer Partei in keiner Weise Einsluj, haben kann, so sehe« wir tn derselben doch ein erstes Angeld aus die Zukunft." HofbesitzerDörscher-Haimühlea: Wir sindHamu,- veraner und wollen Hannoveraner bleiben. lLebhasles Bravo.) Nun sind Leute gekommen, die da sagen: „Laßt uns Hannover theilen." Als König Salomo »inst an die beiden Mütter appellirte, ries die rechte: „Nicht theilen, nicht theilen, lieber alles Andere erdulden." Und so sagen auch wtr: Kein Stück von Hannover. (Stürmischer, lang anhaltender Beifall.) Bismarck konnte wohl Hannover annectiren, aber nicht uns Hannoveraner. (Erneutes, stürmisches Brav») Jetzt girbt e» hier Niemand mehr, der sich annectiren lassen will. Oder kennen Sie Jemand, der da« noch möchte? (Rufe: Nein, lebhafter Beifall.) Wir waren in unserem Kampfe immer voll guter Hoffnung, wuhten und wissen wir doch, dah wtr den richtigen Steuermann haben. Unser Hanuoverland, aber ungetheilt uad ganz — es lebe hochl" Nachdem der nicht endenwolleude Beifall verrauscht, wurde das Lied: ,,E« braust ein Ruf wie Hörnerklang, Hannover- Fluren heut' entlang", gesungen. „LandeSverrath", bemerken zu diesen Auslassungen di« „Hamb. Nachr", „LandeSverrath, der nur aus Gelegenheit wartet, sich in die Thal umzuseycn, klingt hier auS jedem Worte heraus. Die Auslieferung des Welsensonds an da» Oberhaupt der Bremerhavencr Redner wird in ihrer politi schen Unbegreiflichkeit durch solche Vorgänge immer deutlicher tllustrirt." -qgv Die Seeschlange de« ZarenbesucheS macht immer selt samere Krümmungen. In Kiel hat sie sich gestern abermals sehen lasten und heute telegraphirt man von dort: „Wie hi« bestimmt verlautet, trifft der Zar am Donnerötag auf der Pacht „Polarst«»" zu einstündigem Ausenthalt hier »in. Hier soll dann die Begegnung mit Kaiser Wilhelm stattsinde». Die Rückkehr nach Kopenhagen erfolg« noch am Donnerstag" Wir wollen kein Wort verlieren über die Rolle, die unserem Kaiser in dieser tbörichten Depesche zugemuthel wird, u»d nur den Wunsch auSsvrechen, daß die Seeschlange des ZarenbesucheS endaillig aus den Strand gebracht ist durch folgendes Berliner Telegramm der Münchener „Allgem. Ztg": „Bon ein«m nahe bevorstehenden Besuche des Kaiser« von Ruhlnnb an unserem Hof« oder einem Zusammentreffen desselben mit unjerm Kaiser in einer deutschen Hasenstadt wird nicht weiter di« Rede sein können. In der hiesigen russischen Botschaft hat man bisher überhaupt nicht» erfahren. was aus einen unmittelbar bevorstehenden Besuch der gedachten Art schließen liehe, und der beste Beweis, dah e» zur Zeit mit dem Besuche nicht» ist, dürste die Thatsache sein, dah der russische Botschafter die Absicht hat, sich am Freitag dieser Woche mit sein« Familie zu längerem Aufenthalt» über München nach Tegernsee zu begeben"' Das ungarische Reaierung-blatt „Nennet" veröffentlicht einen Warschauer Brief, betitelt „Das gährende Polen", worin Über den Weihnachten 1891 in Gens errichteten verband polnischer Emigranten Mittheilungen enthalten sind. Der VerbandSprästdent ist Sigmund Balicki. Der Verband umfaßt sämmttiche Volenvereiue de« Auslandes und ist bcstreot, die polnische Propaganda streng zu centralifiren. Die erste That diese» Verbandes war die Proklamation der Nationaltrauer vom 14. Mai 1892 an als der hundertsten Jahreswende des Zustandekommen« der Tarnowitzer Consöderation bis zum Schluß de« Jahre» 1895 al» der hundertsten Jahreswende der dritten Theilung Polen». In Warschau, wo cS Einzelne gab, die im letzten Earneval Tanzunterhattungen veranstalten wollten, darunter auch der Graf Waiewsky, wurden in de» betreffenden Häusern die Fenster eingeschlagen. Der Verband veröffentlichte weiter eine Proklamation^ die über den polnischen NationalsondS Aufschluß giebt, zu welchem Gaben au« allen Theilen des alten Pole» — Warschau, Lemberg, Krakau, Posen — reichlich einfließen. Eine be sonders reichliche Thätigkcit entfalten die polnischen Emigranten in Amerika. Bis jetzt haben in Belgien bloS einzelne Studenten» vereine von Brüstet und Lüttich die Einladung zur Theil nähme an den Nancy er Festlichkeiten angenommen. In Gent hat der seit 1852 bestehende liberal-vlämische Studentenverein eine bemerkenSwerthe Kundgebung gegen die Betheiligung der belgischen Studenten unternommen, in dem er folgenden Ausruf auS Schwarze Bret befestigte: „Kameraden! Die Studenten der Universität Nancy habe» einen Ausruf an Sie erlaffen, den von ihnen veranstalteten Festlichkeiten am 5., V., 7. und 8. Juni beizuwohnen. Sämmt liche Studenten Europa« sind zu dieser Feierlichkeit eingcladen, mit alleiniger Ausnahme der deutschen. Ferner haben die Nancyer Studenten durch die Presse bekannt ge macht, daß sie bei diesen Festlichkeiten die Anwesenheit hoch gestellter Persönlichkeiten benutzen würden, eine Kundgebung wegen der elsässisch-lothringischen Frage zu veranstalten. Der Verein 't Xal «ei gaan („Es wird schon gehen") hat in seiner Versammlung vom 20. Mai emstimmig be schloffen, Wegen der Ausschließung der deutschen Studenten Verwahrung einzulegen, weil solches die Solidarität, die sämmtliche Studenten verbinde» soll, beeinträchtigt, 't Lnl «ei Man ist auch der Ansicht, daß cS für jeden bel gischen Studenten unmöglich ist, sich an dieser Kundgebung zu betheiligen, die nach dem eigenen Grständniß der Ver anstalter eine deutschfeindliche Strebung haben wird, und hofft, daß alle anderen Vereine sich mit ihm vereinigen werden, um gegen das Verfahren der Kameraden von Nancy einstimmig Verwahrung cinzulcgen. Der Vorstand." Diese Kundgebung hat unter den Studenten eine ziemlich starke Erregung hervorgerusen. Allgemein wird das Gebahren der französischen Chauvinisten getadelt, was jedoch nicht ver hindert, daß emzelnc FranzöSlinae sich wegen de» Aufrufs äußerst erbost zeigen, auch denselben bespotten, jedoch nach löblicher Gewohnbeit unterlassen, zu beweisen, worin derselbe unsinnig ist. — Die vlämischen Turnvereine erwägen den Austritt auS dem belgische» Turnverbande wegen des Halle» Nancy. Die „Politische Correspondcnz" bestätigt, daß cS die Absicht der gegenwärtigen italienischen Regierung ist, nach der Bewilligung des provisorischen Budget» die Deputirten- kamuier auszulösr» und die Neuwahlen im Herbst» welcher den traditionellen und geeigneten Zeitpunkt hierfür bildet, vornehmen zu lasten. Dir Wähler werden im September oder Octobcr zu den Urnen berufen werde» und der Zusammentritt der neuen Kammer würde im November erfolgen. Die Opposition scheint geneigt, der Regierung rin Bukgetprovisorium zu bewilligen, möchte ibr aber blos eine zweimonatige Frist bi» zur Vornahme der Neuwablen-zuge- stehen. Rechte« und linke« Ccntrum werden in dieser Frage wahrscheinlich mit der Rechten Zusammengehen. Da» Cabinrt wird aus der Forderung eines sechsmonatigen Budgetprovi soriums beharren. Wenn nun von oppositioneller Seite geltend gemacht werden wird, daß eine so lange Wahlagitation, wie sie nach den Absichten der Regierung einlreten müßte, unzulässig sei, so wird von Seite der letzteren erwidert werden, daß dir Vorbereitungen der Wählerschaft kür die Wghlen einer solchen Frist bedürfen und nicht überstürzt werden sollen. Die Debatte hierüber wird eine überaus heiße werden, alle Parteisührer, inbegriffen den bereits aus Palermo zurückgekehrten Herrn CriSp i, werden sich an ihr bctheiligen, und die verschiedenen Parteigruppen fordern ihre Mitglieder dringlich zum Erscheinen in den betreffenden Sitzungen auf, so daß die Kammer wahrscheinlich vollzählig versammelt sein wird. Angesichts der aus allen Seilen herrschenden Erregung und der schon bisher bestandenen Zerfahrenheit der Verhält nisse in der jchigen Kammer lassen sich über den AuSgang dieser für die nächste Zukunst Italiens hochwichtigen Debatte kaum auch nur WahrschcinlichkeilSberechnungen aufstellen. Deutsches Reich. tztz Berlin, 3l. Mai. DaS Abgeordnetenhaus ist beute in die Ferien gegangen, und so groß war der Drang, schnell „fertig" zu werden, daß die dritte Verathung von zwei hochwichtigen Vorlagen, über die GehaltSregetuyg der nichtstaatlichen Lehrer und über die Anstellung der Militair- anwärter im Gemcindedienst, trotz größter Meinungsverschie denheiten in kaum zwei Stunden erledigt war. Und wider Erwarten ist die nächste Sitzung statt aus den 9. erst aus den l3. Juni anberaumt. Merkwürdiger Weise ereifert sich heule auch einmal die „Kreis. Ztg." gegen den Mißbrauch, daß für das „parlamcnlarische Schwänzen" hohe Diäten ge zahlt werden. Jeder Tag der „Berathunaeu" dcS Abgeord netenhauses kostet dem Lande 8500 ES entspricht wirk lich nicht der Würde der Volksvertreter, daß an di« Abgeord neten für die „Auslagen, welche ihnen der Aufenthalt in Berlin verursacht", „Tagegelder" auch während der vielen Tage gezahlt werden, wo sie gar nicht in Berlin sind! Verkommen und verloren. Lrinttnal-Rovellett« von Amanda Klock. N<,<»dr»a lxrt.tr». l. Verkomme»! Vir befinden an» in der Hauptstadt de» RegierungS- bezßeks Pose«. Dir erste Sitzung der ersten Schwurgericht-Periode de« Jahre« 1880 hat begonnen Der Gerichtshof ist vollstäudig, die Verhandlung nimmt ihren Anfang. Während der Präsident in einem Aktenstück blättert, richten s,ck> unsere Blicke auf den Angeklagten Bei fiüchkiaer Betrachtung macht er den Eindruck eine» wilden, verwahr losten Menschen^ da< überreiche, etwa» widerspenstige schwarze Laar — di« medere Stirn in tief« Schatten hüllend —, die scharf geschnittene grade Rase und der stark ausgebildete untere Tbeil de« Gesicht« deuten ans einen leidenschaftlichen, heftigen Charakter. Ll« der Gefangene sich bei Beginn der Verhandlungen von der Anklagebank erhebt, macht ei» nervöse« Zittern die kraftvolle Gestalt erbeben; er wendet sein Antfttz fast ganz den Richtern zu, al» ob ihm daran läge, sich so wenig wir möglich vom Publicum beobachten zu lasten. Ganz so schlecht, wie seine Beraangraheit ih« erscheinen läßt, kann der Angeklagte wohl doch nscht sein, da noch die Scham das Blut in seine Wangen treibt. Auch da« leiseste Flüstern verstummt, al« der Präsident mit harter, klangloser Stimme den Secrrtair beauftragt, die Anklage vorzulesen L,er da« wichtigste daran«: Ferdinand Korn, verabschiedeter First«, geboren zu Rakel. Wittwer, evangelischer Religion. fleb«»uoddr«i-ig Jahre alt. ist beschuldigt, am rtnnnddrrißigstru Ianuar d,rseS Iabres aus d,r Haushälterin de« Gold- und Juwelen Händler« Abraham Isidor Pamwie«. Frau Mathilde Schall«, zwei Revolver- scküffe abgefeuert zu haben, wovon der eine sie in dir rechte Schulter traf, während der andere, sein Ziel verfehlend, durch das Küchensenster in den Hof flog. Ferdinand Korn stürzte nach der That in dcks Hinter zimmer, in welchem sich Herr Paradies befand, und gab auch auf diesen mehrere Schüsse ab. Zum Glück bemerkte der Bedrohte die Gefahr noch rasch er sprang vom Sopha genug, , aus und veränderte seine Stellung, so daß die Kugeln, über ihn hinwrgfliegend, in die gegenüberliegende Wand drangen. Der Secrrtair war zu Ende Tiefe« Schweigen herrschte einen Augenblick im Saale, dann begann der Präsident die üblichen Fragen, und dem genaueren Beobachter konnte e» nicht entgehen, wie die Züge de« ernsten Richters Verachtung und Widerwillen auS- drückten, so bald sie sich dem Gefangenen zuwendetrn. „Angeklagter, bekennen Sie sich de« Ihnen zur Last ge- legten Verbrechen« schuldig?" Der Gefragte kämpfte eine heftige Erregung nieder, und erst nach mehreren Momenten brach er stoßweise in die Worte au«: „Ich habe sie so sehr aeliebt, ich gab Alle« ihretwegen auf — aber lieber wollt' ich sie todt sehen, als sie länger dem schlechten Juden lassen!" „Enthalten Sie sich jeder beleidigenden Aeußerung. Wenn Sie den Iuwelenhändler Paradies meinen, so nennen Sie einfach seinen Namen Wann und auf welche Weise wurden Sie mit Frau Mathilde Schalter bekannt? Theilen Sie uns Alles mit, bis zu dem Tage de« Attentat»." Noch »mmer stand der Gefangene den Richtern »ugewendct, aber wider Willen erweckte sein tiefe-, sonore« Organ die Sympathie vieler Zuhörer, welche bi« jetzt in dem her untergekommenen Menschen nur den Mörder uod Todt> schläger sahen. „Es war um dies« Zeit vor zwei Jahren", begano Korn, „ich bekleidete damals eine FLrflrrsteüe bei Bromberg uod lebte mit meiner Familie ruhig und zufrieden Al« ich eine« Tage« von meinem Rundgange au« dem Revier nach Hause kam, zeigte mir mein« Frau einen Brief, den sie während «eine« Abwesenheit von einer Jugendfreundin rryalten batte In dem Schreiben fragte die Freundin an, ob sie uns vielleicht besuchen dürfe, ihre Ehe wäre eine sehr unglückliche, und einige Wochen der Erholung ihrer angegriffenen Gesundheit dringend nothwcndig. „Die arme Mathilde", meinte meine Frau mitleidig, „Du glaubst nicht Ferdinand, wie heiter und fröhlich sie früher war. Dir ist e« doch recht, wenn sie herkommt. Du sollst nur sehen, wie hübsch und freundlich sie ist." Ich willigte gern ein, kam doch dadurch etwas Leben in unsere Waldeinsamkeit. Drei Tage später holte ich den Besuch in unserem Wäaelchen von der nächsten Eisenbahnstation ab." Der Angeklaate machte eine Pause, di« Erinnerung an diese scheinbar so einfachen Erlebnisse schien ihn heftig zu ergreifen. Nach einer Weile sprach er weiter: „Meine Ncine einfache Frau batte Recht gehabt, hübsch war sie — was sage ich — schön" — fuhr er mit fast schwärmerischem Ausdruck fort— „und freundlich? Ach, nur zu sehr! Sie setzte sich zu mir auf den Vordersitz, wie wenn wir alte Bekannte wären, sie zog ihren Arm durch den meinen und hielt ihn so fest, so fest, als wollte sie ihn niemals wieder frei aeben" Der Erzähler lenkte sein Haupt noch tiefer; wie in ferne Zeiten verloren, suchte sein Blick den Boden — er hatte augenscheinlich vergessen, wo und zu wem er sprach. „Weiter, weiter!" redete der Präsident iyn mit harter Stimme an, „halten Sie un« nicht unnütz auf." Ferdinand Korn schrak zusammen, seine Erinnerungen hatten ihn bingeriffen „Zu memem Unglück", fuhr er leiser fort. Iiel mir in dieser Zeit eine Erbschaft von über zweitausend Thalcrn zu; ich behielt da» Geld im Hause, bi- ich eine sicher« Gelegenheit zur Unterbringung würde gefunden haben. Sech» Wochen später erklärte Mathilde eine» Tage», daß sie un» jetzt wieder verlassen wolle. Ich war wie vom Schlage gerührt und beschwor sic bei der ersten Gelegenheit, ihren Vorsatz aufzngeben; sie hatte e« mir einmal angetban, und ich wußte nicht, wie ich serner fortlrben sollte, ohne sie täglich zu sehen. Ich erfuhr von Mathilden, daß meine Frau Verdacht geschöpft und sie zur Rede gestellt habe, sic könne deshalb um keinen Preis länger bleiben, und sollte ihr auch die Trennung von mir da- Herz zerreißen! Ta vergaß ich mein Weib, daS mich so sehr liebte, vergaß meine Kinder — Alles, Alle«, um Mathilden'« willen. Ich verließ meine Familie heimlich, ohne sie jemals wieder zu sehen und entfloh mit dem Gegenstände meiner grenzenlosen Leidenschaft. Wir schlugen unser Domicil in Berlin auf; jeden ihrer Wünsche suchte ich zu erfüllen, so lange meine Erbschaft und meine mitgenommenen Ersparnisse reichten. Ein Jahr später blieb un» nur noch so viel Geld übrig, um hierher zu reisen, ich hatte hier Bekannte und bofftc irgend einen Erwerb zu finden, der uns Beide ernähren wurde." Abermals unterbrach ihn der Präsident: „Sechs Monate nach Ihrer Abwesenheit starb Ihre arme Arau am gebrochenen Herzen und Ihre Kinder wandertcn in« Armenhaus. Warum erzählen Sie uns auch nicht die Folgen Ihre« schändlichen VcrrathS, oder wollen Sir un« glauben machen, daß Sic nicht« davon erfuhren?" „Ich muß den Herrn Präsidenten daraus aufmerksam machen", fiel der Vertheidiger de» Angcschuldigten ein, „daß mein Client das Recht hat, Dinge zu verschweigen, welche zu seine», Schaden ausgelkgt werden konnten." Nach einigen ferneren Fragen und Anlworten erzählte der Angeklagte, wie er Tag und Nacht gearbeitet und sich nicht gescheut habe vor der niedrigsten Beschäftigung, um seine Matbildc vor Mangel zu schützen, und wie er sich da» Geld zusammen gedungert, sie mit diesem oder jenem hübschen Geschenke zu überraschen. „Aber veinahe war alle meine Mühe vergeben«", fuhr Korn fort, „denn eines Abend» fand ich bei meiner Heimkehr das wenige Mobiliar au» unserer Wohnung verschwunden. In einem hinterlassenen Briese zeigt« Mathilde mir an. daß sie mit dem Zebn-Uhr-Zuae nach Berlin reis«, rin wohl habender Vetter von ihr sei Wittwer geworden und habe sie aufgesordert, seinen Haushalt zu führen, und
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