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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920602023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060202
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-02
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NLmmementSpret» 1» drr Hauptexpedlttoa ob« den im Stad», bezirk mW de» Vorort« «richtet« Ans- g-besiellea »btiholt: vierteljährlich ^IlckO; bet zweimaliger täglich« Zustelluig ist Hau« ^il bckO. Durch dt» Dost bezog»» für Deutschland und Oesterreich: vierleliädrlich S —. Direct» tägliche Kreuzdaudlrudtu», tut Aitslaud: mouatüch 8.—. Di« Morgra-Lu-gab« «schri»t täglich'/«? Uhr, die Abead-Ansgab« Wochentag« S Uhr. Ledactio« »>H LrpeLMo»: Joh»n»e»gafie 8. Die Erveditioa ist Wochentag« anuaterbroch« geössart voa früh 8 bi» Ld«d» 7 Uhr. Filiale»: Vtt» Sie««'» Gorti«. (Mkred Hatz»^ Universitätlstrah« 1. Lo»t» Lösch». . . Katharineustr. 11. Part, «b K*»ts «Platz 7. Abend-Ausgabe. WM.Tllgeblaü J«s»rt1on-preir Die Sgespaltme Petttzeift 20 Pfg. Verla»«» unter de» Nedactiousftrich («§»> spalte») b04, sor de» Famtlieuaachrichü» (b gespalten) 10 ^ Gr«b»re Schrift« laut unserem Preit- verzeichniß. Tabellarisch« nab Ziffausag »ach höherem Tarif- Anzeiger. , r ^ VT- Legan für Politik, LocalgesMe, Kandels- und Ges-Sstsverkehr. Sptra-Vrilagnt tgefalzt), nnr mft de, Morgen-Ausgabe. obn« Postbesörde«»g ^l 60.—, m»t PostbesLrduuug ^,70.-^ Ännahmeschlnß s2r Znsernte: Abead»Au«gab«: vormittag» 10 Uhr. Morge n-Aulgab«: Nachmittag» lUtzr. Sonn- und Festtag« früh S Uhr. Bet de» Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Stunde früh«. Inserat» fi»tz stet« a» bi» Grärbttta» »» richte». Dnick und Verlag »o» L. Pol» tu Laipzig Donnerstag den 2. Juni 1892. 86. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Juni. Also der Zar kommt doch, aber nicht nach Berlin» sondern nach Kiel; so wenigstens wird dem „Hamb. Corr." auS einer „sicheren" Berliner Quelle bestätigt. Nach dieser Quelle trifft der Zar am nächsten DienStag Vormittag« an Bord des „Polarstern" in Kiel ein, um daselbst den Tag al» Gast deS deutschen Kaisers zuzubringen und Nachts die Rückreise nach Kopenhagen anzutreten. Wann Kaiser Wilhelm in Kiel eintrifft, um seinen hohen Gast zu begrüßen, scheint die „sichere Quelle" noch nicht zu wissen; dafür aber weiß sie, warum drr Zar nicht nach Berlin kommt und warum man dort sich entschlossen hat, mit einem Besuch in Kiel fürlieb zu nehmen: „Nachdem der Zar den Wunsch eine» Zusammentreffen» mit Kail« Wilhelm zu erkennen gegeben hatte, ist Kiel al» Begegnuna«- ort verabredet worden, da der diesmalige Aufenthalt der russischen Äaiserfamilie in Kopenhagen sehr kurz bemessen ist und auch die Rückreise nach Petersburg wie die Hinreise direct zur See statt finden wird, und da andererseits in Berlin für die ersten Junitage bereit« andere Dispositionen getroffen waren." Ein Berliner Gewährsmann der „Köln. Ztg." weiß die Sache noch etwas genauer; er meldet: „Sicherem Vernehmen nach hat der Zar schon vor Wochen- srist dem deutschen Kaiser seinen lebhasten Wunsch zu erkennen gegeben, aus Anlaß seiner jetzigen Anwesenheit in Kopen hagen mit Kaiser Wilhelm zusammenzutreffen. Ander- w eilige fürstliche Besuche und fest« Reisezusagen haben die Zusammenkunft bisher hinausgeschoben. Jetzt ist vereinbart worden, daß der Zar am Morgen des PfingstdienStags, den 7. Juni, aus dem „Polarstern" in Kiel eintressen und dort den ganzen Tag mit dem deutschen Kaiser verbringen wird. In d« Nacht zum 8. Juni findet die Rückfahrt nach Kopenhagen statt, wo der Zar noch einige Tage zu verbleiben gebeult, um dann gemeinsam mit sein« Familie auf dem Seewege nach Petersburg zurück- zukehren. Kaiser Wilhelm wird, nachdem die niederländischen Königinnen Potsdam verlassen haben werden, sich zunächst nach Oberglogau begeben, um dort am Sonnabend d« Hochzeit de« Fürsten Siadolin mit der Gräfin OpperSdocff betzuwohnen, am b. nach Potsdam zuruckkehren und am 6. sich nach Kiel begeben." Hiernach hat sich also ein Gegenbesuch des Zaren in Berlin schlechterdings nicht ermöglichen lassen. Vielleicht wäre das Un mögliche doch möglich gewesen, wenn der Zar da« Bedürfniß gehabt hätte, mit Kaiser Wilhelm II. mehr und Wichtigere« al« HöflichkeitSgrüße auszutauschen. Aber weil ein solche» Bedürfniß nicht vorlag, hat Kaiser Wilhelm den Beweis liefern wollen, daß sein Wunsch nach einer Höflichkeits begegnung nicht minder lebhaft sei, als der des russischen Herrschers. So verzichtet er auf einen Besuch deS Zaren in Berlin und übt ein Entgegenkommen, von dem man nur wünschen muß, daß der Zar und die russischen Politiker eS völlig zu würdigen verstehen. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, muß freilich dahin gestellt bleiben. Graf Caprivi wird, wie man unö meldet, den Kaiser nicht nach Kiel be gleit/». Waö sollte er auch dort, wo lediglich eine kleine russische Höflichkeit durch eine weit größere deutsche erwidert und ermöglicht wird? Weil eine kaum noch erwartete Begegnung verwirklicht wird, scheint die geschäftige Phantasie eine« sensationslüsternen NeuigkeitSverfertigerS auch eine andere für möglich zu holten: eine Begegnung nämlich zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck. „Bon gut unterrichteter Seite" geht nämlich der „Tägl. Rundsch." folgende Mitthcilung zu: „Die von verschiedenen Seiten fett längerer Zeit in« Werk ge- setzt« Bemühungen, die persönlichen Beziehungen des Fürsten Bis marck zu Sr. Majestät dem Kaiser angenehm« zu gestalten, scheinen nicht ohne Erfolg bleiben zu sollen. ES »«lautet nämlich, daß bet irgend einer passenden Gelegenheit binnen Kurzem der Fürst Beroulassnog nehmen werde, de» Kaiser persön- lich zu begrüßen. Hierbei wird ohne Zweifel di« Möglichkeit geboten sein, Sr. Majestät die Ueberzeugung zu verschaffen, daß ge wisse in in- und ausländische» Blätter» gegen den Kaiser und dessen Regierung «hoben« Angriffe zu Unrecht ans Anregungen aus Friedrichsruh zurückgeführt worden sind." Daß wir «S mit Freuden begrüßen würden, wenn eine solche Begegnung stattfändr, brauchen wir wohl nicht zu be tonen. Aber wir besorgen, daß uns eine solche Freude nicht bereitet werden wird. Aus den Spalten der „Hamb. Nachr." bat wenigstens nicht« herauSgeklungen, wa« auf eine Sehn sucht des Altreichskanzler», dem Kaiser sich zu nähern, schließen lassen könnte. Auch erscheint »S unS verdächtig, daß di« Meldung gerade in einem Augenblicke kommt, in dem der Kaiser zu einer Begegnung mit dem Zaren in Kiel sich rüstet. Nach dem, was früher geschehen ist, kann man nicht anneh- mcn, daß Fürst Bismarck zu drr Reise nach Kiel gerathen haben würde. Diese Reise schafft also schwerlich eine „passende Gelegenheit" zu einer Annäherung de« Fürsten an den Kaiser. Der Entschluß des königlich preußischen Hau«» Ministeriums, die Hoftbeater in Hannover, Cassel und Wiesbaden als solche in einem nicht fernen Zeitpunkte zu beseitigen, hat nicht nur in den betroffenen Stabten und Provinzen, deren Hauptstädte sie bilden, lebhaftes Bedauern hervorgerusen. Die Entschließung wird bekanntlich damit begründet, daß beim Hcranwachsen drr Söhne des Kaiser aus möglichste Einschränkung aller nicht unumgänglich noth- wendigen Ausgaben Bedacht genommen werden müsse. AuS mehr als einem Grunde erscheinen aber dir Aufwendungen für jene Theater „unumgänglich nothwendig", freilich nicht vom Standpunct des HofmauneS, wohl aber von dem de« nationalen Politikers. Eine gewisse moralische Verpflichtung liegt selbst gegenüber dem preußischen Gesammtstaate vor, denn bei der nach den Annexionen von I8K8 bewilligten Erhöhung der Civilliste wurde auf die für jene Hoslheater erwachsenden Ausgaben ausdrücklich bingcwiesen. Seit dem Hintritt Kaiser Friedrichs ist bekanntlich die preußische Civilliste abermals erhöht worden. Wilhelm l. batte mit seinen geringen Be zügen zwar nur für die Bedürfnisse eine« directen Ab kömmlings aufzukommen, aber dieser, Kronprinz Friedrich Wilhelm, war das Haupt einer zahlreichen Familie und ins besondere von Prinzen, die schon vor mehr als 20 Zabren älter waren, als heute der älteste Sohn des Kaiser«. Eine sparsame Hofhaltung ist, schon um des Beispiels willen, eine- guten Eindruck« bei der Bevölkerung Preußen« sicher, in diesem Falle und bei dieser Begründung dürfte aber eher da« Gegentheil wachgerufen werden. Der preußische Staat hat in rühmlicher und kluger Weise — zum Unterschied beispielsweise von Bayern — den annectirten Provinzen nicht nur ihren künstlerischen Besitz belassen, sondern auch wicderbolt hohe Kosten für Kunstanstalten in den Haupt städten jener LandeStheile nicht gescheut. Es fordert zu Ver gleichen heraus, wenn die Civilliste jetzt so ganz anders ver fährt. In der Provinz Hannover konnte sich überdies noch ein anderer Vergleich aufdrängen, ein schiefer, wie wir vorauS- schicken wollen, aber eS giebt Begriffe und Verhältnisse, unter denen man auch verkehrten Urtheilen Vorbeugen sollte. Der preußische Staat hat sich kürzlich ohne jede gesetzliche Nöthigung und nicht ohne Widerspruch von Seiten aus gezeichneter Patrioten deS WelfenfondS entäußert, mithin aus Vcrmögensvortheil« verzichtet, der preußische Hof sollte in derselben Provinz nicht das Gegentheil thun. Der Chauvinismus der Magyaren treibt gegen wärtig im ungarischen Abgeordnetenhause wieder seltsame Blüthen. Einige ausländische Blätter, insbesondere die „Hamburger Nachrichten", hatten das Capitalverbrecken be gangen, in ihren Spalten nur von einer österreichischen und nicht von einer österreichisch-ungarische» Monarchie zu reden» und da« bat den nationalen Heiß spornen in Pest Anlaß gegeben, diese Angelegenheit als eine große StaatSaction zu behandeln und sogar einen gegen die eigene Regierung, die sich maßvoll und correct verhielt, ge richteten Beschluß herbeizuführen, der zur Folge hat, daß diese an und für sich so belanglose Frage noch weiter aufgebauscht wird. Ter Telegraph meldet über die betreffende Verhand lung am gestrigen Tage Folgendes: Pest. 1. Juni. Abgeordnetenhaus. Auf eine Int«, pellation des Abgeordneten Polonyi antwortete der Minister präsident Graf Szapary, die von ausländischen Blättern, ins besondere von den „Hamburg« Nachrichten" gebrauchte irrige Be- Zeichnung „Oesterrejchische Monarchie" anstatt „Oesterreichisch. Ungarische Monarchie" sei nicht böswillig, sondern au« Nnkenntniß d« Dinge «folg», was aus einem Schreiben des Redakteur» der „Hamburger Nachrichten" o» ih» hervorgehe Zwangsmaßreaelii, wie die Entziehung des Posldedit«, würden nicht zum Ziele führen. ES handle sich nicht darum, da- Blatt zu maßregeln, sondern den Gebrauch ein« correclen Bezeichnung herbeizusähren. Der Redakteur der „Nachrichten" Hobe durch ein» geeignete Persöu- lichkeit auf di« Unrichtigkeit der Bezeichnung aufmerksam gemacht, aus eigenem Antriebe «klärt, fortan die correct« Bezeichnung ge- brauchen zu wolle». Polonyi erklärte, die Antwort nicht zur Kenntnib zu nehmen. Auf eine weitere Bemerkung Polonyi's »rklärte Graf Szapary, er habe die Vertreter der aus wärtigen Mächte direct eingelade», an der Fei« deS KrönungS- jubiläumS theilzunehmen. Die äufierste Linke verlangte namentliche Abstimmung darüber, ob die Antwort des Ministerpräsidenten ans die Tagesordnung zu setze» sei. Der Präsident erklärte, gemäß der Hausordnung sei hier nur eine einfache Abstimmung nm Platze. ES entspann sich über die Bestimmungen der Hausordnung eine stürmische Debatte. Abgeordneter Heg »du« beantragte die Vornahme einer namentlichen Abstimmung, wenngleich sich üb« die bezüglichen Bestimmung«» der Hausordnung streiten laste. Bei der namentliche» Abstimmung wurde die Kenutnißnahme der Antwort mit 104 gegen 9ä Stimmen abgrlehnt, die Debatte über dir Antwort wird deshalb in ein« der nächsten Sitzungen «öffnet werden. Zu den Unbegreiflichkeiten der französischen Republik gehört die Nachsichtigkeit und die Duldung, welche die Re- gierungSorgane dem in der letzteren Zeit immer frecher werdenden Treiben der Anarchisten entgegenbringcn. Ma» sollte meinen, die Ereignisse der letzten Zeit Kälten darüber jeden Zweifel beseitigen müssen, daß Zurückhaltung und Schonung gegenüber den auf Diebstahl und Mord aus gehenden Dvnamitbelden nicht angebracht sind, indessen eS geschieht in Frankreich nicht nur nicht« Durchgreifendes gegen die Anarchisten, sondern man läßt sic ruhig gewähren. In einer der letzten Sitzungen der französischen Dcputirtenkammcr forderte bekanntlich der Abgeordnete Dsprez den Justiz- minister auf, die Redner gerichtlich zu verfolgen, welche in der letzten Anarchistenversami» ln» aDiebstahl und Ver brechen verherrlicht hätten. Der Minister erwiderte, eine Untersuchunggsei eingeleitct, jedoch besitze die Regierung in den gegenwärtigen Gesetzen keine genügende Handhabe, um die Urheber der in der jüngsten anarchistischen Versammlung durch da« Wort begangenen Vergehen vorläufig zu verhaften. Nach den in de» Pariser Blättern vorliegenden Berichten über diese anarchistische Versammlung ist eS darin allerdings toller als je zugegangen. Die Versammlung erklärte sich für durch aus solidarisch mit Ravachol. So äußerte der „Genosse" CouthierS: „Wir decken uns mit der „Schande" Ravachot'S; wir nehmen für un« selbst in vollem Maße die Handlungen in Anspruch, deren man ihn anklagt." Ein anderer Anarchist begeisterte sich für die Verbreche» deS Anarchisten Pini, in Bezug auf den er bemerkte: „Ja, Pini hat gestohlen; er hat mittelst Einbruch« gestohlen; er hatte Recht. Es mag soviel Polizeispitzel, wie man nur immer will, in diesem Saale geben, sie werden mich doch nicht am Reden »«hindern. Ich mache mich zum ag;«vt provocateur und «kläre: Wenn ihr Geld braucht, so nehmt e»; wenn ihr, um es zu «halten, morden müßt, so tödtet." Zur Abwechselung wurde daun von den Anarchisten da« Lied zur Verherrlichung de« Dynamit« angestimmt: ,,l)»ms vzenumits, qus l'ou clanns vit«. Nanson» et cfiauton«, !>>nn- nütons". Und diese öffentliche Aufforderung, mit Dynamit vorzugehen, soll, wie der Iustizmiuister ausdrücklich in der Drputirtenkammer erklärte, nach der bestehenden Gesetzgebung straflos sein I Die Anarchisten werden sicherlich nicht unterlassen, von diesem Freibriefe, die tollste Agitation zu insceniren, den ausgiebigsten Gebrauch zu machen. Ehe da« neue Gesetz zu Stande kommt, werden sie jedenfalls »och oft genug Gelegen heit finden, im Sinne diese« Freibriefe« zu wirken. Wir haben schon gemeldet, daß Gladstone am Montag den Wahlfeldzug der liberalen Partei eröffnet hat. Nack, den jetzt vorliegenden ausführlichen Mittheilunaen ent täuscht seine Rede trotz ihrer Reichbaltigkeit an Vorschlägen, Ideen und ihrer glänzend durcbgesührten Angriffe auf die Politik des conservativeu Ministerium». Die bestechenden Einzelheiten der Rede Gladstone's verhüllen nickt die Lücke in seinem Programm: der Fübrer der liberalen Partei hat sich über die in Aussicht gestellte und im Interesse der Partei selbst gelegene Neugestaltung der irischen Home-Rulr- Frage gründlich auSgeschwiegen. Obnc ein klares und entschiedenes Programm in Bezug aus diese Frage ad«, wird es Gladstone nickt gelingen, dir Massen der Wähler aus seine Seite zu bringen, zumal er auch in der socialen Frage ein unerfreuliche- Schauspiel de« Schwankens darbirtrt. Der „Boss. Ztg." wird über die Rede Gladstone's au- London telegraphisch Folgendes gemeldet: „Gladstone hielt in einer Versammlung de« „Verbände« der liberalen und radicalen Vereine London»" tn der Memorial Hall die erwartete große, politisch« Rede. welchc iiideffci, die in «„«sicht gestellten Ausschlüsse über den künftigen Homeruleplan nicht brachte: gleichwohl darf die Rede al» der «sie Schuß der liberalen Partei in dem nahe bevorstehenden Wablkampse betrachtet wtrden. Zunächst berührte Gladstone die Frage» der Ber- waltung London-. Zur Erzielung der gewünichten Reformen in der Verwaltung der Hauptstadt inüii» dem Siege der Fortfchritt«- Partei bei den jüngste» GrasschastSralhswahlen ein ähnlich« Erfolg bei Len bevorstehenden Parlament-Wahlen in London folgen. Gladstone betonte die Nothwendigkeit einer Neugestaltung der Wähler- einschreibung und befürwortete eine einheitliche Verwaltung London« durch die Beseitigung de« gegenwärtigen Dualismus iw Londoner Grasschaftsrath und in der Corporation der City; de. Giaiichaftsrath müßte ausgedehntere Machtvollkommenheiten mit Einschluß der Aussicht über die Polizei erhallen. Zur socialen Frag» übergehend, erklärte Gladstone, « sei seit, nachdem « die Anschauungen de» Londoner GewerkverelnSralhes übet die Frage des Achtstundentages kennen gelernt habe, in der Lag«, mit demselben über diese» Thema in Besprechung zu treten. Der Achtstundentag könnte grundsätzlich sehr wohl für die Angestellten der öffentlichen rtorver- schasten einaesilkri werden, da» Parlament wäre bcsugl, zu ver hindern, daß diese Körperschaften ihr Personal zn longstündig« Arbeit», zeit anhalten. Den Schluß der Rede Gladstone's bildete die Er örterung der irischen Frage. Rach einem Hinwei« aus Lord Salisburys Auslassungen über Ulster nannte Gladstone den Premierminister und die übrigen Führ« der Regierung, welche sich mit Salisbury i» der Ansreizting Ulster'« zum Aufstande ver- bunden haben, politische Brandstifter. Hätte rin irisch« Bolk-sübr« öffentliche ähnliche Ansichten von innen» Standpunct« a»S ansgedrückt, würde er von Lord Salisbury'« Richter» in Ir- land unstreitig die härtest- Strafe, die zn verhängen in deren Macht stehe, erhalten haben. Schließlich betonte Gladstone in beredter Weise die dringende Nothwendigkeit einer Autonomie tn Irland, ehe ander« Neugestaltungen i» Angriff genommen werden könnten. Nur durch die schleunige Lösung dieser Frage, welche das Reich betreffe, könnten die örtlichen Fragen gelost werden." Deutsches Reich. ^ Berlin, 1. Juni. Die Erörterungen über da« Ber- balten LeS CentrumS bei dem Tode Forckenbeck'S dauern fort, und wenn in der Thal die „Freisinnigen" eine Lehre auS dem „kirchenpolitischcn Racheact" — so bezeichnet e« Herr Eugen Richter — de- Grafen Ballestrem und de« Frei herrn v. Heereman ziehen wollten, so müßte für die Zukunft ein sreisinnig-ultrauiontanes Cartel unmöglich geworden sein. Wir werden sehen, ob bei der nächsten Präsidentenwahl de« Reichstags die Freisinnigen consequent bleiben werden. Dann ist eben rm weiterer Mißbrauch der amtlichen parlamentarischen Stellung zu ultramontanen DemonstrationSzwecken fürderhin ausgeschlossen. Von nationalliberaler wie von freiconservativer Seite ist r« nicht einen Augenblick verkannt worden, daß die ultramontane Partei undeutsch und unpatriotisch, daß dir Existenz de« CentrumS al» einer politischen Partei durchaus ungerechtfertigt ist. Da« Bekeontniß zum KatholiciSmu« hat damit gar nicht» zu thun. Dieser hindert Niemand, sein Fewillotan. Verkommen und verloren. Crimiual - Novellett« von Amanda Klock «t-chdrua versere». Mit diesen, von eiiiem^tiefen Kratzfuß begleiteten Worten stellte sich der neue Belastungszeuge der Versammlung vor. Wir haben jetzt Gelegeuhelt zu bemerken, daß Herr Paradies sich in Frack, weiße Halsbinde und weiße Weste ge worfen hat, gleichsam wie wenn er zu einer Hochzeit geladen wäre. »Ihr Name?" Abraham Jakob Isidor Paradies, ehelich geborner Sohn meine« Herrn Vaters Isaak Benjamin Pa -- „Genug", herrschte der Präsident. „Paradies, wollt' ich sagen nur noch ganz untertbänigst; cingegangen ßum Gotte Israels schon im Jahre — nach christ licher Zeitrechnung eintausendachthuodert und vierzig, nach tnofasscher —" „Schweigen Sie!" „Ganz ßu Befehl!" Paradies verbeugte sich wieder. „Wie all sind Sie?" „Wird' ich doch am ßehnten November, wo iS geboren der große Herr Hofrath von Schiller, dreinudvirrzig Jahre! „Sind Sie mit dem Angeklagten verwandt, verschwägert oder verschwistert?" Der Zeuge legte bei dieser Zumuthung die große, un mäßig beringte Hand auf die eingesunkene Brust und schleuderte au« deinen kleinen» listigen Augen einen iudiguirten Blick über die Richter. „Soll mirr behiten der Gott meiner Väter, daß ich «ich bin verwandt mit solchem Geschepf, mit solchem elenden, schlechte», wird' ich mir graulen doch vor mirr selber. T« haben'« »ich wissen kennen, mein hoher Herr, darum Will ich Se »ich Nachträgen die erniedrigende Belaidigaag, obgleich ich sonst bin eia fthr stolzer Mann." , Ohne Herrn Paradies zu erklären, daß diese formelle Frage jedem Zeugen vorgelrgt wird, inquirirte der Präsident weiter: „Was für ein Gewerbe oder Geschäft betreiben Sie?" „Heckster Gerichtshof, wenn ich da« soll auseinandersetzen, muß ich schon auSgreifen ein wenlg weiter." „Lassen Sie das!" „Mach ich doch Geschäfte mit de gesammte Kenige und Kaiser von der ganzen Welt, und wenn wir hier hätten in Posen en Hoflager und 'ne Kenigin dran, würd' sie auch tragen die Stainer von mir im allerhechstcn Ehignon." „Heben Sie die rechte Hand in dir Höh« und sprechen Sie mir folgendevWortr nach." Der Zeuge sprach die Eidesformel mit vielem Patbo«, deu Arm so weit wie möglich in die Luft streckend, um auch den Zuschauern auf der letzten Bank deu Anblick seiner zahl losen Ringe zu gönnen. Kaum war der Schwur beendet, als er seinen unter brochenen Satz wieder aufnahm. „Nrilich hat von mir gekauft die Frau Firstin Durchlaucht, Wo iS hier zum Besuch bei seiner Exelleuz dem Herrn General — und am andern Tage hat ft mir die Ehre angethan, vorbeißufahren vierspännig mit Vorreiter dicht an mainem Schaufenster!" „Ich fordere Sie hiermit auf", sagte der Vorsitzende mit strenger Stimme, „mir nur auf meine Fragen zu antworten." „Ganz in Hochachtung, Herr Präsident! Se werden auch bemerken, daß ich nich mauschle, sondern mein« Aussagen mache in rainem, fließendem Daitsch. obgleich ich bin geboren und geßogrn in Krakau von daitsch« Eltern Hat doch schon gesagt der selige Tate, al« ich noch war en klainer Jung in der Heh' —" er streckte seine Hand einen Fuß über drr Erde au« — „Lbrahamche, sagt er. wa« sprichst Du scheeu Deine Muttersprache, ma» meint singen ßu Heren di« Prophet« hiutrr« Himmel — bat er gesagt." „Wir kam Frau Mathilde Sckaller iu ihr Hau«?" „Gott der Gerechte, Herr Präfideutche» woran erinnern S« mir — War ei doch n« trib« Stunde, »l< ich hiatrua di« Lauouce iu« Blatt. Eu taiflische« Fieber hat grschlaidert dqh Nehtchchz, was Aaz- ywi» dr«M Wchzt> aufs Krauftv lager, und braucht ich deshalb ne dicht'ge Person, wo mir vorstehen konnte vor Alle«. Da kam se an, de Frau Schalter, und wail s« hat ein fraiadlicheS Gesicht, dacht ich, die nimmst de, vor die wird sich daS Rosalche und da- Isidorche und das ganz klaine Benjaminche, was sind meine Kinder, gewiß nich araulen. Gott, und wie hatse verstanden sich cinßusressen und beklibber ßu machen bei die drei Wirmer — Er trocknete sich scheinbar die Augen. „Denselben Tag wo mein gute« Waib gelegen iS aufm Laichenbrett in die munklige faichte Kammer, haben die Kinderchen — schcene Kinderchen versichere ich Sie — schon gesagt ßu der Frau Schalter: Memme!" Unterdrückte« spöttisches Lachen im Auditorium begleitete seine letzten Worte. „Kannten Sie den Angeklagten schon vor dem Tage de« Attentat-? Fassen Sie jedoch Ihre Rede in möglichste Kürze zusammen." „Laider Hab ich Gelegenheit gehabt, seine Bekanntschaft schon früher ßu machen, hat er mir doch bedroht, wenn ich herauSartreten au« drr Toür von meinem eigenen schulden freien Hau«, wenigstens ßehnmahl mit'n fürchterlichen Knippel. „Iud" hat'r gesihrien, wenn Du mir »ich givst rauS die Mathilde, wo doch iS main, nehm ich'n lange« Messer und fchlitz Dir auf das Laib von oben bis unten." Darum halt ich e« für merne Pflicht, hoher Gerichtshof, Sr darauf auf merksam ßumachen in Ihrem eignen Nutzen, daß iS der An geklagte rin sebr gefährliches Subject." „Was war denn da« für ein Knittel, mit dem er sie be drohte?" fragte drr Staatsanwalt. „E« muß gewesen sein ein sehr dicker, denn sehr» hat er mir'» nick lassen, wahrscheinlich hat er'n verstechen gehabt unterm Rock." Mit wa« sür einem war er gewöhnlich bekleidet?" Diese Frage frappirte Paradies augenscheinlich — aber e, wußte sich rasch zu fassen. „Soll mer doch verschlingen en seierspeiender Berg aufm Fleck, wenn ich mirr noch kann besinnen auf solch« nichtige Dinge." „Trug er da« Messer iu der Hand, mit dem er Sie bedrvhtr, so daß r« Ih«, -leich i, di, Lugen fiel?* „Herr Oberstaatsanwalt, Se verkennen den Herrn Korn. Einer wo mer will ermorden, wird mer schwerlich ßeigrn vorher da« Messer, muß er doch denken, ich pack ihn und reiß eS ihm auS drr Hand!" Ein verstohlenes Lächeln huschte über die Züge der ernsten Richter; man schien allgemein in den Muth de« kleinen Juden bedenkliche Zweifel zu setzen. „Herr Präsident", rief der Angeklagte erregt, ,e« ist doch ersichtlich, daß der Zeuge die Unwahrheit spricht. Wer mich kennt, wird mir bezeugen, daß ich immer nur «ine anliegende Iägerjoppe trug, wo sollt ich denn da einen Stock oder ein lange« Messer, wie drr Zeuge e« beschreibt, verborgen haben?" Wie eine fauchende Katze fuhr Paradies herum, sein Ge sicht dem Sprecher zuwendend. „Herr Angeklagter", schrie er wüthend, „Sc kosen so klug, aber ich muß Se bitten in aller Freindlichkeit, sich zu mrnaschiren. Wollen Se mer vielleicht machen meineidig? Se habe» überhaupt nich mitßureden, S« haben ßu halten den Mund! Aber e« iS der bloße Naid, weil da« Mathildche — wollt ich sagen de Frau Schaller, nischt mehr will von Se wissen, und weil Se nu missen brummen." „Schweigen Sie!" rief drr Präsident aufgebracht, „Sie haben den Angeklagten nicht anzusprechen, sondern nur auf meine Fragen zu antworten. Wenn das noch einmal vor kommt, werde ick Sie in Strafe nehmen." ,Wa« sagte er sonst noch bei derartigen Rencontre« zu Ihnen?" „Einmal nannt' er mich einen gemainen Juden, da» andre Mal nen verfluchten Juden, zuletzt hat er sogar gesagt Iudenhund, wa« iS 'ne Abscheilichkrit, den» wir Ebräer find doch da« vornehmste Volk auf Erde», und find doch alle Kristen nicht« weiter wir nmgrkippte Jude». Ich muß verhungern, hat er geschricn, weil ich «ich mag arbeiten ohne de Mathilde, weil ich nich leben kan« ohue fir, gib ft mir wieder, oder ich häng' Dir auf a» Deiue «iau, Hauscntbir verkehrt! Dabei hat er mirr geballert mit vi« große» gaist,»»f dm Schädel, daß es gedröhnt hat HU »
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