Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-04
- Monat1892-06
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
SSZ0 gewidmet — zu rehabilitiren, erscheint uns sratzlich. Da-I „Berl. VolkSbl." wenigstens hat dafür bis jetzt noch nicht die I sonst für „(Genossen" übliche Neclaine gemacht. ! /x Berlin, 3. Juni. Zu einer Zeit, wo so kiel über die RcvisionSbedürftigkeit aller möglichen Gesetze geklagt wird, möchten wir die Aufmerksamkeit auch einmal auf das Gesetz über das literarische Urheberrecht vom ll. Juni 187» hinlenken. Unter den Mängeln dieses Gesetzes hat namentlich die Zeitungspresse zu leiden. Die Zeituugsschriststellcrei, der koch Niemand eine immer wachsende Bedeutung im geistigen und wirthschaftlichen Leben der modernen Völker absprechen wird, befindet sich bei uns einem stark ver alteten Gesetz gegenüber, welches vor zwanzig Jahren noch genügen mochte, heute aber keineswegs mehr aus reichenden Schutz gewährt. Auf die Beachtung, welche jedem oft recht untergeordneten gewerblichen Interesse sonst in der Gesetzgebung und im Reichstag zu Theil wird, muß die Zeitungspresse bei der bekannten Abneigung, die sie nun einmal in den maßgebendsten Kreisen in Deutsch land, nicht in andern l5ulturländern, genießt, verzichten, so viele Mitglieder der Parlamente auch selbst auf diesem Gebiet literarisch thätig sind. Worauf wir die Aufmerksamkeit hin- lenken möchten, ist die arge und wachsende Ausbeutung des literarischen EigenthumS, welche, unterstützt durch die Lücken des Gesetzes, an vielen Zeitungen von anderen tagtäglich verübt wird. DaS Gesetz über das Urheberrecht an Schrift werken u. s. w. bestimmt: „Als Nachdruck ist nicht an- znsehen der Abdruck einzelner Artikel aus Zeitschriften und anderen öffentlichen Blättern." Es ist auch gewiß ganz gerechtfertigt und unvermeidlich, daß einzelne Zeitungs artikel von andern Zeitungen wiedergegeben werden dürfen, das darf aber nicht so weit gehen, daß gewerbsmäßig Tag für Tag spaltenlang die mit großen Mühen und Kosten be schafften Nachrichten oder Betrachtungen auf dem Wege deS Tasckiendiebstahls den E'gcnthümern entwendet werden. Eine einzelne Nachricht, eine einzelne Betrachtung, zumal mit Nanibastmachung der Quelle, auS einer anderen Zeitung zu entnehmen, muß gestattet bleiben, etwas Anderes aber ist der vollständig regelmäßige und systematische AuS raub. Dieser sollte ebenso wenig geduldet werden, wie etwa aus der Eitirung irgend einer Stelle eines belletristischen oder wissenschaftlichen Werkes die Zulässigkeit eines vollständigen Nachdrucks eines solchen gefolgert werden kann. Wir kennen aber Blätter genug, die niemals auch nur einen Pfennig literarische Unkosten be zahlen. Alle großen Zeitungen, die eS sich Geld und Arbeit kosten lassen, Original-Beitrage sich zu verschaffen, werden in einer Weise von kleinen Raubcollegen geplündert, die zu einem längst empfundenen, aber meist mit stummer Geduld er tragenen Aergerniß geworden ist. Wenn ein Apfel oder ein Brod im Deutschen Reich gestohlen wird, setzen sich die Gerichte in Bewegung. Wenn aber Schriftsteller, znmalTageöpublicistcn, um ihren säuren Schweiß betrogen werten, stehen sic hilflos einem gänzlich impotenten Gesetze gegenüber. Alle deutschen Zeitungen, die nicht vom literarischen Diebstahl zu leben ge> wohnt sind, werden die Berechtigung dieser Klage anerkennen Auch unser Organ hat jahrelang dazu geschwiegen, daß manche Zeitungen unbefugter Weise tagaus tagein ihre Spalten mit nnsern Artikeln füllte», auch selbst große an spruwsvolle Blätter, die eine führende Rolle in der deutschen ZeituugSpressc einnchmen. Wenn der Sache, wie wir hoffen, einmal gesetzgeberisch näher getreten wird, so würden wir und wahrscheinlich die meisten anständigen Blätter ein reiches Material vorlcgen können. Das Nachdrncksgcsch ging von der Voraussetzung einer gewissen Loyalität und eines im sonstigen gewerblichen Leben als selbstver ständlich betrachteten AnstandSgcfühlcö auS. Leider hat sich diese Voraussetzung vielfach nicht bestätigt und das Gesetz wird daher seinen Irrtbum wieder gut machen müssen Ter Begriff deS literarischen Diebstahls ist vielen Leuten, die sonst im bürgerlichen Leben keinen Groschen entwenden würde», vollständig abhanden gekommen. ES sind ja nur Schrift steller, die geschädigt werden I Die Preßgesetzgebung muß eine unter Umständen dem richterlichen Erinesscn oder einer sachverständigen Beurtbeilung unterliegende Linie ziehen, wo eine anständige und loyale Benutzung fremder literarischer Erzeugnisse auch in der ZeitungSpresse aushört und der gewerbsmäßige literarische Diebstahl beginnt. — Daß auch die ossiciöse Presse der Zusammenkunft deS Kaisers mit dem Zaren in Kiel keine politische Be deutung beilegt und dem Ereignis, mit der größten Kühle ciitgegcnsiebt, ergicbt sich a»S folgender Auslassung des Ber liner Eorrespondcntei^ der Wiener „Polit. Corr": „Die seit so langte Zeit besprach««, wiederholt augekündigte I Begegnung de- Kaiser« Wilhelm ll. mit dem Kaiser Alexander III. I von Rußland wirb nun binnen wenige» Tagen in Kiel wirklich I stattfinden. Die in der deutschen Presse aller Parteien seltene Ein-' mitthtakeit, di» sich in der Beuriheüung dieses Ereignisse« bereit« seit Monaten geltend gemacht hat, tritt auch jetzt wteder in be- merken«werther Weis« hervor. Man ist völlig einig darüber, daß diese Begegnung keinerlei politisch« Bedeutung Hab« nnd haben könne, und diese Anschauung ist, wenn man sie im Zusammenhang der Er- eignisse aussaßt, vollauf begründet. Auch au« dem Umstande, daß der Staat-secretair de- Au-wärtigen, Freiherr v. Marschall, den Kaiser begleiten wird, wie die« ja bet einer Begegnung mit einein Monarchen von dem Range und der Bedeutung de« Kaiser« von Rußland üblich ist, läßt sich noch keineswegs folgern, daß der Begegnung eine politische Bedeutung zukomm«: Kaiser Alexander UI. hat keinen höheren politische» Beamten in seinem Gefolge und die Anwesenheit des Botschafters Grasen Schuwatow dürste schwerlich aus Verhandlungen schließen lasse», da man solche ja beoucmer mit diesem in Berlin sichren könnte. So dürfen denn die voraussichtlich un- ausbleibliche» Meldungen über politische Besprechungen in Kiel von vornherein alS völlig unbegründet zurückgewiescn werden." — Der Kaiser von Rußland hat kürzlich nicht nur dem Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1, sondern auch dem Ulanen-Regiment Kaiser Alexan der HI. von Rußland (Westpreußisches) Nr. 1, dessen Ehef der Zar ebenfalls ist, sein lebensgroßes Portrait zum Geschenk gemacht. Die Rahmen der beiden Oelportraits werden als überaus kostbar geschildert und ihr Werth aus mehrere tausend Mark geschätzt. — In hiesigen Hoskreisen ist von einer Verschiebung des Besuches deü italienischen KönigspaareS am Berliner Hofe nichts bekannt. Daö Eintreffen der beiden Majestäten dürste für Mittwoch, längstens Donnerstag zu erwarten sein. — Der Kaiser hat am 31. Mai Ihre Majestät die Königin-Regentin — nicht die Königin, wie gemeldet wurde — zum Ehef des Infanterie-Regiments Prinz Friedrich der Niederlande ernannt. ES wurde daher eine Deputation deS Regiments, bestehend anö dem NcgimcntS-Eommandeur, Oberst von Brauchitsch, dem Hauplmann Paetz, dem Regi ments Adjutanten Premier Lieutenant v. Scriba und dem Scconde-Licutcnant v. Westrcll II., zur Meldung bei der Königin-Regentin befohlen, welche nach beendeter Parade im Stadtschloß zu Potsdam durch den Kaiser vorgestellt wurde. Die Königin-Regentin beehrte die Deputation mit längerer Ansprache und zeichnete die einzelnen Officiere durch Ordens Verleihungen aus. Die Deputation wurde zu dem auf die Parade folgenden Frühstück im Neuen Palais und zu der Abends ebendort stattfindcnden Theater-Vorstellung befohlen — Unter den nachgelassenen Papieren des Oberbürg«.r Meisters v. Forckenbeck, schreibt der „Ham. Corr", befindet sich ein Schreiben des Propstes Zahnel bei St. Hedwig zu Forckcnbeck's 70. Geburtstage vom vorigen Herbst, ,n dem m der liebenswürdigsten Form u A. für die Förderung ge dankt wird, die Forckenbeck den Bedürfnissen auch der katho lischcn Gemeinde in Berlin habe angcdeihen lassen. — Der socialdemokratische Wahlverein des vierten Wahlkreises hat gleichfalls ein scharfes Miß trauenövotum gegen die socialdcmokratischcn Stadt vcrordnctcn erlassen, welche dem Leichcnbegängniß deS Oberbürgermeisters v. Forckenbeck in Amlstracht beb gewohnt habe». — lieber die Wintersessionen des Reichstags und deS preußischen Landtags haben, wie man Hort, an maßgebenden Stellen bereits Erwägungen stattgefunden. Die beiden Parlamente werden danach voraussichtlich in der ersten Hälfte deS November wieder einberufen werden. Von einer kurzen NeichSIagSscssion im Sommer, anläßlich deS Handels Vertrags mit Spanien, ist bei dem gegenwärtigen unersprieß lichen Stand der Verhandlungen nicht mehr die Rede. — DaS Eentralburcau der nationalliberalen Partes Berlin >V., KLthencrstraße 46, verausgabt soeben einen aus sichtlichen Gesammtbericht über daS Parteifesl in Eisenach, welcher die Reden der Herren Eckhardt-Mann heim, Prof. llr. Friedberg-Halle, Prof. vr. von Mar- quardsen, vr. Boettcher, Prof. vr. Delbrück, Excellenz Hobrecht, Stalin-Stuttgart und vr. Hammachcr im stenographische» Wortlaut wiedergicbt. Der Bericht ist einzeln für 20 Z, im Hundert zu drei Mark zu beziehen. — Der EultuSministcr vr. Bosse wird demnächst seine Reisen in verschiedene Provinzen, zur Kenntnißnahme der Verhältnisse aus den Gebieten deS UnterricbtSwescnS, antreten Diese Reisen werden sich nicht bloS auf Westprcußen und Posen, oder überhaupt ans die alten Provinzen beschranken, sondern sich nach und nach auf alle Provinzen der Monarchie auSdehnen. CS wird angenommen, daß diese Reisen auch zur Gewinnung von Material für ein Schul-DotationSgesetz ühren werden, womit die Regierung allem Anschein nach doch in der nächsten Tagung des Landtages Vorgehen dürste. — Der deutsche Botschafter General v. Schweinitz wird unmittelbar nach der Rückkehr deS Zaren diesem sein Ab berufungsschreiben überreichen. — Dem Siebener-AuSschuß, der sich mit der Reform deS höheren UnterrichtSwesenS zu beschäftigen hatte, öll nach der „M. Z." bei dem Encpfange durch den Kaiser die besondere Anerkennung deS Monarchen über Thätigkeit und Ergebnisse deS Ausschusses zu Theil geworden sein. Die Arbeiten haben bekanntlich noch zur Zeit des CultuSministerS vr. v. Goßler begonnen. In den Fachkreisen der Schul männer macht sich mehrfach Widerspruch gegen die Richtung der angebahnten Schulreform bemerklich. Die Beschlüsse des Siebcner-AusschusseS unterliegen noch der näheren Prüfung des CultuöministeriumS. In parlamentarischen Kreisen hatte man sich bis jetzt der Erwartung hingegebe», daß dem Land tage bei irgend welchem Anlaß eine eingehendere Mittheilung über die geplante Reform deS höheren Schulwesens zugehen werde. Bisher stand dieser Erwartung der Umstand ent gegen, daß die Arbeiten noch nicht zum Abschluß gelangt waren. ES bleibt abzuwartcn, ob eine solche Gelegenheit während des Restes der Tagung noch wahrgcnommen wird. — Die letzte Nummer der „Conservativcn Corre- spondenz" bringt folgende osficielle Verlautbarung gegen die „Kölnische Zeitung": „In der „Kölnischen Zeitung" befindet sich ein Telegramm, welches einzelne Vorgänge in der Sitzung deS Elserausschusjes vom 27. d. M. inittheilt, und das mit folgenden Worten schließt: „Die gegen ihn (Herrn v. Helldorss. Bedra) persönlich aus- gefallene Entscheidung bedeutet eine scharfe Stellungnahme gegen über der Haltung des Königs in der Schulfrage, da Herr v. Hell dorff der kervorragendsie conscrvative Abgeordnete gewesen ist, der, den Wünschen des Königs entsprechend, eine ernste Vermittelung mit den Mictelparteirn in der Schulfrage angestrcbt hat." Eine so willkürliche Darstellung darf nicht unwidersprochen bleiben. Wir legen darnm gegen diese tendenziöse Fructificirung des in Rede stehenden Beschlusses Verwahrung ein und beschränken uns darauf, das Nachstehende zu erklären: Die Mehrheit des Elserausjchnsscs hat sich bei ihrer Stellungnahme gegen Herrn v. Helldorff lediglich durch sachliche Erwägunge» leiten lassen. Maßgebend war ihr, in Uebcr- einstimmung mit den Beschlüssen der conservativen Fractionen des Herrenhauses und des Abgeordnetenhauses, der Umstand, daß Herr v. Helldorff in seiner Eigenschaft als erster Vorsitzender des Parteivor- standeS im „Conservativcn Wochenblatt", für dessen Inhalt Herr v. Hell- dorss ausdrücklich die Bcranlwortung übernommen hat, auf eine „rein liche Scheidung" innerhalb der conservativcn Partei hinarbeitetc und sich in nicht zu billigender Weise gegen den früheren Cultusniiuister wandte, sich hierbei in Widerspruch mit der überwiegenden Mehrheit der conservativen Partei setzend. Wir sind überzeugt, daß die „Kölnische Zeitung" ein solches Verhalte» seitens eines national, liberalen Parteiführers in keinem Falle vertheidigen würde, und er warten, daß das »ationalliberale rheinische Blatt es für die Folge unterlassen wird, die Allerhöchste Person mit inneren Angelegenheiten der conservativen Partei in Verbindung zu bringen." — Der Regierungspräsident zu Breslau hat, wie die „Krcuzztg." erfährt, die ihm untergeordneten Behörden daraus aufmerksam gemacht, daß öffentliche Darstellungen aus der biblischen Geschichte deS alten und »eucn Testaments, namentlich auS der Lebcnö- und Leidensgeschichte des Erlösers, mögen diese als lebende Bilder oder in scenisch sich sortbewegcnder Handlung dargestcllt werden, vom Polizei lichen Standpuncte ans für unzulässig zu erachten und daher nicht zu gestatten sind. Es ist dem zufolge Gewerbetreibenden, die einen Wandcrgewerbcschein zur Vcr anstaltung von Schaustellungen oder theatralischen Dar stellungen erhalten haben, die nach tz. 60 A. R.-G--O. erforderliche ort-polizeiliche Genehmignng regelmäßig zu ver sagen, wenn sich ergeben sollte, daß die Darstellungen aus der biblischen Geschichte entnommen sind. — Der deutsche Landcommissar von Samoa, Eggert, ist hier cingelrcsien. Er wurde im Jahre 1800, wie die „Kreuz- zeitung" in Erinnerung bringt, als die vom Berliner Samoa- vertrage angeordnete Eommission zur Regelung der zahlreichen Landstreitigkeiten gebildet wurde, zum deutschen Mikgliede ernannt. Er siedelte deshalb Anfang I8S1 von Ialuit, wo er Secretair des kaiserlichen CommiffarialS war, nach Apia über. Zn Anfang deS IahrcS 1892 wurde er so krank, daß er seine Betbeiligung an den CvmmissionSarbciten aufgeben nnd im März nach Europa zurückkchren mußte. An seiner Stelle ist bekanntlich der Secretair beim kaiserlichen General consulat zu Sidney, Greiner, zum deutschen Landcommiffar ernannt worden. — Der Pariser „TrmpS" wußte vor wenigen Tagen zu melden, daß die Deutschen in Kamerun eine neue Nieder lage erlitten hätten, zur Küste zurückzukehren. Nach dem „Hamburger Correspondent" ist hier an maßgebender Stelle von einer Schlappe, die vr. Ziutgraff im Innern erlitten haben soll, nicht daS Mindeste bekannt, was zweifellos der Fall wäre, wenn die „Temp«"-Mcldung auf Wahrheit beruhte. — Die Beschaffung eine« Len Verhältnissen und dem Stand« der Eltern enlsprrchcnden neuen Anzüge« für rin Kind, welches eingrsegnet werden soll, gebürt, wie das Bundesamt für do« Heimathwesen in wiederholten Enlscheidungrn vom 21. und 28. Mai ansgesprochen hat, zu den not-wendige» Ausgaben, welche im Falle des Unvermögens der Eltern im Wege der öffentlichen Armenpflege geleistet werden müssen und deren Erstattung daher auch von dem definitiv unterstützung-pflichtigen Armenverband« gefordert werden kann. — lieber die Verhaftung des RectorS Ahlwardt wird berichtet: „Ahlwardt wurde gestern um 8 Uhr Abends in seiner Wohnung in der Schulzendorser Straße von zwei Criminalcommis- aren verhaftet, als er im Begriff stand, sich nach einer Berfamm- ung in der Tonhalle zu begeben, um einen Vortrag über „Juden- lintcn und Judeurache" zu halten. Die Verhaftung ist auf Ersuchen der Staatsanwallschast erfolgt. Auffallender Weise enthält dieses Ersuchen keine Angabe der Gesetzesparagraphen, auf Grund deren die Verhaftung erfolgt ist. Jedenfalls ist sie nicht vorgenommen worden, um Ahlwardt zur Abbüßung der über ihn wegen Belei- digung verhängten Freiheitsstrafen abzuführen, denn dieses Urtbeil hat noch nicht Rechtskraft erlangt. Auch die Vermuthung, daß Ahlwardt dingfest gemacht sein konnte, weil er fluchtver- dächtig ist oder weil gegen ihn eine Untersuchung wegen LandeSverraths eingeleitet sein könnte und unterschiedliche Strafanträge wegen Beleidigung des JustizmiuisterS und des Reichskanzlers vorliegen, erscheint hinfällig. Es ist vielmehr mit Sicherheit anznnchmcn, daß Ablwardt wegen Betrüge« verhaftet worden sei. Ahlwardt hatte als Rector Anwartschaft aus eine Dienstwohnung. In Ermangelung derselben bekam er, wie es in solchem Falle üblich ist, eine Dienst-Wohnungscntschädigung, welche ihm i» vierteljährlichen Beträgen ausgezahlt wurde. Mehrere solcher Betrüge soll nun Ahlwardt vor ungefähr zwei Jahren einem hiesigen Kricgerverein als Sicherheit für ein Anlehen au- der Casse deS Vereins angewiesen haben. Als das Anlehen nicht zurück- gezahlt wurde, hat sich angeblich der Schatzmeister deS Krieger- Vereins mit eincm der fälligen Scheine nach dem Rathhause begeben und das Geld erheben wollen. Im Nathhause wurde aber dem Schatzmeister die Mittheilung gemacht, daß der betreffende Betrag kurz zuvor von einem anderen Herrn gehoben worden sei, dein er gleichfalls von Ahlwardt angewiesen worden war. Die Krieger- vereinscasse soll durch Wcchset der Frau Ahlwardt schadlos gehalten worden sei»; aber neuerdings ist in der Angelegenheit trotzdem Strafanzeige erstatict worden, was zu der Verhaftung geführt haben soll." Nach einer anderen Meldung spricht der bereit- wieder entlassene Ahlwardt heute Abend in einer Volksversammlung. — S.M. Kreuzer „Bussard", Commandant Eorvetten^apitain Gerh, ist am 17. April er. in Matupi (Neu-Guinea) eingetroffen und am 12. Mai er. von dort nach den Marjchalliuselo in See gegangen. — Der Auöbruch der Cholera in Indien lenkt die Lffcntliche Aufmerksamkeit auf die Gesundheitspolizei am Suezcanal, der Einbruchsstelle für asiatische Seuchen auf ihrem Wege nach Europa. Die internatiouale SanitätS- confercnz zu Venedig vom Januar 1892 hat den SanitätS- rath in Alexandrien auS einer englisch-egyptischen zu einer europäischen Behörde erhoben und an Stelle der bisherigen lässig geübten Quarantäne bestimmte DesinsectionSmaßregcln gesetzt. Im Interesse seines Handels beharrt England indessen aus einer Ausnahmestellung; englische Schiffe sollen unbehindert von Indien aus, wo es noch immer an gesundheitSpolizcilichcn Vorsichtsmaßregeln fehlt, durch den Suezcanal nach englischen Häsen wcilersahrcn dürfen. Wie der „Hamburgische Corr." bervorhebt, hat von allen europäischen Theilnehmern der SanitätSconfcrenz England allein das Protokoll noch nicht unterzeichnet, wahrend die RatisicationSfrist nur bis Ende Juli läuft. * Potsdam, 4. Juni. Die Herzogin zu Edinburg mit den beiden Prinzessinnen-Töchtern und der Thronfolger von Rumänien haben sich gestern Nachmittag nach Covurg begeben. * Eydtkuhncn, 3. Juni. Mit Bezug auf die Nachricht von der TypbuSepidemie geht der „Kreuz-Zeitung" vom NegierungSprasidium in Gumbinnen folgende Mitthcilung zu: „Es ist nur ein leichter Fall von Flecktyphus in Eydtkuhnen bei einem Auswanderer vorgekommen. Der Betreffende ist längst ge nesen und nach Amerika abgereist. Außerdem find bis jetzt zu Eydt kuhnen noch fünf DarmtyphussSlle sestgestellt, von denen einer tüdtlich endete; die anderen Kranken find tu der Genesung begriffen. und Spott, wenn er seine älteren Rechte geltend machte, die Sckallcr durch fortgesetzten Widerstand dermaßen in Wutb und Erbitterung zu versetzen, daß er zu der Ueberzcugung kam, es dürfe so nicht weiter gehen — er mußte sich räche» um jeden Preis. In seiner Brust reifte der unglückliche Gedanke, sich und jene Beiden auS der Welt zu schaffen. Hätte Korn mit voller Ueberlegung gehandelt und nur auS Lust zum Morden, wie der Herr Vorsitzende meint, sich zum Verbrechen «»geschickt, dann wäre er nicht in fieberhafter Aufregung von WirthShau« zu WirthShauS geeilt, um sich Muth für sein schreckliches Vorhaben z» trinken. Kommen wir nun zum Schluffe. Der Herr Präsident äußerte vorhin, daß cS nicht daS Verdienst deS Angeklagten fei, wenn die Schaller und Paradies am Leben geblieben, man könne dies nur den hinzuaetretenen Umständen zuschreiben, die Sache bleibe aber dieselbe und cS wäre eben so zu nehmen, wie wenn der Angeklagte die Tödtung wirklich voll bracht hätte Ich finde aber doch einen wesentlichen Unterschied dabei, denn abgesehen davon, meine Herren Geschworenen, daß für dcn vollzogenen Mord naturgemäß ganz andere Strafe» vorgesehen sind, als für den versuchten, hätte auch der Zeuge Paradies, wenn er erschossen worden wäre, uns beute nicht durch sein drastisches Auftreten Anlaß zu allerlei Zwischenfällen geboten, und Frau Matbilde Schaller würde es nicht vergönnt gewesen sein, mit so stoischer Ruhe den Verlaus der Sitzung abzuwarten." Alle, außer dem Präsidenten, lächelten, wahrend der Staatsanwalt sortfuhr: „Da uns das Gutachten de« Arztes Herrn Geheimratb Brenner belehrt, daß die Verletzung der Schaller nur eine drei bis vier Centimeter tiefe Fleifchwunde gewesen und ibr ein fernerer Schaden an der Gesundheit nicht zurück geblieben — der Zeuge Paradies aber Gott fei Dank völlig unbeschädigt davon gekommen, so schwinden die Belastungs momente für den Angeklagten wesentlich zusammen und ich glaube nicht, meine Herren Geschworenen, daß Sie da- furcht bare Wort „Schuldig" in dem Sinne aussasscn werde», wie der Herr Vorsitzende eS verstanden haben will. Ziehen Sie überdies die tiefe Rcue des Angeklagten in Erwägung, so werden Sie mir beistimmen, wenn ich zur Bcsscrung und Einkedr de- verirrten ManncS in sich selbst »nter Annahme mildernder Umstände eine zwcijährigeGefängniß- strase beantrage!" Der Angeklagte zuckte bei den letzten Worten de» Staats anwalt» zusammen. Hatte er einen milderen Schluß erwartet? Er beugte sich über dir Barriere und wollte dem Ver- tbeidizer etwas zuflüstern, aber der Advocat wendete sich mit einer kurzen, brüsken Bewegung ob und bedeutete seinen Clienten, daß er ibn nicht stören möge. Schon einige Male wäbrend der Verhandlung benahm der Veilbeikiaer sich auf gleiche Weise zu dem Angeklagten, wenn tiefer ,vm etwa« mittbrilen wollt», und aufmerksamen Beobachtern war r« nicht entgangrn, daß da» zurückhaltende finstere Wesen de« Recht»an«alt« seit der Zeugenaussage de« tz«»di«« »NUN». Wir werden uns' erinnern, wie der kleine Mann mit wahrem Wohlbehagen die Worte: Verfluchter Jude, gemeiner Jude, Iudenhund u. s. w. wiederholte, mit denen ihn der Angeklagte seiner Zeit beschimpfte. Die sehr scharf gc- schniltcucn, ihre Abstammung nicht verleugnenden Züge de« Atvocale» färbten sich kirschbraun, wenn derlei Benennungen auS dem nimmer zum Stillstand zu bringenden Munde dcS geschwätzigen Zeugen niederrollten, um das Gcmüth de» VcrthcidigerS in die heftigste Erregung zu versetzen. Leider war er nicht der Mann, die Pflicht von seinen Gefühlen zu unterscheiden, er begann deshalb das Plaidoyer unter dem vollen Einslusse seiner Stimmung. -q „Meine Herren Geschworenen! In meiner bisherigen Praxis ist mir eine ähnliche schwere Aufgabe, wie die heutige, noch nicht vorgekominen. Was soll ich zur Vcrtheidigung des Angeklagten ansühren, wo gar keine Gelegenheit, gar kein Anoalt geboten wird. Er ist eben ein wilder, aufbrausender, jähzorniger Mann, «iiici» solchen Naturell muß man viel zu Gute halten. Leider läßt sich dessenungeachtet sein unerlaubtes, gewalt sames Eindringen in die Wohnung dcS Herrn Abraham Paradies, sein mehrfacher Mordversuch kaum bemänteln —, die Sckwere der Thal bleibt dieselbe, selbst wenn man zur Entschuldigung etwa Leidenschaft oder Eifersucht ansühren wollte. Der Angeklagte erregt mein tiefstes Bedauern — er war einst ein anständiger, geachteter Mann, ein braver Familien vater und ist nun durch eigene Schuld zum Verbrecher geworden." Es folgten noch einige ganz belanglose Redensarten, dann laS der Brrthridigcr den Geschworenen gegen drei- vicrtel Stunden die Gesetzesparagraphen vor, welche sick> auf die That de» Angeklagten bezogen, und be gnügte sich zum Schluß damit, um mildernde Umstände zu bitten. Der Gefangene war nach dieser Bertbeidigung-rrde, die ihm nur schaden konnte, völlig außer Fassung. „Haben Sie noch etwas zu Ihren Gunsten anzuführrn?" fragte ihn unerwartet der Präsident. Korn zuckte zusammen, er griff in ängstlicher Hast mit zitternden Händen nach einem sauber zusammengebundenen Päckchen Papieren, welche neben ihm auf der AnNagebank lagen, und kielt sie dem Präsidenten entgegen. „WaS ist da-?" „ES sind meine Zeugnisse; der Herr Präsident können daran- ersehen, daß man mir beim Militair und überall, wo ick spater in Stellung war, da- beste Lob auSstellte." „Das ist birr ganz wertblo»", entgegnete der Vorsitzende kurz mit einer heftig abwehrendrn Handbewrgung — „ich glaubte, Sir hätten noch etwas Hierhergehörige» mitzutheilen. Da da- nicht der Fall ist, so stören Sie un- nicht weiter." Korn legte erbleichend seine Papiere wieder neben sich. „Wenn ich zu keiner so harten Strafe vernrtbrilt werde", rief er aufgeregt, „so will ich mich bessern, Herr Präsident — so wahr mir Gott helfrl Ich will mich meiner Kinder an» nehmen, will für sie arbeiten und aut zu machen suchen, Wa ich an ibur« verbrach. Denken Sir der geringen Folgen »einer That nnd »nheile» Ei« mild« darüber I" Der Präsident blickte den Mann auf der Anklagebank, besten Augen so beredt die Aufrichtigkeit seiner Worte wider spiegelten, mit einem Gesichte voll finsterer, eisiger Unzugäng lichkeit an und seine Antwort stand mit dem AuSbrucke des Gesichts in vollem Einklänge. „Im Gesetz ist die Strafe für Ihr Vergehen bereit- vorgesehen. UebrigenS sind für zu späte Neue keine Para graphen vorhanden." Der Gefangene wagte nach diesen herzerkältenden Worten keine Entgegnung mehr. Eine halbe Stunde dauerten die Auseinandersetzungen de» Vorsitzenden an die Geschworenen, dann zogen sich dieselben endlich in daS BcrathuiigSzimmer zurück und dem Publicum wurde Gelegenheit geboten, gegenseitig Alles auözutausche», WaS während der Verhandlung im Gedächtnisse ausgcsammelt worden. Bei dieser Gelegenheit konnte man wieder einmal beobachten, daß der Trieb zur Zungenmotion bei beiden Geschlechtern gleich stark vertreten ist, und man mit Unrecht der schöneren Hüllte jene Untugend allein ausbürden will. Unterdessen war der Angeklagte in tiefe» Nachdenken ver sunken; seit der Zeugenaussage der Therese Winkler und be sonder» der Rede des StaatöanwaltS flog kein noch so flüchtiger Blick mehr zu seiner einstigen Geliebten — sie schien für ihn nicht ferner auf der Welt »n sein. Ander« war es mit Mathilde Schaller. Längst hatte sie eS mißfällig bemerkt, welche Veränderung mit Korn vor sich gegangen — einen so empfindlichen Stich konnte ihre grenzen lose Eitclteit nur schwer überwinden. Wir hatte sie eS verstanden, Paradies von ihrem Werthe zu überzeugen, wie schmeichelte eS dem kleinen, häßlichen Juden, eine Frau zu besitzen, um deretwillen ein Anderer zum Verbrecher ge worden und dieser Andere sollte ihr Plötzlich den Rücken kehren, sich gleickgillig von ihr abwenden? Nimmermehr- Die schöne Mathilde entsendete die zärtlichsten, schmelzend sten Blicke nach dem armen Manne aus der AnNagebank, um durch ibr frevelhafte- Spiel von Neuem seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Vergeben»! Zu seinem Unglück wurde ihm erst hier ihr wahrer Ebarakter Nar. Zu spät für ihn lernte er sie verachten! Die Geschworenen traten ein — ihr Berdict lautete Wie folgt. Ist der Angeklagte schuldig de- vorsätzlichen Mord versuch» aus Mathilde Sckaller? Ja! Mit mehr als sieben Stimmen. Ist er schuldig de» vorsätzliche» Mordversuch- auf Abraham Paradies? Ja! Mil mehr als sieben Stimmen. Ist er schuldig, in beiden Fällen mit Ueberleguug gehandelt zu haben? Ja! Mit siebe» Stimmen Ter Obmann der Grsckworeuen legte sein Blatt nieder nnd di« Richter verließen den Saal. Da- Publicum derrrth inzwischen, »i« da- gewöhnlich §«. schiebt, zu welcher Strafe man den Angeklagten Wohl ver- urtheilen würde und die Meinungen hierüber waren sehr verschieden. Einige HabituSS der Schwurgerichtssitzungen sprachen sich für eine zweijährige Gefängnißstrafe auS, weil er in die Wohnung dcS Paradies eingedrungen sei. Andere, weniger mit den Gesetzen bewanderte, meinten, daß er mit drei Monaten davon kommen würde, daS wäre reichlich genug für daS bischen Schießen, und der Staatsanwalt hätte ganz Recht, wenn er sagte, da» Frauenzimmer wäre keinen Schuß Pulver Werth. Die Richter kehrten zurück — sie hatten sich unglaublich schnell über daS Strafmaß geeinigt und der Secretair verlaß folgendes Urtheil: Ferdinand Korn, ehemals königlich preußischer Revier förster rc., wird unterAuSsckluß mildernder Umstände wegen Mordversuchs mit Körperverletzung aus Mathilde Schaller rc. zu einer Zuchthausstrafe von acht Jahren, wegen Mordversuchs auf Abraham Paradies zu einer solchen aus sechs Jahre, zusammen aus eine Zuchthausstrafe von zehn Jahre», ohne Anrechnung der Untersuchungshaft, Ehrverlust aus gleiche Dauer und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht ver- urtheilt! „Nehmen Sie das Urtheil an?" fragte der Präsident den Angeklagten. Ferdinand Korn hörte nicht. „Ein Sträfling!" stöbnte der Unglückliche — dann sank er wie leblos aus die Bank nieder. Sein Gesicht war so völlig blutleer geworden, daß es bedeutend kleiner als sonst erschien. „Sie können innerhalb acht Tagen gegen da- Urtheil appellier»." Der Gefangene schwieg. „Stehen Sie auf und kommen Sie", sagte der Gendarm, „die Sitzung ist beendet." Ferdinand Korn schwankte empor, seine wächsernen Züge, seine starren Augen hefteten sich auf rin dunkelgeröthetcS Frauenantlitz. ^ „Zehn Jahre!" rief er mit abgebrochener, grausig klingender Stimme — „zebn Jahre werde ich darüber Nachdenken, wie ich r- anstelle, meine Mathilde wieder zu erringen. Sir ist falsch und treulos, und dennoch soll sie mein werden. Kommt doch dann und entreißt eS mir, da- schlechte, buhlerische Weib!" Seine Augen schienen sc» e Glnthen in ihrer blauen Tiefe zu bergen — sie funtcuen blendend wie Blitze über da» erbärmliche Geschöpf, da- vor diesen Blicken zitternd zur Seite wich Die Thür öffnete sich — die Thür schloß sich. Der Verurthrilte war verschwunden. Sprach!»- hatte da- Publicum gelauscht. „Er ist wahnsinnig geworden", murmelten Einzelne — „da- war rin zu harte-, uoerwartrte- Urtheill" — — — (Schlnß s»lgt0
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder