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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920611022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892061102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892061102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-11
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L W> W ' Wff Abo««eme»tspreiS t» Haupt«xpeditio, vd« de« i« Stadt bezirk «ad d«, Vororte, errichtete. Na«» «abesiellea abgehalt: viertrl,Ldrlich^«4L<x bet zweimaliger täglicher Z »stell»»» ia« Haut ,/l b.b<I Durch die Post bezogen für Deutschland and Lesterreich: vierteliLhrlich k.—. Direct» tägliche Dreuzbandseaduag t»» «utlaad: maaatltch Di« Vlorgen-Aulgab« arschetat tSglich'/,? Nhr, di« tldeud-Natgab« vocheatagt b Uhr. NrLaction »utz Lrpkditi«»: Ä«tz<m«e««als« 8. DieErpedttion ist Wochentag» unuaterbrocha» »Sstaet voa srüh 8 di» «de,d» 7 Uhr. Vit» Ale««'« «vrki». t«sW» Hatzltk Uiiversitättstratz« 1. Laut» Ltsch«. »athariantstL 14» p«L «ch X^Wtpla» 7. Abend-Ausgabe. eiMer.TllsMalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionSprelS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Neclamen unter demRedactionsstrich (Igo- spalteas 50 ij, oor den Familien,>achrichie>, id gespalten) 40^. Größere Schriften laut unterem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und jjissernsatz nach hoyrrem Tarif. Srtra-Dkilageit (gesalzt), nur mit der Morgen - AnSaabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.-. Ännalsmelchlnß sär Inserate: Dbend-AnSgabe: Vormittag» 10 Ukr. Margen.AnSgab«: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag» srüh 9 Uhr. Lei den Filialen »nd Nnnadmestellea ;e ein» halb« Stunde früher. Inserate sind stet» an di« Ervevttio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig vV2S«. Sonnabend den 11. Juni 1892. 86. Jahrgang Zur gefälligen Sellchtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 1A. Juni, Bormittags nnv bis O Uhr geöffnet. Lxpvllltwn ÜV8 l,tzlp2lxer I'ilxelrlaltes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. Juni. Die gestern an dieser Stelle von un- besprochene Mit teilung der „Köln. Ztg", der Zar habe in Kiel unzwei deutig erklärt, er werde nicht daran denken, Frankreich zu unterstützen, wenn eS Deutschland gegenüber die elsav- lothringische Frage aufrollen wolle, wird seltsamer Weise in einer Anzahl von Blätter» wie eine Offenbarung begrüßt, die uns plötzlich von aller Sorge befreie und den Frieden für lange Zeit garantire. E» verlohnt nicht, diese naive Auf fassung nochmal- zu widerlegen. Wie irrig sie ist, wird man sofort überall »insehen, wenn Rußland niit einem neuen An- lciheprojecte herauSrückt. Die Osficiöscn werde» cs dann an unzweideutigen Warnungen nicht fehlen lassen, die auf daS Schlagendste beweisen, daß man an den maßgebenden Stellen in Berlin ganz genau weiß, zu welchen Zwecken Rußland den auswärtigen Credit beansprucht. UWrigcnS bemerkt auch die „Nat.-Zrg." eine Tragweite könne die Erklärung de» Zaren, wenn sie wirklich erfolgt sei, nicht haben. Die „Kreuzztg." wittert bereit- eine neu« russische Anleihe und warnt vor der selben folgendermaßen: „Nach den Vorgängen der letzten Tage und der einigermaßen überraschenden Tonart, i» welcher dieselbe« von einem Theil der russische« Press« bespräche« werden, dürften die Versuche, «ine russische Anleihe auf dem deutschen Veldmarkte unterzudringen, wiederum von Neuem ausgenommen werden. Da dürste denn ein Hinwet» auf Thatsachen, aus die fortdauernde» Truvvpen» schiebungen an dir russisch« Westgrenze, nicht unnütz sein: so haben z. B. die beiden in Saratow, an der Wolga, liegenden Jnfanterie-Reglmenter, daß abchasische und da» taurtsche, den Belebt erhalten, nach der Logerzeit nicht mehr in ihre alte Garnison zurück- zukehren, da sie auch an die preußisch-üsterreichischt Grenze vorge- schoben werden sollen." Wir meinen, daß man bei der jetzigen Lage auf die russi schen Truppenschiebungen eben so wenig Gewicht zu legen braucht, wie auf die angebliche Acußerung des Zaren, der jedenfalls durch seine Reise den Beweis erbracht hat, daß er Ruhe wünscht. Man wird, wie die „Boss. Ztg." mit Recht hervorhebt, am Besten daran thun, wie bisher zwischen Ver trauensseligkeit und Argwohn zu verharren und daran fest zu halten, daß auch in Zukunft Alle- beim Alten bleiben werde und keine wesentliche Milderung, aber auch eben so wenig eine Verschärfung der internationalen Spannung ein getreten sei. Im wohlthuendsten Gegensatz zu dem theatralischen Aufputz und phrasenhaften Geschrei, womit die Franzoscn die im Grunde doch herzlich läppischen Festlichkeiten in Nancy umgeben, steht die unauffällige und geräuschlose Art »nd Weise, in der diesseits der Grenze ein Ereigniß von erheb lich größerer politischer Wichtigkeit sich vollzogen hat: die Rundreise deSFürstenvonHobenlobedurchDeutsch- Lothringeu. Der Statthalter der RcichSlande wurde in allen Städten, die er zum ersten Male betrat, in Forbach, Diedcn- boscn rc„ mit wohlthuendster Herzlichkeit empfangen Während in Nancy russisch-sranzösisch-czechisch in aufdringlicher Weise dcmon strirt wurde, ertönte in einer zu Forbach gehaltene Begrüßung» rede einfach, kräftig und selbstbewußt die kurze und unzwei dcutige Antwort: »Hie gut Deutsch alle Wcgel" Und alles Phraseiigetilmmel der französischen Nussenanbctcr wird darüber nicht hinwcgbclse», daß Earnot doch mit starkem Mißbehagen an den Verlauf der Nancycr Feste znrückdcnkcn wird, der durch daS täppische Eingreifen eines Mannes auS dem Lande der Bären ein so ganz anderer wurde, als ma» vorher ab gezirkelt batte. Hätte er das vorher gewußt, er würde cS sich dock vielleicht zweimal überlegt habe», che er »acb Nancy gegangen wäre. ES sollte, wie die „Münchner N. N." sich ciuSdrucken, ein correctcS französisches Schauspiel i» Alexan driner» werden mit pomphast gedrechselte», patriotische» Redensarten — und eS wurde ein Satyrspicl daraus, das nur deswegen nicht ungetrübte Heiterkeit erregt, weil doch alle derartigen Thorheitcn nicht ohne ernste Folgen bleiben. Die französischen Royalisten gleichen, nachdem der Vatikan dem gallikanischcn Klerus aubcsohlc» bat, seinen Frieden mit der Republik zu machen, nur mebr einem steuer- und segellosem Wrack, welches, der Innehaltung eines bestimmte» EurseS unfähig, ein Spiel de« Zufalls kahiii- trribt. Innerlich war die royalistische Partei schon längst dem Zerfall und der Auflösung prciSgcgcben, und zwar seit dem Augenblicke, wo die absolute Ohnmacht des lcgiti- mistischen wie des orleanistischc» Prätendenten, auch nur eine einzige Faser des französische» VolkSgemüthS in sympathische Schwingungen zu versetzen, vffcnkundig wurde. Immerhin ließ sich noch vor der Welt ei» leidlich anständiges Dasein fristen, so lauge der Klerus die Fahne dcS KönigthumS, thcils aus Neigung, tbcils aus Gewohnheit hochhielt und damit alle diejenigen BevölkerungS- kreise, welche de» Weisungen auS klerikalem Munde blindlings gehorsamen, in den polnischen Bahnen der rohalislischen Reckten festhielt. Ter Ucbcrgang des Klerus zn der republi kanischen Sache scheint den Bankerott der Royalisten ent- gültig besiegeln zu sollen. Ihre Erklärung, daß sie die Autorität des Papstes für Frankreich nur in kirchliche», nicht aber in weltliche» Dingen anerkenne», hat einen stark ketzerischen Beigeschmack und läßt sich nur aus der Erkenntuiß ycrauS begreifen, daß sic, die Royalisten, nachdem sie von der Kirche im Stich gelassen wurde», überhaupt nicht» mehr zu verlieren habe». AuS A«»ßiru»gen, welche einzelne Mitglieder der Neckten privatim getbaii haben, gehl bervor, daß die bisherigen Parteigänger der royalistische» Rechten, soweit sie in erster Linie kterical sind, neuerdings massenhaft descrtirt sind und daß man dem übrig gebliebenen Rest auch kein rechtes Zutrauen schenkt, sonst könnte doch kaum die Rede davon sein, einen Zwang auf die Royalisten auSzuüben, damit sie binsort eine unzweideutige Haltung cinnebmen. Man sollte meinen, der Masscnabfall unter der klerikalen Führung wäre unzwei deutig genug. Vielleicht kommt es auch den Führern nur darauf au. sich selbst eine» plausibel» Abgang von der poli tischen Bühne zn sichern. Jedenfalls dürften die Tage dcS NvyaliSmus i» Frankreich als politisch beachtenswertste» FactorS gezählt sein — bis eine ZukunflSconjunctur ciiitrilt, welche c« der Curie ratbsam erscheinen läßt, das abgelegte Armaturstück zu neuem Gebrauch wieder hcrvorzuholen. Zu denjenigen europäischen Staaten, welche durch an dauernde leichtsinnige Borgwirtbschast an den Abgrund dcS finanzielle» Ruin- geführt sind, gehört bekanntlich daS Königreich Portugal. Dasselbe hat nach und nach so viele Anleihen auf die verschiedenen Markte geworfen, daß cS nickt mehr die Mittel für Zinse» und Amorli>ation a»s- bringen kann und, wie es neuerdings ganz den Anschein gewinnt, aus dem verzweifelten Standpunct dcS StaatS- bankrrottS aiigekomnien ist. Nach wochcnlaiigcn Bc- ratbungcn zwischen den verschiedene» EomitöS der por tugiesischen SkaalSgläubigcr und dem Vertreter der portugiesischen Regierung, Serpa Pimcntel, war endlich ein Ucbereinkommen zu Stande gekommen, welches den Gläu bigern zwar nicht mehr als die von der Negierung angebvtcnen 50 Proccnt der bisherigen Zinsen, aber doch wenig sten- einige Gewähr und Sicherstellung sür die pünctliche Auszahlung dieser rcdncirtcn Quote brachte. Ter Plan einer iiileriiationalen Comniissio» wurde ans Schonung sür den portugiesischen Nationalst»!; aufgcgeben. Und nun scheut sich die portugiesische Regierung nach den neueste» Nachrichten nickt, die unter ihrer Kcnntniß z» Stande gekommene Convcntio» zn vcrwcrsen.nnd dcrNalionalstolz hat nicht- dagegen einznwcnte», daß der Ministerrath beschlossen hat, das llebereinkomnicn bezüg lich dcS Abschlusses dcS snr dic Schuldentilgung ansznnchmcnken neuen Aiilchcnö nicht zn ratisieircn. Eine solche Handlungs weise bedeutet dock nichts Anderes, als den niwcrbülltcn Slaatöbaiikerott. Die porlugicstschc» Gläubiger wollen nun ihrerseits energisch gegen den böswilligen Schuldner Vorgehen. Voraussichtlich wird man die Hilse der Regierungen ;»m Schutze der bedrohten Interesse» der verschiedenen portn- gicsischcii Staat-gläubiger anruscn, und es ist zn hoffe», daß dieser Appell nicht wirkungslos bleiben wird. Die n o r d a m e r i k a n i s ch e» Präsidcntschastö- Wableii haben von jeder uiannigsache Ueberraschungcn dar- gcbolc», n»t wenn cs bei Ablialiung der Wahlconveiitc vfl schien, als ob der ober jener Führer der Parlcic» als Prä sident erwählt werden würde, so gestaltete sich die Sache im Handumdrehen anders n»d die Wahl siel auf einen ganz aiibcrc» Candidaleii. als ansänglich angenommen Worte» war. Auch die diesjährig« Wahl eines Präsidenten der Ver einigten Staaten bringt solche lleberraschimge» zu Tage. Während »ock die in den letztenTagen ciiigegangcuenNachrichten mit vieler Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, daß cS dem bisherigen Leiter der auswärtigen Angelegenheiten, dem schlauen und in Wahlinlrigucn bewanderten Mr. Blaine, und teste» Anhang gelingen werde, seine Candidatnr auf der rcv»blikailischcil National Convention i» Mimieapoliü durch- ziikriicke», hat sich das Blatt über Nacht gewendet und nach einem heute eiiigclrosfenen Telegramm erwählte die republikanische Convention gestern !m ersten Wahl- gange mit großer Majorität Harris»«, den seitherigen Präsidenten, zum Candidaten der republikanischen Partei für die Präsident schaft-Wahl. Man wird wohl bald erfahren, welche Um stände dazu beigelrage» haben, die große Majorität sür Harrison gleich im ersten Wablgangc zu Stande zu bringen. Hart genug sind die Anhänger der beiden Rivalen Harrison und Blainc aneinander geralhcn — mußte doch die Polizei mit blanke» Waffe einbauen, um die Hitzköpfe auseinander zu bringen. ES wird sich nun im Laufe der nächste» Zeit zeige» müsten, ob cö gelingen wird, die Einigkeit im republikanischen Lager wieder herznstelle». Wir für unseren Theil könne» nur wünsche», baß daS nicht geschieht, damit die dciiiokralische Partei mit ihrem Eandidatc» Elcveland den Sieg davon tragt »nd ei» Loch in das durch die berüchtigte Mac Kinlcy- Bill inscciiirlc uiizlnckselige, merkantile AbsperrungSsystei» der Vereinigten Staaten gcristen wird. Deutsches Reich. Hl Berlin, 10. Juni. Gleich Herrn Sabor haben nmi auch die beiden anderen socialdemokratischeii Stadt- verordnelc», Höhne und Tlitzauer, der Reichstags- abgcordnele für VrcSlau, ihr Lladtvcrortiictcil - Maiitat niedcrgelegt und zwar in einer Sitzung der Fraktion »nd der Vertrauensmänner. Sie thatcn dies, weil cS ihnen von allen Seiten nahe gelegt wurde und weil Herr Singer cS ver meiden wollte, daß die Sache nochmals in einer VolkSversaiiii» lang breit getreten würde. Die zn gestern Abend einberufene össcnlliche sociaikeiiwkralischc Versammlung beschäftigte sich trotzdem längere Zeit mit der Angelegenheit, und zwar, weil sich Herr Sabor durchaus verthcidigen wollte. Er unv seine beiten College», so meinte er, Halle» mir einer gnien Sitte ent sproche», als sie dem Sarge Forckenbcck's folgte», und die socialdcmokratische Fraclion habe auch bei der Beerdigung anderer Gegner, wie Laökcr'S, der Stadtverordneten Vorsteher Straßinaiin und Büchtcinann, dcS KäniincrcrS Runge und dcS Abgeordneten Windlhorsk, Deputationen entsendet. Stadl ocrordncter Singer trat seinem bisherigen College» scharf entgegen; Forckenbeck habe sic, die Socialdemokraten, nicht nur im RcickSIage, sondern auch im Rotden Hause stets zn ver gewaltigen gestickt: er sei schlimmer gewesen als sein Nachfolger rer conscrvatlve Präsident von Levetzow. Der Redakteur der „VolkStribüue", Timm, äußerte sich dahin, daß Herrn von Forckenbeck, der de» Nolbstand geleugnet, ein Fluch iuö Grab hätte »achgcschlcntcri werten sollen! Das Straf gericht über die drei „Sünder" ging übrigens aus wie das Hornberger Schieße»; cs wurde eine Resolution beantragt, welche verlangte, baß die socialdeinckratischcn Vertreter sich i» Zukunft principicll von „derartigen Demonstrationen" fern zu Hallen Kälten. Der Antrag wurde aber mit schwacher Majorität abgelchnt. — In derselbe» Versamm lung wnrde auch die in einem Wahlverein augenscheinlich n Gunsten der Denlschsreisinuigei, angenommene Neso- »tio», bei Stichwahlen sür die Freunde des Achtstundentages cinzulrclc». sehr abfällig lritisirt. Singer meinte, für den Achlstniidcntag könne in Zeiten schleckten Geschäftsganges auch ei» Conscrvativcr oder Rationalliberaler cinlrclen. — Eine bcincrleiiSwerthe Ent scheidung fällte daS Landgcrickt II in einer Slreiksachc. Ter Handschuhmacher H. hatte während des vorjährigen Hand schuhmacher Streikes in FriedrichShagcn einen Gastwirt!, zur Beisteuer für die Ausständigen ausgcsordert l»iv von diesem zu dem Zweck l .<ik gegen Aushändigung vo» zehn Bons erhalten. Hierauf erhielt H. e»i auf drei Tage Hast lautendes Strafmandat „wegen Betteln", wogegen er richterliche Entscheidung bcaniragtc. DaS Schöffengericht zn Eöxciiick hestäiigte das Strafmandat. Ans die Be rufung dcS Vcriirtheilten ersolglo vom Landgericht II Frei sprechung uiilcr folgender Begründung: „Betteln sei die I»a»spr»ch»at»ne der Mildlhäligkcit der Mitmenschen zum eigenen Lebensunterhalt. Zum eigenen Lebensunterhalt habe aber der Angeklagte den erhaltenen Beitrag nicht verwendet. Samincl» liege auch nicht vor; denn dasselbe heiße ein Sammeln von Hans zn HauS. Daß dies der Angeklagte cwtban habe, sei nicht erwiesen, denn cs stehe nur der einzige Fall mit dem Gastwirt!) K. fest. Tic dem Angeklagte» «r- wacksenc» »othwciidigc» Auslagen habe der Gerichtshof der Staatscassc nickt auscrlcgt, da immerhin die Anklage nicht ohne Grund erhoben sei." Berlin, io. Juni. Durch mehrere Blätter ging die Nachricht, daß seilen- der Regierung bereits die Termine der Eröffnung der nächsten parlamentarischen Ses sionen — für Reichstag mid Landtag — in Betracht ge zogen worden seien. Es wäre daS allerdings sehr früh »nd »M so sonderbarer, als die gegenwärtige Session de» preußischen Landtags noch nicht einmal geschlossen ist. Wie wir köre», hat maii maßgebenden Ort» auch noch keine Ver anlassung genommen, den Beginn der neuen Session i» Er wägung zn ziehe». Die Ausgaben, welche den Landtag vor nehmlich erwarte», die Forlsnhrung der Steuerreform, sind allgemein bekannt, dock was den Reichstag außer dem Etat in erster Linie beschäftigen wird und ob eine Militair- vorlage a» ihn gelangt, sieht »och nicht fest. Jedenfalls wird dafür gesorgt werten, daß Reichstag und Landtag die wesentlichsten Vorlage» gleich »ach ihrem Zusanimeiilrilt erhallen, da cS den Wünsche» der Regierung wie der Parlamente entspricht, daß die Dispositionen von vornherein möglichst zweckmäßig getroffen werden. Ob man cü aber, nichrsachcn Anregungen entsprechend, diesmal versuchen wird, den Reichstag bereits im Oclobcr cinzubcriifcn, damit das Budget — seine Hanplausgabc — bei Znsainnienlriit deck LantlagS >ni Januar bereits erledigt ist, oder oh Reichstag und Landtag gleiclneilig im Noocmher vcrsaniinclt werden, darüber soll die Entscheidung erst in, September getroffen werde». — llebrigcnö sind die Befürchtungen freisinniger Blätter, daß fick die gegenwärtige Session »ock über den Juni hinaus erstrecken könnte, durchaus »iibegrnndct. Die zwcilc und dritte Bcrathnng des TertiärbahngesctzcS wird sich i»> Herrenbaiisc glatt abivickeln lind nach der sehr gründ lichen cvinmiffarischcn Borberathung rer Vorlage werde» un Plenum, zumal cs sich um keine Parkeifrage bandelt, keine grundsätzlichen AbänderungSaiilräge inchr gestellt werden. Fruilletsi,. Eine pnßlenfahrt. Bilder au- der ungarischen Tiefebene voa Franz Woenig. H-chdrock »ertön». rx. Et» Tsuntag t« Tetreciin. i. Wo und wann klang doch der Name Dcbreczin zum ersten Male recht nachhaltig an mein Ohr? . . . Jahrzehnte sind darüber hingcganaen. E» war in der Secunda de- königlichen Seminar» zu Barby, und Derjenige, welcher über Debreczin erzählte, war unser beliebter Lehrer der Geographie und Literaturgeschichte, vr. Joachim Günther, ein Mann von universellem Wissen und reich an echten Mannestugenden. Er kennzeichnet« damals io seinem Bortrage die Bedeutung dieser Stadt während der Zeit de- ungarischen Aufstandes. DaS lag ihm nabe; denn Do. Günther war ein alter „Achtundvierziger". Er hatte als blutjunger, hoffnungsvoller Privatdoccnt die »Ima mater in Halle an der Saale verlassen, sich in die brandenden Wogen der Revolution gestürzt, mit Tausenden und aber Tausenden de» „jungen Deutschland" darin Schiffbruch gelitten und seinen Freihrit-idern eine glanzvolle EarriLrr geopfert. . . . Einsam und verbittert saß er jetzt als Schiffbrüchiger auf dem stillen Eiland de» kleinen LandstädlchenS. Mit seinen Eollegen lebte er ans nur sehr conventionellem Fuße, uod kamen zur Sommerszeit die NegierungSrätbe au- Magdeburg zur Inspektion aus da» Seminar, und beeilte sich da» Lebrer» collegium, dir Koben Gestrengen respectvoll zu begrüßen, dann legte der grauköpfige Alte mit dem ewig struppigen Barte und den schwarzen scharfen Augen — di« di» in da» tiesst« Inner« der Seel« zu schauen vermochten — seinen Pelz über Di« Sch«l»«r», zündet« sich sein« lang« Pfeif« an und ging unter den kühlen schattigen Bäumen LcS SemiiiatparkS mit so großer GemüthSruhe spazieren, als ob eS auf der weilen GotteSwelt keine königliche» Negierungen und auch keine NegierungSrälhe gäbe. . . . Nun ruht der Alte längst unter dem grünen Nasen . . . Mit Liebe, Verehrung und Dankbarkeit denke ick, oftmals a» ihn, sowie an manchen anderen meiner pflichtgelreucn, rührigen und gesinnung-tüchtige» Lehrer. Und ich gedachte des Allen und jener Geographicslunde auch an jenem glulbkeißen Sommeitagc, als der Schnellzug über die Steppe brauste und mich der erzniagyarischcn Stadl Debreczin zuführte. Auch ein Bild kam mir wieder in den Sinn, ein längst vergessenes. DaS hing unter GlaS unv Rahmen an der Wand deS Familienzimmers in unserem kleinen traulichen Dorsheim. ,Sossuth'S Abschied von seinen Truppen" stand in deutscher und ungarischer Sprache unter dem schlichten Buntdruck. Der Bater hatte eS auS seiner Schiff'Skajüte dorthin verpflanzen muffen, weil cS von der Hafcnpolizei in Hamburg beanstandet worden war . . . Eine eingehende Erklärung zu diesem Bilde, da» ich als Knabe so oft betrachtet und von dem ich mir jede Figur der Krieger fest eingeprägt hatte, gab mir damals die lebendige Schilderung de» beredten Lehrers. „Debreczin" und „Kossulh" ... Diese beiden Namen sind in der politischen Geschichte dcS UugarvolkS sür immer mit einander verknüpft. Nach Debreczin zogen sich am l. Januar 1849 die ungarische» Freiheilöscharen auf klugen Rath MeszäroS und Kossutb'S zurück, als Fürst Äindischgräy zur Unterdrückung dcS Aufstandes mit seiner Armee über KcnlS- burg. Ungarisch Altcnbura. Wieselburg und Raab gegen Pest vorrückle, denn eine unglückliche Schlacht bei Ofen-Pest hätte den Kaiserlichen Land und Volk in die Hände gespielt; in der uuwirtbsauteii Ebene, wo die Sümpfe und Moräste der Tbeiß ein günstige- VertheidigungStcrrain boten, konnte nian eS wagen, den Kamps mit dem überlegenen Feinde auszunebmen In der Hauptkirche zu Debreczin erklärte Ludwig Kossulh am 14. April 184» die Unabhängigkeit Ungarn», und in der unglücklich«» Schlacht h«i Drbrrczi» am 2. August d«ff«lb«n IabreS starben viele der tapferen HonvödS (Ho» — Vater land, Hcimath; voll: die Wehr) im inördcrischcii Verziveisliingö- kampfe gegen die Russen den Tod auf dem Felde der Ehre. . . . Debreczin ist nicht nur eine alte, eö ist auch eine histo rische Stadt, und so Manches a»S seiner intercssaiitcii Ver gangenbcit wurde im Gedächtnis; vo» Neuem lebendig, als ich mich nach langer, ermüdender Fahrt diesem „calviuischcn Nom" näherte. Der Eindruck, den ich von Szolnok erhalten batte, daS sich in Tracht, Sitte, Leben und Treiben seiner Bewohner als echt ungarische Start präscntirt, wurde schon bei meiner Einfahrt in Debreczin hetcntciid verstärkt. In der lange», niedrigen Vorhalle dcS Bahnhofsgebäude-, die bei der Ankunft des Schnellzuge« abaesperrt war, wogte ein buntgcwürselter Mcnschcnslrom. Hunderte und aber Hunderte von Feldarbeitern, Arbeiterinnen und Kindern, die. Dank der segensreichen Einfübrung deS ZonentarisS, jetzt nickt nur a»S den entferntesten Tbeilcn des Tieflandes, tondern auch a»S Rumänien, Serbien, der Walachei, dem Banat w. während der Eampagne auf die Pußten entboten werde» können, lagen, hockten, standen und liefen zwischen Barri kaden von Sacke», Bündeln und Arbeitsgerät!) Kerum. Sensen, Klopszeug und die originellen breite», dreizinkige» Holz- gabeln, die zum Häusel» der Ackren dienen, waren »nt Stricken und Riemen znsauinicngcbunden und lehnte» an den Holzfäulen der Vorhalle. Lckajpelzc (Bund») »nd weiße l'Uiitvrrziertc Lodenmäntel (Szür) lagen zu Hanfe» auf den Fliesen deS Bodens verstreut, denn die kraftvollen, braune» Gestalten hatten sich bei der furchtbaren Hitze — mein Normaltbermomctec am Ealabreser zeigte 82« R. — aller entbehrlichen Kleidungsstücke entledigt, wodurch der sehnige, muskulöse Körper der Männer und die vollen und dock geschmeidige» Formen der Mädchen und Frauen fast unvcr- yültt zu Tage traten. Und zwischen diesen „Leuten der Pußta" mit ihrer ver schiedenartigen bunten Trackt bewegt« sich die elegante Welt Debrezin» m mod«rust«r Kleidung der Großstadt«. Drr Eoutiasl zwischen Ländlichem und Modernem spiegelt sich in der Stadt selbst wieder und ist mir nie so auffällig erschiene», als gerade liier. „Grüß Gott, Herr LaiidSman»!" scholl cS mir untcr fröhlichem Gelächter auS dein Innern eines der viele» Holet- wagen entgegen, dem ick leuchend und schweißtriefend, mit Koffer, Apparaten und Mappen bepackt, unter Drängen, Stoßen »ud Schieben zustrebtc, denn ich batte :n beide» Seiten der Wagenlbnr zwei aufgenialte Schimmel entdeckt, und der freundliche Wiener Kaufmann, der im Hotel Vcrelväs i» KecSkeinvt i»cii> Ziininernachbar gewesen war und mir gcralhen hatte: „Gcnn'S in Debreczin zum Vater Kopecztn >»ö weiße Roß", der saß schon darin. Wir waren Veite niit dcinsclbcn Zuge gefahren, ohne u»S ans der langen Fahrt über Eegl.'-d, Szolnok und PüSpök Ladany zu bemerken. „Hob i a Freid!" sagte der Wiener, als wir »nS herz haft die Hände schüttelten. „Schau»'», im „Weißen Roß" iS halt alles „LantSmann", mit AuSnahm' der Pferd', die fand gut ungarisch. Der Vater Kopcczky iS a geborener Steiermärker, der Kutscher droben aus dem Bock a Lands mann und a der Dicke hier, der Ihna das Gepäck zulangt; uit Portier?" lieber da» kugelrunde, braune Gesicht deS dienstbeflissenen Ticke» ging ei» selbstgefälliges Schmunzeln. Er nickte und sagte: „DvS will i inemcn — »nd gut ist- bei uns!" Nock che sich unser Hotelwagcn in Bewegung setzte, brauste ein Eiseilbahiizilg aus einer Schnialspurbabn an u»S vorüber. „Ist daS etwa eine Verbiiidlingsbabn, die mitten durch die Stad« gebt?" fragte ick meinen Nachbar „I bilr sckön", antwortete der biedere Wiener, „döS iS die Danipsstraßenbab». die sabrt in fünfzehn Minuten vo» hier ans durch die Marktgasscn bis in den großen Wald hinein " Richtig! Als wir den zur Rechten gelegenen Volksgarten hinter uns kalte», der ein Bild trostloser Orte bot, denn daS Gezweig der Eedcrn, deS Taxus und anderes Nadel- und Lanbgeböl» war arg verdorrt »nd der Nase» darunter von der surLlvaren Sonneogluth verbrannt» bog sie eben in di«
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