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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920618022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892061802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892061802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-18
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»VW Abonrrernext-pret- t» der Hvuptexpediiion ob« de» im Stadt. Seziri und de» Vororte, errichtete, An«, -äbestell«, ab geholt: vierteljährlich ^t.öO, b«j iweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» S.üL Durch die Post bezogen iiir Dcuijchlaad und Oetterrrich: virrreliädrlich » S-—- Direne tägliche Sreutdandjendung int Ausland: moaaUlch uM V.—. Die Morgen-Au-gab» erschein« täglich '/,7 Uhr, die Abend-Anezab« Wochentag« b Uhr. Ne-artion und Lrveditioa: Aoha»Nkt,asse 8. Die Expedition ist Wochentag- nnoaterbrocha» geöffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filiale«: v»t« Klemm's Gorti«. (Alfred Hatz»». Uuiversttättstrah» 1, Loni» Lösche. »atharinenstr. 14. Part, und >»»ig«pla» ?. Abend-Ausgabe. eimiarrTaseblalt Anzeiger. Legan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Sonnabend dm l8. Juni 1892. Jnsertioa-prelR Dir 6 gespaltene Petttzeile liO Pfg. Neclame» onter dem R»dactto,<prich (4ga- ipaltea» ü0>4. sor den ftamllitnnachrichtr, (d gemalten) 40 Größere Schriften laut unser«» Preis- »er,,Schnitz. Tabellarischer und Ztfferalatz nach höherem Tarif. Actra-Vrilagco (gesalzt), nnr mit der Moigen-AuSgab«. ohne Postbef«rderung ^ 60.—, mit Postbesordernug ^ 70.-. Ännahmeschluk f5r Inserate: Abead-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh 9 Uhr. Le! de» Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stund« früher. Inserate sind stet» an die ErpeVitta» zu richten. Druck und Verlag von L. Pol» t» Leipzig 86. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den IS. Juni, Vormittags nnr bis S Uhr geossnet. Expedition de» i^elprtxer I'axeblttttert. politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Juni. Am Montag wird bekanntlich da» italienische König S- paar in der Residenz des Kaiser» cintreffen. Dieser hohe Besuch folgt rasch auf den Kieler Aufenthalt de» Zaren, aber er gleicht ihm in keiner Weise. Zwar da» ist beiden Zu sammenkünften gemeinsam, daß sie keinerlei Aendcrung der Beziehungen Deutschland» zu den Ländern der fürstlichen Gäste im Gefolge baden werden. WaS aber König Humbcrt angeht, so hat die» seinen Grund darin, daß sich da» Ver hältnis! zwischen unserem Baterlande und Italien nicht mcbr inniger gestalten kann, als e» vor Jahren geworden ist. Der Besuch de» italienischen KönigSpaareS trägt keinen politischen Charakter, er ist ein persönlicher Freundschaftsbeweis für den Kaiser und die Kaiserin, die vor drei Jahren bei der italienischen Herrschcrfamilie in Monza geweilt haben. WaS sich die Länder der beiden Herrscher sind, das ist fort gesetzt in Beiträgen und von den beiden Nationen erkannt und tief empfunden. Deutschland und Italien, sich so ähnlich in alten und neuen Schicksalen, haben zahllose gemeinsame Interessen der Politik und der Cultur, während auf dem ganzen Erdenrund kein Punct ausfindig zu machen wäre, an dem die Wünsche und Bestrebungen dieser Nationen einander widerstreiten. In dieser für den ganzen Wclttheil beglückende» Thatsache liegt die Gewähr für den Bestand de« FriedenSbundeS, dem auS gleichen Gründen mitgleicherRückhalt- losigkeit Oesterreich-Ungarn anzugchören vermag. Die Freunde de» jungen Königreiches sind unsere Freunde, und seine Feinde diejenigen des neuen Deutschen Reiche», vor Allem jene finstere Macht, die cS ihrer Sendung zurechnet, Deutschland und Italien nicht zur ruhigen einheitlichen Entwickelung kommen zu lassen. Zu dieser Erkcnntniß de» Verstandes tritt die warme gegen seitige Sympathie zweier Völker, dir sich in den Werken de- Friedens einander wundersam ergänzen. Ter warme Empfang, dessen das italienische KönigSpaar auf deutschem Boden gewiß ist, wird zugleich als Ausdruck aufrichtiger Freundschaft für die italienische Nation gemeint sein und jenseits der Alpen so verstanden werden. Man wird diesmal in der ReichS- bauptstadt weniger Pomp entfalten, als vor drei Jahren, da König Humbert mit seinem Thronerben den Monzaer Besuch Kaiser Wilhelm s erwiderte; aber das Fehlen jener, damals durch die politischen Umstände veranlagten Aeufterlichkciten wird den König und die Königin nicht die herzliche Freudigkeit vermissen lassen, die Kaiser und Bolk ob ihre» Besuches empsiuden. Zur Vorgeschichte de» Zarenbesuche» geht der „Täglichen Rundschau" eine „auS direkten Mitthcilungcn von sehr daher Seite schöpfende" Meldung zu, nach welcher der Besuch auf da- Eingreifen des Königs Christian von Dänemark zurückzufllhren ist. Diese Meldung lautet: Kaiser Alexander habe sich — ob au» persönlicher Abneigung, ob von seiner sraazosensreundtlchen Umgebung beeinflußt, bleibe unerörcert — gegen den nothwtndigen Gegenbesuch in Berlin gesträubt. Im vorigen Jahr« hätten di« Trauersälle in der kaiserlichen Familie den willkommenen Vorwand geboten, dem Besuche ouszuweichen, und auch in diesem Jahre wäre die Vorschützung irgend welchen HinternIsseS medr als wahr- scheinlich gewesen. Al» nun Kaiser Alexander gelegentlich gegen König Christian die Neutzerung gelha»: er habe lange darüber nachgedacht, womit er seinem liebe» Schwiegervater z» seinem goldenen Hochzeitssesle eine besondere Freude bereiten könne, da habe König Christian in hochherziger Gesinnung und im Interesse des Weltsrieden» geantwortet: „Wenn Du mir wirklich eine besondere Freud« bereiten willst, so kann ich Dir nur sagen, Latz Tu mir kein lieberes Geschenk zu meiner goldenen Hochzeit machen kannst, alS wenn Tu Kaiser Wilhelm Deinen Gegenbesuch in Berlin jetzt obstattcn wolltest!" Kaiser Alexander habe im ersten Augenblicke seine Geneigtheit, diesen Wunsch zu erfüllen, ausgesprochen, — daher die ansänalich verbreitete Nachricht, daß der Besuch in Berlin stattfinden werde. Später habe sich der Cin- stutz der russischen Umgebung unter Hinweis aus die unausbleibliche Verstimmung in Frankreich wieder gellend gemacht. Der Zar habe dann schließlich, um sein dem Könige gegebenes Versprechen nicht ganz zurückzuziche», de» Au-weg der Begegnung in Kiel gewählt, während die russischen Franzosenschwärmer al» Gegengewicht du gleichzeitige Erscheinen des Großfürsten in Nancy durchgesctzk hätten. Ganz unwahrscheinlich klingt diese Meldung nicht und sie überrascht auch nicht Aber sehr peinlich wird sie auf jene russischen Kreise wirken, die anS dem Besuche dcS Zaren in Berlin klingende Münze zu schlagen suchen und deshalb da» Erscheinen des Großfürsten Konstantin in Nancy völlig todlschweigcn. Die „Kreuzztg." erörtert beule die Gründe dieser ausfälligen Dbatsachc und kommt zu folgendem Schluffe: „Das „Journal de St. PSterSbourg" spielt offenbar Vogel Ltrauh. Der auf die Initiative de» Zaren veranlatzle Besuch, über dcn die russische Diplomatie in Petersburg und Paris ohne ollen Zweifel vorher wohl unterrichtet gewesen ist, soll als ein imprompt» bar- estellt werden, dem man keinerlei Werth beilegt. Sehr begreiflich: ei dem Doppelspiel, da» hier getrieben wird, kommt es ebenso sehr daraus an, Frankreich ein« Höflichkeit zu erweisen, wie Deutschland nicht zu verstimmen, denn daß die russischen Finanzen und die russische Creditsähigkeit in direkter Abhängigkeit stehen von den russisch-deutsche» Be ziehungen, ist Thatsache und ist seit einer Reihe von Jahren zu einem frivolen Börsenspiel auSgenutzt worden. Heute aber ist Nutz- laud geldbedürstiger al- je, und da eS zur Zeit weder von Frankreich noch von uns Geld zu erwarten hat, hofft eS, durch ein Htnlcn nach beiden Seiten die Einen wie die Anderen willfährig zu machen. Bei unS dürfte eS vergebene» Liebes- mühen sein und auch in Frankreich wird inan sich nicht so leicht dupiren lassen. Die jetzt vom „Petit Journal" in Lauf gesetzte Fabel von der großen englischen Intrigue zur Erkausung russenfeindlicher Artikel in den französischen Blättern, ist nichl» weiter alS ein Versuch, di« sich allmälig an» Tageslicht drängenden Schilderungen der traurigen Wirklichkeit der russischen innere» Zu- stände durch Einschüchterung wieder zum Schweigen zu bringen. Wer von dem Niedergang Rußlands spricht, ist «in von England erkaufter Berräther! ES sehlt nur noch, daß man auch jeden für einen Berräther erklärt, der den Russen nicht seine Ersparnis!« an- vcrtraut. So wie wir die Franzosen zu kennen glauben, wird ihre Presse sich zwar einschüchtern lassen, da« Geld de« kleinen Rentners, und auf diesen kommt es an, wird aber trotzdem nicht heracgeben werde», ganz sicher nicht unter den Bedingungen der letzten Anleihe, die doch nicht eben glänzend waren. Auch in Frankreich hört In Geldsachen die Gemüthltchkeit aus." Der in der vorigen Woche in London abgehaltcne inter nationale Bcrgarbeitercongreß hat die Hoffnungen der Socialdemokratie enttäuscht. Läge da» nicht ohnehin klar zu Tage, so könnte man e» au» der Wuth schließen, mit welcher der „Vorwärts" au» Anlaß der Beurtheilung der Ergebnisse des ConareffcS in der Presse über die „capitali- slischen Organe" herfLllt, „die nach der bekannten Bourgeois» taklik die Arbeiterbewegung dadurch zu vernichten suchen, daß sic sich und Andere über dieselbe anlügen". Der „Vorwärts" seinerseits sucht dann in einer längeren Ausführung die Vor stellung zu erwecken, daß die Idee der internationalen Social- dcmokratic auf dem Congresse einen großen Erfolg errungen wäre ein Teufel an VerstellungSkunst. Noch brauchen wir nicht zu verzagin. Vor Allem nur ruhig Blut und die Augen offen behalten!" „Ich kann nicht mehr — ich breche zusammen!" „Muth, sag' ich! Spannen Sie alle Kräfte an, sich zu beherrschen!" „Sic Elender, WaS haben Sie für Unglück über mich gebracht!" „Jetzt ist keine Zeit zu Vorwürfen. AllonS, auf unsere osten! Wir dürfen nicht länger säumen, wenn wir keinen erdacht erwecken wollen. Man wird uns bereits vermissen." Sie winkle ihm voranzugchen und er gchorlbtc, während sie vor dem Spiegel rasch noch ihre Haare ordnete, che sie ihm folgte. „Nun, Sie Zauderer, wo bleiben Sie denn?" empfing ihn Pruck im Speisezimmer. «Ihre Suppe ist kalt ge worden" Hitberg rntscbuldigte sich mit erzwungener Heiterkeit, er habe nur »och eine Notiz ins Lustspiel Manuscript ge macht, wofür ihn Gröuer eitrigst belobte. Als Mathilde eintrat, fand sic die Tafelrunde bereits wieder ganz von dem Gespräch der drei Herren über das Eompagniestück beherrscht. Sie war froh über diese lebhafte Unterhaltung, welche eS ihr möglich machte, ihre furchtbare Verstörtheit zu verbergen. Als der Diener das Dessert servirte, flüsterte er Herrn Gröner zu, draußen warte sein Buchhalter, der eben an» der Stadt gekommen sei, um den Ches zu sprechen. Frau Laura horchte hoch aus und folgte dem Gatten mit mißtrauischen Blicken, al» er in den Salon hinauStrat, während die anderen Herren ihre Cigarren anzündeten und ein behagliches Sicsta- grspräch eröffneten „Nun, lieber Müller, WaS bringen Sie mir?" fragte Gröner im Salon, noch die Serviette im Arm, sich die unteren Westenknöpfe lockernd. „Ist etwa» Wichtiges vor- gefallen?" Der Buchhalter war ein echter Actenwurm, steif und ceremoniö», trug eine riesige Brille vor den entsetzlicb kurz sichtigen Augen und auf dem Kopf eine Perrücke, die übrigens kaum Jemand täuschen konnte. Er sprach langsam, mit wichtigem Nachdruck. ,Ich bitte tausendmal um Entschuldigung, Herr Gröner, dyß ich^ovch so spät stöxx^.Sie haben vergessen dieLrdre zu binterlasien, wegen der neuen Cigarrcnsorte, die Sie spcciell näher prüfen wollten." „Ach ja — ,.Xinc>n cko IHInG." „Und Herr Schmidt will morgen mit der ersten Post nach Bremen schreiben — und weiß nickt, ob er bestellen soll Ich würde um ausführlichere Instructionen bitten." „Das kommt mir ungelegen; ich bin gerade in der lebhaftesten Debatte über Viesen dritten Act" Gröner zog die Uhr. „Aber warten Sie. lieber Freund, Sie haben ja noch eine volle Stunde Zeit zum letzten Omnibus nach der Stadt! Lassen Sie sich »ulen einstweilen ein GlaS Wein geben — ich schicke Ihnen dann die Ordre hinab!" „Wie Sie bcseblen, Herr Gröner!" — Müller verbeugte sich und ging, während Hilberg, der c» auf seinem Stuhle nicht audhaltcn konnte lind lieber aus und ab promenirtc, im Dhürrahmen des Speisezimmers erschien. Jetzt kam er lachend heran». „Wo haben Sie denn diesen komischen Menschen aus- gcgabclt, Herr Gröner?" „Ab, Herr Doctor! Wie steht'S? Sind wir mit dem Hauplconp im dritten Act noch immer nicht auf der richtigen Fährte?" „Leider nein. — DaS war Ihr Buchhalter?" „Ja. Sic, daS ist ein Original, eine wahre — d»st- spirlsigur." ^ „Freilich, der schreit ja nach der Bübne." „Wenn Sic den erst näher kenne» würden! Der hat die wunderlichsten Schrullen. Wenn er im Affect ist — redet er im kansmännischen Briefstyl." „Was Sie sagen!" lachte Hilberg. „ES ist mir nur unangenebm, daß mir jetzt gerade so eine dumme GeschäftSsacke in die Ouerc kommt. Aber nicht wahr, Sie tbun mir doch den Gefallen, mit Pruck noch cin bischen zu warten? E» ist doch am besten, wenn ich da« Ding gleich erledige. Wenigstens sind wir dann ungestört." „Bitte, bitte!" sagte Hilberg und zog sich in- Speise» zimmcr zurück Gröner setzte sich an den Schreibtisch, nahm einen Brief bogen au« einer offen dastehenden Papeterie und^warf seine Zeilen bin. Er hatte keine Abnung davon, daß seine miß trauische Gattin, durch die angelebnte Spciseziiiiinertbür lugenv, ib» beobachtete, um sofort wieder zu verschwinden, al^er die Feder Wrglxgte.^.Er griff nach dem nächstbeste- babe. ES ist nicht zu leugnen, daß die interiiationalc Organisation der Bergarbeiter durch die Beschlüsse dieses Congresse» wesentlich gefördert worden ist, — eine That- sachc, die auch dann Beachtung verdient, wenn sich wirk lich Herausstellen sollte, daß der Congreß erbebtich schwächer beschickt gewesen, al» seine beide» Vorgänger. Aber nicht diese Befestigung der internationalen Organisanon erscheinst dem „Vorwärts" al» da» Bedeutsame, sonder» in dem Be strebe», gerade dcn Mißerfolg in einen Ersolg zu verwandeln, macht er cin iingcheures Ansveben davon, daß die angeblichen Bergarbeiter dcn Grundsatz der gesetzlichen, statt der rein gewerkschaftlichen Regelung der Arbeitszeit angenommen hätten, unk darin sicht er den entscheidenden Schritt, der den cnglischenArbeiterstand in dic Bak» der Socialtcmokratic führen muß, welche Entwickelung ihrerseits wiederum bei der über ragenden Bedeutung de» englischen Arbeitend»»»», der Social demokratie den Wellsieg verbürgen wird. Nu» ist aber in Wirk lichkeit die Anerkennung des PnncipS der gesetzlichen Regelung der Arbeitszeit seitens der englischen Arbeiter gar nicht-Neues mehr, und ganz und gar nicht auf die Durchsetzung dieser Anerkennung kam cS bei dem diesmaligen Bergabciicrcrngrcssc an. Vielmehr handelte es sich der Sociatdemokralie darum, denselben für die bekannte allgemeine AchtstundcntagSbcwegung zu sructificircn, und in dieser Beziehung habe» die Engländer vollständig versagt. Für die unter Tage beschäftigten Berg arbeiter den gesetzlichen Achtstundentag zu fordern, waren sic allerdings bereit, obgleich selbst hier cin englischer Tclegirlcr den ketzerischen Ausspruch wagte, daß die Forderung unter Umständen ein Unsinn sei; aber gegen die socialdcmolratiischc Doctrin, daß auch die über Tage beschäftigten Arbeiter nach gleichem Maße zu behandeln, daß überhaupt alle Arbeiter im Puncte der Arbeitszeit gleich zu stellen seien, widcrsetzten sie sich mit unbeugsamer Hartnäckigkeit. Es kam zu den heftigsten Auseinandersetzungen, die festländischen Socialdcmokraten schleuderten dcn Engländern den Vorwurf dcS BerrathS an den Kopf; wenig fehlte, und der Congreß wäre mit einem tiefen Zwiespalt auSciiiandergcgange». Zweimal wurde die Entscheidung der Sache vertagt, der Widerspruch der Engländer war nicht zu brechen. Schließ lich half man sich dadurch, daß dcn Engländern ausdrücklich aestgttet wurde, sich in dieser Frage der Abstimmung zu ent ballen und auf dem nächste» Congreß aus sie zurückzulommcn. Mit anderen Worten: Die englischen Bergarbeiter haben die dermalige Hauptforderung der Socialtcmokralie, den all gemeinen Achlstundcntag, verworfen. Für die Social dcmokratic ist also der Congreß in Wahrheit cin regelrechte» FiaSco gewesen. Zur Wahlbewcgung i» England liegen heute folgende Meldungen der „Voss. Ztg." auö London vor: „Eö verlautet, Gladstone werde ans die Vorstellungen der liberalen Parlamentsmitglieder und der liberale» Candidaien hin die Homerulc-Bill in einer solchen Weise abändern, daß, wenn die irischen Abgeordneten im Haus« der Gemeine» heibehalte» werde», deren Befugnis, der Einmischung in die ReichSangelegen- heilen aus da» geringste Maß herabgeschraubt werde. In der Heute zu Bclsast slattsindeiide» EiuspruchSkundgebung der Abgesandten Ulsters wird unter Anderm folgender Beschluß gefaßt werden: „Wir erklären dem Volke Großbritannien» unsere Uederzeugung, daß der Versuch, ein Parlament in Irland herznstcUe», weichet sicher von Männern beherrscht werden wird, die für die Verbrechen und Ausschreitungen der Landliga, für die Unehrlichkeit dcS Fcldzugsplancs »nd für die Grausamkeiten des BoycoltcnS ver- antwortiich sind und von denen viele sich alS willige Werkzeuge der klerikalen Herrschsucht erwiesen haben, in unvermeidlicher Weile Unordnung, Vergewaltigung und Blutvergießen, wie solche- in dieiem Jahrhundert nicht bagewefcn ist, zur Folge haben wird, und wir kündigen unseren Entschluß a», nicht Theil zu nehmen an der Wahl oder den Berhandlungen eine» solchen Parlament«, dessen Ansehen, wenn e» jemals gebildet wird, wir nicht anzu- erkennen gezwungen sein würden. — Redmond, der Führer der Partiellsten, hielt am Mittwoch Abend eine Ansprache an eine große Jrcnversammlung zu New-flork. Er machte di«.Anhänger HealyS für den gegenwärtige» Zwiespalt der irischen Partei veraut- wörtlich; er verlas eine Drahtineldmig Harrington'S, derzufolg« die Whigs beabsichtigen, jeden Parnellitcn aus dem Parlament z» verstoßen. Tie Rede Redmond's wurde häufig durch stürmischen Beifall unterbrochen und heftige Dro Innige» gegen vcaly wurden auSgestoßen. Die Ver sammlung nahm einen Antrag zu Gunsten der Unterstützung der irischen unabhängige» Partei au. Ucber 4000 Dollars wurden für dcn Fond» der Parnellilenpartei gezeichnet." Eine Abänderung de» irischen Homerule-GesetzentwurfcS in der oben angegebenen Weise kann allerdings dcn Widerstand jener englischen Politiker mildern, welche cS übel vermerken, daß da» irische Volk, wenn eö sein eigenes Parlament zu Dublin tagen scbcn sollte, im englischen Unlerbausc gewichtigen Einfluß aus englische und schottische Intcressensragcn batte; der Einwand, daß Honierulc die Einheit des englischen Reiche» zerreiße, wird aber dadurch nicht entkräftet. Eine weitere Gcsäbrdun.z der WablanSsichtcn der liberalen Partei liegt in der neiigekräftiglcn KampseSstimmung der Par- nciliten, welche cs dem greisen Führer der liberalen Partei nickt verzeihen, daß er durch sein von moralischen Empfin dungen cingcgebencs BerdammungSurtheil über Parnell die Spaltung der irischen Partei bewirkt hat. Die schwedisch-norwegische Krise scheint jetzt nach langem chronischen Verlause in ei» aculcS Stadium zu treten. Aus Grund des GroßlbingS-BeschlusicS vom 10. d. MtS. will da« norwegische Ministerium die Auslösung der bisher gemein samen Consnlatc in einem norwegischen SlaatSrath be handelt scbcn ; das schwedische Ministerium aber verlangt einen gemeinsamen SlaatSrath, und beide Regierungen drohen' eventuell mit der Cabin etSfrage. De» Union König em pfängt die Angclegcnbcit sofort »ach seiner Rückkehr a»S dem AuSlandc; beute (l8.d M.) wollte die in Stockholm stationirtc norwegischeSlaalSrathSabtbcilung dem Monarchen den Beschluß ibreS bcimathlichcn GroßlhingS förmlich unterbreiten. In der Sache bat das norwegische Ministerium offenbar durchaus Un recht; will Norwegen eigenes CvnsulatSwescn haben, dann kann daS eventuell seine eigene Sache sein; die Auslösung der bi- hcrigcn gemeinsamen Einrichtungen aber ist dock unzwciselbast eine gemeinsame Angelegenheit und gehört somit vor den ge meinsamen StaatSratk. Beiläufig bemerkt, ist in Norwegen ausgerechnet worden, daß hinter den <>2 radikalen GrrßthingS- männern 5l 000, hinter den 40 „moderaten" und conjervaliven 5,0 000 Wähler stehen; eine erdrückende Mehrheit im Lande hat tabcr der Radikalismus nicht gerade hinter sich, dem obendrein für seine Wahlagitation noch besondere Umstände zu Hilfe kamen. Auf wie schwache» Füßen der jetzige „nur norwegische" TerroriSmuS steht, dürfte damit genügend constalirt sein. Der auS dcn Bereinigte» Staaten von Amerika gemeldete Vorgang in einem Orte des Staates Washington, wobei vier Italiener gelyncht wurden, nachdem sie selbst einen Werkmeister todtgcschlagcn hatte», cyjiincrl zwar zunächst an die vor einiger Zeit erfolgten Scene» im Gcfängniß von New - Orleans, trägt jedoch einen wesentlich anderen Charakter. In New Orleans war damals eine größere Anzahl von Italienern unter dem Verdachte deö Mordes verhaftet worden, ohne daß durch die gerichtliche Untersuchung deren Schuld festgcstcllt worden wäre Da nun dcn Italienern von der Bevölkerung aus Grund früherer Borgänge derartige Verbrechen zugctraut wurden, drang eine Anzahl Leute, nachdem sie in einer unter freiem Himmel gcballcnen Versammlung insbesondere von einem Atvocatcn der Stadt ausgcreizt worden waren, in das Gcfängniß und lynchten die ver hafteten Italiener, unter denen sich allem Anscheine nach auch solche befanden, die keineswegs der ihnen zur Last gelegten Verbrechen überführt waren. Diese Vorgänge boten damals mit Recht Anlaß zu diplomatischen Verhandlungen und führten Feirrlletsir. Das Lildniß der Geliebten. Eine dramatische Novelle von Carl Ed. Klopfer. cNachtruS »ad Tremalisirusi Verbote».) (Fortsetzung.) „Haben Sie mir noch etwa» zu sagen?" „Ja", flüsterte er, schwer ausathmcnd. „Mein Fräulein, ich höre, Sie verlassen morgen dies Hau» . . . Sie nehmen Wohl — eine recht abscheuliche Meinung von mir mit ...?" „Aber doch keine ungerechte. — Wa» kann Ihnen übrigen« daran liegen?" Er senkte zerknirscht das Kinn auf die Brust. „Sie werden mir jetzt natürlich nicht glauben, wenn ich Ihnen sage, daß — daß ich in diesem Augenblick die frevelhaften Absichten, mit welchen ich die« Hau« betrat, bereit« von ganzem Herzen bereue." Sie macht« eine verächtliche Geberde. „Und doch — wie soll ich Ihnen das nur sagen. Ihnen bc- «reiflich machen, daß ich im Laufe dieser wenigen Tage die seltsamste Wandlung meine» Leben» erfahren habe — ick kann mich ja selbst nicht genug darüber Wundern. Aber Sie lieben und schätzen ja Ihren Onkel so sehr — da darf ich doch vielleicht hoffen, daß Sie mich verstehen, wenn ich Ihnen ver sichere, daß e» gerade dir Freundschaft diese» Ehrenmannes ist, welcher ich meine reumüthige Umkehr zu danken habe. — Glauben Sie mir daS?" „Nun denn", entgcgnete sie nach einigem Zögern rasch. „e< stünde Ihnen ja ein sehr einfacher Beweis zu Gebote!" „Nennen Sie ihn!" „Verlassen Sie gleichfalls noch morgen früh da» Ha»«!" „Da« ist unmöglich. Bedenken Sie doch, ich habe mit Herrn von Pruck eine gemeinsame Arbeit —" ^ „Die doch nur eine — Lüge war! Uebriaen« könnten Sie dieselbe nöthigensall« auch aus.dem Corrrspondenzwege zu Ende führen." „Aber, wa« gebe ich denn für eine Erklärung für diese — Flockt?" „Gar leine. Sie gehen bei Daae-anbruch au» — und kehre» Pehp zurück. Später schreiben Sie um Effecten und entschuldigen sich — zum Beispiel mit einem Telegramm, da« Sie Knall und Fall abberief." Dann setzte sie ironisch hinzu: „Um einen complicirten Vorwand dürfte Ihr findiger Geist ja kaum verlegen sein. — Aber sprechen wir nickt weiter davon? Ich sehe, Sie suchen viel eher nach einem Borwand — um zu bleiben." Sie kehrte ihm dcn Rücken und ließ ihn stehen. Da eilte er ihr entschlossen nach. „Ja — ich werde gehen! morgen — noch früher als Sie — bei Tagesanbruch!" Sie sixirte ihn scharf. „Ihr Ehrenwort darauf?" „Mein Ehrenwort!" sagte er fest, ihr die Hand hinhaltend. Sie wollte einschlagen, zog ihre Hand aber noch im letzten Moment zurück. „Es ist gut. Ich glaube noch an Ihr Ehrenwort." „Ich danke Ihnen!" sagte er mit einer ehrerbietigen Ver beugung. In diesem Moment kam Matbilde au» dem Speisezimmer, offenbar von Prnck auSgesandt. „Wo bleiben denn die Herrschaften?" „Ick komme!" sagte Käthe und ging an ihr vorüber nach dem anstoßenden Gemach „Nun?" fragte Mathilde angstvoll, schon die Thürklinkc in der Hand, um der Nichte zu folgen. Hilberg nickte ihr zu. „ES ist Alle» gut. Sie selbst haben ja von Käthe daS Bild empfangen." „Ich? wie so? und wann?" „Erinnern Sie sich nicht? Sie sagte, sie hätte eS Ihnen vor etwa einer halben Stunde — in einem verschlossenen Couvert ..." „Ah!" ries sie, mit einem erstickten Schrei auf ihn zuftürzend; jetzt batte sie plötzlich begriffen. „Und ich Närrin! Ich — ich hatte keine Ahnung davon — ich war so zerstreut . . .!" „Was bedeutet da»? Haben Sie da« Couvert nicht mehr?" „Ich habe c« selbst — meinem Mann gegeben . .!" Er fuhr wie vom Blitz getroffen zusammen. „Pruck! Wa« sagen Sie da?" „Ich — ich wußte ja nicht . ächzte sie. Er raffte sich gewaltsam auf. ^ „Vonvärl«! Jetzt gilt e«, all« üebrl in Bewegung zu kann unmöglichschoi^ geleszn^hzbrn^-^vdtt er
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