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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920622025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-22
- Monat1892-06
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Ab»N>emeNtApreiA h,»« -aupleiveditto, otza de» i» Stad^ t»irt »»d de» Vororte» errichtete» Au«- -obestelle« »d>»h»lt: vierteljährlich »ei ,wtt»all«r täglicher gustell»», in« Le»« » SchL D»rch di« Post bezöge» für tensschland »»d Oesterreich: viertetiLhrltch ^l ü.—. Dtrectr täglich» Kreuzbaadiendung t»s Lu«la»d: m»»«Utch -«> st.—. Die Mor-en-AuSgaL« «richet»t täglich'/,? Uhr, di« Adend-NuS-ab« Woche» tag« b Uhr. LeLarttr» «» Lrpekitio»: Sstzmuteststaff« 8. »naaterbrochoi « bi« «be»d» ? Uhr. Abend-Ausgabe. Filiale«: vtt, «e»»'« S-rii«. (Mfrest bat»). Uaiversitit-strat» Ö La««» Lösch». Lacharinevstr. Ich pari, mch KSni-Spla» V. LlpMerIlUMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionSpreiS Dir 6 gespaltene Petitzeile SO Reklamen unter dem RedactionSstrich <«ga» tpaitea) vor de» gamtltr»»achrtch«» lb getpalte») 40^. ^ LrSßere Echristea laut »nsere» PreiS- vergelchaiß. Dobellarsscher ,»d Liftensatz »ach höhere» Laris. Irtra-Vkilage« (gefall), «»r mit der Morgen-Butaabe, oh»r VostbesSrderuog SO.—, mit Vostbesorderaag 70.—. ^unahmeschluß fSr JAserttte? ?lbe»d.Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgea-Autgab«: Nachmittag» äUhr. Sonn« und Festtag« früh S Uhr. Lei de» Filiale» und Aai>ahmrst«lle» je et«ä halb« Slund« früher. Inserate st»d stet« a» dt» Er-eSttlo» »o richte». Druck und Verlag vou L. Pol» k» Lelpzt» ^i-Ak. Mittwoch den 22. Juni 1892. 86. Jahrgang Strömungen und Gegenströmungen im neuesten Frankreich. LH Paris, 21. Juni. Zwei große und stark besuchte Versammlungen fanden hier an einem der letzten Abende statt und zeigten in ihrem äußeren Bilde wie in den Ergebnissen ihrer Rebefluthen bester, als lange Abhandlungen, welche Strömungen und Gegen strömungen durch das neueste Frankreich gehen: die eine dieser Versammlungen wurde im Winter-EircuS abgehallen und war das Ziel von mehr wie viertausend Personen, unter diesen viele elegante Damen; eS war ein» der bekannten .patriotischen Feste" der Freiwilligen eines bestimmten Arrondissement«, und HerrDSroulöde, von den stürmischsten und begeistertstenVeifallS- dezeugungen begrüßt, hielt die Hauptrede, die zunächst gegen die „vatrrlandStosen" Anarchisten gerichtet war und dann näher auf den Begriff de» BaterlandeS einging, „des Vater landes, welche» wir erhalten werden, so, wie eö ist, so wie e« war!" Man weiß, wohin daS zielt. Und in derselben Stunde fand in der Nähe eine andere Versammlung statt, von den .Vertretern der Internationale" einbcrnscii, in welcher zunächst wieder Ravachol und die sociale Revo lution verherrlicht wurden und mehr wie einer von den Rednern hervorhob: „Wir sind keine Franzosen, wir Revolu- tionaire, wir kennen weder Vaterland, noch Gesetz, noch was man Justiz nennt!" Schloß die erste Versammlung mit un zähligen Hochrufen auf Frankreich und Rußland, so diese mit solchen aus daS Dynamit! Die eine Strömung arbeitet mit Hochdruck auf daS „Vaterland, wie eS war", die andere will überhaupt nichts von einem Vaterlande wissen und verspottet jegliches patriotische Gefühl! Wie verächtlich für jeden, der seine 'Ration liebt, die letztere Richtung ist, brauchen wir nicht erst zu erwähnen, dagegen kann unter Umständen auch die erste« Strömung Besorgnisse einflößen und man darf sie am wenigst«» in Deutschland unterschätzen. Denn eS unterliegt keinem Zweifel, daß in neuerer Zeit die „Revanchelust" m weiteren fran zösischen Schichten ganz erheblich an Boden gewonnen hat, zumal seit der Annäherung Rußlands und besonders seit dem Besuche des Großfürsten Konstantin in Nancy; jene Kreise sagen sich — und zwar mit vollem Recht — daß Frankreich nicht mehr allein steht, daß bei bestimmten kriegerischen Entwickelungen seiner neu gestärkten bedeutende» Wehrkraft eine zwei» sehr bedeutend« zu gesellen wird und daß selbst im unglücklichsten Falle durch den starken Rückhalt Rußlands die Folgen nicht so schwere sein werden, wie beim letzten Feldzüge. Bon dieser Ueberzeugung ist trotz der angeblichen Aeugerung des Zaren in Kiel, daß er Frankreich in einem wegen Elsaß-Lothringen- begonnenen Kriege nicht unterstützen werde, felsenfest eaS jüngere wie ältere Frankreich durchdrungen, und es hat sich darau» ein Gefühl der Sicherheit und Ucberhebung entwickelt, das merklicher und merklicher zu Tage tritt und mit dem bei unS gerechnet werden muß. Der Anzeichen dieser von de stimmten Blättern und Parteirichtungen stark genährten Revanchetreiberei sind vielfache; man erinnere sich nur der Entrüstung, daß die Künstler de- Theater FranyaiS in dem deutschen Theater Prag- spielen wollten, und man gedenke de» kürzlich stattgesundenen Umzuges der zwölshundert Schüler der Mititairschule, die unter dem Gesänge de- Klageliedes der Saint-SyrienS entblößten Haupte- vor der Straßburg Statue de« ConcordienplatzeS vorüberzogen, während einer der zukünftigen Ofsiciere den Sockel der mit einem schwarzen Schleier umhüllten Figur erklettert hatte und die Tricolore schwang. Glücklicher Weise hat man auch endlich wieder in diesen Tagen einen deutschen Spion ertappt, auf dem Bahnhöfe zu Toulouse faßte man den Verbrecher ab, gerade als er einen Soldaten bat, daß dieser ihm sein Seitengewehr zeigen möchte Man denke, ein Seitengewehr! Und wa- fand man nicht Alle- bei dem Schurken, der sich Wurm nannte und aus Siegen in Wrstphalen stammt: etwa- Geld, einen in Frank furt a. M. herauSgegebenen Eisenbahn-Fahrplan und zwei Karten, die eine von Europa, die andere von Deutschland mit Belgien und einem Theile Ost-Frankreich-, und auf dieser Karte war mit Blaustift der Weg von Paris nach Saint- GironS bezeichnet. Eia solche- Berbachtsmaterial, ein solcher VerrätberN — Derartige Dinge, wie die vorgenannten, sind nun stet- passirt, aber: „eS i>t der Ton, welcher die Musik macht", sagt ein französisches Sprichwort, und jene Dinge sinken heute einen viel stärkeren Resonanzboden, wie noch vor Kurzem. Gewiß, die gegenwärtigen RegicrungSkreise sind von KriegS- treibereien weit entfernt, auch viele Franzosen, welche die Schrecken de- Feldzuges kennen gelernt, wollen nicht- von einem neuen wissen, aber aus die jüngeren Generationen ist direct und indirect in ganz enormer Weise eingcwirkt worden, um sie im Haß gegen Deutschland groß zu zicbcn, und gerade die in den Elementarschulen gebrauchten Lesebücher starren von Entstellungen und Verdächtigungen aller Art, um die jugendlichen Leser gegen Deutschland einznncbnien, woblbemerkt in falscher Weise cinzuncbmen. Wer diese Bücher nicht selbst durchblättert, kann sich nicht vorstellcn, mit welch glübcndem Eifer — wir könnten viel davon lernen! — der bingcbendstc Patriotismus den Schülern vom zartesten Alter an beigebracht wird, aber so anerkennenöwerth die- in dieser Beziehung ist, man scheint die Saiten zu straff gespannt zu haben und die Rückwirkung macht sich hier und da bemerkbar. Eine schlimme Rückwirkung, wie wir sie in der brüsk auS- esprochencn Vaterlandslosigkeit der französischen Anarchisten ehcn, eine für Frankreich betrübende und beklaaenSwerthe Erscheinung, die uns in dessen geschichtlicher Entwickelung zum ersten Male entgegentritt. Leider ist diese Strömung stärker, als man annimmt, und sie richtet sich nicht nur offen gegen daS eigene Vaterland, sondern auch gegen alle Errungen schaften eine» EulturvolkcS, in dem Bestreben, ein wüste-, gesetzlose- Durcheinander zu schaffen, laut den erschreckenden Erklärungen de- neuesten anarchistischen Flugblattes, da» unter der falschen Flagge einer Wochenschrift, der „Katho lischen Welt", an die Arbeitcrbcvölkcrung von Montbrison vertheilt wurde, jener kleinen Stadt, in welcher gegen wärtig der Mordproceß gegen Ravachol zur Verhand lung steht. Ravachol mit Gewalt zu befreien, fordert jene- Flugblatt ans; al- Held, als Märtyrer für die arbeitenden Massen wird er hingestellt, „er hat getödtet", heißt e- wörtlich, ,^r hat gestohlen", „er hat selbst eine Grabstätte geöffnet", aber für wen hat er das aethan, nur für die, welche leiden, für dir Arbeiter in den Werkstätten, für die Arbeiter de« Lande«! Hat er einen Unglücklichen er schlagen, nein, einen reichen Eremiten, hat er da« Grab einer Frau au« dem Volke beraubt, nein, da« einer Gräfin — und diesen Mann kerkert man ein, ihn will man vcrurtheilcn! — So geht eS weiter, indem schließlich die Hoffnung aus gesprochen wird, daß, wenn in den Straßen MontbrisonS der Ruf zu den Waffen ertönt, die Arbeiter jener Stadt ihm Folge leisten werden, „denn die Stunde der Schlacht ist bald vieileicht schon gekommen — wenn ihr Zeichen ertönt, wir sind bereitl" ES wäre aufrichtig zu wünschen, daß vor allem Frankreick seine ganze Kraft vereinigte, um dieser Strömung Herr zu werden, ehe eS der anderen weiteren Spielraum läßt! politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Juni. Ir großartiger und rührender die Huldigungen für den Fürsten Bismarck aus seiner Reise sich gestalten, desto gröblicher werden die Beschimpfungen und Unwabrhaftigkcilen, hinter denen eine gewisse Presse ihre zitternde Angst vor dem greisen Altreichskanzler verbirgt. Da man nicht leugnen kann. Hurrah zu rufen, können diese Zeitungen nicht angeben. Indessen, die Begeisterung war da und man muß sich mit ihr abfinken. ES geschieht die« in der Weise, daß alle die Zchn- lauscnte, die ÄiSmarck idre Liebe und Verehrung bezeigten, at« politische oder sonst zweifelhafte Elemente hingestellt werden. In Dresden sollen eS die „Particularisten" gewesen ein. Der Preuße Bismarck, der Sieger über Beusi, der Begründer de« Norddeutschen Bundes, ein Heros der sächsischen Particularisten! Die Sckülcr der köderen Schulen, die sich an dem Dresdner Fackelzuge betbeiligteii, kann man nicht wobl zu Preußenscinde» machen, deshalb wird ihre Zulassung etadelt. Es hätte den« Heranwachsende» Geschlechte ver ölen werden sollen, den Einiger des Reiche« zu sehen und u begrüßen. Als aber ein Theil der Berliner Studenten, .chaft sich der Feier des 7V. Geburtstag« Virchow'S sernhielt, riesen dieselben Leute nach der Universität-Polizei. Waren es in Dresden angeblich die Preußensreffer, so waren eS in Wie» die Antisemiten und LandeSverrätdrr. Hier liegt eine Entstellung vor, mit der auch anständige Blätter bedient worden sind. Man schreibt unS darüber aus Wien: „Berliner Blätter geben ein falsche« Biid von der Zusammen setzung der Nieseiimenge, die bei der Ankunst Bismarck« zugegen war. E« ist richlig, daß deusschnationale Studenten und andere antisemilische Elemente stark vertreten waren, es mag auch vereinzelt „Hoch Schönerer" gerufen worden sein, obwohl trotz eifrigster Um frage Niemand zu entdecken war, der diesen Ruf gehört Hai. Bon genaue» Kenner» der Wiener Bevölkerungsphrsiiognomie, darunter deuischgesinnten Juden, wird aber aus daS Bestimmteste meine Beobachtung bestätigt, daß die Mehrzahl der Begrüßenden sich au« ReichSdeuiichen und liberalen Wienern zusammenietzie Tie Menge Hai sich auch nicht „bösartig" gebcrdel, wie ein Berliner BlalN meldet, sonder» begeistert, und die so bedauerlichen ZusammenstößM wären vermieden worden, wenn die Polizeiorgane darauf Verzichter hätten, dein Enthusiasmus Schranken z» ziehen." Diese Mittheiiung hat für Den nicht« UeberraschendeS, der weiß, in welchen Händen die Wiener Berichterstattung über wiegend liegt. In ihrer Einladung zum Abonnement auf daS nächste Vierteljahr läßt die „Germania" die nächsten Auf gaben de-UttramontaniSmuS Revue passiven: Abwehr de- „katholischen Volkes" gegen die „überall" zu verspürende Culturkampflust; Vertkeidigung der „christlichen Schule" durch daS „katholische Volk"; Rückführung der verbannten Ordens gciiossenschafle». Erwerb der „vollen, unaeschmälerten Kreibcit der Kirche auf allen ihr zuslehenden Gebieten". Nun läßt sich unter dem letzteren Verlangen zwar Alle« verstehen, waS dem einen oder dem anderen Uttramontanen gerade an, meisten erwünscht scheint. Dennoch ist eö cinigeruiaßen auf fällig, daß da« führende ultramontanc Blatt, nachdem cS soeben erst eine längere Reibe von Artikeln über die erbebende u. s. w. Feier in Fulda abgeschlossen hat, das Verlangen nach der Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft de« Papste« nicht mit aufzählt, wo die „erhöhten Aufgaben" der ultramontane» Bethätigunss dem „katholischen Volk" vor Auge» geführt werden. Eö mag die- immerhin als Syniplom dafür i»it beachtet werden, daß die deutsche katholische Bevölkerung nach jener Seite hin eine Ucberspannung tcS Bogens nicht mehr ver tragen würde. Tenn unmittelbar aus die Feiertage von Fulda folgte die Kundgebung de» „Osscrvatore Romano", welche für den Papst auckin politischen Fragen die unfehlbare autoritative Stellung in Anspruch nahm, — in einem Augen blick zumal, in dem der Papst alle Anstalten trifft, ein Papst der Franzosen zu werden. Die Angelegenheit der drei preußischen Provinzial» Hoftbeater wird sobald nicht zur Ruhe kommen. Von den Blättern, welche gleich uns die politische, d. h. die nationale Bedeutung der Frage in den Vordergrund gestellt haben, äußert sich kein einziges vollbesricdigl über die Antwort des für die beiden Berliner Hoftheater sich stetig ermäßigen. Wilhelm I. verausgabte geraume Zeit zwei Millionen Mark jährlich für die beiden Berliner Kunstinstitute. Diese Summe ist jetzt auf eine Million Mark herabgesetzt und eS besteht Aussicht, daß im lausenden Jahre selbst diese eine Million nicht ganz henothiat werden wird. WaS da« Hoftheater in Hannover angeht, so er fährt man, daß König Georg am Ende seiner Regierung 8tt<>00 Thaler für dasselbe aufgewendet bat. Die Summe erhöhte sich seit der Annexion allmälig auf 400 000 und vielleicht eine Kleinigkeit darüber. Da» HauSministerium soll nun nickt abgeneigt sein, den Zuschuß künftig auf 300 000 zu bemessen, und würde damit eine Ersparnis von tOO 000 erziele». Wege» dieser 100 000 bei einem Bezug von l5 Millionen Mark — hat man der welfischen Agitation Vorschub geleistet! Die italienische KönigSreise »ach Deutschland wirbelt in rer Presse Frankreichs und in der franzosen- freuntlichen Presse teS AuSlandr« recht beträchtliche Staub wolken auf, die aber doch die Thatsache nicht zu verhüllen im Stande sind, daß das Band enger persönlicher Freund schaft, welches die Monarchen jener beiden Staaten um schlingt, ein sehr reeller Factor ist, mit welchem auch der abgesagteste Gegner der mitteleuropäischen Friedens politik zu rechnen nicht umbin kann. E- ist nicht Deutsch lands und Italien- Schuld, wenn da» Erstarken der Sympathien von Volk zu Volk, entsprechend dem innigen Verkehr ihrer Herrscherhäuser, jenseits der Vogesen die dem nationalen Eigendünkel ja höchst unerquickliche Erkeontniß bervorruft, ratz man sich in seiner Speculation aus einen baldigen Schisfbruch der italienischen Großmachtpolitik schmäh lich getäuscht hat, aber weil die Gründe der hochgradigen, in Frankreich über den italienischen Königsbesuch am deutschen Kaiserbofe empfundenen Verstimmung für Niemand ein Ge- heimniß sind, so nimmt sie auch Niemand außerhalb Frank reich« sonderlich tragisch, geschweige denn, daß e« ernsthaften Politikern beificle, die Tciikenzsadeln, mittelst deren fran zösische Scribenten Presse und Publicum hinsichtlich der eigent lichen Bedeutung der Potsdamer Monarchenlaae um die Wett» stutzig ru machen sich bestreben, für baare Münze zu nehmen. Mit ihrem auf die deutsch-italienischen Beziehungen ange wandten Tendeiftlllgensystcm stellen die Franzosen nur sich selber, bczw. den Aergcr bloß, den sie über Italien» unent wegtes Festhalten am Dreibund empfinden. Ten englischen Wählern legt die „Morning Post" an läßlich der Festtage in Berlin nahe, welchen Einfluß ein Sieg der Partei Glabstone's auf die auswärtige Politik de- britischen NeichcS üben würde. DaS Blatt führt, wie ein Londoner Telegramm der „Voss Ztg." meldet, Folgende« au»: „Die Begegnung der Herrscher Deutschland« und Italien« sollte nicht ermangeln, jeden pairiotssche» Engländer an die zwischen dem Frieden-blinde und den Geschicken de« britischen Reiche« bestehende nothmendlge Beziehung zu erinnern. Lord SaU«bury begrüßte den Bund zwischen Deutschland und Oesterreich, dem später auch Italien beigelreten ist, al« Friedensbotschaft, ONadslone betrachteleid» von vornherein mit Argwohn und Mißfallen. Jetzt, wo Enginnd wieder am Borabend eine» großen Wabikampses »ehr, werden die Anschauungen seiner Siaai«männer über dir aus wärtigen Angeiegendeiien «in Gegenstand von höchster Wichtigkeit für jeden Wähler. Unter der weisen Führung Lord Salt-bury'« Hai England während der letzten sich» Jahre «in derart gute« Einvernehmen mit den Mittelmächten aufrecht ge halten. daß di« Aussicht auf Krieg mit jedem Jahre entfernter geworden ist. Diese» Berühren wurde aufrecht- gehalten, ohne daß die britischen Beziehungen andrrSwo eine Spannung erfahren hatten. Da« Festhalten Großbrttan- nie»« an den Ansichten der Mittelmächte ist gleich wünschenswerih für alle Beiheiiigien; dem Dreibunde verheißt es da« Uebergewicht zur See: England selber sichert «S die guten Dienste dreier großer Mjliiairmächte." Wir können diesen Ausführungen nur zustimmen. Bei dem Wahlkampfe zwischen Salisbury und Gladstonc handelt S1 Feirilletsir. Das Lil-mß der Geliebten. Lin« dramatische Novelle von Earl «d. Klopfer. (Nachdruck u»t Lr»»«tlftr»», »erröte».) (Fortsetzung.) Dritter Act. Schon um sieben Uhr früh fand sich Herr von Werdern im Gartrnsalon der Billa ein — in Frack und weißer Eravatte, rin riesige» Blumenbouquet in den in tadellos weiße» GlacS gehüllten Händen. Aber seine strahlende Miene verdüsterte sich um ein Bedeutende», als der zur Meldung auSgesandte Diener mit der Nachricht zurückkchrte, Fräulein von Pruck fühle sich zu angegriffen, um Jemand zu empfangen. Doch gereichte eS ihm wieder zum Trost, gleichzeitig zu ersabren, daß die junge Dame au« denselben Gründen ihre Abreise verschoben habe. Mathilde saß im Speisezimmer und gab sich den Anschein, al« löffle sie ihre Ebocolade. Sie hatte nicht geschlafen, war jetzt todtmüdr und hatte doch keinen Almenblick Ruhe. Da» Geräusch der sich öffnenden Thür machte sie zu sammenzucken; sie wagte e« nicht, sich um- und — Hermann in« Gesicht zu sehen. „Sie sind schon ans, Mathi — gnädige Frau?" Sie atbmrte aus, al» sie Hilde rg sich gegenüber sah. „Ich habe ja kein Auge zugethan" „Ich auch nicht." Dann deutete er fragend in di« Richtung von Pruck« Zimmern. „Noch immer nicht»?" Sie zockte seufzend die Achseln. „Er hat sich noch nicht gezeigt." „Diese Spannung ist schlimmer al» die fürchterlichste Gewißbeit I" »Ich kann e» auch nicht mehr ertragen. — Ist e» denn nickt gleich besser, ich Werse mich ihm zu Füßen uod sage Alle«?" „Um Himmelswillen!" «»Ich hat« ihm ja nur zu -estehru, daß ich au» falscher Scham jenen HerzenSirrtbum verschwieg, der mich einst glauben ließ, an Ihrer Seite mein Glück finden zu können." „Und wenn er nach dem Grund fragt, warum Sie geschwiegen haben?" „Dann — bekenne ich die Wahrheit: Daß ich bisher immer noch dem eigenen Herzen mißtraute, daß Ihr Bild wie ein Schemen zwischen ihm und mir stand. — Jetzt kann ich'S Ihnen ja sagen! Ich habe die ganzen zwei Jahre mit unsäglicher Angst de» Momente» geharrt, in dem wir uns wieder gegenüber stehen würden; deshalb auch wußte ich Pruck zu unserem ruhelosen Reiseleben zu be stimmen — und doch empfand ich e» wie ein mir prophe zeites unabwendbares Schicksal, Ihnen nicht für immer aus- weicken zu können. Doch als Sie endlich vor mir standen, al» ich zum ersten Male wieder mit Ihnen allein war und Sie dir Kühnheit hatten, meine Frauenehre anlasten zu wollen, — wie kam da« nur? Da fühlte ick jene Feigheit urplötzlich von mir weichen. War cS die roh« Wirklichkeit, die mich au« unbestimmten Traumen aufrüttrltr — oder wie soll ich r« sonst nennen? In dieser Srcunde erlosch meine Liebe au Ihnen, und wenn e« noch Eine« brauchte, mir da» deutlich zum Bewußtsein zu bringen, so thaten eS die Er eignisse de« gestrigen Abends. — Ich weiß jetzt, daß ich auch bi« in den letzten Winkel meine» Herzen«, bis in den ver borgensten Gedanken rein dasteben kann vor meinem Gatten!" Er wandte sich mit einem Ruck um, sab sie groß an und sagte dann freudig erschüttert: „Ich — danke Ihnen für diese- erlösende Wort! Sie haben mir damit den größten Theil von der Last meiner Schuld abgenommen." „Und soll ich ibm da« nicht sagen? Jetzt, wo ich weiß, daß ich ihn liebe, so innig, so ganz ander», al- ick jemal» eine Liebe ahnte, — wo ich mit jedem Athemzug fühle, daß ich ihm angeböre und nur mehr mit und in ihm leben kann?!" „Und doch — jetzt ist e» zu spät. Er wird Ibnen nicht mehr glauben; er wird Ihnen einfach entg^nen: So sprichst Du jetzt — weil Du einen vernichtenden Beweis in meinen Händen weißt!" — Sie verhüllte da» Gesicht mit den Händen. — „Ja, wenn Sie ihm da» noch gestern gesagt hätten, indem Sie ihn gleichzeitia selbst auf den Inhalt diese« fürchterlichen Eonverl» anftoerksam gemacht hätte» ... Sie hob fast zornig da» bleiche Haupt. „Da verstand noch kaum den Uniwandlung-proceß, der in mir vor- - und die Angst, die mir keine Zeit zur Ucberlegung ieß .... Aber muß ihn denn nicht mein ganze- Wesen überzeugen? Ick werde Worte finden, wie sie nur der Wahrheit zu Geoote stehen und er muß mir glauben!" Er breitete rathloS die Arme au«. „Es ist möglich — aber nicht wahrscheinlich. Es wäre doch ein zu gewagte« Experiment. — Nein, nein, c« ist doch noch besser, wir hoffen auf einen glücklichen Zufall." Da trat Käthe durch die zweite Thür de» Gemache« aus ihrem Zimmer, den Beiden traurig zunickcnd. „Aus einen Zufall?" sagte Mathilde mit schmerzlichem Lächeln, Hilberg erwidernd. „Der ihn vielleicht doch noch abgehalten haben könnte, den Brief zu öffnen." „Sie wissen also noch immer nicht«?" fragte Käthe müde, langsam an Len Tisch hrrantretcnd. Mathilde schüttelte verneinend den Kopf. „Er hat sein Zimmer noch nicht verlassen." „Nun, ist nicht da» schon rin gute« Zeichen?" rief Hil- berg, bemüht, den Andern eine Zuversicht einzuimpfen, die er selbst nickt besaß. „Könnte er denn schlafen — mit diesem Gedanken?" Käthe drückte daS Kinn an die Brust. „Freilich; e- würde ihn — tödtlich getroffen haben...." Mathilde fuhr empor, von einem grauenhaften Gedanken "griffen. „Ah! Wa« sagst du da? ... Heilige Barmherzig krit! dann, dann hat er vielleicht —" „WaS denn?" „Er hat sich — ein Leid angethan...?k" „Oh!" „Nicht doch, wie können Sie nur denken!" rief Hilberg, ich diese« Gedanken» erwehrend, folgte aber doch mit nicht ehr sicheren Schritten den beiden Damen, die wie aufge- chcnchte« Wild au» dem Speisezimmer nach dem anstoßenden Salon stürzten. Mit entsetzlicher Angst auf dem Gesichte horchte dort Mathilde an der Thür ivre» Manne» uod guckte endlich durch das Schlüsselloch, während sich die beiden Anderen gespannt ansabcn. „Nun?" flüsterte Käthe. Mathilde kam erleichtert zurück. „Er lebt; er — zieht sich soeben an!" „Na, also!" meinte Hilberg, „wir brauchen die Flinte noch nicht >nS Korn zu werfen. — Bleiben wir nur hier! Waö nützt cS uns de»», wenn wir ihm auSweichen? 3m Gegentbeil, e- ist iiothwendig. daß wir ihn gleich bei seinem Austritt mit möglichster Unbefangenheit empfangen." Malbilde wsschte sich mit dem Taschentuch über da» ver störte Gesicht und suchte sich zu sammeln. Dann trat sic zwischen die Beiden. „Aber was geschieht denn nun mit Euch — in der singirtcn Liebesgeschichte? Daran haben wir noch gar nicht gedackt." „Nun", siel Käthe sehr lebhaft ein, „wenn das Unglück nickt auszuhalten ist, so fällt ja dieses Lügenmärchen von selbst zusammen." Da trat Hilberg näher herzu. „Aber gesetzt den Fall, e» gelingt uns, die Entdeckung glücklich abzuwenden — und Ibr Vormund verlangt nun die Veröffentlichung der Ver lobung ... ? " „?bo!" „Wenn dadurch allein noch Rettung möglich wäre?" Sie warf trotzig den Kops in den Nacken und kehrte dem Doctvr den Rücken. Mathilde faßte sie bewegt an beiden Händen. „Kind, ich habe nicht den Muth, diese« Ovftr von Dir ru verlangen, aber — wenn cS sonst kein AuSkunftS- mittel gäbe?" „Wir müssen ein- suchen!" rief Käthe, sich losmachend, und wandte sich dann entrüstet an Hilberg: „Herr Doctor, wenn ich überhaupt gewußt hätte, daß Sir gleich um meine Hand anhalten würden ..." „So hätten Sie uns Ihre unschätzbare Intervention versagt?" „Ganz gewiß." „Aber — blieb mir denn etwa» Andere- übrig? — Die Situation war für Sie so compromittirend wie möglich,
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